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Philipp drehte sich um. Vor ihm stand eine Frau in einem Gymnastikanzug. Philipp setzte sein freundlichstes Lächeln auf.
„Entschuldigen Sie, dass ich einfach hier eindringe, aber ich musste mein Auto reparieren!“
Erklärend hob er seine schmutzigen Hände.
„Ach, Sie Armer! Ich zeige Ihnen den Waschraum.“
Die Frau machte ihm ein Zeichen, ihr zu folgen.
„Ich habe da eine Frage. Wie lange dauert eigentlich ein Tanzgymnastikkurs?“
„Acht Wochen, aber man kann ihn verlängern.“
Philipp lachte. „Nein, das meine ich nicht. Ich wollte wissen, wie lange eine Unterrichtsstunde dauert“, erklärte er.
„Ach so! Sechzig Minuten mit einer Pause von zehn Minuten. Aber Männer nehmen wir nicht auf.“
„Ich habe auch nicht für mich gefragt, sondern für eine Bekannte. Sie interessiert sich sehr für Gymnastik, und da dachte ich...“
„Ich gebe Ihnen eine Broschüre mit. Da stehen alle unsere Aktivitäten drin. Vielleicht kommen Sie auch auf den Geschmack und begleiten Ihre Bekannte. Für Männer haben wir auch einige Kurse anzubieten. Sie finden mich im Büro.“
Philipp hörte nur mit halbem Ohr zu. Was er wissen wollte, hatte er längst erfahren. Er verabschiedete sich von der Frau und schlenderte in Richtung Ausgang.
Immer wieder schielte er zu der Tür hin, hinter der Amelie jetzt war. Als ein Gong ertönte, erschrak Philipp. Tatsächlich! Der Kurs war beendet.
Er öffnete die nächstgelegene Tür und sprang in den dahinterliegenden Raum. Durch den schmalen Spalt blickte er in den Flur.
Er entdeckte Amelie sofort. Sie trug eine enganliegende schwarze Leggins und ein rotes Sweatshirt, in dem sie wirklich toll aussah.
„Bis Donnerstag!“, rief sie einem Mädchen zu und verschwand in den Umkleidekabinen für Frauen.
Bestimmt duscht sie jetzt und zieht sich um, überlegte er. Also musste er warten, bis sie die Umkleidekabine wieder verlassen würde. Er drehte sich herum und betrachtete den Raum. Er befand sich in der Männertoilette. Wo konnte er unauffällig warten? Er entschied sich für eine Toilettenkabine, betrat den engen Raum, verschloss die Tür hinter sich und ließ sich auf die WC-Schüssel nieder.
Gelangweilt blickte er sich in der kleinen Kabine um, betrachtete amüsiert einige erotische Zeichnungen an den Wänden. Und da entdeckte er plötzlich etwas, das schlagartig sein Interesse weckte.
In der Wand befand sich ein etwa erbsengroßes Loch!
Augenblicklich war seine Neugierde erwacht.
Noch während er sich bückte, spürte er, wie sein Penis in der Hose erwachte. Es genügte allein die Vorstellung, was er vielleicht durch das Loch hindurch sehen könnte. Das Loch in der Wand übte eine magische Anziehungskraft auf ihn aus.
Langsam ging er in die Knie und presste sein Auge gegen die Kabinenwand. Sekundenlang sah er gar nichts. Aber dann erkannte er den Raum, der sich auf der anderen Seite der Wand befand.
Es waren Duschräume!
Jedoch waren die Kabinen leer.
Er wollte sich bereits erheben, als sich plötzlich eine Tür zu den Duschräumen öffnete. Zuerst sah er nur eine schlanke Gestalt, die in ein Handtuch gewickelt war. Als nächstes erblickte er lange blonde Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Dann drehte sich die Gestalt in seine Richtung. Philipp erstarrte. Es war Amelie!
Sollte das Mädchen duschen? Könnte er sie beobachten? Sein Herzschlag beschleunigte sich.
Amelie schritt zu der Duschkabine, die sich direkt gegenüber dem Loch in der Wand befand, durch die Philipp blickte. Das Mädchen öffnete den Knoten des Handtuches, streifte dieses vom Körper und hängte es an einen Haken, der sich an der Wand befand.
