- -
- 100%
- +

Margret Noack
REISE EINER SILBERLOCKE
Umzug nach Thailand
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2014
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Cover
Titel
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 1
An einem Montagmorgen – es ist gerade 7.30 Uhr – sitzt Bärbel in der S-Bahn in Richtung Düsseldorf. Sie ist auf dem Weg zu ihrem verhassten Arbeitsplatz. Montage hat sie noch nie gemocht, und sie hasst es immer mehr, jeden Tag früh aufzustehen und zur Arbeit zu fahren.
Der Job ist schrecklich. Von ihr wird erwartet, dass sie nicht denkt, sondern nur tut. Ihre Kollegen sind den Chefs gegenüber total devot, trauen sich nicht aufzumucken und mobben Bärbel gelegentlich.
Wieder einmal schießt ihr der Gedanke durch den Kopf, dass früher alles besser war. Und so war es auch.
Bärbel hat schon immer viel gearbeitet, und die Arbeit als Kundenberaterin hat ihr lange Zeit großen Spaß gemacht. Inzwischen haben sich die Zeiten jedoch geändert – heute werden andere Prioritäten gesetzt. Es zählt ausschließlich der kurzfristige Profit eines Unternehmens. Der Mensch an sich ist unwichtig geworden. Und Bärbel stellt einmal wieder fest, dass viele Kollegen aus Sorge um ihren Arbeitsplatz die Klappe halten und stattdessen lauthals ihr Entzücken über die positive Entwicklung ihres Arbeitgebers kundtun. Hilfe, denkt Bärbel, bis zur Rente muss ich das noch acht Jahre lang aushalten!
Sie überlegt, was denn früher eigentlich anders war. Als sie in den siebziger Jahren bei einer Großbank startete, hatte sie neben der fachlichen Qualifikation gelernt, wie man einen Kunden anständig berät. Sie hatte Freude an ihrem Beruf und kletterte peu à peu die Erfolgsleiter hinauf. Sie freute sich, wenn sich ihre Kunden bei ihr bedankten, kannte deren Familien über oft Generationen. Mit der Zeit und der fortschreitenden Globalisierung änderte sich vieles. Ständig wurde irgendetwas angeblich verbessert – am Ende stellte sich aber heraus, dass es nur schlimmer geworden war. In anberaumten Sitzungen ging es immer mehr um die Steigerung des Profits. Permanent wurden die Vorgesetzten ausgewechselt, viele Kollegen wurden krank, bekamen einen Herzinfarkt und man spürte, dass das menschliche Miteinander nicht mehr gewünscht war. Die Fratze der Gewinnmaximierung grinste einen schon frühmorgens an. Am elften September, als in New York die Twin-Tower einstürzten, hatte Bärbel erstmalig den Eindruck, im falschen Film zu sein, als einige Kollegen trotz schrecklicher Vorkommnisse keine menschliche Regung zeigten, sondern wie wild herausbrüllten, welche Aktionen zu starten seien, um die zu erwartenden Verluste aufzuhalten.
Einige Jahre später kündigte Bärbel und drehte dem Unternehmen den Rücken zu. Sie nahm sich eine Auszeit, fühlte sich aber zu jung, um nur Hausfrau zu sein. Also machte sie sich als Finanzberaterin selbständig. Sie musste noch viel lernen, das machte ihr aber riesigen Spaß.
Die nächsten Jahre empfand sie als die schönsten ihrer Berufstätigkeit, weil es ihre Prämisse war, die ethischen Belange an erste Stelle zu setzen. Bedingt durch die Kapitalmarktkrise wurde es allerdings immer schwerer, Geld zu verdienen, und so kam der Tag, an dem sie sich als selbständige Beraterin an eine Großbank verkaufte.
