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In den Entwicklungsländern sind alle möglichen Vereinigungen tätig, die die Bibel verteilen und diese idiotische Idee verbreiten, Geburtenkontrolle sei Sünde. Ihr einziges Interesse besteht darin, dass noch mehr Kinder und Waisen auf die Welt kommen. Offenbar soll die ganze Erde so übervölkert und so arm werden, dass das Christentum zur Universalreligion wird. Seit zweitausend Jahren hat das Christentum diese Ambitionen. Das muss einmal ganz offen gesagt werden. Diese Ambitionen sind unmenschlich. Wenn ich also ständig das Christentum kritisiere, geschieht das nicht ohne Grund.
Arm und Reich – die Wurzeln von Armut und Habgier
Einfach indem man behauptet: „Selig sind die Armen, denn ihrer ist das Königreich Gottes“, ändert man nichts an der Armut. Sonst hätte das Christentum in diesen zweitausend Jahren die Armut zum Verschwinden gebracht. Die Armut nimmt weiter zu, die Zahl der Seligen nimmt weiter zu. In der Tat wird es bald so viele Selige geben, dass all die Seligen, die am Reich Gottes Anteil haben wollen, auch dort wieder nur arm sein werden. Jeder Einzelne von ihnen wird keinen allzu großen Anteil abbekommen. Mit so vielen Aktionären im Reich Gottes muss sogar Gott arm werden! Es wird eine Gesellschaft von verarmten Aktionären sein. Und das wird seit zweitausend Jahren gepredigt! Hat es das Wesen der Armut verändert? Nein. Es hat nur eines bewirkt: Der rebellische Geist der Armen wurde getötet. Und die Armut nimmt weiter sprunghaft zu.
Ein Notar bahnt sich den Weg zum Rand einer Baugrube, die von einem Arbeitstrupp ausgehoben wird. „Ist dort ein Mister Timothy O’Toole?“, ruft er in die Grube.
„Wer will was von mir?“, dröhnt es dumpf nach oben.
„Mister O’Toole“, fragt der Notar, „kommen Sie aus Castlebar in der Grafschaft Mayo?“
„Exakt.“
„Und Ihre Mutter heißt Bridget und ihr Vater Michael?“
„Stimmt genau.“
„Dann ist es meine Pflicht, Ihnen mitzuteilen, Mister O’Toole, dass Ihre Tante Mary in Iowa gestorben ist und Ihnen eine Erbschaft von 150 000 Dollar hinterlassen hat.“
Für einen Moment ist es ganz still in der Grube, dann gibt es plötzlich ein Riesengetöse.
„Kommen Sie nach oben, Mister O’Toole?“, ruft der Notar runter.
„Eine Minute!“, schallt es zurück. „Bevor ich abhaue, muss ich dem Vormann noch eins über die Rübe geben!“
Nach sechs Monaten ausschweifenden Lebens hat O’Toole die 150 000 Dollar verprasst. In dieser Zeit besteht seine Haupttätigkeit darin, den enormen Durst zu stillen, den er geerbt hat. Dann ist er wieder zurück in seinem Job. Kurz darauf macht ihn der Notar erneut ausfindig.
„Diesmal ist es Ihr Onkel Patrick, Mister O’Toole“, erklärt der Notar. „Er ist in Texas gestorben und hat Ihnen 80 000 Dollar vermacht.“
O’Toole lehnt sich schwer auf seinen Pickel und schüttelt müde und verdrossen den Kopf. „Ich glaube, das pack’ ich nicht“, sagt er. „Ich bin nicht mehr so fit, wie ich mal war. Ich glaube nicht, dass ich dieses ganze Geld lebend überstehe!“
Genau das ist im Westen passiert: Die Menschen im Westen haben es geschafft, all den Reichtum zu erlangen, von dem die Menschheit seit ewigen Zeiten geträumt hat. Der Westen hat es geschafft, materiell reich zu werden – und jetzt ist er dessen überdrüssig und müde geworden. In dieser Entwicklung hat der Westen seine ganze Seele verloren. Äußerlich ist alles vorhanden, doch der Kontakt mit dem Inneren ist verloren gegangen. Heute ist alles verfügbar, was ein Mensch benötigt – nur der Mensch selbst ist nicht mehr verfügbar. Die Besitztümer sind vorhanden, aber der Besitzer ist abhanden gekommen. Das Gleichgewicht ist völlig gestört. Der Reichtum ist da, aber die Menschen fühlen sich überhaupt nicht reich. Im Gegenteil, sie fühlen sich sehr verarmt, bettelarm.
