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Prof. Dr. Lothar Mikos lehrt Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam.
Lothar Mikos
Film- und Fernsehanalyse
3., überarbeitete und aktualisierte Auflage
UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz
mit UVK / Lucius · München
Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
1. Auflage 2003
2. Auflage 2008
3. Auflage 2015
© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2015
Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Einbandmotiv: © mikkelwilliam – iStockphoto LP
Lektorat und Satz: Karin Dirks, Berlin
UVK Verlagsgesellschaft mbH
Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz
Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98
www.uvk.de
UTB-Band Nr. 2415
ISBN 978-3-8252-4467-5 (Print)
ISBN 978-3-8463-4467-5 (EPUB)
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
Inhalt
Vorwort zur 3. Auflage
Einleitung
Teil I: Theorie und Methodik
1. Die Kommunikationsmedien Film und Fernsehen
1.1 Film- und Fernsehverstehen
1.2 Film- und Fernseherleben
1.3 Zitierte Literatur
2. Erkenntnisinteresse
2.1 Inhalt und Repräsentation
2.2 Narration und Dramaturgie
2.3 Figuren und Akteure
2.4 Ästhetik und Gestaltung
2.5 Kontexte
2.6 Zitierte Literatur
3. Systematik der Analyse
3.1 Operationalisierung
3.2 Arbeitsschritte
3.2.1 Hilfsmittel
3.2.2 Auswertung
3.2.3 Präsentation
3.3 Zitierte Literatur
Teil II: Film- und Fernsehanalyse
1. Inhalt und Repräsentation
1.1 Plot und Story I
1.2 Raum und Zeit
1.3 Interaktionsverhältnisse
1.4 Situative Rahmungen
1.5 Zitierte Literatur
2. Narration und Dramaturgie
2.1 Plot und Story II, Sujet und Fabel
2.2 Horizontale und vertikale Dramaturgie in Fernsehserien
2.3 Spannung und Suspense
2.4 Komik
2.5 Bedrohung
2.6 Zitierte Literatur
3. Figuren und Akteure
3.1 Personen und Rollen
3.2 Identifikation
3.3 Empathie und Sympathie
3.4 Parasoziale Interaktion
3.5 Immersion
3.6 Zitierte Literatur
4. Ästhetik und Gestaltung
4.1 Kamera
4.2 Licht
4.3 Schnitt und Montage
4.4 Ausstattung
4.5 Ton und Sound
4.6 Musik
4.7 Visuelle Effekte und Spezialeffekte
4.8 3D-Ästhetik
4.9 Zitierte Literatur
5. Kontexte
5.1 Gattung, Genre und Format
5.2 Intertextualität vs. Transmedia Storytelling
5.3 Diskurse
5.4 Lebenswelten
5.5 Produktion und Markt
5.6 Zitierte Literatur
Teil III: Beispielanalysen
1. Handlungsleitende Themen in »Terminator 2 – Judgement Day«
2. Blockbuster als Metagenre: »Der Herr der Ringe«
3. Transtextualität im Marvel Cinematic Universe
4. Hybridität in Fernsehformaten: »Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!« und »Game of Thrones«
5. Adaptionsstrategien in Showformaten: »Germany’s Next Topmodel« und »Wer wird Millionär?«
6. Dichte Erzählung: Spannungsinszenierung in »24«
Anhang
1. Literatur
1.1 Film- und Fernsehanalyse
1.2 Filmtheorie
1.3 Fernseh- und Medientheorie
1.4 Genretheorie
1.5 Intertextualität und Transmedia Storytelling
1.6 Diskurstheorie
1.7 Lebenswelt
1.8 Film- und Fernsehmarkt
2. Index
2.1 Abbildungen
2.2 Filme und Fernsehsendungen
2.3 Sachregister
Vorwort zur 3. Auflage
Wenn die dritte Auflage eines Lehrbuches gedruckt wird, scheint es den Leserinnen und Lesern nicht nur zu gefallen, sondern sie können es offenbar auch sinnvoll nutzen. Daher gilt mein Dank allen bisherigen Leserinnen und Lesern, ohne die es keine weitere Auflage geben würde. Seit dem Erscheinen der zweiten Auflage dieses Buches sind sieben Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich nicht nur die Film- und Fernsehlandschaft stark gewandelt, auch die Film- und Fernsehwissenschaft ist zu neuen Erkenntnissen gekommen. Das vorliegende Buch wurde daher dementsprechend aktualisiert. Einige Kapitel sind neu hinzugekommen (II-2.2, II-4.8), einige Kapitel wurden stark überarbeitet (II-3, II-5.2, II-5.5). Neue Beispielanalysen gehen auf aktuelle Trends in Film und Fernsehen ein.