Philipp starrte auf den perfekt geformten Rücken, stierte anschließend auf die festen Gesäßbacken. Der Po des Mädchens wirkte auf ihn wie das siebte Weltwunder! Perfekt! Wie von den Göttern geschaffen!
Amelie betrat die Duschkabine und drehte das Wasser an. Sie prüfte die Temperatur und trat anschließend unter den Duschkopf. Während sie das tat, drehte sich ihren Körper um die eigene Achse.
Nun hatte Philipp einen freien Blick auf ihre Frontansicht!
Zuerst betrachte er den gesamten nackten Körper der Blondine. Sie war schlank gewachsen, sportlich trainiert, sicher durch regelmäßige Besuche im Fitness-Studio. Die Augen waren geschlossen und lagen unter langen, seidigen Wimpern, während das Wasser über ihren Kopf lief. Sie trug, wie er sah, keinen Ring. Ihre Hände waren schlank und feingliedrig.
Seine Augen streiften über die jungen Brüste mit den festen Nippeln. Die Vorhöfe hatten sich zusammengezogen und warfen feine, herrliche Fältchen. Er blickte tiefer, über den flachen Bauch, dann noch weiter herunter. Dort, wo sich ihre Beine trafen, bedeckte helles, gelocktes Haar ihre Schamregion. Das blonde Dreieck, deren Spitze direkt auf ihre Klitoris zu deuten schien, wirkte wie eine Einladung auf Philipp. Er glaubte sogar, trotz der Entfernung, ihre rosigen Schamlippen unter dem goldfarbigen Busch hervorschimmern zu sehen.
Nun begann sich Amelie einzuseifen. Ihre schlanken Hände verrieben das Duschgel über den Körper, bis dieser von einem weißen Schaum bedeckt waren.
Philipp konnte sich nicht länger zurückhalten!
Er öffnete seine Hose und befreite seinen harten Schwanz. Während er das blonde Mädchen betrachtete, begann er seinen Pint zu wichsen.
Amelie wusch den Schaum vom Körper, drehte den Wasserhahn ab und verließ die Duschkabine. Sie nahm das Handtuch vom Haken und begann ihren Körper abzutrocknen.
Philipp konnte sein Glück kaum fassen!
Denn die Blondine trat, während sie sich abtrocknete, sehr nahe an das Loch in der Wand. Philipp konnte ihren Körper nun noch perfekter betrachten.
Zuerst starrte er auf ihre Nippel. Aus den rosigen Warzenhöfen ragten die beiden Knospen wie kleine Dolche heraus.
Während er weiterhin seinen Penis wichste, blickte er auf ihren Venushügel. Die naturblonde Intimbehaarung zeigte in der dreieckig rasierten Form wie ein Pfeil auf das Delta ihrer Scham. Sie war so nahe an dem Loch in der Wand, dass er jedes einzelne Haar detailliert betrachten konnte.
Sie hatte ihr rechtes Bein leicht angewinkelt, die Schenkel etwas gespreizt. Er folgte den markanten Hüftknochen über ihren blonden Busch. Aus der Hautfalte ragte ganz leicht die Klitoris hervor, dann begannen die fleischigen, äußeren Schamlippen. Die inneren Lippen drückten sich leicht nach außen.
Während er in das Loch ihrer Vagina blickte, wurde er von seinem Höhepunkt überrollt. Es war wie ein mächtiger Feuersturm, es explodierte in seinem Innersten wie eine unendliche Reihe von Raketen.
Dann schoss sein Sperma aus dem Schlitz der Eichel und klatschte gegen die Wand. Philipp wurde schwarz vor Augen, so intensiv waren die Gefühle, die durch seinen Körper rasten.
Als er seine Augen wieder öffnete, durch das Loch in der Wand blickte, war der Duschraum leer. Amelie hatte den Raum verlassen.
Philipp setzte sich auf die Toilettenschüssel und atmete tief durch. Er empfand die letzten Minuten als das schönste Erlebnis seines Lebens. Amelie war in seinen Augen eine Göttin, perfekt gewachsen.