Seht, wie paradox das ist: Erst wenn du äußerlich reich bist, wird dir im Kontrast dazu deine innere Armut bewusst. Wenn du äußerlich arm bist, wird dir deine innere Armut nie bewusst, weil der Kontrast fehlt. Man schreibt mit weißer Kreide auf eine schwarze Tafel, nicht auf eine weiße Tafel. Warum? Weil man es nur auf einer schwarzen Tafel sehen kann. Der Kontrast ist nötig.
Wenn du äußerlich reich bist, kommt dir plötzlich eine große Erkenntnis: „Ich fühle mich innerlich arm wie ein Bettler!“ Und wie ein Schatten folgt darauf die Hoffnungslosigkeit: „Wir haben alles erreicht, was wir uns erträumt hatten. Alle Vorstellungen und Fantasien sind erfüllt, aber es hat uns nichts gebracht, weder Zufriedenheit noch Glück.“ Das verwirrt die Menschen. Aber gerade diese Verwirrung lässt ein starkes Verlangen entstehen: Wie kann ich wieder mit mir selbst in Kontakt kommen?
Meditation ist nichts anderes, als dich wieder mit deiner inneren Welt zu verbinden, dich wieder in dir selbst zu verwurzeln. Deshalb ist der Westen heute so stark an Meditation und an den meditativen Traditionen des Ostens interessiert.
Als der Osten noch reich war, interessierten sich die Menschen auch dort für Meditation. Diesen Zusammenhang müsst ihr verstehen. Darum bin ich nicht gegen den Reichtum. Ich bin der Auffassung, dass Armut mit Spiritualität überhaupt nichts zu tun hat. Ich bin ganz und gar gegen die Armut. Immer wenn ein Land arm wird, verliert es seine Verbindung zur Meditation, zu allem spirituellen Streben. Wenn ein Land äußerlich arm wird, verliert es das Bewusstsein für die innere Armut. Darum könnt ihr bei den armen Leuten Indiens eine gewisse Zufriedenheit sehen, die im Westen nicht zu finden ist. Es ist jedoch keine wirkliche Zufriedenheit, nur ein fehlendes Bewusstsein für die innere Armut. Ich habe Tausende von armen Menschen im Osten beobachtet – sie sind nicht wirklich zufrieden, aber eines ist deutlich: Sie sind sich ihrer Unzufriedenheit nicht bewusst. Man muss äußerlich reich sein, um überhaupt zu bemerken, dass man unzufrieden ist. Ohne äußeren Reichtum spürt man seine innere Unzufriedenheit nicht. Dafür gibt es genug Beweise.
Sämtliche Mystiker und Avatare der Hindus waren Könige oder Söhne von Königen. Sämtliche Meister der Jainas entstammten königlichen Familien. Das gilt auch für Buddha. Alle drei großen Traditionen Indiens liefern genügend Beweise dafür. Weshalb war Buddha unzufrieden geworden? Weshalb begann er seine Suche nach Meditation? Weil er reich war. Er lebte im Überfluss. Er lebte im größtmöglichen Luxus, er hatte alles materielle Spielzeug. Plötzlich wurde ihm das bewusst. Er war erst neunundzwanzig, als ihm das schwarze Loch in seinem Inneren bewusst wurde. Wenn außen Licht ist, wird die Dunkelheit im Inneren erkennbar. Nur ein kleiner Schmutzfleck auf einem weißen Hemd, und du siehst ihn. So geschah es mit Buddha, und er floh aus dem Palast. Dasselbe geschah mit Mahavira, dem Meister der Jainas. Auch er floh aus einem Palast. Einem Bettler hätte das nicht passieren können. Auch zu Buddhas Zeiten gab es Bettler, aber sie gaben nichts auf, um nach der Wahrheit zu suchen. Sie hatten nichts aufzugeben; sie waren zufrieden. Buddha jedoch wurde unzufrieden.
