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Welcher Roman war das?
Das war »Zeit wie Sand«. Der Verlag nahm ihn an! Mehr noch: Ich wurde gefragt, ob ich weitere Manuskripte liefern könne. Und ob ich konnte! Meine Eltern hatten mir gerade klargemacht, dass ich nach ihrer Meinung jetzt lange genug studiert hätte und von ihnen keine finanzielle Unterstützung mehr erwarten dürfe. Habe ich damals aufgeatmet, als ich mit Moewig ins Geschäft kam!
Ich war ein fleißiger Autor, und das Schreiben machte Spaß. Das ging zwei Jahre so. In dieser Zeit muss ich an die zwanzig Romane für Moewig und ein paar für Pabel geschrieben haben. Der große Sprung aber kam im Jahr 1961. Da meldete jemand seinen Besuch an, den ich von einer ganzen Anzahl heißhungrig verschlungener SF-Romane bestens kannte, ohne ihn jemals zu Gesicht bekommen zu haben: K. H. Scheer. Eines Nachmittags setzten wir uns in meiner Darmstädter Wohnung zusammen und sprachen über Perry Rhodan, aus dem K. H. Scheer und Clark Darlton einen Serienhelden machen wollten. Ich wurde gefragt, ob ich an der Serie mitarbeiten wolle, und sagte einigermaßen geschmeichelt zu. Wenig später kam die Exposésendung. Mein erster Roman innerhalb der Serie war die Nr. 5: »Atom-Alarm«.
Seitdem bin ich – abgesehen von einer zweijährigen Unterbrechung während der Bände 400 bis 500 – stets dabei. Später stieß ich obendrein zur ATLAN-Serie, und auch die Bühne meiner ersten Aktivitäten habe ich nie ganz vergessen: Ich habe noch eine ganze Reihe von Storys für TERRA, dann TERRA NOVA und schließlich TERRA ASTRA geschrieben.
Welche Einstellung haben Sie eigentlich zu PERRY RHODAN?
Zu dem Mann Rhodan? Ungefähr dieselbe wie zu Old Shatterhand: gut, dass es ihn gibt, aber was wäre er schon ohne Winnetou, Sam Hawkins, Hadschi Halef Omar und all die anderen Gestalten? Zu dem Phänomen RHODAN? Das ist schon eine andere Sache.
Ich bin beeindruckt von dem großen Erfolg der Serie – wahrscheinlich auch ein bisschen stolz darauf. Wer hätte damals, als K. H. Scheer und ich in Darmstadt zusammensaßen und solche Dinge sagten wie: »Bis Nummer fuffzig schaffen wir’s auf jeden Fall, vielleicht geht’s sogar bis hundert!«, davon zu träumen gewagt, dass uns die Gunst der Leser so lange erhalten bliebe? Ich fühle mich wohl als Mitglied eines stabilen Teams, das aus einem Cheflektor, einem Lektor und acht Autoren besteht. Ich betrachte meine Kollegen als »professionals« und habe mit ihnen viele anregende Diskussionen geführt – zumeist über unsere gemeinsamen Pläne für die Weiterentwicklung der PERRY RHODAN-Serie, bei Autorenbesprechungen, aber auch im privaten Gespräch.
Ich bedaure es, seit meiner Rückkehr in die USA nicht mehr so regelmäßig wie früher an Autorentreffen teilnehmen zu können. Aber ich mische noch immer mit, so kräftig ich kann, und spreche mich mit William Voltz und Günter M. Schelwokat telefonisch über die wichtigsten Fragen der Weiterentwicklung ab.
(aus: PERRY RHODAN Sonderheft Nr. 1, Januar 1979)
Ihr Auftritt, Winfried Scholz!
Nur vier Romane trug ein Autor zu der Serie bei, der dafür aber an ihrer Entstehung maßgeblichen Anteil hatte: Winfried Scholz, der als William Brown und W. W. Shols publizierte. Seine erste professionelle Veröffentlichung erfolgte 1958 in Form des Romans »Tödlicher Staub« im Leihbuchformat. Er schildert den Kampf einer Raumschiffbesatzung gegen eine unsichtbare Macht, die sie alle zu vernichten droht.
