Snobby und das Geheimnis der weißen Fee: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 7)

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»Da stimme ich dir zu«, antwortete Snobby ebenso leise. »Die beste Gelegenheit haben wir bestimmt im Tempel. Wenn wir da ein sicheres Versteck finden, könnten wir noch vor dem nächsten Abend Erfolg haben.«
Aellas Augen wanderten zu dem Mond, der mit seinem blassen Licht den Strand erhellte. Sie ließ die Hand des Kobolds los und hockte sich vor ihm hin. »Ruhen wir uns noch einen Augenblick aus. Dann schleichen wir uns zur Stadt und erkunden die Mauer, die diesen unheimlichen Ort umgibt. Wenn alle Bewohner schlafen, haben wir es bestimmt viel leichter.«
Snobby sah Aella in die Augen, in denen sich das Licht des Mondes widerspiegelte. »So werden wir es machen«, stimmte er den Worten der Fee zu und er drehte sich zur Stadt um. Wie ein einziger schwarzer Schatten lag sie im Lichtschein des Mondes und ein mulmiges Gefühl machte sich im Bauch des Koboldes breit.
Nur wenige Minuten später schlichen sie zur Stadtmauer. Schon von Weitem konnten sie die Wachen erkennen, die mit Fackeln ihren Weg auf dem Wehrgang erhellten. Immer wieder sah einer dieser Wachen über die Mauer. Für den Kobold war das ständige Kommen und Gehen der bewaffneten Männer beunruhigend. Sein mulmiges Gefühl verstärkte sich in seinem Bauch.
Als es nur noch wenige Schritte waren, ergriff Snobby die rechte Hand der Fee. Er zog sie hinter eines der wenigen Gebüsche, die nahe der Stadtmauer wuchsen.
»Was ist denn?«, zischte die Fee leise zu dem Kobold, als sie sich neben ihm hinhockte.
»Nicht so laut«, flüsterte Snobby. »Die Wachen sind sehr aufmerksam. Wir müssen noch ein wenig warten.«
Eine Stunde verging und die beiden Gefährten bemerkten, dass die Aufmerksamkeit der Wachen nachließ. Irgendetwas musste sie ablenken, denn sie kamen nicht mehr auf den Wehrgang. Snobby packte seine Flugschale aus und vergrößerte sie mit einer Beschwörung. Er setzte sich auf sie und schwebte vor der Fee.
Aella brauchte keine Schale zum Fliegen. Mit Leichtigkeit erhob sie sich in die Luft und flog neben dem Kobold. Gemeinsam erreichten sie den Wehrgang, der auf der Mauer vom Stadttor zum nächsten Wachturm verlief. Das bleiche Mondlicht erhellte die Dächer der Häuser. Dazwischen gab es dunkle Schatten, die Schutz boten und die Gefährten vor unerwünschten Blicken schützten. Sie landeten zwischen den Häusern und duckten sich in die Schatten. Dann sahen sie sich vorsichtig um.
Die Wachen gingen gerade wieder mit ihren Fackeln auf der Mauer entlang. Ihre Waffen klapperten und einer von ihnen fluchte laut vor sich hin. »Die Suppe war früher besser gewesen.«
»Und das Brot war nicht so hart«, stimmte ihm ein anderer Wachmann zu.
»Wir sollten uns mal bei den Köchen in der Küche beschweren«, meinte der Nächste. »Dieses faule Pack strengt sich schon lange nicht mehr an. Nicht einmal Fleisch war in der Suppe drin. Und da soll man seinen Dienst die ganze Nacht verrichten. Anstatt zu schlafen, laufen wir auf dieser öden Mauer herum. Ich habe dazu keine Lust mehr.«
»Ich auch nicht«, stimmte der erste Wachmann zu. »Die Kerle, die den Tempel bewachen, haben es viel besser. Die werden von der Tempelküche versorgt. Die haben fast jeden Tag und jede Nacht Fleisch auf dem Teller.«
»Du hast recht«, fügte der Zweite hinzu. »Und morgen Nacht haben sie es noch viel besser. Da spricht das Orakel und ein Teil der Opfergaben geht an die Wachen des Tempels. Das war schon immer so. Und wir gehen wie immer leer aus.«
Die Wachen gingen schimpfend ihrer nächtlichen Arbeit nach und die beiden Gefährten hockten sich in einer schattigen Ecke zwischen zwei Häusern hin. »Nun wissen wir genug«, flüsterte die Fee.