Als Indien noch reich war, interessierten sich viele Menschen für Meditation. Eigentlich interessierte sich das ganze Volk für Meditation. Aber dann wurde das Land arm – so arm, dass der Kontrast zwischen innen und außen nicht mehr gegeben war. Die Armut herrschte innerlich wie äußerlich. Innen und Außen waren in vollkommener Harmonie – beide waren arm geworden.
Doch die Menschen haben sich daran gewöhnt zu denken, dass Armut einen spirituellen Wert hätte. Ich bin überhaupt nicht für die Armut, egal welcher Art. Armut ist nicht spirituell. Armut bewirkt, dass die Spiritualität zwangsläufig verschwindet.
Ich möchte, dass die ganze Welt so reich wie nur möglich wird. Je mehr die Menschen reich sind, desto eher werden sie spirituell werden. Sie müssen es werden, sie können nicht umhin, es zu werden. Erst dann entsteht wahre Zufriedenheit.
Wenn äußerer Reichtum auf inneren Reichtum trifft, entsteht eine neue Art von Harmonie – dann gibt es wahre Zufriedenheit. Wenn äußere Armut auf innere Armut trifft, entsteht falsche Zufriedenheit. Auf beide Arten ist eine Harmonie möglich. Innen und Außen sind im Gleichgewicht, und man ist zufrieden.
Die Armen in Indien wirken zufrieden, weil auf beiden Seiten des Zauns Armut herrscht. Die Harmonie ist perfekt. Innen und Außen stimmen überein, aber es ist eine hässliche Zufriedenheit. In Wirklichkeit mangelt es an Lebenskraft, an Vitalität.
Der reiche Westen muss sich zwangsläufig für Meditation interessieren; das ist unvermeidlich geworden. Deshalb verliert das Christentum in der westlichen Welt an Boden – es hat in keiner Form die Wissenschaft der Meditation gefördert. Das Christentum ist eine sehr mittelmäßige Religion geblieben, ebenso das Judentum. Der Westen war in der Vergangenheit arm; das ist der Grund, weshalb diese Religionen mittelmäßig blieben. Bis vor kurzem lebte der überwiegende Teil des Westens in Armut. Als der Osten reich war, war der Westen arm. Die jüdische, die christliche und die muslimische Religion, alle drei nichtindischen Religionen, sind in der Armut geboren. Sie konnten keine Meditationstechniken entwickelten; es bestand gar kein Bedarf. Sie sind überwiegend die Religionen der Armen geblieben.
Jetzt ist der Westen reich geworden, und deshalb gibt es eine Diskrepanz. Diese drei Religionen sind in der Armut geboren. Sie haben einem reichen Menschen nichts zu bieten. Einem reichen, gebildeten Menschen erscheinen diese Religionen kindisch; sie befriedigen ihn nicht. Sie können ihn nicht befriedigen. Die östlichen Religionen wurden im Reichtum geboren. Deshalb interessiert man sich im Westen immer mehr für die östlichen Religionen.
Ja, die Religion Buddhas hat starken Einfluss gewonnen. Zen verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Warum? Es ist aus dem Reichtum entsprungen. Es gibt erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen der Psychologie des heutigen, wohlhabenden Menschen und der Psychologie des Buddhismus. Der Westen ist in dem Zustand, in dem Buddha war, als er anfing, sich für Meditation zu interessieren. Es war die Suche eines reichen Mannes. Dasselbe gilt für den Hinduismus und den Jainismus. Diese drei großen indischen Religionen sind aus dem Überfluss geboren. Deshalb muss sich der Westen davon angezogen fühlen.
Der Osten verliert die Verbindung mit seinen eigenen Religionen. Indien kann es sich nicht leisten, Buddha zu verstehen. Das Land ist zu arm. Viele arme Inder sind nun schon zum Christentum bekehrt worden. Reiche Amerikaner bekehren sich zum Buddhismus, zum Hinduismus, zur Vedanta, und die Unberührbaren, die Ärmsten der Armen in Indien, werden Christen. Seht ihr, worum es geht?