Wissenschaftliche Erkenntnisse, die in ein Lehrbuch einfließen, entstehen nur selten in einsamer Lektüre- und Denkarbeit, sondern im kommunikativen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, Studentinnen und Studenten. Daher gebührt mein Dank allen, mit denen ich in den vergangenen Jahren Probleme der Film- und Fernsehanalyse diskutieren durfte. Sie alle namentlich zu erwähnen würde den Rahmen sprengen. Danken möchte ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Workshops der Television Studies Section der European Communication Research and Education Association (ECREA) und der Popular Culture Working Group der International Association for Media and Communication Research (IAMCR) für anregende Diskussionen, konstruktive Kritik und weiterführende Fragen.
Die Diskussionen mit der »Babelsberger Crew« im Rahmen verschiedener Studien, namentlich Stefanie Armbruster, Sanne Eichner, Regina Frieß, Lea Gamula, Katja Herzog, Anna Jakisch, Jesko Jockenhövel, Anna Jurzik, Nicole Kühner, Elizabeth Prommer, Alexander Rihl, Stefano Semeria, Claudia Töpper, Verena Veihl, Lars Verspohl, Lutz Warnicke, Michael Wedel, Claudia Wegener, Dieter Wiedemann, Peter Wuss und Yulia Yurtaeva, haben zahlreiche neue Anregungen gebracht und viel zur Ordnung meiner Gedanken beigetragen. Dies gilt insbesondere auch für die Kolleginnen und Kollegen, die an ihren Hochschulen und auf Konferenzen mit mir diskutierten: Ilona Ammann, Joan Kristin Bleicher, Uwe Breitenborn, Hanne Bruun, Göran Bolin, José Manuel Damasio, Matilde Delgado, Alexander Dhoest, Andrea Esser, Klaus-Dieter Felsmann, Iliana Ferrer, Kirsten Frandsen, Maya Götz, Conrad Heberling, Stan Jones, Richard Kilborn, Barry King, Edward Larkey, Peter Lunt, Ulrich Michel, Kathrin Müller, Hugh O’Donnell, Corinna Peil, Marta Perrotta, Gina Plana Espinet, Eric Pommer, John Pommer, Emili Prado, Eva Redvall, Cornel Sandvoss, Kim Christian Schrøder, Jeanette Steemers, Hans-Jörg Stiehler, Hilde van den Bulck, Anne Marit Waade, Ingela Wadbring, Rainer Winter und Elke Weissmann. Dank gebührt auch der immer hilfsbereiten Mitarbeiterin der Bibliothek der Filmuniversität Babelsberg, Kirsten Otto, und den besten Buchhändlern Berlins, Christiane Fritsch-Weith vom Buchladen am Bayerischen Platz und Joachim Weiduschat vom Bücherbogen, die zuverlässig die benötigte Lektüre besorgten.
Linda Brezinski, Julia Fidel, Evelin Haible, Katja Herzog, Juliane Kranz und Verena Veihl leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Fertigstellung des Manuskripts dieser und vorheriger Auflagen. Sonja Rothländer von UVK begleitet das Projekt seit der ersten Auflage mit Geduld und sachkundiger Kritik. Besonderer Dank gilt Karin Dirks, die alle Kapitel lektorierte und das Layout besorgte. Ich widme dieses Buch dem Masterjahrgang 2010 (Anna Luise, Benjamin, Carolin, Christina, Christine, Daniel, Daniela, Esra, Kim, Lydia, Talea und Tobias) sowie Anna Luise, Benjamin, Carolin, Christina, Christine, Daniel, Daniela, Esra, Kim, Lydia, Talea und Tobias) sowie Alex, Andreas, Anna, Antonia, Charlotte, David, Dominik, Donika, Eva, Francesca, Franziska, Frida, Gregor, Hauke, Hella, Jo, Joe, Johanna, Julia, Julian, Juliane, Karolin, Katharina, Katha, Kristin, Lea, Lennart, Leonie, Linda, Lukas, Max, Paula, Peter, Philipp, Rahel, Robert, Sandra, Sarah, Signe, Silya, Sophia, Stefanie, Susanne, Svenja, Theresa, Tim, Wietske und Yvonne. Es war eine schöne und produktive Zeit mit Euch, danke.
