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Immer hektischer streichelten wir unsere erregten Körper, drückten wir stöhnend unsere Lippen aufeinander, um dann gleich wieder unsere pulsierenden Schwänze mit diesen Lippen zu verwöhnen …
Fast gleichzeitig schossen wir stöhnend unsere nicht enden wollenden Fontänen in das warme Wasser des Pools. Ich erlebte einen Höhepunkt, wie ich ihn noch nicht so oft erlebt hatte.
Claudi drückte sich zärtlich an mich und streichelte mich im warmen Wasser.
»… na, war es so schlimm? Wenn ich nicht genau wüsste, dass es für dich das erste Mal auf dieser Ebene gelaufen ist, würde ich fast denken, du hast mir nicht die ganze Wahrheit gesagt«, kam es, mit einem leisen Lachen versetzt, aus ihrem Mund.
»… es war einfach nur geil«, gab ich zurück. »Und als ich endlich meine Zurückhaltung ablegen konnte, wusste ich ja, wie ich dich verrückt machen kann, spiele fast täglich mit mir selbst. Brauchte keine Beschreibung, wo und wie ich was drücken, reiben oder lecken sollte. Das Teil, oder besser die Teile …«, lachte nun auch ich »waren mir sehr, sehr vertraut …«
Eng umschlungen lagen wir träumend noch lange Zeit in diesem herrlichen Wasser und befriedigten, da auch bei mir endlich alle Bedenken wie ausgelöscht waren, unsere nicht enden wollende Lust aufeinander noch mehrmals. Wie in einer anderen Welt stieg ich nach Stunden mit Claudi aus dem Pool und merkte, dass die Müdigkeit mich übermannte. War ja schon eine Ewigkeit her, als mich Fred zu dieser Nacht abholte, die sich so vollkommen unerwartet entwickelt hatte.
»Bleib doch noch eine Weile«, bettelte Claudi. »Bin auch geschafft. Komm wir legen uns gemeinsam vor den Kamin und träumen einfach von diesem schönen Erlebnis.«
Einladend lagen dicke Wolldecken und Kissen davor. Schnell hatte Claudi den Kamin entzündet und vollkommen glücklich und müde kuschelte ich mich in eine Decke. ›Besser als Sandhaufen und alte Campingliege‹, konnte ich gerade noch denken und schon entschlummerte ich dieser etwas anderen Welt.
Im Halbschlaf spürte ich, wie sich Claudi von hinten an mich drückte und ihre Brüste sich fest an meinen Rücken schmiegten. Ihre Hand massierte schon wieder meinen recht erschöpften, aber zufriedenen unteren Teil.
»… bin so müde …, einfach nur schlafen …«, murmelte ich und war auch sofort wieder eingeschlafen.
Minuten oder Stunden später träumte ich, oder war es wirklich schon wieder Claudis Glied, was sich zwischen meine Oberschenkel drückte und dort langsam hin und her bewegt wurde …?
›… es ist einfach ein schöner Traum‹, dachte ich verschlafen, wurde aber kurze Zeit später durch eine heiße Flüssigkeit, die über meine Schenkel lief, belehrt, es war kein Traum. Doch ich war einfach zu kaputt und so schlummerte ich in Claudis Armen der Nacht eines meiner bisher verrücktesten Tage entgegen.
»… Aufstehen, Abendbrot!«, hörte ich im Dämmerzustand eine mir irgendwie bekannte erotische Stimme hauchen. Langsam öffnete ich die Augen und konnte nur schwer begreifen, wo ich mich befand und was in den letzten Stunden alles mit mir passiert war. Ganz abgesehen davon, was Groß- und Klein-Paul Neues gelernt hatten …
Allein bei den Gedanken daran wurde ich hellwach und verspürte auch das bekannte freudige Zucken in meinen unteren Regionen.