»Wir brauchen ein sicheres Versteck«, flüsterte der Kobold zurück. »Es muss in der Nähe des Tempels sein und wir müssen unbemerkt hinein und hinauskommen.«
»Das weiß ich selbst«, antwortete Aella, nachdem sie sich noch einmal prüfend umgesehen hatte. »Wir müssen das Orakel aus dem Tempel bringen, bevor es mit seinen Voraussagungen beginnt. Es würde die Priester warnen und den Iht-Dag auf uns aufmerksam machen.«
»Ach ja«, flüsterte Snobby. »Da ist ja noch dieser Platos. Die beiden Dummköpfe, die mit dem Eselskarren zur Stadt wollten, haben sich ja laut genug über ihn unterhalten.«
Der Kobold sah aufmerksam zu Aella und ihm entging nicht, dass sie bei dem Namen des Iht-Dags zusammenzuckte. Ihm beschlich eine unbestimmte Ahnung und eine Frage kam ihn in den Sinn. Was wäre, wenn die Fee den Diener des Dämonicons kannte? Snobby wagte es nicht, die Frage offen auszusprechen. Er sah selbst noch einmal nach den Wachen. Von ihnen war nichts zu sehen oder zu hören.
»Wir sollten hier verschwinden«, flüsterte der Kobold der Fee zu. »In der Nähe der Stadtmauer sind wir nicht sicher.«
Im Schatten der Häuser huschten die beiden Gefährten durch die Nacht. Sie waren schnell und leise, so als wären sie Diebe, die einen großen Beutezug durchführen wollten. Doch in der Nähe des Tempels mussten sie halten. Die Wachen, die diesen Ort beschützten, waren überaus aufmerksam und keiner von ihnen fluchte über das Essen.
Im Schatten eines Hauses sahen sich die Gefährten den Ort an, in dem die Obinarer und die Dragolianer das Orakel wie einen gewaltigen Schatz hüteten. Nach und nach schlichen die Fee und der Kobold von Haus zu Haus. Sie waren auf der Suche nach einem Versteck. Es war schon weit nach Mitternacht, als sie sich für den Dachboden eines Hauses entschieden. Ein kleines Fenster, das einen Spaltbreit offen stand, wirkte auf die Gefährten wie eine Einladung. Sie konnten ihr nicht widerstehen.
Die Krone der Schattenalp
Die Schluchten von Hardion verbargen die Überreste von vielen Kriegern. Vagho war froh, dass er in dem Gewirr dieser Schluchten das Grab von Assgho gefunden hatte. Er war nicht dabei gewesen, als vor langer Zeit der Mann beerdigt wurde, den er zum General machte und der sein Heer in die Schlachten führte, als er noch selbst der König von Villbass war. Der Schattenalp hasste noch immer den toten Assgho, der ihm die Königswürde stahl und ihn aus seiner Heimat vertrieb.
Die Krone, die Assgho mit in sein Grab nahm, stammte vermutlich von einem Zwerg. Wahrscheinlich war dieser Zwerg ein Fürst oder sogar ein König gewesen. Für gewöhnlich hatte Assgho den Besitzer eines wertvollen Dinges getötet, wenn er ihm etwas raubte. In den Ohren des Schattenalps klangen noch immer die Worte seines einstigen Generals. »Wenn du keine Rache fürchten willst, so töte den Feind, denn beim Sterben sind alle gleich.«
Dämonicon stand neben dem König der Schattenalps, als der sich die Krone genauer ansah. Orapius und Monga betrachteten sie ebenfalls. Zwei Krieger von Vagho schaufelten das Grab wieder zu. Sie unterbrachen für einen Moment ihre Arbeit und sahen zu ihrem Herrn, als der sich den goldenen Reif mit den fünf dornartigen Zacken und den funkelnden Edelsteinen auf seinen kahlen Schädel stülpte. Die Krone passte, als wäre sie extra für Vagho von einem Meister der Goldschmiede hergestellt worden. Der König der Schattenalps sah zu den beiden Kriegern, die sich sofort wieder an ihre Arbeit machten.