Berlin, im Juli 2015
Einleitung
Die Beschäftigung mit Filmen und Fernsehsendungen erfreut sich großer Beliebtheit, wie die Flut an Publikationen zu diesem Themengebiet zeigt. Essayisten, Journalisten oder Wissenschaftler äußern An- und Einsichten, die sie einerseits aus eigener Anschauung von Filmen und Fernsehsendungen, andererseits aus der Reflexion gewinnen, indem sie über das Gesehene nachdenken und es in theoretische, historische oder pragmatische Zusammenhänge einordnen. Mit anderen Worten: Sie stellen einen Film oder eine Fernsehsendung in einen Kontext. Ähnlich gehen auch die geneigte Kinogängerin und der geneigte Fernsehzuschauer vor, wenn sie sich mit dem, was sie gesehen haben, auseinandersetzen. In Gesprächen nach einem Kinobesuch wird das Gesehene bewertet und eingeordnet. Das Gleiche geschieht beim Austausch über eine Fernsehsendung. Den britischen Medienwissenschaftler Martin Barker hat das zu der Feststellung verleitet: »Jeder analysiert Filme« (Barker 2000, S. 1). Doch wenn jeder Filme analysiert, stellt sich die Frage, worin sich die wissenschaftliche Analyse von der alltäglichen unterscheidet.
Im Fremdwörter-Duden heißt es zum Stichwort »Analyse«: »systematische Untersuchung eines Gegenstandes od. Sachverhalts hinsichtlich aller einzelnen Komponenten od. Faktoren, die ihn bestimmen« (Duden 2010, S. 83). Auf Filme und Fernsehsendungen bezogen bedeutet dies, dass alle Komponenten oder Faktoren, die einen Film oder eine Fernsehsendung ausmachen, untersucht werden müssen, und zwar systematisch. Das unterscheidet die wissenschaftliche Analyse von der alltäglichen, die eher unsystematisch vorgeht und sich häufig auf einen gesamten Film bezieht, nicht aber seine einzelnen Komponenten untersucht. Im Alltag werden Filme und Fernsehsendungen zudem häufig inhaltlich interpretiert. Dabei wird ihnen ein subjektiver Sinn zugewiesen. Wissenschaft sollte aber nicht auf die Bildung von subjektivem Sinn, sondern auf die Produktion von objektivierter Erkenntnis, die intersubjektiv nachvollziehbar ist, abzielen. Ziel dieses Buches ist es daher, theoretisches Rüstzeug und methodisches Handwerkszeug für die systematische Untersuchung von Filmen und Fernsehsendungen zur Verfügung zu stellen.