Im Kerzenlicht erkannte ich einen sorgsam gedeckten Tisch, auf welchem mich kulinarische Höhepunkte begrüßten. Jetzt erst merkte ich auch dieses bohrende Hungergefühl, hatte ja seit fast einem Tag nichts mehr gegessen. Die anderen, größeren Bedürfnisse musste ich versuchen erfolgreich zu unterdrücken. ›Will ja nicht gleich bei Claudi meine Marke hinterlassen‹, schmunzelte ich vor mich hin. Obwohl mich Claudis bestimmt ebenso stilvoll wie ihre Wohnung eingerichtete Toilette sehr lockte, wenn ich an meine begrenzten Möglichkeiten, nicht nur in dieser Richtung, in meiner Höhle dachte.
»Wenn dir etwas fehlt, sag es einfach«, kam es von Claudi und sie zeigte einladend auf den reichlich gedeckten Tisch und auf den Stuhl ihr gegenüber.
»Es war so schön mit dir«, kam es aus ihrem Mund, der gerade herzhaft in einen knusprigen Schinkentoast biss. »Könnte mich glatt in dich verlieben, wenn ich nicht der Realität ins Auge schauen würde. Diese Stunden mit mir werden bestimmt eine große Ausnahme in deinem weiteren Leben bleiben. Würde mich sehr freuen, wenn du die nicht so schnell vergisst und manchmal, ich hoffe liebevoll und auch ein wenig heiß …«, lachte Claudi, »… daran zurück denkst.«
Was sollte ich entgegnen, mir hatte es nach meiner anfänglichen Schüchternheit und Angst vor dem Kommenden mehr Spaß und Freude bereitet, als ich es mir in den kühnsten Träumen hätte vorstellen können.
»Stimmt leider«, sagte ich und lächelte Claudi ganz zärtlich an, »werde diese Erfahrung wohl lange nicht vergessen … Danke, dass ich das mit dir erleben durfte. Hätte nie geglaubt, dass es auch mal ganz anders als gewohnt so schön sein kann« und ich starrte auf Claudis Brüste. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass wir beide uns immer noch vollkommen nackt gegenübersaßen, was mir nach dem gemeinsam Erlebten aber wie ganz selbstverständlich erschien.
»Danke Paul, du bist wenigstens ehrlich, habe ich lange nicht erfahren dürfen. Und ich bin mir nach dem, was geschehen ist, so wie du zu mir warst, so liebevoll … so zärtlich …«, ihre Augen strahlten mich an, »sicher, dass du ein großes und liebes Herz hast. Ich suche einfach nach so einem wie dich, nach einem schrägen und liebevollen Partner.« Claudi lächelte mich zärtlich an. »Genau so einen Partner, wie du ihn bisher immer gesucht hast und auch weiterhin suchen wirst, wie ich bei den Episoden aus deinem Leben heraus gehört habe. Ich gebe einfach meinen Glauben daran, genau wie du, nicht auf, diesen Menschen irgendwann zu finden.«
»Ich wünsch dir ganz, ganz viel Glück bei der Suche, liebe Claudi!« ›Schade, dass wir leider etwas zu verschieden ticken …‹, dachte ich traurig.
»Danke Paul …, aber meine Chancen diesen Menschen zu finden, sind einfach viel, viel geringer. Ist es doch schon bei euch normalen Heteros schwer genug, diesen einen Menschen zu finden und ihr habt Milliarden Möglichkeiten. Ich habe nur einen winzigen Bruchteil davon, diesen einen Partner mit meinen Neigungen und Voraussetzungen zu finden. Ich bin manchmal so verzweifelt, zum Glück bauen mich dann die unvergesslichen Momente auf der Bühne wieder auf.«
›Wie kann ich Claudi nur gute Dienste leisten?‹, überlegte ich, ›Schon immer hatte ich diesen inneren Drang in mir, allen lieben Menschen, die mir über den Weg laufen, zu helfen.‹ Damit ich etwas Zeit zum Überlegen bekam, biss ich schnell in meinen vierten Lachstoast. Hoffentlich wirkte ich nicht so verfressen.
»Aber mal ganz ehrlich, Paul, man bildet sich doch viel zu oft ein, es sei Liebe oder ähnliches und dann ist es meistens nur eine Liebelei und noch viel öfter nur die pure Lust, wenn man irgendwann wach wird«, kam es schon wieder für mich viel zu traurig aus Claudis Mund.
