DER ULL und die PLIMPIS

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„Eure durchlauchtigste Morgentauprinzessin, wir fühlen uns sehr geehrt, dass Ihr zu uns gekommen seid.“
„Bleib cool, Alter. Ist ja eine nette Begrüßung, aber ich glaube, die gilt nicht mir.“ Das Wesen kratzte an den Bartstoppeln herum. „Tut mir leid, dass ihr euch so viel Mühe gemacht habt. Aber ich bin nur die Vertretung. Die Morgentauprinzessin kann nicht kommen.“
Die Köchin Mathilde schnappte nach Luft, und die Zofen mussten die Königin stützen, damit sie nicht in Ohnmacht fiel.
Mister Fletcher setzte seine strenge Amtsmiene auf. „Und wer seid Ihr?“
Das Wesen grinste ihn an. „Ich bin Ull, ein ganz normaler Typ. Keine Durchlaucht oder so was. Einfach Ull. Ich bin sozusagen die Vertretung. Ihr wisst ja wie es so ist mit Prinzessinnen. Ganz hübsch, aber super empfindlich. Ein bisschen Kopfschmerzen, und schon hat sie sich krank gemeldet. Na ja, da haben sie eben auf die Schnelle keinen anderen gefunden als mich. Ich soll sie dieses Jahr hier vertreten. Ist schon klar, dass das alles nicht so richtig hinhaut, weil ich ja nun mal ein Kerl bin. Aber wir werden das schon irgendwie auf die Reihe kriegen. Ich bin auch nicht gerade begeistert davon. Zu Hause könnte ich es mir gemütlich machen. Aber Schwamm drüber.“ Ull kratzte sich am Kopf, so dass seine Haare in allen Richtungen vom Kopf abstanden.
„Aber das Allerschlimmste ist, dass sie mich in dieses Kleid gesteckt haben. Ich konnte mich nicht wehren, drei Mann haben mir das Ding übergezogen. Und erst diese Perücke! Die juckt und beißt, als hätte sich da eine ganze Horde von Flöhen einquartiert.“ Wieder kratzte Ull an seinem Kopf herum und zerrte dann an dem Kleid. „Erst einmal muss das Ding hier weg. Das ist ja zum aus der Haut fahren.“
Ull versuchte, mit einer Hand den Reißverschluss hinten am Kleid zu erreichen. Da huschte Josefine nach vorn und machte einen kleinen Knicks. „Ich bin Josefine, die Zofe der Königin. Es wäre mir eine Ehre, Euch behilflich zu sein.“ Sie lief feuerrot an, ganz erschrocken über ihre eigene Kühnheit.
„Josefine – ein hübscher Name“, sagte Ull. Er drehte ihr den Rücken zu, und sie werkelte emsig am Reißverschluss des Kleides herum. Dann trat sie einen Schritt zurück und drehte verlegen den Kopf zur Seite.
Ull zwinkerte ihr zu. „Keine Panik, ich hab unter dem Kleid meine normalen Sachen an.“ Er röhrte ein lautes Lachen, das in einen gewaltigen Husten überging.
„Es hatte ziemlich trockene Luft da oben“, murmelte er und suchte nach einem Taschentuch, das aber offenbar nicht zur Hand war. Lautstark zog er die Nase hoch.
Josefine war ganz entsetzt über seine schlechten Manieren. Aber gleichzeitig fand sie ihn auch sehr interessant. Sie zupfte an ihrem Kleid herum und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Sicher sehe ich furchtbar aus, dachte sie. Da fiel ihr Blick auf Antonio, der zornig die Hände zu Fäusten geballt hatte. Er sah so aus, als wolle er sich gleich auf diesen frechen Kerl stürzen. Josefine machte sich ganz klein und verdrückte sich schnell in der Menge der Plimpis.
Wie ein zerplatzter Luftballon fiel das Rüschenkleid zu Boden. „Aaah, das fühlt sich schon viel besser an.“ Ull krempelte die Ärmel seines schwarzen Hemdes herunter und stopfte die Hemdzipfel in die ebenfalls schwarze Hose. Dann verschwand er in seinem Fahrzeug. Er wühlte dort eine Weile herum und zog schließlich einen gewaltig großen Schrankkoffer heraus. Antonio staunte nicht schlecht. Das Ding sah ganz schön schwer aus, aber dieser Ull hielt es ganz locker mit einer Hand. Muskeln hatte er, das musste man ihm lassen. Auch die Plimpis waren kräftig, und er als Anführer der Leibgarde war stolz darauf, richtig durchtrainiert zu sein. Aber ob er es mit diesem Besucher aufnehme konnte? Na, das wird sich bald zeigen, dachte er finster.
Noch immer standen die Plimpis da wie angewurzelt. Sogar Mister Fletcher hatte es jetzt die Sprache verschlagen.