Damit ist ein weiteres Ziel verbunden: Die Fähigkeit zur Analyse von Filmen und Fernsehsendungen trägt zur Entwicklung von Medienkompetenz in weiterem Sinn bei (vgl. Bienk 2006, S. 23 ff.; Frederking 2006; Henzler/Pauleit 2009; Kamp/Braun 2011; Mikos 2005 sowie die Beiträge in Barg u.a. 2006; Marotzki/ Niesyto 2006). Sie ist nicht nur eine »Schule des Sehens« (Schnell 2000, S. 1 ff.), sondern fördert auch »Prozesse des Mitbedenkens« (Boeckmann 1996, S. 37). Dazu gehört die Erkenntnis, dass »jede mediale Repräsentation eine subjektive Konstruktion ist, die aus einer Fülle möglicher Darstellungen herausgewählt wurde und die auch von Interessen bestimmt ist« (ebd., S. 36). Außerdem gehört die Einsicht dazu, dass sich Filme und Fernsehsendungen immer an ein Publikum richten, mal an ein unspezifisches, mal an ein genau definiertes in Form einer speziellen Zielgruppe. Bei Filmen und Fernsehsendungen sind die Prozesse des Mitbedenkens in dreifacher Weise zu leisten: erstens im Hinblick auf die Intentionen, die von Produzentenseite oder institutionell (z.B. Fernsehsender, Hollywoodstudio) hinter den Medienprodukten stehen, zweitens – die Struktur der Filme und Fernsehsendungen betreffend – im Hinblick darauf, welche Funktion die einzelnen Komponenten in Bezug auf den gesamten Film oder die gesamte Fernsehsendung haben, und drittens, welche Funktion diese Komponenten für das Publikum haben. Dieser letzte Aspekt weist darauf hin, dass die in diesem Buch vorgestellten Grundlagen der Film- und Fernsehanalyse auf einem Verständnis von Film und Fernsehen als Kommunikationsmedien basieren. Filme und Fernsehsendungen entstehen in diesem Sinn erst im Kopf ihrer Zuschauer. Denn nur wenn sie gesehen werden, treten sie in einen Kommunikationsprozess ein. Bereits der französische Regisseur und Filmkritiker François Truffaut (1972, S. 100) stellte einst fest: »Wenn ein Film einen gewissen Erfolg hat, ist er ein soziologisches Ereignis und die Frage seiner Qualität wird sekundär.« Allerdings wird hier davon ausgegangen, dass es die Qualitäten der Textstrukturen sind, die den Erfolg eines Films wesentlich beeinflussen, denn sie sind für die Interaktion mit den Zuschauern zentral. Die Analyse zielt daher darauf ab, die Strukturen von Filmen und Fernsehsendungen funktional im Rahmen der Kommunikationsprozesse zu betrachten, in die sie eingebunden sind. Es geht also um eine kommunikationswissenschaftliche Fundierung der Film- und Fernsehanalyse. Das unterscheidet die hier vorgestellte Film- und Fernsehanalyse von anderen Einführungen und Lehrbüchern.
In der Filmanalyse wurde bisher angeregt durch die seit den 1960er Jahren starke theoretische Beschäftigung mit Film, vor allem aus der wissenschaftlichen Perspektive der Semiotik, in Anlehnung an die Linguistik versucht, grammatikalische, syntaktische und semantische Strukturen des Films – die »Sprache des Films« – zu untersuchen. Bereits frühe Filmtheoretiker wie Wsewolod Pudowkin (1928, S. 9) hatten die Art des Zusammenfügens der Filmbilder, die Montage, als »Sprache des Filmregisseurs« bezeichnet und verglichen die Kombination der Filmbilder mit dem Satz in der Sprache (ebd.). Dieser Ansatz wurde in den 1960er und 1970er Jahren durch Semiotiker wie Christian Metz (1972) weiterentwickelt und dann in den Einführungen zur Filmanalyse aufgegriffen. Allerdings hatte Metz (ebd., S. 148) bereits darauf hingewiesen, dass die filmischen Strukturen lediglich denen der Sprache ähneln. Von einer »Filmsprache« oder »Sprache des Films« zu sprechen hat dann lediglich metaphorischen Charakter. Der