›… stimmt!‹, kam es von unten und Klein-Paul nickte zustimmend.
»Ich wünsche mir einfach eine offene Welt, wo alle so leben und lieben können, wie sie es wollen …«
»Wenn man niemandem damit schadet …«, erwiderte ich.
»Das meine ich damit, Paul, was ist denn schon dabei, einfach jemanden zu streicheln und zu verwöhnen wenn einem danach ist …« und Claudi lächelte mich wissend an, »… viele sind nach außen hin so verklemmt und nicht wenige leben in einer Scheinwelt und merken es erst, wenn das Leben vorbei ist oder nicht einmal mehr dann, wie sie sich jahrelang selbst kastriert haben, zum kotzen …«
»Ja Claudi, da hast du vollkommen recht, es würden viel weniger schlimme Dinge auf dieser Welt passieren, wenn das den betreffenden Typen mal bewusst würde.« Jetzt wusste ich auf einmal, wie ich Claudi vielleicht ein wenig neuen Mut geben konnte.
»Lass uns einfach Freunde werden, nicht so natürlich …« und ich grinste Richtung Pool, »einfach nur Freunde. Und wenn du oder ich mal jemanden zum Reden oder Ausheulen brauchen, sind wir einfach füreinander da.«
Claudi sprang auf und drückte mich ganz eng an sich.
»Danke Paul, ich würde mich sehr, sehr darüber freuen!« und ihre Lippen berührten für einen kurzen Moment die meinen.
»Langsam sollte ich dich aber verlassen …, könnte ewig mit dir hier sitzen. Aber obwohl ich keine Lust habe, muss ich in meine Höhle zurück, um wenigstens die Grundvoraussetzungen zum Überleben darin zu schaffen.«
Claudi lachte, »… dann mal viel Glück, mein Paul. Sag, wenn du Hilfe brauchst! Weißt ja, wo ich bin und warte mal, hier ist meine Handynummer.«
»Danke!« und ich drückte wie selbstverständlich nun auch Claudi einen lieben, kurzen Kuss auf die Lippen. »Hilfst du mir bitte bei dem Suchen meiner Sachen?« und ich zeigte lachend auf die zerwühlte Spielwiese.
»Nö, möchte mich lieber noch eine Weile an dir erfreuen …«, grinste Claudi lüstern, »wie du hier nackt auf allen Vieren rumkriechst und nach deinen Klamotten suchst.«
Diese Freude wollte ich Claudi gerne machen und durchwühlte alle Ritzen und Ecken von Claudis Spielwiese. Natürlich, wie gewünscht, auf allen Vieren.
Endlich war die letzte Socke gefunden und komplett bekleidet stand ich der noch immer nackten Claudi gegenüber.
Zum letzten Mal wanderten meine Augen über diesen tollen Körper und träumerisch sagte ich zu ihr »Tschüss … und danke für alles!« und drückte sie dabei fest an mich.
Langsam durchschritt ich ihren Flur Richtung Wohnungstür. Bei einem letzten Blick zurück warf sie mir einen Kuss zu. Wieder leicht verwirrt, als mir die Momente der letzten Stunden einfielen, aber um vieles reicher in meiner bisher eher etwas kleinkarierten Welt, schloss ich leise Claudis Tür.
Fast rennend, denn in meinem Darm rumorte es immer grausamer, erreichte ich die Straßenbahnhaltestelle an der Ecke. Glücklicherweise kam auch kurz darauf die Bahn und mit zusammengepressten Schenkeln und Po, ›… diesmal von mir und nicht von Claudi wie vor wenigen Stunden‹, grinste ich vor mich hin, erreichte ich nach endlosen Bahnfahrminuten wieder die Karli. Hier war irgendwo DAS kleine Café, fiel es mir ein, das Café, in dem ich vor langer Zeit sehr oft tolle Abende verbracht hatte. Schnell sprang ich an der nächsten Haltestelle aus der Bahn und rannte Richtung meines ehemaligen Lieblingscafés, warf meine Jacke auf einen freien Stuhl und sprintete zur Toilette.
