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Shahir Nashed


Impressum
Umschlaggestaltung: Harald Rockstuhl nach der Idee von Shahir Nashed
Titelbild: Autor, Zeichnung privat
1. Auflage 2017
ISBN 978-3-95966-207-9, gedruckte Ausgabe
ISBN 978-3-95966-208-6, E-Book [EPUB]
Innenlayout: Harald Rockstuhl, Bad Langensalza
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaber: Harald Rockstuhl
Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V.
Lange Brüdergasse 12 in D-99947 Bad Langensalza/Thüringen
Telefon: 03603/81 22 46 Telefax: 03603/81 22 47
www.verlag-rockstuhl.de
Cover
Titel
Impressum
Einleitung
Integration gemäß Duden, nicht integriert!
Bin hier gelandet im Osten
Wohl gemerkt!
Das leben in einem Verein
Deutsche Erziehung meines Kindes
Die Schichten der Gesellschaft, von meiner Sicht
Markenkleidung, oder?
Rollbraten statt lammkotletten
Assi TV! Schaue in Stupedia nach!
Sind alle Nazis in Germany
Im Sommer Urlaub im Winter Schnee schippen
Sauberkeit a la’Deutsch
Klamotten machen Leute ähhh!
Begrüße mich bitte!
Gelbe, blaue oder graue Tonne? Wer die Wahl hat ...
Kompostieren, auch Rotte genannt!
Das Jahr ist geregelt
Die Trennung (Müll ist nicht Gemeint)
Ich sage was, was du nicht sagst - und das ist deutsch
So schön auf Deutsch
Sich oder sir!?
Bereit! Immer bereit! Ihr leeren Flaschen!
Die Flüchtlinge sind da, und was nun?
Ich darf zu Konzerte
An der Kasse wird angeschrien!
Im Schrebergarten als Integrations- Maßnahme
Schnee schieben oder schippen?
Doppeldeutigkeit hat Vor(ur)teile
Bei schönem wetter geht man raus!
Bratwurst oder Weibwurst? bitte Currywurst
Was ist eigentlich deutsch?
Kindergarten mit Mittagsschlaf
Integration als Beschäftigungsmöglichkeit
Fahrschule mit StVO
Versichern ist das A und O
Die Lieblingsserie der Frauen
Das Leben geht weiter, auch mit Rassismus!
Sekt aus der DDR
Frühshoppen in unserem Dorf
Körperteile und deren Funktionen auf Deutsch
Intellektuelle Sprache! Alder!
Bin ich Deutsch genug?
Über den Autoren

Nach nun ungefähr 12 Jahren in Deutschland stelle ich mir die Frage, ob ich mittlerweile in der Gesellschaft integriert bin oder nicht. Es existieren weder ein Formular noch eine Art Vordruck, in das man lediglich ein Kreuz setzen und feststellen kann, zu wie viel Prozent man zum Zeitpunkt X integriert ist. Auch Tipps, wie die nächsten Schritte auszusehen haben, lassen sich nirgendwo finden. Aus diesem Grund habe ich mir selbst einen Wegweiser ausgedacht. Dafür habe ich die Gesellschaft genauestens beobachtet. Ich habe versucht, sie bestmöglich zu imitieren, um so viel wie nur möglich von ihr zu lernen.
Ich stellte mir auch die Frage, wie leicht, wie einfach, wie kompliziert, wie entsetzlich und wie fröhlich kann Integration eigentlich sein?
Wann ist der Moment gekommen, dass man sagen kann: Ich bin angekommen! Wann kann ich meinen Koffer endgültig im Schrank verstauen und verrotten lassen?
Integration gemäß Duden, Nicht Integriert!