»Sie steht dir ausgezeichnet, mein Freund«, sprach Dämonicon leise zu Vagho. Seine Stimme ließ die Wände der Schlucht erzittern. Staub und kleine Steine fielen herab und die Krieger sahen sich furchtsam um.
»Was nun geschehen soll, ist etwas komplizierter«, sprach Monga und sie betrachtete noch immer die Krone auf dem Kopf des Schattenalps.
Orapius zog aus einem kleinen Ledersack ein altes Türschloss heraus. Er streckte seine Hände mit dem Schloss Vagho entgegen und seine Stimme erbebte vor Ehrfurcht, als er zu ihm sprach. »Mein Herr und Meister. Spreche die Beschwörung aus, sodass die Krone ihr Werk verrichten kann. Das Schloss wird sich öffnen, so wie es auf dem alten Pergament stand, das ich im Bluthort gefunden habe.«
Vagho betrachtete das Schloss, in dem ein abgebrochener Schlüssel steckte und die verrostete Verriegelung herausschaute. Er bezweifelte, dass dieses Ding noch funktionierte, doch er sprach die Beschwörung aus. Sofort drehte sich der Rest des Schlüssels im Schloss einmal um sich selbst und der Riegel fuhr zurück. Hätte das Schloss eine Tür verschlossen, so wäre sie für jeden Eindringling offen. Erleichtert sah Vagho zu Dämonicon.
»Damit ist es also entschieden«, sprach der schwarze Prinz und Monga stimmte ihrem Sohn zu.
»Wir werden uns die drei Elflinge holen und so Theodora mitten in ihr Herz treffen. Sie wird sich nach ihnen so sehr sehnen, dass sie ihre Kräfte verbraucht und ihre Aura zusammenbricht. Wenn das geschehen ist, werden wir Bochea überrennen und die Stadt dem Erdboden gleichmachen.«
»Ja Mutter«, sprach der schwarze Prinz. »Im Frühjahr werden wir soweit sein. Mein getreuer Diener Platos hat mir einen Boten geschickt. Er herrscht in meinem Namen noch immer über die Insel der Alten. Seine Treue ist groß und er bereitet alles für meine Rückkehr und natürlich auch für die Rückkehr der sieben Alten vor. Sein Orakel wird ihm dabei helfen. So hat es mir sein Bote versichert.«
Vagho rieb sich die Hände und ein hinterhältiges Grinsen war in seinem Gesicht zu sehen. Er spürte die Abenteuerlust und die Gier nach fremden Schätzen. Diese Gier war wie ein Rausch und er gab sich diesem Rauch mit Vergnügen hin. »Wir werden uns diese Elflinge holen und dann lassen wir sie fliegen.«
»Ja mein Herr«, stimmte ihm Orapius zu. »So wird sich die Prophezeiung dieser Feenkönigin doch noch erfüllen.«
Der schwarze Magier packte das Schloss zurück in den Sack. Er warf es achtlos auf das Grab von Assgho. Dann lief er seinem Herrn nach, der sich mit Dämonicon und Monga zu einer Höhle zurückzog.
Die Hitze des Tages wurde immer unerträglicher. In der Höhle, die tief in die Wand der Schlucht führte, beschwor Dämonicon ein schwarzes Portal. Es brachte ihn und seine Begleiter zurück zum großen Festungstor des Bluthortes. Vor dem Tor des alten Gemäuers öffnete sich das Portal und Dämonicon kam zuerst heraus. Die anderen folgten ihm und als der letzte Krieger heraus war, schloss es sich mit einem Knall.
Dämonicon stieß das Tor auf und lief in die große Halle der alten Festung. Dort wartete bereits das Essen auf einen Tisch. Nach einer halben Stunde erklärte er Monga und Vagho, was er vorhatte. »Noch heute werdet ihr nach Bochea reisen. Orapius wird euch begleiten. Ihr holt euch die drei Elflinge und bringt sie mir. Wir sperren sie hier im Bluthort ein, und wenn das Frühjahr gekommen ist, werden wir unsere Pläne verwirklichen. Dieses Mal werden wir über Bochea siegen und Theodora wird sterben.«
»Und was wirst du in der Zwischenzeit machen?« In Mongas Stimme war deutlich zu hören, dass sie mit ihrem Sohn nicht völlig einverstanden war. Sie sah ihn mit einem durchdringenden Blick an.