Der letzte mögliche Moment und schon knallte und stank es fürchterlich in der Kabine. Hoffentlich sind die Leute mit sich beschäftigt und hörten nicht diese allen sehr gut bekannten Urlaute.
Erleichtert und glücklich nahm ich auf meinem Stuhl Platz und schaute mich im Raum um. Früher war ich hier Stammgast, einfach ein cooles Café, wo man schräge Leute, also Maler, Musiker, Schauspieler und alles, was es so an kreativen Berufen gab, finden konnte. Hat sich nicht viel verändert, stellte ich erleichtert fest, als mein Blick über die wenigen Gäste in dem sehr kleinen Café schweifte. Eine Hand, die kräftig auf meine Schultern schlug, holte mich in die Realität zurück. Vor mir stand der Kellner Claus. Klein, dick und schwul, der schon früher hier bedient hatte. Nur seine Haare waren etwas lichter geworden und der noch größer gewordene Bauch betätigte, dass es hier sehr leckeren Kuchen gab.
»Mensch, Paul!, dich gib’sch noch!« hörte ich seine fast vergessene Stimme.
»Ja und bestimmt wieder öfter …«, entgegnete ich ihm.
»Dachde schon, du willst nur auf de Doilette, als ich hörte, was da so ewisch und laut abging!«
Ich wurde bestimmt verdammt rot und stammelte »… bring mir bitte einen Kaffee, damit meine Lebensgeister wieder erwachen.«
Schnell kam Claus mit einer Tasse vom leckersten Kaffee ganz Leipzigs und ich versank wieder in meine Gedanken. Wie viele Abende hatte ich hier gesessen! Tolle Typen hatte ich kennengelernt, war oft länger geblieben als geplant und hatte mit bis kurz davor noch fremden Menschen über Gott und die Welt geschwatzt.
Die Einrichtung war zum Glück so geblieben, wie ich es von früher noch kannte, ganz kleine alte Kaffeehaustische mit einer noch älteren Marmorplatte und jeder dieser kleinen Tische hatte vier Stühle, sodass man, ob man wollte oder nicht, mit seinem Tischnachbarn in Kontakt oder mehr kam, grinste ich vor mich hin, als ich an früher dachte. Auch war dieses Café eine der wenigen Lokalitäten die ich kannte, wo man ganz selbstverständlich an einen Tisch ging und nach einem kurzen, fast überflüssigen ›… ist hier noch frei?‹ Platz nahm.
Bei einem prüfenden Blick durch das Café freute ich mich, dass es auch jetzt noch so sein musste. ›Das wird wieder mein zweites Wohnzimmer‹, freute ich mich, auch weil es hier außer Kuchen wunderbares, leckeres Essen und noch leckere, geistvolle Getränke gab. Ein etwas anderes Café eben.
»Die Rechnung bitte!«, rief ich Claus zu, der mich verwundert anstarrte.
»Bisde krank, ist ja dein Regordgurzbesuch, zehn Minuten Gacken und zehn Minuten Gaffee trinken!«
»Bin echt kaputt, komme jetzt wieder öfter, wohne gleich hier um die Ecke seit gestern.« Warum ich so kaputt war, musste Claus ja nicht gleich am ersten Abend unseres Wiedersehens wissen, obwohl er von den anwesenden Gästen vermutlich als einziger meine neuen Erfahrungen zu würdigen wüsste.
Erleichtert, aber immer mehr erschöpft, erreichte ich meine Höhle. Ich hatte gerade Freds Campingbett und die weiteren von ihm gespendeten Zutaten zu meiner Nachtstatt erkoren und mich auf nicht so erquickende Stunden vorbereitet, als es an meine Tür wummerte.
Als ich sie entnervt aufgerissen hatte, stand mir mein neuer Nachbar Stefan mit einem sich spontan erleichternden Gesichtsausdruck gegenüber.
»Endlich ist mal jemand zu Hause in diesem Partyhaus, fast jeden Abend kannste hier ermordet werden und niemanden interessiert es, weil sich alle auf der Karli in irgendwelchen Kneipen rumtreiben«, schoss es nur so aus seinem Mund.
»Was ist denn los, sollst du heute ermordet werden, warum so verstört?«, grinste ich.