Das Christentum übt eine Anziehungskraft auf die Armen aus. Diese Menschen leben fast völlig unbewusst. Sie sind zu hungrig, um zu meditieren. Man interessiert sich für das tägliche Brot, ein Dach über dem Kopf, etwas zum Anziehen. Und wenn die christlichen Missionare kommen und ein Krankenhaus oder eine Schule eröffnen, sind die Inder sehr beeindruckt. Das ist wahre Spiritualität! Wenn ich hingegen von Meditation spreche, haben sie kein Interesse. Nicht nur das, sie sind sogar dagegen: „Was soll denn daran spirituell sein? Was tust du denn, um den Armen zu helfen?“ Und ich kann es verstehen: Sie brauchen Essen, Unterkunft und Kleidung.
Aber es liegt an ihrer Einstellung, dass sie so leiden. Einerseits brauchen sie Essen, Unterkunft und Kleidung, bessere Häuser und Straßen, andererseits verherrlichen sie die Armut als etwas „Spirituelles“. Sie sind in einer Sackgasse. Der Osten kann noch nicht meditieren. Er braucht zuerst die wissenschaftliche Technik, um die materiellen Zustände etwas zu verbessern. Der Westen braucht religiöse Technologie, und der Osten braucht wissenschaftliche Technologie.
Ich bin ganz für eine Welt, in der der Westen die Bedürfnisse des Ostens erfüllen kann, und der Osten die Bedürfnisse des Westens. Ost und West haben zu lange getrennt gelebt, das brauchen sie heute nicht mehr. Wir sind an dem kritischen Punkt angelangt, wo diese ganze Erde eins werden kann und auch eins werden sollte – denn sie wird nur überleben, wenn sie eins wird.
Die Zeit der Nationen ist vorbei, die Zeit der Teilung ist vorbei, die Tage der Politiker sind gezählt. Wir treten in eine völlig neue Welt ein, in eine neue Phase der Menschheit. Und das bedeutet, dass es heute nur eine Welt geben kann und nur eine Menschheit. Dann können ungeheure schöpferische Energien freigesetzt werden.
Der Osten hat seine Schätze, die spirituellen Techniken, und der Westen hat seine Schätze, die wissenschaftlichen Techniken. Wenn sie zusammenkommen, kann diese Welt zum Paradies werden. Dann ist es nicht mehr nötig, sich nach einer besseren Welt im Paradies zu sehnen. Wir sind zum ersten Mal in der Lage, hier auf dieser Erde das Paradies zu erschaffen. Und wenn wir es nicht tun, dann liegt es nur an uns. Kein anderer ist dafür verantwortlich.
Ich bin für eine Welt, eine Menschheit, und letztendlich eine Wissenschaft, die beides umfassen kann – die Verbindung von Religion und Wissenschaft. Eine Wissenschaft, die sich mit der äußeren ebenso wie mit der inneren Welt beschäftigt.
Ist nicht die menschliche Tendenz, Dinge anzuhäufen und zu horten ein Hindernis für dieses Zusammenkommen von Ost und West, wie du es voraussiehst? Könnte möglicherweise ein System wie der Kommunismus dazu beitragen, den Reichtum gerechter auf der ganzen Welt zu verteilen?
Die Armen und die Reichen sind voneinander abhängig. Die Reichen können ohne die Armen nicht existieren. Es wäre eine einfache humanitäre Geste – und die technischen Voraussetzungen sind heute dafür gegeben –, genug Reichtum hervorzubringen, dass kein Mensch mehr arm sein und hungern muss. Aber wir tun weiter genau das Gegenteil.
In den Vereinigten Staaten, dem reichsten Land der Welt, sind dreißig Millionen Menschen unterernährt. Und erstaunlicherweise sind dort auch dreißig Millionen Menschen überernährt. Sie halten Diät und unternehmen alles, um ihr Gewicht zu reduzieren. In Amerika leben einige von den dicksten Menschen auf der ganzen Welt. Das ist doch eine einfache Rechnung: Die dreißig Millionen Dicken essen den dreißig Millionen Unterernährten ihr Essen weg!
