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»Seeing is believing« ist ein Paradoxon, von dem auch ernsthafte Wissenschaftler nicht verschont bleiben. Vielleicht hat für sie die Aussage, dass sie nur glauben, was sie auch sehen, sogar besondere Gültigkeit. Bereits der niederländische Naturforscher Antony Leeuwenhoek, der als Pionier der Mikroskopie gilt, fand in seiner Zeit (1632–1723) Hinweise auf das Vorhandensein von Mikroben. Louis Pasteur gelang erst 1857 der Nachweis, dass Fermentationsprozesse durch Mikroorganismen verursacht werden, welche durch Hitzeanwendung (Pasteurisierung) abgetötet werden können.
Was Medizinkundige oder unsere Vorfahren allgemein schon vor vielen Jahrhunderten veranlasste, Honig auf Wunden zu schmieren, können wir nur erahnen. Wir wissen, dass man beispielsweise im alten Ägypten manchmal recht eigenartige Mixturen aus Schlamm und sogar Exkrementen verwendete, über die wir heute zumindest die Nase rümpfen, wenn uns nicht gar das schiere Entsetzen packt. Irgendwer muss dann wohl seinem Forscherdrang gefolgt sein und einfach mal Honig statt Schlamm benutzt haben. Und siehe da, die Heilung erfolgte offensichtlich ungehindert und erstaunlich schnell. Die Entdecker der heilenden Wirkung von Honig haben zum Glück ihre Erkenntnis nicht für sich behalten, und deren Anwendung kam unzähligen Menschen und vielleicht auch Tieren im Laufe der Jahrtausende zugute, ohne dass man erst eingehende wissenschaftliche Studien abgewartet hätte. Davon profitieren wir noch heute. »Verachtet keine empirischen Wahrheiten«, ermahnte der berühmte Wissenschaftler Martin H. Fischer seine Kollegen, »vieles funktioniert in der Praxis, für das es keinen Laborbeweis gibt.« Doch wenn unsere Wissenschaftsgläubigkeit schon so weit geht, dass wir alle Praxisbeweise ignorieren, solange sie nicht durch endlose Laboruntersuchungen und Doppelblindstudien belegt wurden, dann haben wir, wenn es um die Heilkraft des Honigs geht, keine Entschuldigung mehr. Das, was seit ewigen Zeiten empirisch bewiesen ist, wurde durch die Honigforschung eindrucksvoll bestätigt. Wahrscheinlich sind heute die meisten antimikrobiellen Wirkmechanismen von Honigen entschlüsselt. Die dafür maßgeblich verantwortlichen Wirkstoffe werden Inhibine (Hemmstoffe) genannt. Auf einige werde ich im Folgenden näher eingehen. Als Erstes wäre da der osmotische Effekt zu nennen.
Osmolarität – Der Wasserfaktor
Honig besteht zum überwiegenden Teil aus Zucker, und zwar hauptsächlich aus Glukose (Traubenzucker) und Fruktose (Fruchtzucker) sowie aus diversen anderen Zuckern. Honige mit hohem Glukoseanteil sind cremig bis fest, Honige mit hohem Fruktosegehalt bleiben dagegen lange flüssig. Honig enthält zudem Wasser. Im reifen Honig ist der Wasseranteil unter 20 Prozent. Wir haben es also hier mit einer extrem gesättigten Zuckerlösung zu tun. Bakterien benötigen Wasser, um sich zu vermehren und zu überleben. In reifem Honig können sich keine Mikroorganismen vermehren. Honig entzieht ihnen dieses Überlebenselixier. Nur in stark wasserhaltigem Honig können sich beispielsweise Hefepilze halten, die zu einer Fermentation führen können, was lediglich im Fall der Metproduktion wünschenswert wäre.