»Seit Stunden kommt so ein komisches Gejammer aus Jüttes Wohnung unten, du weißt schon, der eigenartige Typ, der dort mit seiner Mutter haust, hab ich dir doch gestern erzählt.«
Langsam begriff ich die Aufregung, Stefan hatte mich ja gleich gestern, bei unserem ersten Kennenlernen, vor dieser Familie gewarnt.
»Will schon lange mal nachschauen, was da so los ist, aber alleine traue ich mich nicht und vielleicht ist alles ganz harmlos und ich mach mich zum Blödie.«
»Ich komm mit, kein Problem« und ich tappte mit Stefan die Stufen runter zu Jüttes Erdgeschosswohnung.
Auch nach wiederholtem Klingeln passierte nichts. Die Heullaute, die aus der Wohnung drangen, waren fast tierisch, nicht mehr menschlich. Langsam wurde auch mir etwas mulmig zumute. Ich begann automatisch und genauso energisch, wie Stefan kurz zuvor an meiner Tür, die Tür von Jüttes zu bearbeiten. Nach einer schier endlos scheinenden Zeit öffnete sie sich langsam und ein verheulter, ungefähr – so schätzte ich spontan – 40-jähriger, mittelgroßer und dicker Typ stand uns gegenüber. Kein Typ, korrigierte ich mich sofort, als ich ihn näher betrachtete. Einfach so eine unscheinbare Figur, die einem eigentlich auf die Füße treten müsste, damit man sie beachtet, wenn man sie auf der Straße trifft. Vollkommen glatt, kein Merkmal, das mir in die Augen sprang, außer dem verheulten Gesicht natürlich. So hatte ich mir immer einen verklemmten und stupiden Briefmarkensammler vorgestellt. Eigentlich waren das für mich Typen, mit denen man nichts zu tun haben will, weil man Angst bekommt, von ihren blassen Eigenschaften würde sogar noch etwas abfärben können.
»Können wir helfen?«, kam es fragend von Stefan hinter mir.
Die großen, verheulten Augen starrten uns Hilfe suchend an und mühsam, von Schluchzern unterbrochen, verstanden wir langsam »… meine schluchz … meine Mutter … schluchz … ist heute früh gestorben … schluchz …«
Spontan versuchte ich diese fremde Person vor mir zu umarmen, wurde aber sofort daran gehindert, indem sie mich energisch von sich schob.
»Im Krankenhaus?«, frage ich um irgendetwas zu sagen.
»Nein, hier … schluchz …« und dabei lief er traumatisiert in die Wohnung zurück.
Fragend schauten wir uns an, als wieder dieses unmenschliche Heulen von drinnen erklang.
»Da liegt die ja schon seit Stunden hier rum, seine Mutter«, flüsterte ich leise zu Stefan und Gänsehaut breitete sich auf meinem Rücken aus.
Langsam betraten wir eine dunkle Wohnung, die mich an ein sehr düsteres Museum erinnerte, alles war so eingerichtet, wie vor mehr als hundert Jahren. Wir folgten dem lauten, fast übersteigerten Heulen in ein noch dunkleres Zimmer. Auf einem historischen alten Holzbett lag eine, für ihr Alter, schöne Frau mit selbst im Tod noch erkennbaren sehr strengen Gesichtszügen. Diese umklammerte Jütte Junior und heulte und heulte. Von den Wänden starrten uns unzählige Portraits und fast lebensgroße Gemälde dieser auf dem Bett liegenden Toten entgegen. Behutsam versuchten wir den Sohn von der Mutter wegzuziehen, da wir ihm irgendwie helfen wollten.
»Kommen Sie«, sagte Stefan zu Jütte Junior, »wir trinken erst mal einen Schluck und kümmern uns um alles weitere.«
Behutsam führten wir ihn unbeholfen weg, wir waren beide mit der Situation vollkommen überfordert.
»Wo ist denn das Wohnzimmer oder Ihr Zimmer?«, fragte ich leise, da ich, als wir durch den Flur gegangen waren, nichts dergleichen gesehen hatte. »… kommen Sie, da setzen wir uns erst mal hin, hier kommen Sie nie zur Ruhe«, versuchte ich Stefans Vorschlag zu untermauern.