Wir könnten genug produzieren, mehr als nötig, sodass überhaupt keine Notwendigkeit mehr bestünde, etwas zu horten. Luft muss auch nicht gehortet werden, außer auf dem Mond natürlich. Dort muss man sich einen Behälter mit Sauerstoff über die Schulter hängen, weil kein Sauerstoff vorhanden ist. In der Wüste muss man Wasser horten. In der Wüste kämpfen die Menschen um jede kleine Oase; wegen des Wassers würden sie sich sogar gegenseitig umbringen. Doch außerhalb der Wüste muss nicht um Wasser gekämpft werden; es ist ausreichend vorhanden. Ich habe von der Gesellschaft eine andere Sicht als der Kommunismus und der Kapitalismus. Die Gesellschaft braucht ein super-kapitalistisches System, dann wird sie automatisch kommunistisch werden. Dann wird eine Revolution überflüssig. Was gebraucht wird, ist eine Evolution, keine Revolution. Eine Revolution macht die Dinge niemals besser. Nur durch Evolution, durch Wachstum werden die Dinge besser.
Wenn viele Menschen arm und einige wenige reich sind, bedeutet das nur, dass noch nicht genug Reichtum vorhanden ist. Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um mehr Reichtum zu kreieren. Das lässt sich erreichen. Es besteht kein Grund, warum sich das nicht erreichen ließe. Und wenn genug Reichtum da ist, und von allem mehr als genug – wer würde sich dann noch die Mühe machen, ihn zu horten?
Manche Dinge, die in der Gesellschaft noch nicht zum Verschwinden gebracht worden sind, würden ganz von selbst verschwinden: Die Armen würden verschwinden, Diebstahl würde verschwinden. Vielleicht bräuchte man dann gar keine Polizei mehr, und die Richter könnten für etwas Besseres eingesetzt werden. Und Tausende von Anwälten, die heute ihre Zeit und das Geld der Leute verschwenden, würden dann nicht mehr gebraucht.
Wir schauen den Dingen nicht auf den Grund. Wir beseitigen nur die Symptome, und dann kommen sie wieder zurück. Wir sollten direkt auf die Ursachen schauen. In Amerika gibt es so viele Verbrechen – warum? Es muss Verlockungen für das Verbrechen geben. Diese Verlockungen ließen sich leicht beseitigen.
Seht ihr meine Armbanduhr? Findet ihr sie verlockend oder nicht? Ihr müsst sie verlockend finden, denn ihr habt keine Ahnung, dass sie nicht aus Diamanten besteht, sondern nur aus Glassteinen. Sie ist nicht wertvoll. Wenn Glassteine den gleichen Effekt haben wie Diamanten, werden nur die Narren hinter den Diamanten her sein. Könnt ihr einen Unterschied sehen? Wenn das hier Diamanten wären, würde die Uhr eine Viertelmillion Dollar kosten – genau die gleiche Uhr. Meine Freunde haben sie gemacht, und sie haben einfach Glassteine dafür genommen. Sie geht genauso präzise wie jede andere Uhr – nur eine Sekunde Abweichung pro Jahr. Eine solche Präzision lässt sich heute leicht erzielen. Egal, ob du eine Millionen-Dollar-Uhr oder eine Zehn-Dollar-Uhr kaufst, beide haben die gleichen Batterien. Elektronik und Batterien haben das ganze Konzept der Uhr verändert.
Wenn aber Glassteine – und es sind echte, authentische Steine – wie Diamanten aussehen können, warum sollte man unnötig die Leute in Versuchung führen? Produziert einfach mehr Uhren und Schmuck mit schönen Steinen, und die Verlockung der Diamanten wird aufhören. Die Preise der Diamanten werden sinken. Tatsächlich sind Diamanten ja auch nur Steine! Wir schaffen Verlockungen für Verbrechen, und dann wird der Verbrecher bestraft, aber nicht derjenige, der die Verlockung geschaffen hat. Beide sollten bestraft werden!