Osmose bewirkt auch, dass Lymphflüssigkeit zu den Zellen in einem Wundareal gezogen wird. Dies unterstützt die Wundtoilette und die rasche Entsorgung der anfallenden Zelltrümmer. Ein feuchtes Wundklima hat zudem den Vorteil, dass eine Verletzung sich nicht lediglich oberflächlich verschließt, während darunter weiter ein entzündlicher Prozess schwelt. Darüber hinaus verklebt der Verband nicht mit dem Granulationsgewebe, so dass ein Verbandswechsel kaum Schmerzen und keine Verzögerung des Heilungsprozesses verursacht.
Osmolarität ist ein Faktor, der zu den antibakteriellen Eigenschaften des Honigs beiträgt, jedoch erklärt sie nicht, wieso Honig dabei anderem Zucker deutlich überlegen ist.
Die Eigenschaft des Honigs, Wasser zu ziehen, zum Beispiel aus Wundflüssigkeit (Wundexsudat), bewirkt bei den meisten Honigen, dass das in ihnen enthaltene Enzym Glucose-Oxidase eine chemische Reaktion auslöst.
Säurebildung – sauer macht nicht unbedingt lustig
Auf diese Strategie der Bienen, ihren Honig lager-fähig zu machen, reagieren insbesondere Bakterien und Pilze ausgesprochen sauer. Das Enzym Glucose-Oxidase löst eine Reaktion zwischen Traubenzucker, Sauerstoff und Wasser aus. Daraus entsteht neben Gluconsäure Wasserstoffperoxid (H2O2), welches für seine antiseptischen Eigenschaften hinreichend bekannt ist. H2O2 ist jedoch auch potenziell zelltoxisch; so ist es sehr hilfreich, dass ein paar Sicherheitselemente gleich mitgeliefert werden. Zum einen gibt es so etwas wie eine Retardwirkung. Das Gewebe wird nicht mit H2O2 überschüttet, sondern dieses Bleichmittel wird kontinuierlich in kleinen Mengen freigesetzt. Freies Wasserstoffperoxid kommt lediglich in unreifem Honig vor und beugt darin der Ansiedelung und Vermehrung von pathologischen Keimen vor, die in dem sauren Milieu nicht gedeihen können. In reifem Honig, das heißt in Honig, der weniger als circa 20 Prozent Wasseranteil aufweist, schlummert diese antibakterielle Kettenreaktion, bis sie durch den Trigger Wasser, zum Beispiel aus Speichel oder Wundsekret, am medizinischen Einsatzort des Honigs erneut ausgelöst wird. Ein ebenfalls im Honig sowie im Gewebe vorkommendes Enzym, die Katalase, neutralisiert das Wasserstoffperoxid in tieferen Wundregionen, was einerseits eine Gewebeschädigung verhindert, andererseits jedoch auch die antimikrobielle Wirkung beendet. Dies trifft zumindest auf die meisten Honige zu. Deutlich anders verhält sich hier der neuseeländische Manuka-Honig. Entfernt man mittels Katalasebeimengung seine ohnehin sehr geringe peroxide Aktivität, so erweisen sich einige Chargen dieses Honigs als außerordentlich aktiv gegen diverse Keime, insbesondere auch solche, bei denen sich viele Antibiotika mittlerweile die Zähne ausbeißen.
Etwa zwanzig Jahre lang konnte man den verantwortlichen Wirkstoff weder benennen noch isolieren. Man einigte sich darauf, ihn als »Unique Manuka Factor« (einzigartiger Manuka-Faktor), kurz UMF, zu bezeichnen. Seine individuelle Stärke fand man jeweils in Labortests heraus, bei denen seine Wirksamkeit gegenüber verschiedenen Bakterien mit der antibakteriellen Effektivität einer Phenollösung (Karbolsäure) verglichen wurde. Erwies sich der Honig als genauso wirksam wie etwa eine 10-prozentige Phenollösung, so stufte man ihn als UMF10 ein. Ein Pluszeichen hinter der Zahl, etwa 10+ beziehungsweise 20+, besagt dabei, dass der ermittelte Faktor nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen wird. Diese Klassifizierung erwies sich in mancher Hinsicht als unbefriedigend. Einerseits sind die Testverfahren nicht einwandfrei reproduzierbar und vor allem nicht quantifizierbar, das heißt, eine eindeutige Aussage über die genaue Wirkstoffmenge ist nicht möglich. Andererseits war es wissenschaftlich äußerst ungenau, es mit einem »Unknown Mystery Factor« zu tun zu haben, von dem man zwar weiß, dass er vorhanden ist, ihn aber nicht beim Namen nennen kann. Die letale (tödliche) Dosis von Phenol ist bei unterschiedlichen Bakterien durchaus variabel, und das trifft dann auch auf die vergleichbare Honigwirkung zu.