Endlich ist es soweit! Endlich bietet sich mir die Möglichkeit, meine Gedanken in einem Buch niederzuschreiben. Warum? Scheinbar gehört es zum Leben eines Deutschen dazu, ein Buch zu schreiben. Lesen ist für die meisten Deutschen wie Wasserpfeiferauchen für die Araber. Sie tun es immer, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Nur mit dem Unterschied, dass es bei der Wasserpfeife duftet, beispielsweise nach Apfel, beim Lesen ist dies wohl eher nicht zu erwarten. Glaubt man den Vorurteilen, versetzt das Rauchen einer Wasserpfeife den Raucher in einen wahren Rausch. Liebesromane können dies aber auch. Ich hingegen lese gern Sachbücher, am liebsten aber Romane. Diese besitzen durchaus das Potenzial, den Leser in einen Zustand zu versetzen, der dem eines Rausches sehr nahekommt. Sie geben einem die Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen und in das Leben von anderen einzutauchen. In der Regel sind diese Romane leidenschaftlicher als das, was im typischen Leben so passiert, wie beispielsweise im Job, Kinder, Garten, Alterungsprozess, Wechseljahre oder die Midlife-Crisis. Es ist schon eine merkwürdige Sache, dass in meinem Kopf auch das Wort „Veralterung“ herumschwebt. Jedoch wird dieses Wort von der automatischen Rechtschreibkontrolle meines Computers als falsch markiert. Sehr merkwürdig. Scheinbar möchte mein deutscher Rechner dieses Wort nicht annehmen. Der Vergleich zwischen der Wasserpfeife und dem Buch soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden, jedoch werde ich später noch einmal darauf zurückkommen.
Also beschloss ich im Jahre 2003, das Jahr, als ich nicht ganz freiwillig bzw. nahezu gezwungen nach Deutschland auswanderte, mich in die Gesellschaft zu integrieren. Integrationskurse gab es damals leider nicht, da es zu diesem Zeitpunkt auch noch kein Integrationsproblem gab. Die Regel lautete: Wer sich dafür entschieden hat, hier zu leben, muss auch sehen, wie er klarkommt. Schafft man es nicht, sich alleine zu versorgen, ist das kein Problem der Gesellschaft, sondern das Problem des Einzelnen. So gab es damals z. B. auch noch keinen Einbürgerungstest.
Wie cool! Ich darf mich also komplett selbstständig integrieren. Gemäß Duden wird integrieren definiert als: „Zu einem übergeordneten Ganzen zusammenschließen; in ein übergeordnetes Ganzes aufnehmen; vereinheitlichen.“ Oder anders ausgedrückt: Ich schließe mich mit den anderen zusammen, ich nehme alles auf, was sie mir anbieten und dann bilde ich eine Einheit mit dem großen Ganzen. Also machte ich mich auf den Weg, oder muss es eigentlich auf dem Weg heißen? Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht so genau, aber ich bin jetzt unterwegs zum Ziel der INTEGRATION. Wie lange es wohl dauern wird, so eine Integration? 6 Monate schätze ich mal. Sprachlich bin ich gar nicht so schlecht, ob es jedoch reicht oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Man sagt, dass ein Ausländer mindestens B1-Niveau nach GER-Richtlinien erreichen sollte, um einen Job zu finden. Ich habe sogar C2-Niveau. Ob das reicht? Mal schauen.
Bin hier gelandet, im Osten
Im Moment wohne ich in einer sehr kleinen Stadt im Osten Deutschlands. Hin und wieder erzählt man mir von den DDR-Zeiten. Dies kann ich jedoch nicht so gut einordnen, da die meisten Deutschen, die ich bislang nur als Touristen in meinem Heimatland kennengelernt habe, diese Zeit nicht sehr häufig erwähnten. Die deutsche Geschichte ist auch kein typisches Thema, worüber man während des Urlaubs redet. Somit stand ich meiner ersten Herausforderung auch schon gegenüber: Was ist der Unterschied zwischen den Bürgern im Osten und den Bürgern im Westen? Was sind das für Typen? Was muss man eigentlich wissen, wenn man im Osten lebt? Würde ich noch im Westen leben, wäre das kein Problem, da ich bei den Wessis gelernt habe, nicht sehr viel über die Ossis zu reden. Streng genommen nehmen sie den Osten gar nicht so richtig wahr. Das ist zumindest mein Eindruck.
Als ich mit meiner Frau im Westen Deutschlands Urlaub machte, wurde unser gemeinsames Kind krank. Wir mussten folglich zum Arzt. Nach dem Arztbesuch regte meine Frau sich mächtig auf, da der Arzt sie nicht angesprochen hatte. Sie sagte, er habe sie nicht einmal angesehen. Ich hatte dies nicht so wahrgenommen. Ich konnte mir vorstellen, dass der Arzt wohl dachte, da der ausländische Mann das Machtwort in der Familie innehat, rede ich mit ihm. Aus der Sicht meiner Frau lag die Ursache darin, dass sie einen Ostdialekt hat. Jeder sieht das anders.