»Aber … das ist mein Zimmer!!!!«, kam es heulend und verärgert aus seinem Mund.
Langsam verstand ich die Welt nicht mehr, als ich die unzähligen Bilder seiner Mutter an den Wänden sah … ›Aber hatte ich heute nicht schon so viel verstanden? Da werde ich nun auch noch versuchen, dieses irgendwie Unlogische zu begreifen!‹
Nach ewigem Zureden hatten wir ihn endlich ins Wohnzimmer lotsen können und ihm einen großen Drink aus einer auf der Kommode herumstehenden, eingestaubten Cognacflasche eingeschenkt, den er wie abwesend in sich reinkippte. Stefan wählte auf dem Telefon die Nummer von einem diensthabenden Bestattungsunternehmen, die er nach endlosen Versuchen bei der Auskunft herausbekommen hatte.
Nach einem Blick zu mir sagte Stefan, »Komm, ruh dich aus, ich kümmere mich um ihn, ich bleibe hier, bis die Leute vom Bestattungsunternehmen eintreffen.«
»Danke, Stefan«, murmelte ich, wankte in meine Höhle und fiel wie ein Stein auf die Campingliege, die mich mit lautem Quietschen begrüßte. ›… Anjas Rauswurf, Claudi bis zur Erschöpfung … und nun auch noch dieser komische Sohn mit seiner toten Mutter … es reicht …‹ und sofort fiel ich in einen tiefen Schlaf.
4. NOVEMBER
Drei Wochen später …
Das Klingeln an der Wohnungstür holte mich in die Realität zurück. Sachte tastete ich zaghaft an meiner Stirn herum und fühlte auf einmal eine riesige Beule. Meine Finger drückten behutsam darauf herum. Blitzartig verkrampfte mein ganzer Körper, als ich merkte, wie einige Blutstropfen hervorquollen. War einfach typisch für mich, als ich mich langsam an das gerade Passierte erinnerte und dabei zur Wohnungstür schlich.
Meine vorläufig letzte Handlung zur Vollendung meiner Höhle sollte das Anbringen eines alten Wäschetrockners sein, damit ich in Ermangelung eines Kleiderschrankes meine Klamotten endlich etwas besser verstauen konnte. Dieses fast schon historische Teil hatte ich gestern auf einem Flohmarkt auf der Karli erstanden. Damit er bestens in meine schräge Höhle passte, hatte ich ihn noch mit Goldlack verschönert. Es war so ein Modell, das an die Wand geschraubt wird. Danach zieht man die untere Wäscheleinenhalterung heraus und hängt sie an der gegenüberliegenden Wand in zwei Haken ein. Mit meinen relativ schwach ausgeprägten handwerklichen Fähigkeiten hatte ich es nach endlosen Bohrungen in dem morschen, alten Gemäuer meiner Höhle nach Stunden endlich geschafft, vier Dübel darin zu verewigen. Zwei Dübel auf der einen Seite, zwei Dübel mit Haken auf der anderen Seite des Zimmers.
›So, das wäre auch geschafft‹, waren meine Gedanken, als ich den Wäschetrockner an der Wand festgeschraubt hatte und die unter Spannung stehenden Leinen herauszog, um sie an der gegenüberliegenden Wand einzuhängen. Kurz bevor ich die Wand erreicht hatte, lösten sich die Dübel mit einem Unheil schwanenden Geräusch in der anderen Wand und der Wäschetrockner schoss zielgerichtet an meinen Kopf. Da ich mich gut kannte, wäre es auch sehr verwunderlich gewesen, wenn das Teil etwas anderes als meinen Kopf getroffen hätte.
»Eh, wie siehst du denn aus«, grinste Stefan und starrte auf meine Stirn. »Sollten besser schnell eine kalte Messerklinge auf deine Vorzeigebeule drücken! Hat meine Oma bei mir auch immer so gemacht und wie du siehst, habe ich keine bleibenden Schäden zurückbehalten«, grinste er mich etwas schadenfroh an.