Die Situation hat sich grundlegend verändert, nachdem ein Team von Lebensmittelchemikern an der TU Dresden den verantwortlichen Stoff enttarnen konnte. Darauf werde ich an anderer Stelle noch gebührend eingehen. In unserer wissenschaftsgläubigen Welt, in der Ursache und Wirkung gern als simple mechanische Vorgänge gedeutet werden, verspricht man sich rasch von der Isolierung und möglichen Synthetisierung eines Einzelwirkstoffes die gleiche Wirkung, wie sie zuvor in einem komplexen natürlichen Wirkstoffcocktail beobachtet wurde. Anhänger einer ganzheitlichen Betrachtungsweise zitieren in diesem Zusammenhang gern den griechischen Denker Aristoteles, der bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. bemerkte: »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!« Heutzutage fasst man diesen sinnigen Ausspruch in einem Wort zusammen: Synergie. Sie beschreibt die überragende Wirkung eines Zusammenspiels aus Einzelkomponenten, bei denen zwar jede für sich recht beachtliche Erfolge verzeichnen kann, die jedoch nur gemeinsam unschlagbar sind. Auch wenn Methylglyoxal nun beim Orchester Manuka-Honig die erste Geige spielt, so wird nur durch das harmonische Arrangement aller Instrumente eine Symphonie daraus.
Der Säurefaktor wird auch deutlich, wenn man den niedrigen pH-Wert vieler Honige betrachtet. Er liegt häufig zwischen 3 und 4. Bei Kastanien- oder Waldhonig beispielsweise jedoch auch schon mal zwischen 5 und 6. Die antibakterielle Wirkung mancher Honige ist zudem noch bei sehr hoher Verdünnung vorhanden, während sie bei anderen stark eingeschränkt ist. Ein starker, aktiver Manuka-Honig wirkt selbst dann noch sicher, wenn eine wässrige Lösung nur zwei Prozent Manuka-Honig enthält.
Methylglyoxal – Stress and Drugs and Caramel
Der einzigartige Manuka-Faktor wurde von einem Team von Lebensmittelchemikern um Prof. Thomas Henle an der Technischen Universität Dresden eindeutig als das Zuckerabbauprodukt Methylglyoxal (MGO) identifiziert. Die entsprechenden Forschungsergebnisse wurden auch im Rahmen der Doktorarbeit von Elvira Mavric dokumentiert und veröffentlicht sowie in einer weiteren Studie von Christopher J. Adams und Kollegen an der Waikato Universität in Neuseeland, Abteilung Chemie, bestätigt. An dieser Universität wird überdies schon mehr als zwei Jahrzehnte über Manuka-Honig geforscht, vor allem durch Prof. Peter Molan, der sicher so etwas wie der Honigpapst ist. Molan hat wohl wie kein anderer die Honigforschung und den medizinischen Einsatz von Honig in der Neuzeit vorangetrieben, und niemand, der sich heute ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzt, kommt an diesem Namen vorbei. Trotzdem war nicht er es, der das lange Mysterium um den nicht-peroxiden Wirkmechanismus in aktivem Manuka-Honig entschleierte. Er entwickelte zwar eine Methode, mit der eine annähernde Quantifizierung des Wirkstoffgehalts möglich ist, die aber nicht vollständig reproduzierbar ist und deren Ergebnis nicht absolut und nur in Relation zur antibakteriellen Effektivität einer Phenollösung wiedergegeben werden kann. UMF10+ entspricht mindestens der Wirkung einer 10-prozentigen Karbolsäure. Die Bestimmung des Methylglyoxalgehaltes dagegen erfolgt mengenmäßig absolut, das heißt, man kann den tatsächlichen Anteil an einer Menge Honig genau bestimmen, zum Beispiel 100 Milligramm MGO auf ein Kilogramm Honig.