»Ich reise nach Selan und werde dort die Arbeiten an der Tempelanlage überwachen«, erklärte Dämonicon und seine Stimme ließ die alten Mauern des Bluthortes erzittern. »Vor vielen Jahren hat dort angeblich ein unerklärliches Beben gewütet. Doch es wird wohl eher ein Krieg gewesen sein. Platos Bote konnte, oder wollte mir nichts genaues sagen. Der Bote war noch ein Knabe, den Platos mit Bedacht für seine Aufgabe ausgesucht hatte. Ich will, dass die Bewohner der Insel die sieben Tempel wieder aufbauen und zu einem einzigen Tempel vereinen. Es darf nur einen Zugang geben, der leicht zu bewachen ist. Das ist sehr wichtig für mich. Die versteinerten Söhne des Schöpfers müssen geschützt werden. Kriege und Hungersnöte haben das Volk auf der Insel von ihren Pflichten abgehalten. Ich werde das ändern und auf der Insel für Ordnung sorgen.«
»Na gut«, lenkte Monga ein. »Wir reisen also nach Bochea und holen uns die Kinder der Feenkönigin. Ich hoffe nur, du vergeudest nicht so viel Zeit auf dieser Insel.«
Dämonicons Miene verfinsterte sich, als er zur schwarzen Fürstin sah. »Du wirst doch nicht etwa an mir zweifeln, Mutter? Immerhin verdankst du mir deinen neuen Körper. Mein Vater hätte ihn dir nicht geben können.«
»So habe ich das nicht gemeint«, versuchte Monga ihren Sohn zu beschwichtigen. »Ich will nur … ohne dich ist es viel gefährlicher in Bochea. Dort gibt es nur Feinde.«
Dämonicon nahm sich eine Schweinekeule und roch an ihr. Sie war frisch gebraten und ihr Duft zog ihm in die Nase. Er zeigte mit ihr zu Monga. »Du weißt genau, dass ich euch in Bochea nicht helfen kann. Die Aura der Feenkönigin würde mich sofort verraten. In dieser Stadt ist jede schwarze Magie nutzlos. Deshalb muss ein Meisterdieb wie Vagho dort ans Werk gehen. Ihr sollt ihm helfen, die Kinder sicher hier herzuschaffen. Ist das so schwer zu verstehen, meine liebe Mutter?«
Monga schüttelte den Kopf und ein Bote trat herein. Er beendete mit seiner Meldung das Gespräch. Der Bote trat dicht an Dämonicon heran und grüßte mit einer Verbeugung. Dann trug er seine Botschaft vor. »Ich bin gelaufen, so schnell ich konnte, mein Herr. Ich muss euch berichten, dass die Riesen in Ando-Hall sich zum Kampf gerüstet haben. Sie haben sich von ihren Priestern für einen Krieg segnen lassen. Das konnten wir aus den Gesprächen von zwei Jägern entnehmen, die wir belauscht haben. Es waren weiße Elfen, die in der Nähe von Ando-Hall ihr Jagdgebiet haben. Die Riesen bewachen ihre Stadt und ihren Tempel so gut, dass niemand ungesehen hineinkommt.«
»Verdammt, das habe ich befürchtet!«, fluchte Vagho sofort los, als der Bote seinen Bericht beendete.