Stefan schnappte mich und zog mich in meine Wohnung Richtung Küche. Von meinem, wie immer nicht abgeräumten Frühstückstisch, griff er sich das erstbeste Messer und drückte es, ohne dabei noch auf die an der Klinge klebenden Reste von Butter und Marmelade zu achten, fest gegen meine Beule. Es tat höllisch weh, ich wollte aber wenigstens bei dieser liebevollen Behandlung ein richtiger Mann sein und verzog deshalb keine Miene. Da an der nun mit Blut, Butter und Marmelade verschmierten Beule kein Pflaster halten wollte, knotete mir Stefan kurzerhand mein einziges Geschirrtuch um den Kopf.
»Ja Paul, bin wieder zurück und gerade rechtzeitig, wie ich sehe. Nach dem Drama mit den Jüttes brauchte ich erst einmal eine Auszeit von ein paar Wochen. Danke übrigens für deine spontane Bereitschaft, meine Pflanzen zu pflegen, hast ja einige über die Zeit gerettet. Du warst mir irgendwie vom ersten Moment an sympathisch, deshalb hatte ich dir auch einfach so meinen Wohnungsschlüssel anvertraut. Wollte ja keine Kannabisplantage in meiner Wohnung vorfinden beim Heimkommen. Hätte ich einem anderen Typen aus dem Haus hier meine Schlüssel anvertraut, wäre das leicht möglich gewesen«, lachte Stefan.
Stefan hatte mir nach dem Tod von Jüttes Mutter am nächsten Morgen einfach seinen Wohnungsschlüssel in die Hand gedrückt, mit der Bitte, mich um seine Post und Pflanzen zu kümmern, war er mit einem großen Rucksack verschwunden. Ich hatte mich sehr darüber gewundert, da wir uns gar nicht richtig kannten.
»Hab damals noch die ganze Nacht bei dem Typ verbracht, der heißt übrigens Franz, wie ich mühsam rausbekam. Abwechselnd presste der sich heulend an mich, um sich dann fast im gleichen Moment wieder an irgendein Bild von seiner Mutter zu klammern und dieses, fast schon tierisch, abzuküssen. Irgendwie krankhaft ist dieser Typ. Konnte zwar seine Trauer verstehen, aber was der da abzog, war einfach zu übertrieben. Ich war vollkommen verstört am nächsten Morgen!«
Das konnte ich nur bestätigen, als mir Stefans bleicher Anblick von diesem erwähnten Morgen und seine fast fluchtartige Abreise in den Sinn kamen.
»Was ist denn hier passiert?«, kam es fast erschrocken aus Stefans Mund. Mit ungläubigen Blicken streiften seine Augen durch meine Küche. »Warst ja echt fleißig während meines Urlaubs, kann man ja fast als Wohnung bezeichnen, was ich hier so erblicke.«
»Komm mit Stefan, willste mal meine Ausbauhöhle begutachten?« und ich schob Stefan Richtung mittleres Zimmer, welches ich mir als Wohnzimmer auserkoren hatte.
»Ungewohnt, aber einfach cool«, lachte Stefan, als er die mitten im Zimmer stehende gläserne Duschkabine sah, welche ich mit großen Ficus Bäumen ringsherum dekoriert hatte.
»Das hast du allein hingekriegt? Glaub ich nicht!« grinste Stefan, als er meinen verbundenen Kopf und die schon leicht verschmutzten massenhaften Pflaster auf meinen Händen ansah.
»Nein, mit meinem Kumpel Fred, kennste doch, der mir beim Einzug mit geholfen hat. Der kann so etwas besser als ich. War die ganze Zeit nur der Handlanger. Ist eigentlich auch besser so für mich …« und lächelnd präsentierte ich Stefan meine ziemlich demolierten Hände.
»So eine Dusche mit Ficus Bäumen ringsherum, mitten im Zimmer stehend, habe ich bei meiner neuen Bekannten Claudia gesehen.« ›Dass es keine Duschkabine, sondern ein riesiger Whirlpool war, braucht ja Stefan nicht zu wissen … und auch alles andere nicht‹, grinste ich vor mich hin.