Soldatis und der König der Schattenalp: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 5)

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Die Ruhe kehrte zurück und Vagho öffnete leise die Tür. Auf dem Flur war es so finster, dass er kaum etwas erkennen konnte. Der Geruch der Janus-Elfe lag immer noch in der Luft und der Schattenalp tastete sich zur Treppe hin. Als er auf dem Dachboden ankam, holte er seine Flugschale heraus und sah zu dem Loch im Dach, durch das er in das Haus gekommen war. Ihm fiel der Fluch ein, der die Mauern von Saphira umgab und ihn hindern würde, die Stadt mit der Flugschale zu verlassen. Er musste wieder durch das Tor kommen, oder einen anderen Weg finden. Doch vorher musste er seine Aufgabe erledigen.
Der Tag neigte sich dem Ende entgegen und die langen Schatten der Berge fielen auf die ersten Häuser von Saphira. Vorsichtig flog Vagho durch das Loch im Dach. Er landete hinter dem Haus, zwischen einem Haufen alter Fässer. Die Luft war auch hier mit dem Geruch der Janus-Elfen erfüllt. Doch es war keine von ihnen zu sehen oder zu hören. Leise schlich der Schattenalp von den Fässern weg. Er musste einen Weg in das Bergwerk finden.
Jede Deckung nutzend, schlich Vagho vorsichtig zur Burg. Überall lagen alte Möbel herum, die jemand vor langer Zeit auf die Straße geworfen hatte. Ab und zu bot ein Fass oder eine Kiste dem Schattenalp Schutz vor Entdeckung, denn die Janus-Elfen schwebten immer wieder an ihm vorbei. Wie lange Schleier zogen sie dabei ihre Kleider über den Erdboden. Zu seinem Glück entdeckte ihn keine dieser Kreaturen.
Vagho kam unbehelligt zu den Häusern, die dem Felsen am nächsten waren, auf dem die Burg stand. Am Fuße dieses Felsens hatten die Zwerge einst ein tiefes Loch hineingetrieben. Wenn die Karte aus dem Tagebuch des Kaufmanns Anzel stimmte, so musste dieses Loch der Eingang zum Bergwerk sein. In der Burg, die von den Wüstenzwergen auf dem Felsen gebaut worden war, musste die Truhe stehen. In ihr waren die Gorgoden, die Dämonicon so dringend brauchte.
Bei all seinen Gedanken vergaß der Schattenalp nicht, den Eingang zu beobachten. Ihm fiel auf, dass die Janus-Elfen sich plötzlich zurückzogen. Was hatte das zu bedeuten? Warum wollten diese Wesen plötzlich das Bergwerk nicht mehr bewachen? Vagho sah zwischen zwei Kisten immer wieder zu dem Eingang und wartete geduldig ab.
Die Nacht brach schnell herein und in der Dunkelheit war für einen Moment nichts zu sehen. Doch dann geschah etwas, was den Plänen des Schattenalps schaden konnte. Zuerst sah er nur ein schwaches Leuchten. Doch dann flogen langsam zwei Kreaturen auf und ab, die Vagho als Geister bezeichnen konnte. Ihre Statur ähnelte den großen und kräftigen Bergtrollen.
Vagho wusste aus den Erzählungen der Tieflandzwerge, dass auch sie diese Bergtrolle früher als Sklaven gehalten hatten. Die Wüstenzwerge hatten sie also in dem Bergwerk von Saphira zur Arbeit gezwungen. Es erschien ihm logisch, dass der Magier Saltar sie dann irgendwie umgebracht hatte, damit sie ihm als Geister dienten und das Bergwerk bewachten. Sicherlich war die Magie von Saltar sehr schwer zu brechen. Aber was wäre Vagho für ein Schattenalp, wenn er es nicht probieren würde? Und er musste es probieren, denn er hatte schon längst keine Wahl mehr.