»Du musst mehr Geduld haben«, belehrte ihn Dämonicon. »Es findet sich immer wieder eine Möglichkeit, in Ando-Hall einzudringen. Außerdem haben wir in der nächsten Zeit dort nichts Wichtiges zu erledigen. Und die Wand mit der verräterischen Karte im Tempel der Riesen wird auf uns warten müssen. Die werden wir zerstören, wenn wir Ando-Hall dem Erdboden gleichgemacht haben.«
Die Worte des schwarzen Prinzen erinnerten Orapius an seine eigene Karte, die er immer bei sich hatte. Er breitete sie auf einem Tisch aus und tippte mit einem Dolch auf die Stelle, wo Bochea eingezeichnet war. »Wir holen uns zuerst die Elflinge«, sprach er in aller Ruhe zu Vagho. »Dann warten wir einige Tage und sehen, was in Bochea geschieht. Einige Meilen südlich von Bochea gibt es ein gutes Versteck für uns. Es ist ein kleiner, flacher Hügel, auf dem die Reste eines alten Gemäuers stehen. Man nannte früher diesen merkwürdigen Ort den Laurushügel.«
Dämonicon und Monga beugten sich über die Karte und betrachteten sie. Sie bestand aus dünnem Ziegenleder und ihre schwarzen Linien und Buchstaben konnte nur jemand sehen, der ihr Geheimnis kannte. Orapius hatte sie hergestellt und mit einem magischen Schutzzauber versehen. Nur ein Träger der schwarzen Magie konnte ihr Geheimnis lüften. Zufrieden schaute der Magier in die Gesichter von Monga, Vagho und Dämonicon.
»Du hast dir viel Mühe mit dieser Karte gegeben«, lobte ihn die schwarze Fürstin. »Wir sollten noch etwas von den Speisen essen und einen guten Wein dazu trinken. Dann ist es Zeit für den Aufbruch. Selbst auf der Karte sieht der Weg nach Bochea recht weit aus.«
Eine Stunde später brachen Monga, Orapius und Vagho auf. In dicke Felle gehüllt saß die Fürstin auf einem Kriegsschild. Mit diesem Schild flog sie eine Runde um den Bluthort. Vagho und Orapius setzten sich zusammen auf die Flugschale des Königs. Sie schützten sich ebenfalls mit Fellen gegen die eisige Kälte des Winters. Die Flugschale war gerade groß genug für die beiden Schattenalps. Monga flog voraus, denn sie kannte den Weg, der nach Bochea führte.
Dämonicon sah ihnen nach. Als seine Mutter und die beiden Schattenalps nicht mehr zu sehen waren, beschwor er ein schwarzes Portal herauf. Nur einen kleinen Augenblick später war er im Portal verschwunden. Es fiel mit einem Knall in sich zusammen und Dämonicon landete auf der Insel Selan, wo er direkt im Tempel der Stadt ankam.
Für die Fürstin und die beiden Schattenalps dauerte der Weg viel länger. Sie mussten über die kalte Winterlandschaft fliegen. Dabei waren Straßen und Wege kaum zu sehen. Der Wind überdeckte alles gleichmäßig mit einer dicken Schneeschicht. Der Flug dauerte einige Stunden und sie landeten erst, als die Nacht hereinbrach. Ein kleines Gebüsch und eine umgestürzte Eiche waren der einzige Schutz, den die Fürstin und die beiden Schattenalps fanden. Völlig erfroren machten sie sich ein Feuer an und wärmten sich die Hände. Erst dann packten sie ihren Proviant aus.
Das Brot und das Fleisch waren gefroren und so hart wie ein Stein. Sie mussten sich gedulden, doch dank des Feuers war des Essen bald genießbar. Dem starken Wein, den die drei dunklen Gestalten bei sich hatten, konnte die eisige Kälte nichts anhaben. Er war nicht gefroren und er schmeckte ihnen um so besser.
Als sie satt waren, erklärte sich Vagho bereit, die erste Wache zu übernehmen. Er warnte die Fürstin und den schwarzen Magier. Sie sollten lieber nicht so tief schlafen, denn die Wölfe waren bestimmt nicht weit. Selbst das Feuer würde sie nicht schützen, wenn ein hungriges Rudel angriff.
Mit seinem Zauberstab bewaffnet, hockte Vagho hinter der Eiche und er sah in die Nacht hinaus. Dabei wanderten seine Gedanken noch einmal zurück in längst vergangene Zeiten. Ihm kam der Schatz von Illwerin in den Sinn und sein General Assgho, der ihm nach der Eroberung der Stadt mit Vorwürfen überhäufte. Das Gold von Illwerin war verschwunden und die Zahl der gefallenen Krieger war groß.