Nach einigen Minuten verließ er die enge Kabine und trat an den Ausgang. Er öffnete die Tür einen Spalt breit und wartete. Es dauerte nicht lange, dann verließ Amelie die Mädchenumkleide. Schnell verließ er die Männertoiletten und trat in den Flur.
Amelie erschrak. „Ja, wo kommst du denn her?“, wunderte sie sich, als sie Philipp entdeckte.
Er lächelte sie an. „Aus dieser Tür“, erwiderte er schelmisch. „Das nenne ich Zufall.“
Amelie strahlte ihn aus ihren dunklen Augen an. „Nun sag bloß, du machst hier Gymnastik!“
„Aber sicher! Was hast du denn gedacht?“
Philipp streckte seine Hände vor. „Wieder sauber. Was meinst du, sollen wir noch irgendwo etwas trinken? Mir ist ziemlich kalt.“
„Und mir ist ziemlich warm“, verriet ihm Amelie schmunzelnd. „Ich lade dich ein. Immerhin hast du meine Vespa wieder flottgemacht."
„So war das nicht gedacht. Eigentlich wollte ich dich einladen.“
Amelie prustete los. „Wenn wir uns noch lange darüber streiten, wer hier wen einlädt, wird nichts mehr aus unserem Kneipenbesuch. Meine Tante ist ziemlich streng.“
„Okay! Wir vertagen die Verhandlung. Wo gibt es denn hier eine passable Kneipe?“
„Zwei Straßen weiter. Es ist eine nette Bar. Ab und zu gehen wir nach dem Kurs hin.“
Wenig später fuhren sie hintereinander die Straße entlang. In der Bar war um diese Zeit noch nicht viel los, sodass Philipp und Amelie sofort einen freien Tisch ergattern konnten.
Philipp bestellte sich einen Glühwein, während Amelie nach einer Abkühlung verlangte.
„Wie heißt du eigentlich?“, meinte Amelie plötzlich.
„Bin ich ein Volltrottel!“ Philipp schlug sich an die Stirn. „Normalerweise bin ich nicht so unhöflich, aber ich habe wirklich vergessen, mich dir vorzustellen.“
Er erhob sich lachend und machte eine tiefe Verbeugung. „Ich heiße Philipp Pienen, und gehe das letzte Jahr ins Gymnasium. Im Herbst möchte ich Medizin studieren.“
Amelie ging auf seinen Tonfall ein. „Und ich heiße Amelie Schachten und gehe ebenfalls ins Gymnasium.“
Philipp ließ sich wieder auf den Stuhl fallen.
„Habe ich das richtig verstanden? Du lebst bei deiner Tante?“
Im selben Augenblick bereute er seine neugierige Frage, denn Amelie' Gesicht verdüsterte sich.
„Ja“, erwiderte sie knapp. „Ich lebe seit fast zehn Jahren bei ihr.“
Hastig nahm sie einen Schluck Mineralwasser. Philipp hätte sich ohrfeigen können. Jetzt hatte er ihre schöne Stimmung verdorben! Krampfhaft versuchte er, die Unterhaltung fortzusetzen.
„Was hältst du von Karate?“
„Karate?“ Amelie sah ihn verständnislos an. „Wie kommst du denn darauf?“
„Nun, ich habe mich im Studio danach erkundigt. Aber der Kurs ist ziemlich teuer.“
„Ich weiß. Eigentlich hätte ich mir meinen Gymnastikkurs auch nicht leisen, aber mein Vater hat ihn mir zum Geburtstag geschenkt.“
„Wann hast du denn Geburtstag?"
Gespannt wartete er auf ihre Reaktion, und diesmal hatte er nicht ins Fettnäpfchen getreten.
„Im Oktober. Am neunzehnten, um es genau zu sagen.“
„Dann haben wir beide an dem Tag ein Fest“, erwiderte Philipp strahlend. „Ich habe Namenstag und du Geburtstag. Der neunzehnte Oktober ist der Namenstag von Philipp.“
Amelie stimmte in sein Lachen ein.