Aber es werden nur Symptome angegangen, nicht die Ursachen. Und die Ursachen bringen immer neue Symptome hervor. Das Ganze ist so unwissenschaftlich! Statt mehr Reichtum hervorzubringen, produzieren alle Nationen noch mehr Waffen – Raketen, Fernlenkwaffen, Atombomben – und rüsten auf. Wofür? Wollt ihr einen globalen Selbstmord begehen? Warum verschwendet ihr so viel Geld und Zeit darauf? Wenn die Menschheit beschlossen hat, Selbstmord zu begehen, gäbe es viel einfachere Methoden.
Fünfundsiebzig Prozent unserer Energie auf der ganzen Welt geht in Kriegsvorbereitungen. Sind wir Diener des Todes und der Zerstörung? Diese fünfundsiebzig Prozent der Energie könnten ins Leben fließen, in den Dienst am Leben – dann gäbe es Lachen, dann gäbe es mehr Gesundheit und es gäbe mehr Reichtum, mehr zu essen für alle. Dann gäbe es keine Armut mehr.
Es müsste überhaupt keine Armut geben.
Du kritisierst die Religionen, aber spielen nicht gerade sie eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Armut? Es gibt so viele religiöse Organisationen, die den Armen auf selbstlose Weise dienen.
Alle Religionen auf dieser Welt predigen den Dienst am Nächsten und die Selbstlosigkeit. Für mich ist aber die Selbstsucht, die „Selbsthaftigkeit“, etwas vollkommen Natürliches. Selbstlosigkeit ist etwas Aufgesetztes, während Selbstsucht zu unserem natürlichen Wesen gehört. Solange du nicht an den Punkt kommst, wo sich dein „Selbst“ in das Kosmische auflöst, kannst du nicht wirklich selbstlos sein.
Du kannst es vortäuschen, aber dann wirst du zum Heuchler, und ich möchte nicht, dass ihr Heuchler seid. Es ist also ein bisschen kompliziert, aber es ist verstehbar.
Erstens gehört Selbstsucht zu eurer Natur. Das müsst ihr akzeptieren. Und wenn es zu eurer Natur gehört, selbstsüchtig zu sein, muss es einem wesentlichen Zweck dienen, sonst wäre es nicht da. Nur aufgrund eurer Selbstsucht habt ihr überlebt und für euch gesorgt – sonst wäre die Menschheit längst ausgestorben. Stell dir mal ein Kind vor, das nicht selbstsüchtig wäre, das ohne Selbstsucht geboren wäre. Es könnte nicht überleben, es würde sterben – denn sogar Atmen ist selbstsüchtig, Essen ist selbstsüchtig. Es gibt Millionen von Menschen, die hungern – und du isst? Es gibt Millionen von Menschen, die krank und gebrechlich sind und im Sterben liegen – und du bist gesund?
Würde ein Kind ohne die natürliche Mitgift der Selbstsucht geboren, könnte es nicht überleben. Warum solltest du einer Schlange ausweichen, die dir zu nahe kommt? Soll sie dich doch beißen! Aber deine Selbstsucht beschützt dich, sonst wärest du der Schlange ausgeliefert. Wenn ein Löwe dich anspringt, um dich zu töten, lass dich ruhig töten! Das ist wahre Selbstlosigkeit. Der Löwe ist hungrig, und du lieferst ihm sein Fressen. Wer bist du, dich dagegen zu wehren? Du solltest dich nicht schützen, solltest nicht kämpfen. Am besten präsentierst du dich dem Löwen gleich auf einem Teller – das ist wahre Selbstlosigkeit! Alle diese Religionen haben Dinge gelehrt, die völlig unnatürlich sind. Das ist ein Aspekt davon.
Ich lehre das Natürliche. Ich lehre euch, natürlich zu sein, absolut natürlich, auf schamlose Weise natürlich. Ja, ich lehre die Selbstsucht. Das hat noch keiner vor mir gesagt; dazu hatte noch keiner den Mut.
