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Ein Anhänger des Konfuzius kam vorbei, und der Mann schöpfte wieder Hoffnung. Die Konfuzianer waren eher weltliche, praktische Leute. Er sagte: „Welch ein Glück, dass du vorbeigekommen bist, ein konfuzianischer Gelehrter! Ich kenne dich, ich habe deinen Namen schon gehört. Bitte tu jetzt etwas für mich, denn Konfuzius sagt doch: ‚Helft anderen.’“
Nachdem er erlebt hatte, wie der Buddhist und der Taoist reagiert hatten, dachte er: „Wenn ich die Leute überzeugen will, mich zu retten, ist es besser, ein bisschen philosophisch zu reden.“ Darum sagte er: „Konfuzius sagt: ‚Helft anderen‘.“
Der konfuzianisch Mönch sagte: „Richtig. Und ich werde helfen. Ich werde von Stadt zu Stadt ziehen und protestieren und die Regierung zwingen, eine Schutzmauer um jeden Brunnen im Lande zu errichten. Mach dir keine Sorgen.“
Der Mann sagte: „Bis die Schutzmauern errichtet sind und deine Revolution Erfolg hat, bin ich längst gestorben.“
Der Konfuzianer sagte: „Du bist nicht wichtig; ich bin nicht wichtig; der Einzelne ist nicht wichtig – es geht um die Gesellschaft! Durch deinen Sturz in den Brunnen hast du ein sehr wichtiges Thema angerührt. Dafür werden wir jetzt kämpfen. Sei einfach ruhig und reg dich nicht auf. Wir werden dafür sorgen, dass jeder Brunnen eine Schutzmauer bekommt, damit keiner mehr hineinfällt. Aber wenn wir nur dich retten, was wäre dadurch gewonnen? Es gibt Millionen von Brunnen im ganzen Land, und Millionen von Menschen könnten hineinfallen. Nimm dich nicht so wichtig. Du musst diese selbstsüchtige Haltung überwinden. Und ich will der Menschheit dienen. Du hast uns einen großen Dienst erwiesen, dass du in diesen Brunnen gefallen bist. Mein Dienst besteht darin, die Regierung zu zwingen, dass sie Schutzmauern errichtet.“
Und der Konfuzianer ging weiter. Der Konfuzianer hatte aber einen wichtigen Punkt angeschnitten: „Du bist selbstsüchtig. Du willst einfach nur gerettet werden und raubst mir meine Zeit, die ich in den Dienst der ganzen Menschheit stellen könnte.“
Wer weiß, ob „die Menschheit“ überhaupt existiert? Ob „die Gesellschaft“ irgendwo existiert? Das sind lediglich Worte. Nur einzelne Menschen existieren.
Der vierte Mann war ein christlicher Missionar, und er trug einen Sack bei sich. Er öffnete sofort den Sack, holte ein Seil heraus und warf das Seil hinunter. Bevor der andere irgendetwas sagen konnte, hatte er schon das Seil hinuntergeworfen. Der Mann im Brunnen war überrascht. Er sagte: „Deine Religion scheint mir die aufrichtigste zu sein.“
Der Missionar sagte: „Selbstverständlich. Wir sind für alle Notfälle gerüstet. Da ich nun mal weiß, dass Leute in Brunnen fallen, trage ich immer dieses Seil bei mir, um sie zu retten. Denn nur, wenn ich andere rette, kann ich mich selbst retten. Aber ich mache mir Gedanken über das, was ich den Konfuzianer habe sagen hören. Man sollte keine Schutzmauern um die Brunnen bauen, denn wie können wir sonst der Menschheit dienen? Wie können wir Menschen retten, die hineingefallen sind? Zuerst müssen sie hineinfallen, damit wir sie retten können. Wir sind da, um zu dienen, aber dazu brauchen wir die Gelegenheit. Wie können wir dienen, wenn wir nicht die Gelegenheit dazu haben?“
Alle diese Religionen, die vom „Dienst“ am Nächsten reden, haben zweifellos ein Interesse, dass die Menschheit arm bleibt, dass die Menschen ihren Dienst nötig haben, dass es Waisenkinder und Witwen und alte Leute gibt, um die sich niemand kümmert, und Bettler. Diese Leute werden gebraucht, absolut gebraucht. Was würde sonst mit all diesen großartigen Dienern der Menschheit passieren? Was würde mit all den Religionen und ihren Lehren passieren? Und wie könnte man sich die Berechtigung verdienen, ins Königreich Gottes zu kommen? Die Armen und Notleidenden werden dafür als Trittleiter benutzt.
Nennst du das Selbstlosigkeit? Ist dieser Missionar selbstlos? Er rettet den Mann, aber nicht um des Mannes willen. Er rettet ihn nur um seiner selbst willen. Im Grunde ist es die gleiche Selbstsucht, nur mit schönen Worten wie „Selbstlosigkeit“ und „Dienen“ verbrämt.
Warum besteht denn überhaupt eine Notwendigkeit zu dienen? Warum sollte es überhaupt eine solche Notwendigkeit geben? Können wir diese „Gelegenheiten zum Dienen“ nicht einfach aus der Welt schaffen? Wir könnten es, aber dann wären uns die Religionen sehr böse. Sie würden völlig an Boden verlieren, wenn es keine Armen, keine Hungernden, keine Notleidenden und keine Kranken mehr gäbe. Damit machen sie ja ihr ganzes Geschäft.