„Das ist wirklich komisch!“
„Komisch? Das sollte dich eher nachdenklich stimmen, Amelie“, begann er mit todernstem Gesicht. „Denk doch mal nach! Bestimmt war es kein Zufall, dass wir uns getroffen haben.“
Amelie kniff die Augen zusammen. „Sag mal, spinnst du?“
Philipp lachte. „Nein, keine Sorge. Ich mache manchmal dumme Scherze, weißt du. Ich mag es, wenn die Leute lachen. Es wird viel zu wenig gelacht. Die meisten nehmen alles so tierisch ernst, dabei kann man doch so viel Spaß haben."
Amelie sah ihn verwirrt an. So richtig klug wurde sie nicht aus ihm, aber seine Art gefiel ihr. Allein wie er ihre Tante zu dem tollen Weihnachtsbaum überredet hatte!
„Ich bin froh, dass Tante Charlotte den Baum genommen hat", meinte sie.
Jetzt war es an Philipp, sie verwirrt anzusehen. „Du machst aber Gedankensprünge!“
„Siehst du, Philipp, so hat jeder seine Eigenarten. Ich mache öfter solche Sprünge, und du machst deine Späße.“
„Ich stelle fest, dass es sehr interessant ist, sich mit dir zu unterhalten, Amelie.“
„Danke für die Blumen! Leider wird nicht mehr viel aus einer Unterhaltung, denn ich muss jetzt gehen. Du weißt ja: meine Tante.“
Amelie griff in ihre Tasche, doch Philipp kam ihr zuvor.
„Bitte, lass mich bezahlen.“
„Also gut, wenn du unbedingt willst.“
„Ja, und ich will noch mehr. Sehen wir uns wieder?“
Amelie wurde verlegen und beugte sich noch tiefer über ihre Sporttasche. Trotzdem sah Philipp die leichte Röte, die ihr Gesicht überzog.
„Von mir aus. Wir könnten uns vielleicht nach der Schule treffen“, schlug Amelie leise vor.
„Das geht leider nicht. Ich muss doch Weihnachtsbäume verkaufen. Vor sechs Uhr abends kann ich nicht.“
Amelie hob den Kopf. „Dann komme ich morgen auf den Weihnachtsmarkt“, verkündete sie zu seinem Erstaunen. „Wir könnten anschließend noch ein wenig bummeln, ja?“
„Super! Ich freue mich sehr. Ab sechs Uhr habe ich frei. Dann bleiben uns noch drei Stunden. Außer meinem Stand habe ich noch nicht viel vom Weihnachtsmarkt mitbekommen.“
„Also abgemacht! Ich hole dich kurz vor sechs ab.“
Auf der Straße streckte sie ihm lächelnd die Hand entgegen.
„Bis morgen, Philipp! Und nochmals vielen Dank!“
Erst als sie um die Ecke verschwunden war, ging Philipp zu seinem alten Auto.
3
Amelie hatte ihre Vespa zu Hause gelassen. Tief in Gedanken versunken schlenderte sie in Richtung Marktplatz, wo die vielen kleinen Holzbuden für den Weihnachtsmarkt aufgebaut worden waren. Die engen Geschäftsstraßen waren hell erleuchtet.
Unzählige Glühbirnen, zu Sternen, Kerzen oder als Lichterkette angeordnet, verbreiteten ein warmes Licht. Auch die Schaufenster waren weihnachtlich dekoriert und zogen die Kunden wie magisch an. Immer wieder blieb Amelie stehen, um die verschiedenen Auslagen zu betrachten.
Sie liebte die Adventszeit, nur vor Weihnachten selbst fürchtete sie sich. Heiligabend und der erste Weihnachtstag führten ihr immer wieder vor Augen, wie einsam sie in Wirklichkeit war, denn außer ihrer Tante und ihrem Vater hatte sie keine Verwandten.
Ihre Mutter war schon vor Jahren gestorben, und ihren Vater, der bei der Bundeswehr beschäftigt war und meistens im Ausland aufhielt, bekam sie nur noch selten zu Gesicht.