Literaturwissenschaftler Ralf Schnell folgert daraus: »Die Erzählformen des Films beruhen nicht auf linguistischen Strukturen, sondern entstehen aus technischen Mitteln, die ihrerseits Stiltraditionen generieren« (Schnell 2000, S. 183). Dennoch hat die Rede von der »Filmsprache« bzw. der »Fernsehsprache« weiterhin Konjunktur (vgl. Bienk 2006; Jost/Kammerer 2012; Marshall/Werndly 2002; Wharton/Grant 2007), und es wird davon ausgegangen, dass die Verwendung filmischer Codes auf Sprache basiert (Kuchenbuch 2005, S. 98 ff.), die Beschreibung von filmischen Darstellungsweisen auf linguistische Strukturen zurückgreift (Branigan 2006), und das »Zeichensystem des Films« (Beil u.a. 2012, S. 11) die Grundlage semiotischer Filmanalysen ist (vgl. Gräf u.a. 2011; Kanzog 2007). Im vorliegenden Buch geht es nicht darum, die »Filmsprache« oder die »Fernsehsprache« zu analysieren, sondern die Mittel, die ein Film oder eine Fernsehsendung einsetzt, um mit den Zuschauern zu kommunizieren. Dabei spielen inhaltliche, darstellerische, dramaturgische, erzählerische und ästhetisch-gestalterische Mittel ebenso eine Rolle wie die Kontexte, in die filmische Strukturen und Zuschauer eingebunden sind. Filmische Strukturen sind während einer Analyse immer auf dreifache Weise zu befragen: erstens im Hinblick auf die inhaltliche und erzählerische Kohärenz eines Films, zweitens im Hinblick auf die gestalterischen Mittel, die auf die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung der Zuschauer zielen, und drittens im Hinblick auf den kommunikativen Prozess und dessen Kontexte, denn der Sinn eines Films oder einer Fernsehsendung realisiert sich erst in der Rezeption durch Zuschauer. Die »Sinnhaftigkeit« von Filmen und Fernsehsendungen existiert nicht als quasi objektive faktische Gegebenheit, sondern wird erst während des Zuschauens vom Zuschauer hergestellt.
Die Bücher zur Filmanalyse, die seit den 1980er Jahren erschienen sind (vgl. Beil u.a. 2012; Faulstich 1988; Faulstich 2002/2013; Hickethier 1993/2012; Kamp/Braun 2011; Keutzer u.a. 2014; Korte/Faulstich 1988; Korte 1999/2010; Kuchenbuch 2005; Monaco 1980/2009), verfolgen zwar einen etwas weiteren Ansatz und greifen auch auf neuere Filmtheorien aus dem angelsächsischen Raum zurück (vgl. Beil u.a. 2012; Kuchenbuch 2005; Kurwinkel/Schmerheim 2013), doch der kommunikative Aspekt des Films wird nur am Rand berücksichtigt. In der angelsächsischen Literatur orientieren sich die Einführungen in erster Linie an theoretischen Positionen, die eine Filmanalyse leiten können (vgl. Berger 1982/2013; Gledhill/Williams 2000; Hill/Church Gibson 1998; Hollows/Jancovich 1995; Nelmes 1996), sie stellen Einzelanalysen von Filmen in den Mittelpunkt, die verschiedene Aspekte der Analyse betonen (vgl. Barker 2000; Cardullo 2015; Carroll 1998; Elsaesser/Buckland 2002), oder sie gehen von unterschiedlichen theoretischen Standpunkten aus auf die Filme ein (vgl. exempl. die Beiträge in Collins u.a. 1993; Geiger/Rutsky 2005; Gibbs/Pye 2005). Die wenigen Ausnahmen, in denen die Techniken des Filmemachens auch im Hinblick auf die Konsequenzen für die Zuschauer genauer dargestellt werden, bestätigen die Regel (vgl. Bordwell/Thompson 1979/2013; Caldwell 2005/2010; Gillespie/Toynbee 2006; Phillips 1999; Wharton/Grant 2007 und zum Teil Salt 1983/1992; Salt 2006). Im romanischen Raum steht weiterhin die Semiotik hoch im Kurs (vgl. Bellour 1979/1995; Mitry 2000). Allerdings gibt es auch Ausnahmen (Casetti/di Chio 1990/1994; Goliot Lété/Vanoye 1992/2012), die über eine rein semiotische Analyse hinausgehen.