Langsam zog er seinen Zauberstab aus seinem Gürtel und seine Augen verfolgten jede Bewegung der beiden Geister, die vor dem Bergwerk Wache hielten. Er wollte sie gerade mit einem Trick ablenken, um unbemerkt den Eingang zu erreichen, da zuckte ein Blitz durch den nächtlichen Himmel. Für einen kurzen Augenblick war die Umgebung vor dem Eingang taghell erleuchtet. Doch außer den beiden Geistern war niemand zu sehen. Wieder zuckte ein Blitz zum Himmel und Vagho duckte sich hinter den Kisten. Als er wieder zum Eingang sah, zogen sich die beiden Geister gerade in das Bergwerk zurück und das schaurige Lachen der Janus-Elfen war zu hören.
Der Schattenalp zögerte nicht länger und sprang hinter den beiden Kisten hervor. Er rannte zum Eingang des Bergwerks und sah hinein. Ein dritter Blitz folgte und Vagho stand plötzlich mitten im Licht. Er huschte schnell in die Dunkelheit des Bergwerkes und drückte sich an die nächste Wand. Da er nun im Schatten stand, konnten ihn die Geister nicht sofort sehen. Ein gutes Dutzend zog an dem Schattenalp vorbei, ohne den Eindringling zu bemerken. Ihre Aufmerksamkeit galt nur den Blitzen, die weiter durch die Nacht zuckten.
Vagho verstand nicht, was sich die Geister zuraunten. Doch sie versammelten sich alle kurz vor dem Eingang und ihre Stimmen klangen wie das Brummen eines wild gewordenen Bienenschwarms. Das nutze der Schattenalp aus, denn er konnte sich nun ungestört ein wenig umsehen.
Der lange Stollen, den die Zwerge einst als Eingang schräg nach unten in den Felsen getrieben hatten, endete in einer größeren Höhle. Hier hatten sie offenbar früher ihre Gerätschaften gelagert. Ein Dutzend zerbrochene Kisten und einige rostige Werkzeuge lagen noch herum.
Vagho holte die Karte hervor und betrachtete sie. Er brauchte seinen Zauberstab nicht, um sie zu beleuchten. Die Wüstenzwerge, die vor langer Zeit dieses Bergwerk angelegt hatten, kannten sich in magischen Dingen gut aus. Sie wussten, wie man an dunklen Orten dauerhaft Licht machte. Überall glänzten Kristalle an den Wänden und gaben der Höhle ein seltsam trübes Licht. Das reichte dem Schattenalp zur Orientierung.
Auf der Karte war deutlich ein weiterer Stollen zu sehen. Der führte in das Innere des Bergwerkes. Das Versteck des Schlüssels war jedoch nicht eingetragen worden. Vagho musste über alte Holzbalken, Kisten und rostiges Werkzeug klettern, um zu dem nächsten Stollen zu gelangen. Er war recht lang und führte schräg nach unten zu einer weiteren Höhle. Von hier aus führten drei Stollen ab.
Ein Schlüssel war nirgendwo zu entdecken, dafür lagen hier überall die Knochen der Bergtrolle herum. Der Schattenalp stolperte über einen ihrer Schädel. Ärgerlich stieß er ihn mit dem Fuß zur Seite, ohne zu bedenken, dass er damit die Geister rief. Er wusste nicht, was sie alles anstellen konnten. Doch als er ihr wütendes Geheule hörte, da war ihm klar, dass er soeben eine Dummheit begangen hatte. Ohne weiter zu überlegen rannte er in den ersten Stollen hinein und versuchte ein Versteck zu finden.
Das Heulen der Geister blieb ihm jedoch in den Ohren. Der Stollen endete in einer unerwartet großen Höhle. Sie war beinah so groß, wie die Grotte, die Dämonicon als Behausung nutzte. An der gegenüberliegenden Wand stürzte ein Wasserfall in ein senkrecht nach unten führendes Loch. Wie ein feiner Nebelschleier hingen die Wassertröpfchen in der Luft. Sie legten sich langsam auf alles, was sich in der näheren Umgebung des Wasserfalles befand.