„Gibt’s hier keinen Gepäckträger?“, fragte Ull. „Würd‘ mich ziemlich enttäuschen. Man hat mir eine Erste-Klasse-Behandlung zugesagt. Hab‘ mich schon darauf gefreut.“
Er klopfte Mister Fletcher kräftig auf den Rücken, so dass der fast vornüber gefallen wäre. Der schnipste mit den Fingern, und sofort traten vier Mann der königlichen Garde vor. Mit vereinten Kräften luden sie den Schrankkoffer auf ihre Schultern.
Ull baute sich breitbeinig vor dem König auf. „Guten Abend, Herr König. So wie ich das sehe, bist du wohl der Chef der Truppe. Also noch mal ganz langsam: Die Morgentauprinzessin ist verhindert. Also hab‘ ich den Job hier übernommen.“ Er wischte seine rechte Hand an der Hose ab und hielt sie dem König hin. Automatisch griff der danach und betrachtete dann irritiert die klebrigen Stellen auf seiner Rechten.
„Hm, ja, also“, stotterte er herum. „Dann ein herzliches Willkommen. Danke, dass Sie aushelfen. Es wäre ja eine Katastrophe, wenn der Besuch der Mor…, also, tja, wenn der Besuch ausgefallen wäre.“ Er schüttelte den Kopf, wobei niemand wusste, was schlimmer war: Dass der Besuch um ein Haar ausgefallen wäre oder sein Entsetzen über diesen merkwürdigen Ull.
Der Rückweg über die Wiese lief lange nicht so geordnet wie der Hinmarsch. Ull scheuchte Mister Fletcher vor sich her, denn er hatte es eilig. Sein Magen knurrte wie ein wütender Hund. Und vor lauter Durst war seine Zunge schon ganz verschrumpelt. Empört trippelte der Minister auf seinen viel kürzeren Beinen, so schnell er nur konnte. Die Glühwürmchen umschwirrten das Volk wie eine kleine Lichtwolke. Jeder hatte es nun eilig. Denn keiner wollte verpassen, wie es mit dem Ull weiterging. Ganz zum Schluss hüpften die ‚Super Grillen‘, die sich mit ihren Musikinstrumenten abschleppten. Wegen der großen Eile kamen sie total aus dem Takt. Die Musik klang ziemlich jämmerlich und hörte schließlich ganz auf. Fridolin hatte sich das weiße Rüschenkleid unter den Arm geklemmt, das der Ull einfach auf der Wiese hatte liegen lassen. So schnell er konnte, lief er hinter den anderen her.
So wurde aus dem feierlichen Einzug in die Burg, den sich Mister Fletcher so schön ausgemalt hatte, ein ziemliches Gerenne und Geschubse. Und er überlegte, warum es dieser Ull eigentlich so eilig hatte. Da stimmte doch etwas nicht. Und wenn da was nicht stimmte, dann würde er es herausfinden, so wahr er Minister war.
Schwer atmend lehnte er sich an die Eingangspforte der Burg und war froh, dass dieser Marsch ein Ende hatte. Wie man es mit diesem Ull einen ganzen Monat aushalten sollte, konnte er sich nicht vorstellen.
„Rrrums“, machte es da neben ihm. Ull rieb sich den Kopf, den er sich am Türbalken angeschlagen hatte. „Diese Burg ist für einen wie mich einfach zu klein, das weiß ich jetzt schon“, murmelte er. Er betastete vorsichtig die Stelle an seinem Kopf, an der sich eine große Beule zu bilden begann. „Wie ich es hier einen ganzen Monat aushalten soll, kann ich mir nicht vorstellen.“
Und so waren Mister Fletcher und der Ull das erste Mal der gleichen Meinung, auch wenn sie es gar nicht wussten.
Viertes Kapitel, in dem der Ull eine Rede halten soll
Ull hatte Hunger und Durst, und so langte er tüchtig zu. Schüssel und Teller mit leckerem Essen wurden vor ihn hingestellt. Die Plimpis hatten sich vor dem Ehrentisch versammelt und sahen staunend zu, welche Mengen er verdrücken konnte. Als es ihm nicht schnell genug ging mit Messer und Gabel, nahm er sich einen großen Löffel und schaufelte damit alles in seinen Mund. Sein Fuß wippte dabei munter im Takt der Lieder, die die Super Grillen spielten.
„Eine große Klappe hat er, das ist schon mal sicher“, murmelte Mister Fletcher. Erst als der zweite große Krug mit Limonade ausgetrunken war, lehnte sich der Gast in seinem Sessel zurück und strich zufrieden über seinen Bauch. Der war jetzt rund und prall.
„Gutes Futter gibt es hier“, sagte er anerkennend und musste ein bisschen aufstoßen. Die Königin zog entrüstet die Augenbrauen hoch, aber sie schwieg. Er war ja schließlich der Ehrengast. Mister Fletcher machte ein enttäuschtes Gesicht, als er sah, dass die Schüssel Kleeblütensirup ratzeputz leer gegessen war. Er hatte darauf gehofft, sich später noch einmal in die Küche zu schleichen und sich die Reste zu holen. Nun ja, Gastfreundschaft ging vor.