Auf die Erfahrungen der darauf folgenden Jahre hätte Bärbel gern verzichtet. Was man ihr in Bezug auf den Verkauf von Bankprodukten abverlangte, konnte sie bald nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren. Irgendwann kam sie dann auf die verrückte Idee, sich bei einem Personalvermittler zu bewerben. Aber sie musste feststellen, dass so etwas an Sklavenhandel grenzt. Man hat zwar einen sozialversicherungspflichtigen Job, verdient bei gleicher Qualifikation aber nur einen geringen Teil dessen, was „normale“ Angestellte verdienen. Auf andere Art und Weise ist es aber heute nicht mehr möglich, wenn man älter als dreißig oder schon lange selbständig ist. Dann kann man die Menschen nicht mehr so gut formen. Und fachliche Qualifikation ist auch nicht wichtig, dafür gibt es doch heute die Technik. Die Banken und andere Firmen machen es sich leicht: Sie leasen bei Bedarf ein paar Leute, zahlen an die Verleihfirma einen kleinen Stundenlohn und sind die Leute schnell wieder los. Viel praktischer und billiger, als sich richtige Angestellte zu leisten.
Bärbel ist mit ihren Gedanken wieder in der Gegenwart. Sie muss erneut mit dem Kopf schütteln, als sie daran denkt, dass ihr vorhin auch noch ein Schüler im Zug seinen Platz angeboten hat. Eigentlich findet sie das ganz nett, aber in ihrer derzeitigen Negativphase sucht Bärbel regelrecht nach dem Haar in der Suppe. Einen Platz bietet man doch nur Schwangeren, Kranken oder Alten an! Und sie ist nichts von alledem.
Allerdings, das muss sie zugeben, fühlt sie sich mit ihren siebenundfünfzig Jahren unsichtbar. Kein Mann schaut ihr mehr hinterher, keine Frau sieht sie neidisch an. Sie fühlt sich wie ein Neutrum. Von wegen „best ager“! Im besten Alter bist du mit ungefähr dreißig. Du hast beruflich was erreicht, besitzt ein gewisses Maß an Geld, siehst gut aus und wirst von der Gesellschaft anerkannt.
Das hat Bärbel auch erlebt.
Aber an so einem Montagmorgen ist der Seelenflitsch perfekt. Da hat der höfliche Schüler gerade noch gefehlt, um Bärbel zum Heulen zu bringen.
Als Bärbel am Abend nach Hause fährt, freut sie sich auf ihren Feierabend. Wie sie es schon morgens geahnt hatte, ist auch dieser Arbeitstag schrecklich gewesen.
Kapitel 2
Gegen 19 Uhr ist sie endlich zu Hause.
Bärbels Mann Tommy fragte gleich zur Begrüßung: „Na, wie war’s?“
„Schrecklich!“, kommt die prompte Antwort.
„Du hast nur noch schlechte Laune“, kontert Tommy. „Ich habe für uns Dorade gekauft, die wollte ich gleich braten, aber bei deiner Laune vergeht einem ja der Appetit.“
Auch das noch! Seit Tommy Rentner ist, kümmert er sich ums Essen, erwartet aber auch ständig Lob für sein Tun.
Ich sag doch, früher war alles besser, denkt Bärbel, sagt aber laut zu Tommy: „Mach doch mal eine Flasche Rotwein auf.“
Als beide dann gemütlich am Tisch sitzen – zunächst ohne Fisch, nur mit dem Wein –, fängt Bärbel an: „Sag mal, im Sommer, in Thailand, das war doch toll, oder?“
„Klar, wieso? Willst du schon wieder verreisen? Ich denke, du kriegst vorläufig keinen Urlaub.“ Tommy reagiert etwas irritiert.
„Sollen wir nicht einfach alles hier aufgeben und nach Thailand auswandern?“, fragt Bärbel ihren Tommy und krabbelt dabei die etwas lichtere Stelle am Hinterkopf ihres Liebsten.
„Was ist denn mit dir los?“, fragt Tommy, für seine Verhältnisse sehr spontan.
„Ich habe die Pappe auf“, antwortet Bärbel. „Ich bin ausgelaugt, unzufrieden und möchte noch mal was ganz Neues probieren, aber ohne beruflichen Stress und äußere Zwänge.“
„Wird schon alles wieder gut“, meint Tommy und drückt seine Frau an sich. „Ich mach uns mal das Essen.“
Der Fisch schmeckt hervorragend, ebenso der Salat und der Wein.
„War das eben dein Ernst – das mit Thailand?“, fragt Tommy mit vollem Mund.
„Klar, warum nicht? Die Leute sind doch nur noch gestresst und egoistisch, selbst ein großer Teil unserer Freunde und Familie“, sagt Bärbel.
„Na, dann mach mal“, ist die typische Antwort von Tommy.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.