Professor Thomas Henle, TU Dresden, identifizierte den einzigartigen Manuka-Faktor UMF
Bei anderen Honigen ist der MGO-Gehalt mit ein bis zwei Milligramm und manchmal vielleicht bis zu 20 Milligramm meist sehr gering. Auch in anderen Lebensmitteln einschließlich Bier und Wein, ja sogar in Tabakrauch lässt sich MGO nachweisen. In Brot oder Röstkaffee erscheint ein gewisser Gehalt an Methylglyoxal einleuchtend, da dies bei der Maillard-Reaktion entsteht. Bei der Zubereitung von Speisen ist diese oft beabsichtigt, weil dabei durch Karamellisierung der gewünschte Brat- oder Röstgeschmack sowie der typische Geruch und die braune Farbe entstehen.
Dass nun der Methylglyoxalgehalt im Honig durch eine unsachgemäße Handhabung bei Lagerung und Transport entstehen könnte, zum Beispiel durch Abstellen der Behälter in praller Sonne oder durch anderweitiges starkes Erhitzen des Honigs, ist in aller Regel auszuschließen, da dies einen gleichzeitigen Anstieg des HMF-Wertes bewirken würde. HMF steht für Hydroxymethylfurfural. Kalt geschleuderter Honig darf gemäß der Honigverordnung keinen höheren HMF-Gehalt aufweisen als 40 mg / kg. Jeder erhöhte Wert würde auf eine zu hohe Erhitzung hindeuten, durch die wertvolle Honigenzyme zerstört worden wären. Das bedeutet im Fall von Manuka-Honig, dass ein hoher MGO-Aktivitätsnachweis, bei gleichzeitig niedrigem HMF, auf den pflanzlichen Ursprung des Methylglyoxals hinweist.
Die Methylglyoxal-Stoffwechselwege werden offensichtlich durch Stressfaktoren in den Zellen eingeleitet. Denkbare Auslöser beim Manukastrauch sind salzhaltige Böden, Hitze, Kälte und anhaltende Trockenheit. Typischerweise wächst Manuka dort, wo Landwirtschaft nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Die stressinduzierten, hohen Methylglyoxalgehalte finden ihren Weg über den Blütennektar direkt in den Honig, und zwar ohne jegliche Enzym-beimengung seitens der Bienen. Es gibt anscheinend auch Hinweise darauf, dass es sich bei Manuka-Honig, ähnlich wie beim Lindenhonig, nicht um einen reinen Blütenhonig handelt. Vielmehr könnte es auch ein Gemisch aus Honigtau und Nektar sein. Honigtau- oder Waldhonig stellen die Bienen aus den klebrig-süßen Ausscheidungen von Blatt- oder Schildläusen her. Manukapflanzen werden von verschieden Vertretern der Gattung Schildläuse, vor allem Eriococcus orariensis und Coelostomidia sp., heimgesucht und ausgesaugt. Bienen lassen sich normalerweise nicht lange bitten, wenn ihnen solches Naschwerk geboten wird. Als weitere mögliche Quelle für das Methylglyoxal wurden Mikroorganismen gehandelt. Doch die aktuelle Forschung bietet eine recht plausible Erklärung, die mit einer Vorstufe zum MGO zusammenhängt.