Erwartungsvoll schauten nun alle auf Ull, der satt und träge da saß. Seine Augen waren schon halb geschlossen vor lauter Müdigkeit. Aber als er ihre erwartungsvollen Blicke sah, wurde ihm ganz heiß. Die Rede, natürlich, man erwartete eine Rede von ihm. Warum bin ich auch auf meinem Weg zur Erde eingeschlafen, dachte er verzweifelt. Er hätte sich überlegen sollen, was er jetzt sagte. Aber auf dem verknautschten Zettel, den er aus der Hosentasche zog, stand nur „Meine lieben Plimpis, vielen Dank für den freundlichen Empfang.“ Krampfhaft überlegte er, was er sonst noch sagen könnte. Er schaute in die vielen fremden Gesichter und stand langsam auf. „Ich bin froh, dass ich endlich hier bin, das war eine lange Reise. Und das Essen hier ist echt gut. Tja, und jetzt bin ich müde.“ Er gähnte ausgiebig. Als ihn die Königin böse anschaute, hielt er sich schnell die Hand vor den Mund.
„Weil ich nur die Vertretung bin, wird euch dieser kleine Mann da drüben genau erklären, wie es weitergeht.“ Er zeigte auf Mister Fletcher. „Ich muss mich erst mal ein paar Stunden aufs Ohr hauen. Nichts für ungut, aber nun bin ich wirklich ziemlich fertig.“
Mister Fletcher wurde blass. Es ärgerte ihn maßlos, dass er nicht besonders groß war, selbst für einen Plimpi. Schließlich war er der Minister, und eigentlich sollten alle zu ihm aufblicken.
Ull plumpste in seinen Sessel zurück. Er fand sich ziemlich gut. Immerhin hatte er ein paar Worte gesagt. Sollte dieser Herr Minister ruhig erklären, was Sache war. Vielleicht würde er selbst dann auch besser durchblicken, weshalb er überhaupt hier war. Es war alles ziemlich schnell gegangen, als man ihn losschickte. Und er hatte nur die Hälfte davon verstanden, um was es bei diesem ganzen Brimborium eigentlich ging.
Mister Fletcher trat vor. Er wippte ein wenig mit den Füßen und faltete die Hände hinter seinem Rücken.
„Nun, liebes Volk, dies ist nicht der erste Besuch einer Morgentauprinzessin, den ich erlebe“, begann er und warf Ull einen unfreundlich Blick zu. „Und so kann ich Euch einiges darüber erzählen. Wie Ihr wisst, gibt es viele Menschen auf der Erde, gute und schlechte, nette und böse. Es ist wohl typisch für die Menschen dass sie sich oft Sorgen machen und in schwierige Lagen kommen, wo sie Hilfe benötigen.“ Er schaute wieder zu Ull hinüber und machte ein mürrisches Gesicht.
„Die Morgentauprinzessin wird einem Menschen Hilfe gewähren. Sie hat besondere magische Kräfte und kann vieles tun, das weder wir noch die Menschen fertigbringen. Aber trotzdem können wir auch etwas tun. Unsere erste Aufgabe wird sein, den Menschen zu finden, dem die Mor…,hmhm, der Herr Ull helfen wird. Es muss jemand sein, der freundlich ist und ein gutes Herz hat. Und er darf keine eigene Schuld an seiner Notlage haben. Wir haben nicht viel Zeit mit unserer Suche. Deshalb wird morgen früh eine Audienz stattfinden. Jeder, der einen Vorschlag hat, wird gehört werden. Ich denke, das ist für heute alles. Nun geht zu Bett, damit ihr morgen ausgeschlafen seid. Denn das wird ein anstrengender Tag werden.“
Mister Fletcher drehte sich zu Ull um, um zu sehen, ob der zufrieden war mit seiner Rede. Aber der hatte die Augen geschlossen, und sein regelmäßiges Atmen verriet, dass er tief und fest eingeschlafen war. Der Minister zuckte mit den Schultern. Das hätte er sich ja denken können, dass dieser Kerl noch nicht einmal zuhörte.
Auf seinen Wink traten einige Männer der Leibgarde vor und bugsierten den leise vor sich hin schnarchenden Ull aus dem großen Saal in ein Zimmer, das für ihn vorbereitet worden war.
Die Plimpis standen noch eine Weile zusammen und unterhielten sich aufgeregt über die Ereignisse des Abends. Aber dann wurde einer nach dem anderen müde, und der Saal leerte sich. Als letzter ging Fridolin, der zwischendurch in einer Ecke schon einmal ein Nickerchen gemacht hatte, herum und löschte die Lichter aus. Dann rollte er sich in seine Decke ein und war sofort eingeschlafen.
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