Nach einer Anzahl weiterer Leihbücher, die sich mit Zeitreise, einem Marsianer und Wasserwesen auf der Erde befassten, erschienen von 1959 bis 1963 sechs Bände seines SF-Zyklus »Der Prokaskische Krieg«, der »Perry Barnett’s Abenteuer« schildert. Sie nahmen nicht nur durch den Vornamen der Hauptfigur starken Einfluss auf die Entwicklung von PERRY RHODAN, auch inhaltlich gibt es Anklänge an den Beginn dieser Serie, denn als Kapitän eines Rebellenschiffes begibt sich der Titelheld zu den Prokas und schafft die Voraussetzungen für Friedensverhandlungen, mit denen im Laufe der Buchreihe ein schrecklicher Krieg beendet werden soll, was nach 920 Jahren auch endlich gelingt. Anschließend werden weiße Flecken der Milchstraße für die Zivilisation erschlossen.
Zweifellos hatte Winfried Scholz, der gern und ausführlich mit Kollegen wie K. H. Scheer, Clark Darlton und Kurt Mahr seine Gedanken austauschte, großen Einfluss auf die Entstehung der Serie. Im PERRY RHODAN WERKSTATTBAND, den Horst Hoffmann anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Serie herausgab, schildert Scheer dessen Einstand mit den Worten: »Seine erste Großtat bestand darin, mir eine Liste mit echten japanischen Namen zu schicken. Tako Kakuta, Kitai Ishibashi, Tanaka Seiko und viele andere mehr waren identisch mit existierenden Menschen, die Winnie in einem japanischen Adressbuch ausfindig gemacht hatte. Er hatte dazu Zugang, weil er in der Bielefelder Großdruckerei Gundlach beschäftigt war.« Diese Personen sollten in der Folge im Perryversum Geschichte machen. Sie hatten ihren ersten Auftritt in Heft 6, »Das Mutantenkorps« von W. W. Shols, dessen Exposé am 19. Mai 1961 an Shols abgeschickt wurde.
Info zur Romanserie: Das alte Mutantenkorps
Das 1972 Handlungszeit von Perry Rhodan als »galaktische Polizeitruppe« gegründete Korps umfasst alle Menschen, die unter der Einwirkung radioaktiver Strahlung mit übersinnlichen Fähigkeiten geboren wurden und die Bemühungen um die Einigung der Menschheit und die Abwehr von Gefahren aus dem Weltraum unterstützen wollen. Gründungsmitglieder waren das Finanzgenie Homer G. Adams, der Lauscher Doitsu Ataka, der Teletemporarier und Parapoler Ernst Ellert, der Suggestor und Telepath Kitai Ishibashi, der Teleporter Tako Kakuta, die Telepathen Fellmer Lloyd und John Marshall, der Teleoptiker Ralf Marten, die Telepathin und Fern-Seherin Ishi Matsu, der Halbtelepath Allan D. Mercant, der Hypno und Orter André Noir, der Frequenzseher Son Okura, der Peiler Tanaka Saiko, der Späher Wuriu Sengu, die Telekinetinnen Anne Sloane und Betty Toufry, die auch Telepathin war, der Teleporter Ras Tschubai, der Telepath Nomo Yatuhin und der Telekinet und Materieumwandler Tama Yokido. Im Handlungsjahr 1975 traten dem alten Korps noch Gucky und weitere sechs Jahre später der Zünder Iwan Iwanowitsch Goratschin, die Telepathin und Antihypnotin Tatjana Michailowna und der Hypno Gregor Tropnow bei, gefolgt vom Energiewesen Harno. In den Dreißigerjahren des zweiten Jahrtausends gesellten sich außerdem der Mikro-Optiker Jost Kulman, die Desintegratorin Laury Marten und der Telepath Samuel Goldstein hinzu. Trotz zahlreicher Ausfälle löste sich das alte Mutantenkorps erst nach 400 Heften und fast 1000 Jahren Handlungszeit auf.
Insgesamt hat der Autor unter seinem Pseudonym Shols vier Beiträge zur Serie verfasst, die Grundlagen für das weitere Geschehen lieferten. Romane wie »Das Mutantenkorps« oder auch »Geheimschaltung X« trugen dazu bei, dass PERRY RHODAN im Jahr 1961 zu einem gigantischen Erfolg auf dem Heftromansektor wurde. Eigentlich hatte Shols auch Band 18, »Die Rebellen von Tuglan«, schreiben sollen, der den ersten größeren Auftritt des Mausbibers Gucky enthält. Aber hier darf man wohl sagen, dass es sich als glückliche Fügung des Schicksals erwies, dass nicht Shols, sondern Clark Darlton diese ebenso skurrile wie verspielte Figur in die Serie einführte. Darlton verliebte sich auf Anhieb in den kleinen Nager – und die Leser taten es ihm nach.