Ernte und weitergehende Forschung
Beim Manukaöl erfolgt die Ernte immer noch weitgehend von Hand, da in unwegsamem Terrain der Maschineneinsatz zu schwierig wäre. Die Blätter werden meist von flinken Maorihänden in atemberaubender Geschwindigkeit gesammelt. Die Sammlerinnen von Manuka-Honig haben dagegen sechs Beine und scheren sich nicht um die Beschaffenheit des Geländes, da sie das weite Blütenmeer mit riesigen Geschwadern aus der Luft ansteuern. Natürlich sammeln die Bienen keinen fertigen Honig, sondern vor allem den süßen Nektar der Manukablüten, aus dem sie in einem komplizierten Fertigungsprozess den einzigartigen Manuka-Honig gewinnen. Was diesen Honig so einzigartig macht, haben wir ja bereits besprochen: der besondere Wirkstoff, der selbst unter erschwerten Bedingungen seine antibakteriellen Eigenschaften nicht einbüßt, das Methylglyoxal.
Den Forschern hat es keine Ruhe gelassen, sie wollten Antworten auf Fragen wie die nach dem Grund für den unterschiedlichen Aktivitätsgrad der Manuka-Honige. Man fand schließlich heraus, dass dieser während der Lagerung offenbar zunimmt. Die Erklärung dafür lieferte ein bereits im Nektar nachweisbarer Stoff, der so etwas wie eine Vorstufe zum Methylglyoxal darstellt. Dabei handelt es sich um Dihydroxyaceton (DHA, Glyceron), ein einfaches Kohlenhydrat, das jedoch enorm wichtig für bestimmte Stoffwechselprozesse sein soll. Mit ihren Kollegen Christopher J. Adams und dem berühmten Prof. Peter Molan veröffentlichte Prof. Merilyn Manley-Harris das Ergebnis einer entsprechenden Studie an der Waikato Universität. Sie berichtet: »Seit einiger Zeit wissen wir, dass die einzigartige antibakterielle Aktivität des Manuka-Honigs mit dem Vorhandensein von Methylglyoxal oder MGO zu tun hat, aber bis jetzt war der Ursprung des Methylglyoxals nicht bekannt. Unter Imkern ist es sehr wohl aufgefallen, dass der MGO-Gehalt mit der Lagerung zunimmt, aber es gab keine Forschungen, die diese Beobachtung gestützt hätten.«
Pflanze oder Biene – woher stammen die nicht-peroxiden Inhibine?
Der Gehalt an antimikrobiellen Wirkstoffen kann je nach Trachtpflanze recht unterschiedlich ausfallen. Häufig kann eine spezifische Heilwirkung des Honigs analog zu den Heileigenschaften der Pflanze beobachtet werden. Doch erstens variieren die Werte selbst bei Proben innerhalb der gleichen Sorten, und zweitens weisen sogar Honige, die von den Bienen aus Zuckerwasser hergestellt wurden, eher geringfügig niedrigere Werte als Honige aus Blütennektar auf. Das legt nahe, dass die Bienen den größeren Anteil an der Produktion dieser Stoffe haben. Sicher scheint indes, dass bei unserem Sonderfall Manuka-Honig die pflanzliche Herkunft den entscheidenden Beitrag zu seinen antimikrobiellen Eigenschaften leistet.
Die Untersuchungen der chemischen Fakultät der Waikato Universität ergaben, dass Dihydroxyaceton oder DHA in unreifem Honig, bereits kurz nachdem die Bienen ihn in die Waben eingebracht haben, vorhanden ist. Mit fortschreitender Reifung des Honigs wird DHA in MGO umgewandelt, den Stoff, dem der Manuka-Honig seine außergewöhnliche antibakterielle Wirkung verdankt.

Honigernte
Im Rahmen der Studie zeigte sich während des Lagerungszeitraums von 120 Tagen ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Abnahme von DHA und der gleichzeitigen Zunahme von MGO. Da DHA nicht wie MGO antibakteriell wirkt, nimmt die antibakterielle Aktivität während des Reifeprozesses des Honigs zu.