„Ach du grüne Neune“, war ein Ausdruck, den ich neulich gehört habe. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, welche neune man eigentlich meint. Es gab auch ein Kabarett unter dem Motto „Jammer-Ossi und Besser-Wessi“. Ich hatte genug Probleme in meinem Heimatland wegen ethnischer und religiöser Zugehörigkeit, jetzt muss ich mich mit einem Problem befassen, welches eigentlich nicht so direkt mit mir zu tun hat. Aber wer sich integrieren will, muss sich informieren!
So habe ich auch mal das Wort Selters für Wasser benutzt, weil man das Wort hier stets gebraucht und laut der Erklärung für Integration, soll ich ja das aufnehmen, was die Leute hier sagen und machen. In einem Westladen, als ich nach Wasser für meinen Sohn mit der Bezeichnung Selters fragte, schaute man mich nur sehr verwundert an! In dem Moment wurde mir klar, manchmal ist es im Westen besser lieber „Kanakendeutsch“ als „Ostdeutsch“ zu sprechen. Mit denen kennen sie sich besser aus und die Vorurteile halten sich im Rahmen. Die Ausländer können ja nicht behaupten, sie wären immer ein Teil Deutschlands gewesen. Die Ossis schon! Als ich das Wort Kanake zum ersten Mal hörte, fühlte ich mich nicht angesprochen. Ich suchte nach der Herkunft des Wortes und fand heraus, dass das Wort eine Bezeichnung für einen Ureinwohner Neukaledoniens sei. Aus dieser Erfahrung nahm ich mit, dass es doch nicht so gut ist, alles einfach so aufzunehmen, ohne es zu hinterfragen. Ich muss die Begriffe selektiv aufnehmen, denn ich muss aufpassen, wo und wie ich welches Wort benutze. Von daher stellt sich die Frage, von wem soll ich was aufnehmen?
Wohl gemerkt!
An dieser Stelle fällt mir etwas ein. Meine Frau machte häufig die Aussage: Spinnst du? „Die spinnen wohl die Ägypter“, sagte mein Stiefvater oft zu mir und danach lachte er sehr laut. Dies ist ein berühmtes Zitat von Asterix und Obelix. Ich persönlich empfinde dies als einen tollen Ausruf. Jedoch während meines Studiums habe ich dies nie gehört. Ich bin stets auf der Suche nach umgangssprachlichen Ausdrücken und wie man diese locker im Alltag sagen und benutzen kann. Somit versuchte ich, diesen Ausdruck in meinen Sprachgebrauch zu integrieren. Jedoch lachten die Zuhörer nur. Einmal sagte ich dieses Sprichwort zu einem Schüler, da er im Unterricht sehr laut war. Er starrte mich an und sagte: „Sie dürfen uns nicht beleidigen!“ Ich reagierte total geschockt: „Ich habe dich doch nicht beleidigt“. Das habe ich von den Deutschen gelernt. Meine Frau hingegen benutzte „spinnst du“ mir und unserem Sohn gegenüber etwa 5- bis 10-mal am Tag.
An solchen Stellen des Lebens nutzt mir mein C2-Niveau gar nichts. Gut, dass ich das vorher gemerkt habe. Nicht alles aufnehmen! Das sind aus meiner Sicht schlimme Erkenntnisse. So musste ich quasi nach etwa 3 Jahren Integrationskurs alles, was ich in diesem Kurs lernte, umschmeißen und wieder neu erlernen. „Leck mich doch am Arsch!“, diesen Ausruf habe ich im Studium auch nicht gelernt! Aber das sagt man so, wenn man „du kannst mich mal“ zum Ausdruck bringen will. Ich frage mich jedoch, du kannst mich mal was? Schlagen? Beschimpfen? In Ruhe lassen? Der Ausdruck fördert das Interpretationsvermögen sehr.