Shols schrieb, nachdem er Gucky abgegeben hatte, noch ein wenig spektakuläres Venus-Abenteuer, bevor er mit Band 31, »Der Kaiser von New York«, bereits ein halbes Jahr nach seinem Einstieg in die Serie berufsbedingt wieder seinen Abschied nahm. Er war später auch für die Heftserie MARK POWERS des Konkurrenzverlags Pabel tätig, die dort 1962 – angeregt durch den großen Erfolg von PERRY RHODAN – unter Federführung von Paul Alfred Müller gestartet worden war. Hier erschienen bis zur Einstellung von MARK POWERS 1965 noch sechs Romane von ihm, bevor er sich 1967 vorerst von der SF zurückzog und auf Krimis verlegte, etwa Pabels KOMMISSAR X.
Kurzbiografie: W. W. Shols
Winfried Scholz, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, wurde am 31. August 1925 in Bielefeld geboren. Er besuchte die Mittel- und Aufbauschule und schrieb schon als Jugendlicher Gedichte im Auftrag von Schulkameraden. Später entstanden Stücke, die im Schultheater aufgeführt wurden. Nach dem Kriegsabitur wurde er 1942 zur Marine eingezogen und betätigte sich nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft als Verlagskaufmann im grafischen Gewerbe. Mitte der Fünfzigerjahre wurde er aktives Mitglied des von Clark Darlton gegründeten Science Fiction Club Deutschland und veröffentlichte 1958 seinen ersten SF-Roman. Im Jahr danach startete seine sechsbändige SF-Leihbuchreihe »Perry Barnett’s Abenteuer«. Nachdem er als Gründungsautor bei PERRY RHODAN tätig gewesen war, schied er 1962 nach nur vier Heften aus und wechselte zu MARK POWERS, einer Konkurrenzserie des Pabel Verlags, für die er sechs Hefte verfasste. Bis 1966 ließ er eine dreizehn Bände umfassende Leihbuchreihe utopischer Spionageromane folgen. Eine Mitarbeit an der in diesem Jahr von Kurt Brand gegründeten SF-Heftserie REN DHARK lehnte er ab. Nach rund dreißig weiteren SF-Romanen, teilweise unter dem Verlagspseudonym William Brown erschienen, entstanden 1972 bis 1977 auch einige KOMMISSAR X-Taschenbücher. Parallel dazu erschienen unter dem Pseudonym Cody Collins, das mindestens einmal auch Kurt Brand verwendete, mehrere Dutzend Western. 1978 tauchte er unter W. W. Shols als Autor von TERRA ASTRA wieder auf, wobei »Calhouns Planet« bereits 1961 als UTOPIA-Heft 289, »Das Raumschiff der Unheimlichen«, erschienen war – als gekürzte Fassung des Leihbuchs »Stern der Verlorenen«. Auch »Asteroid auf Abwegen« von 1979 war zuvor bereits erschienen, nämlich 1962 als »Die fressende Sonne«, erlebte nun jedoch seinen ersten Heftnachdruck. Einzig der Roman »Die sieben Leben des Mr. Yates« (1980) und die 1981 im Fanzine ANDROMEDA 105 erschienene Kurzgeschichte »Edelhölzer von der Venus« waren neu geschriebene SF-Texte. Bevor sein Comeback Früchte tragen konnte, starb er am 8. Mai 1981 im Alter von nur 55 Jahren überraschend während eines Urlaubs in Portugal.
Ein Ostpreuße in München
Auch bei einem K. H. Scheer oder Clark Darlton gilt: Romane werden nicht unbesehen veröffentlicht. Bevor sie in den Druck gelangen, geht ein Lektor den Text gründlich durch, um in Rücksprache mit dem Autor etwaige sprachliche oder inhaltliche Mängel zu beheben. Bei PERRY RHODAN war dafür Günter M. Schelwokat zuständig.