Der Honig wurde ähnlich warm gelagert, wie dies bei den Bienen geschieht, nämlich bei 37°C, aber die Lagerung bei höheren Temperaturen erwies sich als nicht vorteilhaft, wie Dr. Manley-Harris erklärt. Die Forscher versuchten, den Umwandlungsvorgang von DHA zu MGO zu beschleunigen, indem sie den Manuka-Honig erhitzten. Das klappte nicht, da dadurch nicht nur DHA und MGO verschwanden, sondern stattdessen übermäßig viel HMF (Hydroxymethylfurfural) entstand, ein im Honig unerwünschtes und nur begrenzt zulässiges Zuckerabbauprodukt.
Dr. Manley-Harris erklärt, dass die Forscher, sobald sie erkannt hatten, dass DHA die Vorstufe zum MGO darstellt, sich daran machten, herauszufinden, wo das DHA herkommt. Fündig wurden sie, als sie den Nektar der Manukablüten von verschiedenen Bäumen um Hamilton und am Waikato River untersuchten.
Als ich von diesen Forschungen erfuhr, versuchte ich selbst mehr über Dihydroxyaceton herauszufinden. Die spärlichen Informationen, die ich darüber im Internet finden konnte, wiesen auf seine Verwendung in Bräunungsmitteln hin, wo DHA den wesentlichen Inhaltsstoff darstellt, der mit Eiweißen in der oberen Hautschicht reagiert und sie dabei bräunlich einfärbt. Damit wären wir wieder beim Karamellisieren angelangt.
Nun gibt es anscheinend verstärkte Bemühungen, mit patentierten Schnellverfahren die voraussichtliche Aktivität des fertigen Honigs bereits aus der jeweiligen Nektarquelle zu testen. Möglicherweise zeichnet sich dabei auch die Überlegenheit einer Manuka-Variante gegenüber einer anderen ab, und man könnte gegebenenfalls durch entsprechende Auswahl besonders vielversprechende Sorten in ansonsten agrarwirtschaftlich wenig erschlossenen Randlagen kultivieren. Doch vorerst ist das noch Zukunftsmusik. Dabei hoffe ich sehr, dass das zerbrechliche ökologische Gleichgewicht, zu dem auch die wildwachsende Manukapflanze ihren Beitrag leistet, nicht durch kurzsichtige ökonomische Interessen zerstört wird.
Unterschiede
Die Unterschiede zwischen Manuka-Honigen können gravierend sein, wobei sie sich in Aussehen, Konsistenz, Geruch und Geschmack durchaus sehr ähnlich sein können. Eine sensorische Prüfung, also die Wahrnehmung typischer Eigenschaften über unsere Sinne, unsere Nase oder unsere Geschmacksknospen, reicht nicht aus, um die medizinischen Eigenschaften zu erkennen. Dazu bedarf es einer chemischen Analyse, wobei natürlich nicht jedes Honigglas einzeln untersucht werden kann. Die Werte, die für eine Probe ermittelt werden, können aber in der Regel auf die entsprechende Charge hochgerechnet werden. Die Imker werden es begrüßen, wenn in ihrem Manuka-Honig möglichst hohe MGO-Werte ermittelt werden, da sie so einen deutlich höheren Preis erzielen können.
Sie, liebe Leser, können durchaus Manuka-Honig erwerben, der keinen Aktivitätsnachweis mitbekommen hat, also weder UMF- noch MGO-gekennzeichnet ist. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass dieser Honig nicht aktiv ist. Er enthält sicherlich die meisten der guten Honigeigenschaften, nur wahrscheinlich kaum Methylglyoxal. Schätzen Sie ihn lediglich als bekömmlichen und wohlschmeckenden Brotaufstrich oder nur so zum Naschen, dann reicht ein einfacher Manuka-Honig ohne Frage. Sollten Sie ihn jedoch medizinisch einsetzen wollen, dann würde ich einen aktiven Manuka-Honig mit mindestens 100 Milligramm Methylglyoxal, also einen MGO100+ beziehungsweise UMF10+ auswählen. Das ist auch die Empfehlung, die von den Honigforschern und Medizinern gegeben wird. Prof. Molan geht davon aus, dass echter Manuka-Honig immer eine gewisse Aktivität aufweist und dass es sich bestenfalls um eine Honigmischung handeln kann, wenn auf dem Glas zwar Manuka-Honig draufsteht, aber kein Aktivitätsnachweis geführt werden kann. Auch bei sogenanntem Manuka-Waldhonig, wie er in Reformhäusern oder Bioläden angeboten wird, handelt es sich wahrscheinlich um einen Blend. Eine beliebte Mischung ist die von Manuka- und Rewarewa-Honig. Hierbei gibt es zuweilen eine nachweisbare Aktivität von zum Beispiel MGO30+, also mindestens 30 Milligramm Methylglyoxal pro Kilogramm Honig.