Eine Weile sah der König der Schattenalp die Bilder längst vergangener Zeiten vor sich, als wäre alles erst soeben geschehen. In Gedanken versunken, grübelte er darüber nach, was geschehen wäre, wenn er den Schatz der weißen Elfen von Illwerin erfolgreich auf seine Insel Villbass gebracht hätte. Ein leises Knacken ließ ihn aufschrecken. Er sah sich um, doch es war nichts zu erkennen. Kein Wolf war in der Nähe und das Knacken kam von dem Lagerfeuer. So wartete er noch einige Stunden ab. Dann weckte er Orapius auf, bevor er sich selbst zum Schlafen neben dem Feuer in seine Felle hüllte.
Der nächste Morgen brach mit einem lauten Donnern an. Monga hatte die letzte Wache übernommen und eine Jagdhorde entdeckt. Ein großer Haufen Nachtaugenriesen näherte sich dem Lager der drei dunklen Gestalten. Die Fürstin hatte sie im letzten Augenblick bemerkt und den Anführer mit einem Donnerschlag niedergestreckt. Seine Begleiter waren so überrascht, dass sie erst begriffen was geschehen war, als Monga einen zweiten Riesen zu Fall brachte. Wütend griffen sie an und die Fürsten flog mit ihrem Kriegsschild eine große Runde. Sie erkannte schnell, dass die Riesen die Verfolgung aufnahmen. Dadurch konnten die beiden Schattenalps ihre Sachen packen und auf Vaghos Flugschale entkommen.
Als Monga zu ihnen zurückkehrte, hatte sie die wütenden Riesen weit hinter sich gelassen. Sie lachte, als sie sich beim Fliegen von Orapius ihre Felle geben ließ.
»Habt ihr das gesehen!?«, rief sie den Schattenalps zu. »Diese närrischen Riesen waren auf der Wolfsjagd. Es waren mindestens zwölf Jäger und ein Priester.«
»Deshalb hatten wir in der Nacht Ruhe vor den Wölfen«, antwortete Vagho. »Die Riesen hatten sie vertrieben. Doch sie werden ihre Jagd bestimmt nicht fortsetzen.«
»Der Meinung bin ich auch«, fügte Orapius hinzu. »Sie werden ihre Toten begraben und in Ando-Hall berichten, dass sie uns gesehen haben.«
Monga flog mit ihrem Schild dicht neben der Flugschale der Schattenalps. Der eisige Wind trieb der Fürstin Tränen in die Augen, doch sie verringerte ihre Geschwindigkeit nicht. »Ich glaube nicht, dass sie tot sind«, rief sie den Schattenalps zu.
»Wie so nicht?« Vaghos Frage klang beinah bedrohlich. Monga hielt sich mit einer Hand am Schild fest und schützte mit der anderen Hand ihren Mund, als sie antwortete. »Ich habe den ersten Riesen am Bein erwischt. Der zweite Kerl war so dick angezogen, dass sein Mantel und seine Ledersachen die Wucht meines Donnerschlags abgebremst haben. So ein Riese ist nicht leicht zu töten. Selbst die Dämonen fürchten noch immer ihre Kräfte.«
Vagho wollte noch etwas sagen, doch Orapius machte ihn auf einen Schwarm Krähen aufmerksam. Sie wichen den Tieren aus und suchten sich eine Stelle zum Landen. In einem kleinen Wäldchen rasteten sie ein wenig später und sie verschlangen hastig die Speisen, die ihnen ein kleines Feuer erwärmte. Da sich die drei dunklen Gestalten nicht sicher fühlten, brachen sie rasch wieder auf. Die Kälte setzte ihnen trotz der Felle und der warmen Ledersachen tüchtig zu. Deshalb waren sie froh, als sie am frühen Abend den Laurushügel erreicht hatten. Sie hofften, zwischen den Mauerresten die auf ihm standen, genügend Schutz zu finden. Doch Schnee und Eis hatten alles bedeckt, was von der Ruine noch übrig war.