Als begeisterter Sammler amerikanischer Science Fiction im Original, dessen Hobby stark ins Geld ging, hatte der in München lebende junge Ostpreuße sich 1957 nach einer Nebenbeschäftigung umgesehen und sich beim Moewig Verlag beworben. Cheflektor Kurt Bernhardt, ein Mann mit hervorragendem Riecher für neue Mitarbeiter, übertrug dem damals 28-Jährigen flugs die Betreuung der gerade gestarteten SF-Heftreihe TERRA. Rasch machte er sich durch seine Sachkenntnis und seine korrekte Art im Umgang mit den Autoren und bei der Bearbeitung von Manuskripten einen guten Namen.
Kurzbiografie: Günter M. Schelwokat
Der deutsche Lektor und Herausgeber Günter Martin Schelwokat wurde am 7. Februar 1929 in Tilsit bei Königsberg/Ostpreußen geboren und starb am 6. April 1992 im niederbayerischen Straubing, wohin es ihn während der Kriegswirren verschlagen hatte. In Straubing holte er auch seinen Schulabschluss nach; anschließend studierte er Neuphilologie. Durch Kontakte zu Amerikanern kam er mit Science Fiction in Berührung und war für das US-Generalkonsulat als Übersetzer und Deutschlehrer tätig. 1957 wurde er Redakteur beim Arthur Moewig Verlag. Er betreute die von Kurt Bernhardt und Walter Ernsting gegründeten Reihen TERRA und TERRA SONDERBAND, bevor ihm 1960 zusätzlich das SF-Programm des Wilhelm Heyne Taschenbuchverlags und – nach den ersten zehn Bänden, die noch K. H. Scheer redaktionell betreut hatte – auch PERRY RHODAN übertragen wurde. Die Heyne-Edition gab er 1973 schweren Herzens ab, doch das Lektorat der Weltraumserie führte er mehr als dreißig Jahre lang. Außerdem war er noch für ATLAN, DRAGON, ZBV und andere SF-Reihen des Hauses zuständig. Ihm gebührt das Verdienst, alle wichtigen Autoren des angloamerikanischen Sprachraums bei uns bekannt gemacht zu haben, und von Anfang an widmete er sich in besonderem Maß deutschsprachigen Autoren, wobei ihm seine Akribie beim Lektorieren laut Ernst Vlcek den Spitznamen der »Sadist von Straubing« einbrachte. 1970 wurde er für seine langjährigen Verdienste um die Förderung der SF-Literatur mit dem deutschen »Hugo« geehrt. Unter dem Pseudonym Günter Martell war er auch als Romanübersetzer tätig. Seine Arbeit wurde ab Ende 1987 von Dr. Florian F. Marzin und ab 1992 von Klaus N. Frick als Lektor und Redakteur der Serie fortgesetzt.
Interview: Ganz privat mit Günter M. Schelwokat – Ein Interview von Hans Gamber und Wolfgang J. Fuchs
Wie kamen Sie eigentlich zur Science Fiction?
In frühester Jugend las ich so ziemlich alles, was mir in die Finger kam – von Märchen und Sagen bis Karl May, Schiller und Shakespeare. In den Vierzigerjahren entwickelte ich eine Vorliebe für Zukunftsromane, Werke von Dominik, Daumann, Laßwitz, Jules Verne etc. Als ich dann nach Kriegsende Zugang zu amerikanischen Bibliotheken fand und der SF begegnete – obwohl es schon über dreißig Jahre her ist, weiß ich noch ganz genau, dass »Donovan’s Brain« von Siodmak das erste einschlägige Werk war, das ich im Original las –, war es um mich geschehen: Ich wurde unheilbarer SF-Fan und leidenschaftlicher SF-Sammler. Keine Frage, dass ein solches Hobby, mit allem Nachdruck betrieben, ins Geld läuft. Um meine Kasse durch eine Nebenbeschäftigung aufzubessern, ging ich eines Tages, es war Anfang 1957, von meiner damaligen Wohnung in der Münchener Türkenstraße ein paar Häuser weiter zum Moewig Verlag und bot ihm meine Mitarbeit als SF-Spezialist an. Was sich aus diesem Schritt im Laufe der Zeit entwickeln würde, habe ich mir damals allerdings nicht träumen lassen.
Was haben Sie vorher gemacht?