Aber das Erstaunliche an der ganzen Geschichte ist, dass sie alle selbstsüchtig sind. Weshalb quält sich denn ein Jaina-Mönch so sehr? Er verfolgt eine Absicht: Er möchte die höchste Befreiung erlangen, mit all ihren Freuden. Es ist überhaupt kein Opfer, nur ein Kuhhandel. Er ist ein Geschäftsmann, denn seine Schriften verheißen ihm: „Du wirst es tausendfach zurückbekommen.“ Und dieses Leben ist im Grunde sehr kurz – nur siebzig, achtzig Jahre, das ist gar nicht so lang. Wenn man siebzig Jahre an Freuden opfert für eine ganze Ewigkeit an Freuden, ist es ein guter Tausch! – Ich halte das nicht für selbstlos. Und weshalb haben die Religionen euch gelehrt, der Menschheit zu dienen? Was ist das Motiv, was ist das Ziel? Was ist der Gewinn? Vielleicht hast du dich das noch nie gefragt. Es geht gar nicht ums Dienen.
Es gibt eine alte Geschichte aus China, die ich sehr liebe:
Ein Mann fiel in einen Brunnen. Es war ein großes Fest, eine riesige Menschenmenge hatte sich versammelt, und es gab einen ein Höllenlärm. Die Leute vergnügten sich und tanzten und sangen, und alles Mögliche passierte – darum hörte keiner den Mann hineinfallen. Damals waren die Brunnen in China nicht durch eine Mauer abgeschirmt; sie lagen ungeschützt und offen da. Im Dunkeln konnte man leicht einen falschen Schritt tun und unversehens in einen Brunnen fallen.
Der Mann fing an zu schreien: „Hilfe!“ Da kam ein buddhistischer Mönch vorbei. Eigentlich ist ein buddhistischer Mönch an einem solchen Fest gar nicht interessiert – oder zumindest sollte er es nicht sein. Ich weiß nicht, was ihn dort hintrieb. Schon allein die Tatsache, dass er dort war, lässt auf eine unbewusste Sehnsucht schließen, etwas zu erleben und zu sehen, wie die Leute ihren Spaß hatten: „Alle diese Leute werden zur Hölle fahren, aber ich komme als Einziger in den Himmel!“
Als der Mönch an dem Brunnen vorbei kam und den Mann schreien hörte, blickte er hinunter. Der Mann rief: „Gut, dass du mich gehört hast! Alle sind so beschäftigt und keiner hört mich bei diesem Lärm. Ich habe schon befürchtet, ich müsste sterben.“
Der buddhistische Mönch sagte: „Du wirst immer noch sterben, denn dies ist geschehen, weil du in einem früheren Leben eine böse Tat vollbracht hast. Jetzt bekommst du die Strafe dafür. Akzeptiere sie und bereite dich auf dein Ende vor. Es ist gut – im nächsten Leben kannst du ganz rein anfangen. Dann wird es nicht mehr notwenig sein, noch einmal in einen Brunnen zu fallen.“
Der Mann sagte: „Lass mich zufrieden mit deinen Weisheiten und philosophischen Sprüchen …“ Aber der Mönch war schon weitergegangen.
Als nächstes kam ein alter Taoist vorbei. Er war durstig, und so schaute er in den Brunnen. Der Mann rief immer noch um Hilfe. Der Taoist sagte: „So benimmt sich kein Mann! Sei tapfer! Ein Mann sollte alles nehmen, wie es kommt – das hat der große Laotse gesagt. Akzeptiere es! Genieße es! Du heulst ja wie ein Weib. Sei ein Mann!“ Der Mann sagte: „Ich habe kein Problem damit, dass du mich ‚Weib‘ nennst, aber zuerst rette mich, bitte! Ich bin nicht tapfer, und nachher kannst du mir sagen, was du willst, aber zuerst zieh mich raus!“
Doch der Taoist sagte: „Wir mischen uns nicht in fremde Angelegenheiten. Wir glauben an das Individuum und seine Freiheit. Du bist frei, in den Brunnen zu fallen, und du bist frei, im Brunnen zu sterben. Ich kann dir höchstens einen Vorschlag machen: Du kannst mit Weinen und Klagen sterben – was sehr töricht wäre! – oder du kannst wie ein Weiser sterben. Akzeptiere es, genieße es, sing ein Lied und geh! Wir müssen ohnehin alle sterben, warum sollte ich dich also retten? Auch ich werde sterben, alle werden wir sterben – vielleicht schon morgen, vielleicht übermorgen. Warum sollte ich mir die Mühe machen, dich zu retten?“ Und er ging weiter.