Orapius trieb mit einer Beschwörung den Schnee von den uralten Steinen, die von dem einstigen Haus, das hier früher stand, noch zu erkennen waren. Dabei legte er die Reste eines Fußbodens frei, auf dem im Sommer Moos und kleine Büsche wuchsen. Erde und modriges Laub und kleine Steine flogen zu Seite und die Fürstin zeigte zu einer bestimmten Stelle. »Dort ist etwas, dass zu den anderen Steinen des Bodens nicht passt.«
»Oh ja«, flüsterte Vagho und er spürte sofort, wie die Neugierde in ihm aufstieg und jeden Gedanken an die Kälte, die Feinde und die mahnende Vorsicht vergessen ließ. Er zog seinen Zauberstab und ließ mit einer Beschwörung eine große viereckige Steinplatte in der Luft schweben. Behutsam setze er sie neben dem Loch ab, das im Boden zu sehen war. Dann beschwor er seinen Zauberstab und ein Licht erhellte die Umgebung.
»Was für eine tolle Magie«, stellte Monga mit einem überfreundlichen Grinsen fest. »Ein Zauberstab, dessen Kristallspitze leuchtet. Hoffentlich geht der nicht gleich wieder aus.«
»Nur keine Sorge, meine liebe Fürstin«, knurrte Vagho, als er sich das viereckige Loch im Fußboden ansah. »Diese Magie habe ich schon oft genug benutzt. Sie erspart mir das Tragen einer Fackel.«
Im Lichtschein konnte Vagho eine Treppe erkennen, die tief unter den Fußboden in einen Raum führte. Er stieg diese Treppe hinunter und sah sich dem Raum unter dem Fußboden an. Viel gab es nicht zu bestaunen. Die Reste einiger alter Schränke, die von den Holzwürmern schon längst besiegt waren, lagen überall herum. Es war staubig und ein Geruch von Moder lag in der Luft.
In einer Ecke stand eine kleine Truhe, an die sich die Holzwürmer noch nicht herangewagt hatten. Sie sah ungewöhnlich gut erhalten aus. Orapius sah sie zuerst und er versuchte sofort, ihren halbrunden Deckel zu heben. Er spürte einen stechenden Schmerz in beiden Händen. Seine Beine wollten ihm plötzlich nicht mehr gehorchen. Der Magier sackte auf den Boden und die Truhe schien um ihn herum zu tanzen. Eine schallende Ohrfeige seines Herrn brachte ihn wieder ins Bewusstsein, wo er sich gerade befand.
Monga betrachtete die Truhe genauer. Sie spürte, dass ein Schutzbann den Inhalt dieses kleinen Dinges bewachte. »Da werden wir wohl zu etwas stärkeren Mitteln greifen müssen«, sagte sie so, als wollte sie gleich einen gewaltigen Hammer einsetzen.
Vagho half dem Magier auf die Beine und leuchtete ihm mit seinem Zauberstab ins Gesicht. »Geht es wieder, oder brauchst du noch einen Schlag.«
Orapius erkannte das schadenfrohe Grinsen im Gesicht seines Herrn und er schüttelte hastig seinen Kopf. »Nein … ich bin nur etwas … aber das geht gleich wieder … ich meine … was ist denn das für ein Bann? So etwas habe ich noch nicht erlebt. Das kann nur der alte Laurus gewesen sein. Der hat hier gewohnt und wir befinden uns in seinem Keller.«
»Ja ja, der gute alte Laurentius«, spottete Vagho. »Ich werde wohl die Krone des Assgho benutzen müssen.«
»Das solltest du tun, mein Herr und Meister. Doch der Mann, dem diese kleine Truhe einst gehörte, hieß Laurus. Wir können froh sein, dass er nicht mehr lebt. Der Kerl soll unausstehlich gewesen sein. Kurz vor seinem Tod war er völlig verwildert. Und wirr im Kopf war er auch.«
Vagho setzte sich die Krone auf, mit der er die Truhe öffnen wollte. Gespannt sahen ihm Monga und Orapius zu. Er flüsterte eine Beschwörung und ein grünliches Schimmern umgab die Truhe. Das Schimmern löste sich auf und eine zweite Beschwörung ließ einen versteckten Schließmechanismus zurückfahren. Mit einem leisen Klicken gab die Verriegelung den Deckel frei. Der hob sich hoch und Monga und Orapius wollten sofort wissen, was in der Truhe war. Vagho breitete seine Arme aus und hielt sie zurück.