Nach dem Abitur studierte ich Neuphilologie, wobei ich mir das Studium mit verschiedenen Jobs verdiente, unter anderem als Dolmetscher und Übersetzer. Das Anwachsen der Verlagsarbeit ließ sich schließlich nicht mehr mit einer Lehrtätigkeit vereinbaren. Ich musste mich für das eine oder das andere entscheiden – und meine Entscheidung zugunsten der SF fiel mir nicht schwer.
Sie gehören bei PERRY RHODAN zu den Männern der ersten Stunde. Wie war der Anfang, und wie sieht heute Ihr Verhältnis zu der Serie aus?
Das Verhältnis – wie sollte es auch anders sein! – sehe ich nach wie vor als eng und ungebrochen an. Wie es mit PERRY RHODAN begann? Nach bescheidenen Anfängen Mitte der Fünfzigerjahre war 1957 und 1958 besonders durch Publikationen wie UTOPIA GROSSBAND, UTOPIA MAGAZIN, GALAXIS, TERRA und TERRA SONDERBAND bei uns im deutschsprachigen Raum bereits eine stabile Plattform für die SF geschaffen worden. Es gab eine interessierte Leserschaft, auf die man bauen konnte. Und es gab 1959 einen Mann mit einem guten Riecher, der da meinte, die Zeit sei reif, es mit einer großangelegten Fortsetzungsserie über die zukünftige Entwicklung der Menschheit zu versuchen. Der Mann, von dem ich spreche, heißt Kurt Bernhardt und ist heute Cheflektor bei Pabel. Er spannte die beiden Autoren K. H. Scheer und Walter Ernsting zusammen, schickte sie in Klausur und gab damit den Startschuss zu etwas, das längst SF-Geschichte gemacht hat.
Wie arbeiten Sie mit den PERRY RHODAN-Autoren zusammen?
Man hat sich im Laufe der Jahre zusammengerauft. Gelegenheit dazu bieten vor allem die regelmäßig stattfindenden Exposékonferenzen, bei denen es mitunter sehr heiß hergeht, wenn die verschiedensten Ideen und Meinungen über die Fortführung der Serie aufeinanderprallen. Dass ein Autor sich bei einer solchen Auseinandersetzung sogar den Finger brach, ist allerdings ins Reich der Fabel zu verweisen. Der betreffende Unfall passierte nach einer solchen Konferenz beim Abendessen. Außerdem gibt es das Telefon – und die Drähte laufen manchmal heiß, wenn der eine oder andere Autor einen Bock geschossen hat, indem er das, was im Exposé festgelegt wurde, im Manuskript abweichend präsentierte. Glücklicherweise passieren solche Dinge, unter denen der innere Zusammenhalt und die Logik der Serie leiden, heute im Gegensatz zu früheren Tagen nur noch relativ selten – da trägt eben der Lernprozess seine Früchte.
Man kann das PERRY RHODAN-Team vielleicht mit einer Fußballmannschaft vergleichen – in der obersten Klasse natürlich! – und die Aufgabe des Lektors mit der eines Trainers. Der Trainer hat darauf zu achten, dass nicht nur ein paar Stars ihre Dribbelkünste zeigen, sondern dass die ganze Mannschaft erfolgversprechend spielt und ihre Punkte macht, um in der Meisterschaft ganz oben mitzumischen.