In den letzten Jahren hatte sich der Verdacht erhärtet, dass er die Feiertage freiwillig bei einem Auslandseinsatz verbrachte. Bestimmt mochte er Weihnachten nicht! Sie selbst musste an den Feiertagen immer an ihre Mutter denken.
Das letzte Fest, das sie gemeinsam erlebt hatten, war traumhaft gewesen. Ihre Mutter hatte eine riesige Tanne geschmückt und im Wohnzimmer aufgestellt. Jedes Zimmer, auch die Diele war festlich dekoriert gewesen, und Amelie glaubte noch heute, den Duft der Plätzchen zu riechen, der durch das ganze Haus gezogen war.
Schon in der Adventszeit hatte sie mit ihrer Mutter, die immer lustige Geschichten erzählt hatte, stundenlang in der Küche gesessen und gebacken oder gebastelt. Das letzte Weihnachtsfest würde für immer in ihrem Gedächtnis haften bleiben, jede Kleinigkeit, jede winzige Begebenheit war ihr gegenwärtig. Schon am Heiligabend hatte sie das Wohnzimmer nicht mehr betreten dürfen.
„Das Christkind ist da“, hatte ihre Mutter ihr erklärt. „Wenn du neugierig bist, wird es böse und nimmt alle Geschenke wieder mit."
Amelie hatte mit klopfendem Herzen zugehört und ihre Ungeduld bezähmt. Nein, das Christkind durfte man nicht ärgern! Sie war in ihr Zimmer gegangen und hatte mühsam die Geschenke eingepackt, die sie für die Eltern gebastelt hatte.
Als sie später in die Küche gekommen war, hatte ihre Mutter sie in die Arme genommen und sich mit ihr in die gemütliche Essecke gesetzt.
Um die Wartezeit zu verkürzen, hatte sie aus ihrer eigenen Kindheit erzählt. Eigenartig konnte Amelie sich nicht daran erinnern, wo ihr Vater an diesem Nachmittag gewesen war. Er war erst gegen Abend in die Küche gekommen, um mit ihnen zu Abend zu essen.
Anschließend hatten sie gemeinsam einen langen Spaziergang gemacht. Damals hatte Luna, ihr Cockerspaniel, noch gelebt.
Amelie seufzte und ging weiter. Warum musste sie ausgerechnet heute an das letzte gemeinsame Weihnachtsfest denken? Während sie in Richtung Weihnachtsmarkt schlenderte, wanderten ihre Gedanken wieder zurück in die Vergangenheit.
Drei Monate später war ihre Mutter gestorben. Es war schrecklich gewesen, und Amelie hatte tagelang geweint. Ihr Vater hatte das Haus verkauft und war schon zwei Wochen später wieder zu einem Auslandseinsatz aufgebrochen. Amelie hatte er bei Tante Charlotte, seiner Schwester, zurückgelassen.
Eines Tages war auch Luna verschwunden gewesen. Bis heute hatte sie keine Ahnung, was aus dem Hund geworden war. Entschlossen schob Amelie die trüben Gedanken beiseite.
Es hatte keinen Sinn, darüber nachzudenken. Ihre Mutter war tot, und ihren Vater sah sie zweimal im Jahr. Sie konnte froh sein, dass Tante Charlotte sie aufgenommen hatte, denn sonst wäre sie unweigerlich in einem Kinderheim gelandet.
Amelie war auf dem Weihnachtsmarkt angelangt und bahnte sich einen Weg durch die dichte Menschenmenge.
»I'm dreaming of a white Christmas«, tönte aus einem Lautsprecher und Amelie lief ein Schauer über den Rücken.
Weiße Weihnacht — wie sehr wünschte sie sich das. Schön seit Jahren lag zu Weihnachten kein Schnee mehr. In diesem Jahr sah es allerdings ganz so aus, als ob es eine weiße Weihnacht geben würde. Schon seit Tagen war der Himmel mit dunklen Wolken verhangen, und es war eisig kalt.
„Ich rieche Schnee", pflegte Lisa, ihre Freundin, in jeder Pause zu sagen. Amelie war nicht sicher, ob sie wirklich Schnee roch oder es nur behauptete, denn Lisa wollte in den Weihnachtsferien Skiurlaub machen. Vor einem Karussell blieb Amelie stehen.