Das Leben in einem Verein
Der Weg zur Integration fängt oft mit der Eingliederung in einen Verein an. So viel steht fest, in Deutschland gibt es für nahezu jede Sache einen Verein. Deshalb besorgte ich mir die Namen der Vereine, die im Ort ansässig sind: Karnevalsverein, Schützenverein, Heimatverein, Schulverein, Lohnsteuerhilfeverein. Das Wort Verein scheint mega wichtig zu sein. Alter, ich darf jetzt auch wie die Jugend und die Schüler reden, oder? Es erschien mir also sinnvoll, mit ein paar Männern bei uns am Stammtisch zum Thema Verein zu reden. Im Besonderen zum Kirchenverein. Neu im Ort, kostete nicht viel Geld, verband mich mit meinem Glauben und einmal im Monat tranken wir dabei sogar deutschen Rotwein. Ich durfte sogar immer mal wieder meinen Lieblingswein mitbringen, den Chianti. Das mussten die Männer erst einmal verdauen, dass ich Araber und gleichzeitig kein Moslem bin. Nachdem wir mit der Diskussion am Ende waren, dauerte es etwa 2 Jahre, bis sie mich nicht mehr fragten: „Du darfst doch gar keinen Wein trinken, oder?“ Mit der Wurscht hat es nur 1 Jahr gedauert, bis ich das S durch ein Sch in dem Wort Wurst benutzt habe, d. h. wer Wurscht sagt, darf sie auch essen. Letztens am Grill unterhielt ich mich mit einem sehr netten Mann aus dem Verein. Wir haben über viele Dinge geredet und er hat mich nicht gefragt, wo ich herkomme. Er hat auch nicht gefragt, warum ich so gut Deutsch spreche und wie lange ich noch hier in Deutschland bleibe. Ich gehöre zum Verein und somit auch zur Gesellschaft.
Leute! Ich bin jetzt im Verein. Nach etwa 6 Jahren folgte gar der zweite Verein: der Schrebergartenverein oder Kleingartenverein genannt. Diese insgesamt 3 Jahre haben zum Erfolg meines Integrationskurses enorm beigetragen. Eine Kultur für sich und eine sprachliche Herausforderung war das. Ganz besonders abends, wenn die meisten bereits viele Flaschen Bier getrunken hatten. Die erste Versammlung war die coolste, oder jugendlich ausgedrückt: das Krasseste, was ich je erlebt habe. Genau wie „Zieh Leine!“ gefällt mir der Moment besonders gut, wenn die Leute sich leidenschaftlich gegenseitig beschimpfen. Wenn Flüchtlinge zusammen unterwegs sind und andere Bürger auf der Straße treffen, kann es vorkommen, dass sie auch vielleicht beschimpft werden. Sie würden das auch aufnehmen, um es dann anwenden zu können. Ein normaler Fall für das menschliche Gehirn und für die Funktion des Gedächtnisses. Assimilation.
Im Gesangs- und Chorverein war ich auch. Eine der schnellsten Verbindungen zu Menschen, die gemeinsame Interessen hegen. Ich kann relativ gut trommeln, von daher war meine Aufgabe von Anfang an klar: Die Trommel spielen. Der Verein war auch sehr modern und offen in seiner Liederauswahl. Gospel z. B. wurde oft gespielt. Wir durften sogar nach der Probe gemeinsam ein Gläschen Sekt trinken. An dieser Stelle behaupte ich aber auch, dass Alkohol die Integration einfacher macht. Es erscheint mir zumindest so. Für Muslime, die keinen Alkohol trinken dürfen, ist das kein großes Problem, aber der Beschleunigungseffekt im Prozess der Integration fehlt dadurch. Die Deutschen sind lockerer darauf, wenn sie was getrunken haben.
Deutsche Erziehung meines Kindes
Nach jeder brenzligen Situation denke ich, dass ich mich wieder ein Stück in Richtung positiver Integration entwickelt habe. Stimmt ja auch, aber das ist wirklich nur ein Stück. Vieles ist mir klargeworden, nachdem ich mir die Art und Weise ansah, wie meine Frau unseren gemeinsamen Sohn erzog. Wenn man beobachtet, wie die Kinder erzogen werden, kann man leicht erkennen, welche Werte vermittelt werden und wie die Gesellschaft tickt. Gute Beispiele dafür sind der Mittagsschlaf, das Sandmännchen, Benjamin Blümchen, die Teletubbis oder aber auch hoppe, hoppe, Reiter.