Vagho sah sich um, doch er konnte kein Versteck entdecken. Mit dem Zauberstab in seiner rechten Hand blieb er in der Mitte der Höhle stehen und erwartete die Geister. Die ließen nicht lange auf sich warten. Mit ohrenbetäubendem Geheule kamen sie alle aus dem Stollen heraus und umkreisten den Schattenalp. Doch sie griffen ihn nicht an, denn der Zauberstab ihres unerwarteten Besuchers hatte eine starke magische Kraft. Sie konnten diese Kraft spüren und sie sahen in Vaghos Gesicht die Entschlossenheit zum Kampf.
Immer langsamer wurde der Flug der Geister. Einer nach dem anderen blieb schließlich vor Vagho stehen. Der Letzte von ihnen, der mit den Umkreisen des Schattenalps nicht aufhören wollte, wurde etwas unsanft von einem besonders großen Geist mit einer Handbewegung aus seiner Flugbahn katapultiert. Er landete mit einem fürchterlichen Geschrei im Wasserfall. Das schien ihn nicht weiter zu stören, denn er wuchs sogleich neben dem großen Geist aus dem Boden.
Vagho erkannte sogleich die neue Situation und er zog mit seinem Zauberstab einen Schutzbann um sich. Wie ein glühender Kreis aus feuriger Lava umgab ihn dieser Bann. Er konnte den ersten Angriff der Geister abhalten, bevor er zusammenbrach. Doch die Geister griffen nicht an. Ihr Anführer kam bis zu dem Schutzbann heran und betrachtete den Schattenalp.
Mit verschränkten Armen stand Vagho da und ein spöttisches Lächeln lag auf seinen Lippen. Offenbar hatte er die Geister beeindruckt. Der Anführer sah ihn an und schüttelte den Kopf. Dann sprach er mit einer unerwartet tiefen Stimme, die durch das ganze Bergwerk widerhallte. »Du bist der erste Schatzjäger, der bis zu uns durchgekommen ist. Jeder andere Narr, der vor dir in die Stadt gekommen ist, wurde von den Janus-Elfen vernichtet. Sie haben ihre Feinde zum Fressen gern, doch wie ich sehe, ist an dir nicht viel dran. Nur dein Zauberstab ist für uns eine Gefahr, du selbst bist nur ein schmächtiger dunkler Elf. Ein Krieger bist du nicht, das sehe ich dir an.«
Vagho drehte seinen Zauberstab in seiner Hand hin und her. Dabei sah er den Geist mit seinem spöttischem Lächeln von unten nach oben an. »Größe und Kraft sind nicht die stärksten Waffen eines Kriegers«, sprach er zu dem Geist. »Oft sind List und Strategie wichtiger als starke Muskeln. Mein Zauberstab ist stärker als die meisten Schwerter der Menschen und Elfen. Hätte ich nur ein einfaches Schwert in der Hand, so wäre ich schon längst tot. Doch ich will noch nicht sterben, denn ich lebe gern in dieser Welt. Was muss ich also tun, damit ich nicht gegen euch kämpfen muss und trotzdem an mein Ziel komme?«
Der Anführer der Geister sah ihn verwundert an. Obwohl seine Gestalt nur aus der magischen Energie seiner Seele mit Licht gespeist wurde, konnte der Schattenalp genau seine Gesichtszüge erkennen. »Ich bin Turlog, der Anführer von all den Geistern, die du hier in diesem verfluchten Bergwerk siehst. Wir waren einst stolze Bergtrolle, die in diesem Gebirge allein lebten. Als die Zwerge kamen, da vertrieben sie uns von unseren heiligen Plätzen. Wir führten zuletzt einen erbarmungslosen Krieg, den wir verloren. Die Wüstenzwerge hatten mächtige Zauberer und ihre Heerführer hatten viel mehr Erfahrung als wir. Ich war der letzte Häuptling, der sich gewehrt hatte. Zur Strafe wurden wir versklavt und in dieses Bergwerk gesperrt. Wir sollten die edlen Steine und Kristalle finden.«