(aus: S.F.-PERRY RHODAN-Magazin Nr. 2, Februar 1980)
Der Zeichner der Serie
Mit K. H. Scheer, Clark Darlton, Kurt Mahr und W. W. Shols war im Frühjahr 1961 das Autorenteam für PERRY RHODAN komplett. Was noch fehlte, war ein Titelbildkünstler. Hier kam eigentlich nur ein Kandidat in Frage, nämlich Johnny Bruck. Der frühere Tier- und Naturzeichner verfügte über die Mischung aus Phantasie und Realismus, um den vielfältigen Motiven gerecht zu werden, die sich aus der Serie ergeben würden. Und außerdem war Bruck schnell – eine bittere Notwendigkeit in Zeiten, in denen ein Zeichner für fünf Innenillustrationen gerade einmal fünfzehn Mark erhielt …
Kurzbiografie: Johnny Bruck
Johannes Herbert Bruck wurde am 22. März 1921 in Halle/Saale geboren und verstarb am 6. Oktober 1995 an den Folgen eines Unfalls mit seinem Motorroller. Die ersten sechs Lebensjahre hatte er in Großbritannien verbracht, und mit sieben fertigte er bereits erste Tierzeichnungen an. Als Vierzehnjähriger riss er von zu Hause aus, weil er in die Südsee fahren wollte, wurde jedoch nach zwei Tagen entdeckt und wieder zurückgeschickt. Von 1936 bis 1938 machte er eine Lehre als Photolithograph und meldete sich zur Kriegsmarine. Nachdem sein Schiff versenkt worden war, lernte er im Lazarett den österreichischen Maler Hans Liska kennen, der als Werbegraphiker arbeitete und später jahrelang für Daimler-Benz tätig sein sollte. Bruck wurde zu einem Bewährungsbataillon nach Russland geschickt und wegen Überziehens seines Heimaturlaubs um zehn Stunden zum Tode verurteilt. Nur die deutsche Kapitulation bewahrte ihn vor einem Erschießungskommando der Nazis. Der deutsche Seeoffizier und Schriftsteller Felix Graf Luckner erwirkte seine vorzeitige Entlassung aus der britischen Kriegsgefangenschaft. Bruck ging nach Hamburg, wo er seine erste Ehefrau kennen lernte. Im Herbst 1945 zogen sie nach Goslar in den Harz, und die Kinder Gerd und Verena wurden geboren. Bruck arbeitete nun als Journalist und Illustrator unter anderem für DIE WELT und die HANNOVERSCHE PRESSE. Ab 1957 entstanden erste Titelbilder für den Uta Verlag, der Heftserien wie BILLY JENKINS und TOM PROX herausbrachte und 1960 von Erich Pabel übernommen wurde. Im Auftrag von Pabel und Heyne entstanden zahlreiche Titelbilder für Kriminalromane, Abenteuergeschichten und Kriegsbücher, aber auch Illustrationen für Jagdzeitschriften. Ihre Zahl ging bereits 1959, als er von Goslar nach München verzog, dem Sitz des Moewig Verlages, weit in die Hunderte, und allein für die PERRY RHODAN-Heftserie fertigte er bis Band 1799, »Der Kreis schließt sich«, alle Titelbilder an. Hinzu kamen mehr als tausend weitere für ATLAN, die PLANETENROMANE und andere SF-Reihen des Verlages. Seine kollagenartigen Bilder enthalten häufig Zitate, wobei er sich gelegentlich bei Surrealisten bediente. Gelegentlich signierte er mit Willis, J. Plasterer, Jo Shot und Johnny Crash. Als passionierter Jäger malte er am liebsten Tiere, und seine Gemälde aus dem Waidwerk erzielen unter Liebhabern immer noch steigende Preise.
Interview: Ganz privat mit Johnny Bruck – Ein Interview von Hans Gamber und Wolfgang J. Fuchs
Hatten Sie schon immer künstlerische Ambitionen?
Ich bin, abgesehen von einigen Semestern Aktzeichnen, die mir das nötige anatomische Rüstzeug gaben, absoluter Autodidakt. Dass ich ein Künstler sei, behaupten nur die anderen. Erblich belastet, beschmierte ich schon als Baby alles Erreichbare. Ich bin 1921 geboren, wuchs bis zum siebten Jahr in England auf und kam dann nach Hamburg. Hier fing das bewusste Zeichnen an. Gelegentlich schwänzte ich sogar die Schule, um Tiere im Hagenbecker Zoo zu zeichnen. Mit acht Jahren brauchte ich schon nicht mehr darunterzuschreiben, was es darstellen sollte.
Kam Ihnen da schon der Gedanke, einmal in Ihrer jetzigen Richtung tätig zu sein?
Nein, ich las damals zwar schon mit Begeisterung ROLF TORRING, JÖRN FARROW, BILLY JENKINS und andere, hatte aber noch keine Ahnung, dass ich diese Serien später alle selbst mitgestalten würde. Der Grundstein wurde eigentlich erst in meiner recht nassen Marinezeit gelegt, als ich den bekannten Kriegszeichner Hans Liska kennen und bewundern lernte. Neben später hinzukommenden Größen wie Rockwell, Blainsdell, Emsch und anderen wurde er zum Kaffeesatz für mein damals noch aquarellistisches Schaffen. Leider wurden alle meine Frühwerke durch Ausbomben vernichtet.
Wie war Ihr journalistischer Werdegang?