Eine Weile sah sie den Kindern zu, die mit strahlenden Gesichtern und glänzenden Augen Kreise drehten. Etwas wie Eifersucht schlich sich ein, als sie die Eltern der Kinder sah, die am Rand des Karussells warteten. Schnell wandte Amelie sich ab. Jetzt bereute sie es, dass sie so früh losgegangen war, Sie hatte noch eine halbe Stunde Zeit, bis sie Philipp abholen konnte. Philipp?
Der Gedanken an ihn erhellte Amelies Gesicht. Er war sehr nett. Ganz anders als die Jungs, die sie bisher kennengelernt hatte. Sie hatte vor einigen Monaten ihre Beziehung mit Hannes beendet. Der Junge dachte nur an Fußball und Sex. Das empfand Amelie nicht als Grundlage einer Beziehung. Er war ein arroganter Angeber, der nach der Trennung allen erzählte, sie wäre eine geile Fotze im Bett. Sie war froh, mit diesem Typen Schluss gemacht zu haben.
Und Simon? Er war auf Hannes gefolgt. Sie kannten sich schon von der Grundschule her und waren zusammen aufs Gymnasium gegangen. Simon war immer eine Art Bruderersatz für sie gewesen. Leider war er vor einem Jahr nach Österreich gezogen. Sie hatten eine kurze, sehr leidenschaftliche Beziehung geführt, deren Grundlage die sexuelle Befriedigung war. Amelie liebte den Sex, wenn sie den Jungen mochte. Mit Simon war sie noch immer in Kontakt. Sie schrieben sich per eMail oder über WhatsApp regelmäßig Neuigkeiten aus ihrem Leben.
Amelie seufzte wieder. Was war bloß mit ihr los? Warum musste sie nur immer an früher denken? Angewidert beobachtete Amelie einen alten Mann, der reichlich betrunken war.
Gierig verschlang er eine Bratwurst, während er gefährlich von einer Seite zur anderen schwankte. Als er ihren Blick bemerkte, verzog er den Mund zu einem Lächeln, das seinen zahnlosen Mund entblößte.
Hastig wandte Amelie sich ab und lief weiter. Vor einem Stand mit Weihnachtskugeln machte sie halt. In Gedanken ging sie den eigenen Bestand an Baumbehang durch. Nein, sie brauchte nichts mehr. Und doch reizte es sie, wenigstens ein neues Stück zu kaufen. Bisher hatte sie nur den Schmuck der Mutter verwendet.
Da ihre Tante in all den Jahren nur einen kleinen Baum gekauft hatte, war immer viel zu viel dagewesen. In diesem Jahr konnte sie endlich einmal allen Baumschmuck verwenden. Und doch wollte sie ein neues Teil haben eins, das sie selbst gekauft und bezahlt hatte.
Ihr Blick fiel auf eine wunderschöne Glaskugel, in deren Mitte ein kleines Bäumchen hing.
„Handarbeit“, erklärte die Verkäuferin, die sie aufmerksam beobachtete. „Alle unsere Kugeln sind handgemacht.“
Amelie lächelte der freundlichen Verkäuferin zu.
„Das sieht man. Sie unterscheiden sich sehr von denen, die im Supermarkt oder im Internet angeboten werden.“
„Ich weiß. Leider sind sie auch nicht ganz billig.“
„Was kostet diese Kugel da?“
„Fünfundzwanzig Euro.“
Amelie erschrak. Nein, so viel Geld konnte sie unmöglich für eine einzige Kugel bezahlen.
Die Verkäuferin schien zu ahnen, was in ihr vorging, denn plötzlich beugte sie sich vor.
„Wenn Sie sie haben wollen, kommen Sie doch am letzten Tag vorbei. Dann werden viele Sachen reduziert. Ich könnte Ihnen die Kugel zur Seite legen.“
Amelie biss sich auf die Lippen. Der Vorschlag hörte sich verlockend an, aber um wie viel würde die Kugel herabgesetzt werden? Schnell erkundigte sie sich.