Vagho trat näher an Turlog heran. »Und warum seid ihr hier als Geister an diesem Ort gebunden? Ihr Trolle habt doch ein Seelenreich, wo ihr nach eurem Tod hinübergeht. Was hindert euch daran?«
Der Häuptling wirkte auf einmal recht niedergeschlagen. Er ließ seinen Kopf hängen und zeigte zu einer Ecke, in der ein alter Kupferkessel stand. »Jeden Morgen und jeden Abend bekamen wir in diesem Gefäß unser Essen. Meistens war es nur eine dünne Suppe. Sie gaben uns hartes Brot dazu und trieben uns mit ihren Peitschen zur Arbeit an. Doch eines Tages war alles anders. Einer ihrer Magier kam zu uns und brachte uns Fleisch und Wein mit. In unserem Kessel war plötzlich Schweinefleisch mit dicker Suppe und das Brot war frisch und zart. Der Wein schmeckte köstlich und wir dachten schon, dass die Wüstenzwerge sich besonnen hätten und es nun gut mit uns meinten. Doch es war nur eine neue List. Das Fleisch war vergiftet worden und der Wein hatte eine unerwartet magische Wirkung bei uns Bergtrollen. Wir versuchten zu entkommen und schlugen die Aufseher tot. Doch wir konnten dem Gift nichts entgegensetzen und wir starben nach drei Stunden Kampf. Unsere Seelen konnten diesen verfluchten Ort nicht verlassen und der Magier kam wieder zu uns. Er brachte uns einen Schlüssel und erklärte uns, dass wir als Geister an diesen Ort gebunden wären und nun für alle Zeiten eine andere Aufgabe hätten. Wir sollten den Schlüssel bewachen und jeden töten, der lebend in dieses Bergwerk kommt. Wir können uns nicht lange gegen den Befehl dieses Magiers wehren, doch solange du in deinem feurigen Schutzbann bleibst, werden wir dich nicht angreifen. Erst wenn die zwölfte Stunde kommt, müssen wir über dich herfallen und dir das Leben nehmen. Dein Zauberstab wird uns nicht lange aufhalten, denn die Magie des Zwergenmagiers Saltar ist einfach zu groß.«
Vagho nickte, denn er konnte sich denken, dass die Geister lieber in ihr Seelenreich gezogen wären, als mit ihm zu kämpfen. »Was kann ich für euch tun?«, fragte er den Häuptling Turlog. »Wenn ich euch helfen kann, dann sagt es mir. Eure Freunde und eure Familien erwarten euch doch schon längst im Seelenreich der Trolle. Und ich bin mir sicher, dass ihr alle dort hin wollt.«
Turlog nickte und zeigte wieder zu dem Kupferkessel. »Wenn die zwölfte Stunde kommt, so wird sich dieser Kessel mit kochender Suppe füllen und das gibt uns die Kraft, die wir zum Kampf brauchen. Sobald wir die magische Suppe gegessen haben, werden wir dich vernichten. Ist der Kessel leer, so liegt nur noch der Schlüssel in ihm. Wer ihn nimmt und weiß, wo er nach den wirklichen Schätzen von Saphira suchen muss, der kann sehr mächtig werden. Doch alle Macht hat ihren Preis und auch du, mein kleiner dunkler Elf, wirst diesen Preis zahlen müssen. Sprich noch ein letztes Gebet und verneige dich vor dem Wasserfall, den die Wüstenzwerge einst vor langer Zeit den Altar des Schöpfers nannten. Er war ihnen heilig.«
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