Also beschloss ich die Erziehung unseres gemeinsamen Sohnes meiner Frau, ihrer Mutter und ihrem Vater zu überlassen. War das ein Fehler? Dies wird sich erst noch zeigen, sobald er soweit ist, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Also Hände waschen vor dem Essen, nicht mit vollem Mund reden, nicht rülpsen oder pupsen bzw. am liebsten unterdrücken, die Leute begrüßen, mit dem Hund Gassi gehen, Schneemann bauen, Kaffee trinken um 15 : 00 Uhr und um 20 : 00 Uhr ins Bett gehen. Die Kinder dürfen nur mit der Erlaubnis der Eltern lange wach bleiben oder aber mit Freunden spielen oder einfach fernsehen. Kein Wunder, dass viele Kinder mit 18 Jahren rebellieren und all das machen wollen, was vorher verboten war, wie zum Beispiel sich ins Koma zu saufen oder Mülltonnen in Brand zu stecken. Es existieren viele Dinge, die Kinder nicht dürfen. Ein Rechtsstaat eben. Alles ist per Gesetz geregelt, beinahe auch die Moral. Ich hatte während meiner Kindheit die Freiheiten meines Kindes hoch drei. Ich durfte schon mit 4 Jahren Kaffee ausprobieren, Bier sogar schon mit 8. Ich habe in der 6. Klasse meine Weihnachtskleidung selber aussuchen dürfen, meine Mutter hat sich nicht eingemischt. Ich durfte auch mit 18 Germanistik studieren. Aber ich lernte immer was Neues, zwar auch viel Bescheuertes, aber Neues.
Die Schichten in der Gesellschaft, von meiner Sicht
Im Laufe der Jahre habe ich die Erkenntnis erlangt, dass die Gesellschaft hier geteilt ist. Es gibt Menschen, die der erwünschten Normalität irgendwie noch nicht gewachsen sind. Eine Personengruppe verhält sich oft abwertend und distanziert anderen Gruppen gegenüber. Zu denen gehört nicht nur die Gruppe der Ausländer. Sie sollen sich so verhalten, dass man erkennt, dass sie zu den normalen Menschen gehören. Also nicht in der Öffentlichkeit Bier trinken. Ausländer sollen bitte Theaterbesuche vermeiden, das passt nicht ins Bild. Die Gesellschaft hat Vorurteile und die sollen auch bestätigt werden, sonst kippen die Erwartungen an die Verhaltensmuster einiger Menschen. Die Schubladendenker fühlen sich ansonsten diskriminiert. Alles was Karl May mal berichtet hat, stimmt irgendwie nicht mehr. Wenn ich mit meinem Auto vor dem Supermarkt parke, schauen mich die Leute entsetzt an und denken bestimmt: Wo hat er den Wagen her? Sie leben alle auf unsere Kosten, von unseren Steuergeldern. Wirtschaftsflüchtlinge oder gar Mafiastrukturen. Es ist einfach nicht mehr schön in diesem Land. Es gibt zu viele Ausländer. So stelle ich mir oft die Sprechblasen vor, die in den Köpfen bei den Einheimischen entstehen. Sie haben keine Ahnung, wie viel Geld ich jetzt schon für die Steuer bezahlt habe. Es sind aber natürlich nicht alle so harmlos. Es gibt Schlimmere. Sie spucken dir vor die Füße, beschimpfen dich laut, oft kommt es sogar zu Übergriffen. Wenn man hier in dem Land leben will, muss man das auch in Kauf nehmen. Solch ein Satz gehört stereotypisch zu den Schuldzuweisungsmechanismen. Nicht mein Problem. Wegschauen. Aus diesem Grund ist eine unterlassene Hilfeleistung auch strafbar. Ich muss also helfen, auch wenn der betroffene Ausländer ist. Nicht aus Solidarität, sondern als Folge aus dem Gesetz.
Solche Regelungen gibt es in der kollektiven Gesellschaft nicht. Wenn man dem anderen nicht hilft, wird man von der Gemeinschaft in der Regel ausgeschlossen. Ich habe dies aber bisher nie erlebt. Man hilft in der Regel immer, auch Fremden.