MGO100+ sollte man also generell wählen, wenn man sich und seiner Gesundheit etwas Gutes tun möchte. Auch für den Außeneinsatz ist diese Stärke generell ausreichend. Im Innendienst können Sie die Faustregel anwenden: »Je weiter drinnen, desto stärker«. Also MGO250+ für Mund, Nase, Nebenhöhlen und Rachen, MGO400+ für die tieferen Regionen, wo vermehrt mit Verdünnung zu rechnen ist, wie im Magen-Darm-Trakt. Einen Manuka-Honig MGO550+, den stärksten und teuersten, der auch schon einmal 700 Milligramm und mehr Methylglyoxal enthalten kann, brauchen Sie in aller Regel überhaupt nicht. Bei hartnäckigen Infektionen, wie etwa Wunden, die mit antibiotikaresistenten Keimen besiedelt sind, oder bei Magen- oder Darmleiden, die durch Helicobacter pylori verursacht wurden, könnte man kurzfristig eine höhere Stärke auswählen. Manche Anwender berichten allerdings davon, dass sie vorübergehend Schmerzen im Wundbereich empfinden, nachdem sie einen ganz starken Manuka-Honig aufgetragen hatten. Zuweilen soll dieser unangenehme Zustand sogar mehrere Stunden anhalten. Der eine oder andere Therapeut wird das vielleicht als Beweis für die Wirkung werten, Sie müssen sich jedoch nicht grundlos quälen. Finden Sie die Stärke heraus, die Ihnen keine unangenehmen Nebenwirkungen bereitet. Wenn Sie sich nicht gleich die gesamte Palette der verschiedenen Stärken zulegen wollen, dann hat sich das Mischen mit einem schwächeren Honig als sinnvolle Alternative erwiesen.

Biene auf einer Manukablüte
Die Forschung geht weiter, da längst noch nicht alle Fragen geklärt sind und wie so oft mit jeder gefundenen Antwort weitere Fragen auftauchen. Trotzdem gibt es keine Entschuldigung, auf den medizinischen Einsatz von aktivem Manuka-Honig zu verzichten, und vielleicht schon bald kaum eine Alternative dazu. Die Aufmerksamkeit, die Honig im Allgemeinen und Manuka-Honig im Besonderen weltweit erfahren hat, ist letztendlich darauf zurückzuführen, dass einige Mediziner an wenigen Kliniken es einfach ausprobiert haben und dabei zu verblüffenden Resultaten gelangten. Darüber will ich im folgenden Kapitel berichten.
Manuka-Honig im klinischen Einsatz – Update eines antiken Therapeutikums

Manuka-Honig im klinischen Einsatz – Update eines antiken Therapeutikums
Wenn Sie Krankenhäuser eher aus Arztserien im Fernsehen kennen, haben Sie vielleicht eine etwas romantisch verklärte Sicht auf den Klinikalltag. Tatsächlich stehen Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger permanent unter Druck. Kein geregelter Achtstundentag. Oft sind im Wettlauf gegen die Uhr Entscheidungen zu treffen, die nicht mehr korrigiert werden können, aber sowohl gegenüber den Patienten als auch vor deren Angehörigen und den Krankenkassen zu rechtfertigen und sehr zeitaufwendig zu dokumentieren sind. Derart gestresstes Krankenhauspersonal ist dankbar für jede verlässliche Routine, auf die es immer wieder zurückgreifen kann.