„Vierzig Prozent sind üblich. Überlegen Sie es sich!“
„Darf ich Ihnen nachher Bescheid sagen?“
Die Verkäuferin nickte zustimmend. In Gedanken versunken schlenderte Amelie weiter. So langsam wurde es Zeit, zu Philipp zu gehen.
Schon von weitem sah sie ihn inmitten der vielen Bäume stehen. Heute hatte er einen dicken Schal um den Hals geschlungen, und seine Hände steckten in Wollhandschuhen.
Unwillkürlich musste Amelie schmunzeln. Sein Anblick vertrieb all die trüben Gedanken, die sie eben noch belastet hatten.
In einiger Entfernung blieb sie stehen und sah ihm zu. Er lachte viel und schien sich blendend mit seinen Kunden zu unterhalten.
In der kurzen Zeit verließ kein Kunde Philipps Stand, ohne einen Baum gekauft zu haben. Man konnte sich ausrechnen, wann sein Stand leer sein würde. Philipp begann, seine restliche Ware in die Bude zu räumen. Er musste ziemlich stark sein, denn er konnte mühelos vier Bäume gleichzeitig tragen. Langsam ging Amelie näher an seinen Verkaufsstand.
Philipp hievte gerade zwei Bäume mit Ballen hoch und wollte sie zu den anderen setzen, als er Amelie bemerkte.
„Toll, du bist ja schon da!“, freute er sich. „Ein paar Minuten noch, dann bin ich fertig. Mein Chef wird zufrieden sein.“
„Ich bin schon einige Zeit hier und habe mich umgesehen“, erzählte sie. „Kann ich dir helfen?“
Philipp sah sie amüsiert an. „Nein. Das ist keine Arbeit für dich! Manche Bäume sind ganz schön schwer. Trotzdem danke!“
Schnell räumte er den Rest ein und verschloss die Bude.
„Jetzt kann's losgehen!“
Langsam schlenderten sie an den einzelnen Buden vorbei.
„Das ist ein Rummel!“, bemerkte Philipp mehrmals staunend. „Magst du Weihnachtsmärkte?“
„Ja, ich komme jedes Jahr. Und du?“
„Ich arbeite seit zwei Jahren als Baumverkäufer. Mein Chef ist super. Er zahlt gut und ist auch sonst sehr nett. Ich spare für ein neues Auto. Mein altes stammt noch aus dem Mittelalter und benimmt sich manchmal entsprechend.“
„Wie meine Vespa. Aber das brauche ich dir ja nicht zu sagen.“
„Bist du hungrig? Ich weiß, wo es die besten Bratwürste gibt.“
Unwillkürlich musste Amelie wieder an den Betrunkenen denken. Nein, eine Bratwurst konnte sie beim besten Willen nicht essen.
„Ich mag Bratwürste nicht besonders.“
„Aha, worauf hast du dann Appetit?“
„Am liebsten würde ich eine Crêpes mit viel Nutella essen!“
„Hört, hört! Aber kein Problem, bei deiner perfekten Figur kannst du bedenkenlos solche Süßigkeiten vertragen...“
Philipp schwieg erschrocken. Hoffentlich war Amelie ihm nicht böse wegen seiner Bemerkung. Warum musste er auch immer gleich so vorlaut sein? Doch Amelie lächelte.
„Dann auf zum Crêpes Stand! Du kannst dir ja etwas Herzhaftes besorgen.“
„Nein! Ich esse sehr gerne Crêpes!“, rief Philipp theatralisch und rollte die Augen.
Amelie musste lachen. Mit den Crêpes in der Hand schlenderten sie weiter über den Weihnachtsmarkt.
„In diesem Jahr gibt es keine neuen Stände“, stellte Philipp plötzlich fest. „Die Geschenkbuden werden immer weniger, dafür haben Karussells und Imbissstände Hochkonjunktur. Nicht zu vergessen die Getränkestände mit Glühwein und Bier.“
„Genau daran habe ich eben auch gedacht. Vor Jahren war alles noch ganz anders.“
Philipp warf ihr einen Blick zu und lachte los.
„Wir reden wie zwei Rentner! Meine Großeltern lobten auch immer die gute alte Zeit, in der alles so anders und besser war.“