Zu den gehassten Personengruppen gehören aber auch, nach der Zeit der SPD-Regierung, die Harz-IV-Empfänger. Dieses Wort wurde neu kreiert, als ich bereits in Deutschland war. Ich kann also behaupten, die Entwicklung des Wortes beobachtet und mitbegleitet zu haben. Es sind eigentlich ganz nette Menschen, die einfach nur Pech im Leben hatten. Jeder kann ganz schnell arbeitslos werden. Deswegen steht die Gesellschaft permanent unter Druck, den Job zu erhalten. Man lebt nicht nach Zielen, die man erreichen will, sondern man ist hier viel eher auf der Flucht vor dem Abgrund. Sobald einer stehen bleibt, fällt er ins tiefe Loch der Arbeitslosigkeit. Andere denken: Wenn ich stehen bleibe, erreiche ich meine Ziele nicht. Diese Einstellung schützt vor Depressionen oder auch vor einer Krankheit, von der ich bisher nur hier in Deutschland gehört habe: Burn-out.
Es existiert auch ein Abgrenzungswort, womit die Deutschen sich gegenseitig bezeichnen, wenn sie das Verhalten anderer Menschen nicht nachvollziehen können: Assis. Dieses menschenverachtende Wort ist vergleichbar mit dem in der Nazizeit geprägten Begriff der Gesellschaftsschädlinge. Deshalb muss man sich erst einmal mit dem Begriff und seiner Geschichte auseinandersetzen, bevor man zum Beispiel den Ausdruck Assi-TV benutzt.
Für diese Gruppe von Menschen gibt es in der Gesellschaft bestimmte Discounter, Supermärkte oder auch Kleidungsläden. Ich habe von anderen oft den Satz gehört: „Ich kaufe nicht beim Discounter ein, da stinken mit die Assis zu sehr, beim besten Willen nicht.“ Wenn ich dann als Ausländer in die Supermärkte gehe, muss ich mich erst einmal entscheiden. Habe ich den ganzen Tag im Garten gearbeitet und bin dreckig oder habe ich gerade Ferien und bin deshalb unrasiert und trage kein gutes Outfit. Dann gehe ich zu den Discountern. Ein ungepflegter Ausländer im Supermarkt ist ein Assi, ein ungepflegter blonder Deutsche ist ein Hippie. Wenn ich aber ruhige Musik hören möchte und in Ruhe guten Wein kaufen will, gehe ich zu anderen Supermärkten, die auch super teuer sind. Das ist doch krank, oder? Ich persönlich gehe gern zu Aldi und stöbere durch die Angebote dort.
Heutzutage sind die Menschen, vor allem aber die jüngere Generation, mehr i-sozial als alles andere. Sie haben i-pod, i-watch und viele andere i-…. Sie zählen nicht mehr zu den Festnetztelefonierern. Facebook und Co. stehen auf der Tagesordnung. Dies sind die besten Kanäle, die zu einer Verbindung zur modernen Gesellschaft führen, im Sinne der Globalisierung. Alle sind smart und auch i-sozial.
Markenkleidung, oder?
Es sind vor allem die Marken der Kleidung, die die Leute in der Gesellschaft voneinander trennen. Trägt man eine Wulfskin Jacke, wird man in einem anderen Ton angesprochen. Die Kassiererin im Supermarkt schreit dich nicht an, als wärst du schwerhörig. Folgendermaßen wird es dabei oft vergessen, dass man die Wörter, die man nicht kennt, auch nicht besser versteht, wenn man sie lauter hört. Wenn dies klappen würde, empfehle ich allen Sprachlehrern, einen Lautsprecher mit in den Unterricht zu nehmen.
Trägt man eine Jacke von Pik, dann wird man oft angeschrien. Die Ausländer können ja sonst nichts verstehen und ihnen muss man ja helfen. Ein anderes Thema ist das Geld, insbesondere für Autos. In der Fernsehwerbung meint der Prominente, dass dieses Auto für die Leute sei, die keine Statussymbole brauchen. Aber ich brauche Statussymbole! Die helfen gegen schreiende Kassiererinnen.
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