Die Fernsehanalyse hat im Gegensatz zur Filmanalyse bisher kaum Interesse gefunden und schlägt sich dementsprechend selten in einführenden Publikationen nieder. Die deutschsprachigen Publikationen zur Fernsehanalyse versammeln Aufsätze, die sich aus verschiedenen theoretischen Perspektiven auf Einzelaspekte des Fernsehens konzentrieren (Hickethier 1994) oder setzen sich pauschal mit verschiedenen Sendungsformen auseinander, ohne spezifische Analyseschritte zu vollziehen (Faulstich 2008). Das trifft auch auf die in Großbritannien und Italien erschienenen Bücher zu (Allen/Hill 2004; Casetti/di Chio 1997/2000; Creeber 2006; Geraghty/Lusted 1998; McQueen 1998; Miller 2002). Lediglich Knut Hickethier geht in seinem Buch »Film- und Fernsehanalyse« (1993/2012) neben dem Film explizit auf das Fernsehen ein. Im englischsprachigen Raum bieten Jonathan Bignell (2004/2012), Graeme Burton (2000), Karen Lury (2005) und Phil Wickham (2007) eine umfassende Einführung in die Fernsehanalyse. Letztere geht dabei auf Bild und Ton sowie Zeit und Raum ein.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind Filme und Fernsehsendungen nicht nur im Kino und im klassischen linearen Fernsehen verfügbar, sondern auch auf Online-Plattformen, und sie können auch mobil auf dem Tablet oder dem Smartphone genutzt werden. Die Entwicklung digitaler und mobiler Medien hat neue Möglichkeiten entstehen lassen, die Angebote auf verschiedene mediale Plattformen zu verteilen, um so das Publikum über verschiedene Nutzungsformen einzubinden. Dabei ist nicht nur am Beispiel des Fernsehens, sondern auch am Beispiel des Films zu beobachten, dass es »verschwimmende Grenzen zwischen verschiedenen Medien- und Kommunikationsanwendungen« (Hasebrink 2001, S. 105) gibt.
Diese Grenzen verschwimmen sowohl in technischer, ökonomischer, inhaltlicher und ästhetischer Hinsicht als auch mit Blick auf die Nutzung von Medienangeboten. Menschen handeln in »konvergierenden Medienumgebungen« (Hasebrink u.a. 2004, S. 10). Damit ist »die Gesamtheit der Phänomene der Konvergenz auf den verschiedenen Ebenen sowie der zunehmend ausdifferenzierten Formen von Crossmedialität« (ebd.) gemeint. In ökonomischer Hinsicht kann Konvergenz als eine »Ausweitung der kommerziellen Reichweite einzelner Filme oder Unterhaltungsangebote durch die Verbindung mit anderen Absatzmärkten« (Keane 2007, S. 2) gesehen werden, »deren ultimatives Ziel es ist, den gleichen Markeninhalt über verschiedene Medien zu verbreiten« (ebd.). Auf der Seite der Mediennutzer kommt dem das Bedürfnis entgegen, beliebte Inhalte auf verschiedenen Medienplattformen zu suchen. Das gilt offenbar besonders für Angebote, die der Unterhaltung dienen, wie Henry Jenkins bemerkt:
»Unter Konvergenz verstehe ich die Ausbreitung von Inhalten über verschiedene Medienplattformen, die Kooperation zwischen verschiedenen Medienindustrien und das nomadische Verhalten von Medienpublika, die auf der Suche nach den Unterhaltungserlebnissen, die sie wünschen, nahezu überall hingehen« (Jenkins 2006, S. 2).
Dabei zeigen sich allerdings unterschiedliche Muster der konvergenten Medienaneignung (vgl. Wagner u.a. 2006; siehe auch Göttlich 2006, S. 194 ff.; Groebel 2014, S. 79 ff.). Die Verbindung zwischen den Angeboten und der Mediennutzung wird durch eine Ästhetik transmedialen Erzählens hergestellt (vgl. Kapitel II-5.2). Für Filme und Fernsehsendungen, die auf mehreren medialen Plattformen verbreitet werden, hat sich der Begriff »Franchise« durchgesetzt (vgl. Johnson 2013) und ist am Beispiel von »Der Herr der Ringe« (Mikos u.a. 2007; Thompson 2007; Wasko 2008), »Matrix« (Jenkins 2006, S. 101 ff.) und »Star Wars« (Kapell/Lawrence 2006) untersucht worden. Bei solchen Franchise-Produkten können zwar noch die einzelnen Filme analysiert werden, doch müssen sie im Kontext der anderen medialen Ausprägungen gesehen werden. Denn der Erfolg eines Films oder einer Fernsehsendung hängt zunehmend von der Einbettung in die konvergierenden Medienumgebungen ab.