1938 fing ich bei der WELT an, die damals noch als englische Lizenzausgabe unter Pferdmenges lief. Neben dem Schreiben kam es mir sehr gelegen, mit Vergnügen politische Karikaturen zu zeichnen. Meine damals schon zeichnerisch große Vertrautheit mit der Tierwelt kam mir dabei sehr zustatten. Von Hamburg ging’s mit zunehmend südlichem Trend nach Goslar, von wo aus ich zusätzlich für hannoversche, Braunschweiger und andere Blätter tätig wurde. Schon damals kam mir mein Faible für Collagen zugute. Einem Pressefotografen schwindelte ich den auf seinem Bild fehlenden Adenauer plus Heinemann ins Bild. Das brachte mir eine Buddel Whisky ein, dem ich seither treu blieb.
Sind eigentlich die Collagen, die Sie seit einiger Zeit machen, einfacher oder schwieriger als normale Bilder?
Fast eine Kardinalfrage, weil sie mir oft gestellt wird. Sie machen wesentlich mehr Arbeit, weil ja im Endeffekt alles zusammenpassen muss. Erstens muss ich mir alles für teures Geld – zumeist im Ausland – beschaffen, da ich Kalendergrößen brauche und bei uns stereotype Alpenpanoramen mit Blümchenwiesen dominieren, obwohl es in der Türkei oder in Island skurrile Felsformationen gibt, die jedem Fremdplaneten zur Ehre gereichen würden.
Wie stehen Sie zu PERRY RHODAN und seinen Autoren?
Nachdem ich 1961 zusammen mit meiner Frau und einem Nachbarn zum ersten Mal ein unbekanntes Flugobjekt am Himmel sah – es wurde weltweit darüber berichtet –, hat mein Verhältnis zu außerirdischen und sonstigen damit verbundenen Träumen nahezu Vollkommenheit erlangt, obwohl ich bis heute UFOs noch sehr skeptisch gegenüberstehe. Jedenfalls bewundere ich abstrichlos unsere Autoren, weil sie es fertigbrachten, der Person Perry Rhodan weltweit echte Glaubwürdigkeit plus scheinbarer Unsterblichkeit einzuhauchen, ohne gleich einen Persönlichkeitskult mit ihm zu betreiben. Zu den Autoren selbst habe ich ausgesprochen gute Beziehungen. Hier herrscht gegenseitiger Respekt ohne unnötige Kritikasterei. Sie sagen mir nicht, was ich pinseln muss, und ich sage ihnen nicht, wie sie zu schreiben haben.
(aus: S.F.-PERRY RHODAN-Magazin Nr. 1, Januar 1980)
Der Startschuss fällt
Am 8. September 1961 war es schließlich so weit: »Unternehmen Stardust« wurde in einer Auflage von 35.000 Exemplaren ausgeliefert. Nach einigen Wochen stellte sich heraus, dass es keine Remittenden gab, der Roman also ausverkauft war. Geschäftsführer Rolf Heyne gab sofort Anweisung, die ersten beiden Hefte nachzudrucken und das Honorar Scheers und Darltons um fünfzig Mark zu erhöhen.
Scheer war bereits vor dem Verkaufsstart klar geworden, dass die Koordination des Projekts sich verzwickter gestalten würde als erwartet. Die Entfernung zwischen dem hessischen Friedrichsdorf und Irschenberg in Oberbayern machte eine ständige Verbindung zwischen ihm und Darlton unmöglich. Und bereits bei den allerersten Romanen war es zu einem fatalen Ausrutscher gekommen – so meinte jedenfalls Scheer.
Im vierten Roman, der unter dem Titel »Götterdämmerung« erscheinen sollte, ließ Darlton im Vorgriff auf das Mutantenkorps vier übersinnlich begabte Menschen auftreten, darunter den Hellseher Ernst Ellert, der seinen Geist aus dem Körper lösen und in die Zukunft vordringen kann. Eine faszinierende Figur, aber konsequent angewandt musste sie die Serienstruktur gefährden. Wenn Perry Rhodan durch die Fähigkeiten Ellerts stets über bevorstehende Gefahren informiert war, wurde der Handlung die Spannung genommen. Scheer forderte kategorisch Ellerts Heldentod. Darlton dachte gar nicht daran. Im siebten Roman ließ er Ellert einen Unfall erleiden, der seinen Körper in ein Koma versetzte, während seine Seele durch Raum und Zeit irrte. Irgendwann würde Ernst Ellert zurückkehren …