Die Wissenschaft kann es möglich machen. Heute haben wir es absolut in der Hand. Es hätte schon vor langer Zeit passieren können, wenn die Religionen nicht alles unternommen hätten, um jeden daran zu hindern, der zu dem Wissen beitragen könnte, durch das alle diese „Gelegenheiten zum Dienen“ aus der Welt geschafft werden. Die Religionen haben sich jedoch jedem wissenschaftlichen Fortschritt widersetzt. Für sie ist es notwendig, dass alle diese Probleme weiter bestehen. Diese Notwendigkeit ist absolut selbstsüchtig, mit einem Hintergedanken. Es gibt ein Ziel zu erreichen.
„Dienen“ ist ein schmutziges Wort, eine Beleidigung. Du solltest es nicht verwenden. Natürlich kannst du mit anderen etwas teilen, aber du solltest nie jemanden erniedrigen, indem du ihm „dienst“. Das ist eine Form von Erniedrigung. Wenn du jemandem dienst und dich selber großartig dabei fühlst, degradierst du den anderen und machst ihn zum Untermenschen. Dann fühlst du eine solche Überlegenheit, dass du sogar deine eigenen Interessen zurückstellst, um „den Armen zu dienen“. Aber eigentlich erniedrigst du sie damit.
Wenn du etwas hast, das dir selber Freude, Frieden und Ekstase bringt, dann teile es mit anderen. Und denke daran: Wenn du etwas teilst, dann geschieht es ohne Hintergedanken. Ich sage nicht, dass du in den Himmel kommen wirst, wenn du mit anderen teilst. Ich gebe dir kein Ziel. Ich sage nur, dass es dir eine enorme Befriedigung geben wird, wenn du mit anderen teilst.
Die Befriedigung liegt im Teilen selbst, ohne Hintergedanken. Teilen ist nicht an einem Ziel orientiert; es ist sich selbst genug. Du bist dem anderen dankbar, weil er bereit war, mit dir zu teilen, aber du hast nie das Gefühl, der andere müsse dir dankbar sein. Du hast ihm keinen „Dienst“ erwiesen.
Nur Menschen, die an das Teilen statt an das Dienen glauben, werden all die hässlichen Gelegenheiten zum Dienen, die es rund um die Welt gibt, beseitigen können. Alle Religionen haben diese Gelegenheiten für sich ausgebeutet und haben dabei ihrem Tun schöne Namen gegeben. Im Laufe der Jahrtausende sind sie sehr effizient darin geworden, hässlichen Realitäten einen schönen Namen zu geben. Sobald aber jemand anfängt, einer hässlichen Sache einen schönen Namen zu geben, vergisst er selbst nur allzu leicht, dass es nur ein Deckmantel ist. Die innere Realität bleibt genau die gleiche.
Alle diese Probleme können gelöst werden. Es besteht kein Bedarf an Dienern der Öffentlichkeit, an Missionaren und dergleichen. Was wir brauchen, ist, dass die Probleme und ihre Lösungsmöglichkeiten mit mehr Intelligenz angegangen werden.
Darum propagiere ich die Selbstsucht. Ich möchte, dass jeder von euch in erster Linie zu seinem eigenen Erblühen kommt. Gewiss, das wird den Anschein haben, als wäret ihr selbstsüchtig. Gegen diesen Anschein habe ich nichts; für mich ist das in Ordnung. Ist denn die Rose selbstsüchtig, wenn sie erblüht? Ist der Lotus selbstsüchtig, wenn er erblüht? Ist die Sonne selbstsüchtig, wenn sie scheint? Weshalb solltest du dir über Selbstsucht den Kopf zerbrechen?
Du bist auf diese Welt gekommen – deine Geburt ist nur eine Chance, ein Potenzial, erst der Anfang, aber nicht das Ziel. Du sollst zum Blühen kommen. Verschwende dein Leben nicht mit dummen Diensten irgendwelcher Art. Deine erste und allerwichtigste Verantwortung besteht darin, zu erblühen und vollkommen wach, achtsam und bewusst zu werden. In diesem Bewusstsein wirst du fähig sein, zu sehen, was du mit anderen teilen und wie du die anstehenden Probleme lösen kannst.
Neunundneunzig Prozent aller Probleme dieser Welt lassen sich lösen. Vielleicht ein Prozent der Probleme lässt sich nicht lösen. Du kannst mit diesen Menschen teilen, was immer du teilen kannst – aber zuerst musst du etwas zu teilen haben.
Ich beginne zu sehen, was für eine große Rolle die Habgier in meinem Leben spielt – und das Leiden, das sie mit sich bringt. Könntest du bitte etwas mehr Licht darauf werfen, was diese Sache namens Habgier eigentlich ist, woher sie kommt, und mir vielleicht ein paar Werkzeuge für den Umgang mit ihr geben?
Einfach das Wesen der Habgier zu verstehen, ist ausreichend. Du brauchst nichts anderes zu tun, um sie loszuwerden. Allein durch das Verstehen klärt sich die ganze Verwirrung.
Du bist erfüllt, wenn du mit dem Universum in Harmonie bist. Wenn du nicht mit dem Universum in Harmonie bist, fühlst du dich leer, völlig leer. Und aus dieser Leere entsteht die Habgier. Die Habgier dient dazu, diese Leere zu füllen – mit Geld, Häusern, Möbeln, mit Freunden, Liebhabern, mit allem Möglichen, weil du als Leere nicht leben kannst. Sie ist beängstigend, sie führt ein Schattendasein. Wenn du leer und von nichts erfüllt bist, ist das Leben unmöglich.
Um ein Gefühl innerer Fülle zu haben, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder kannst du versuchen, in Harmonie mit dem Universum zu kommen, dann bist du erfüllt vom Ganzen – von all den Blumen und all den Sternen. Sie sind genauso in deinem Inneren wie außerhalb von dir. Das ist die wahre Erfüllung. Versuchst du das aber nicht – und Millionen von Menschen versuchen es nicht –, dann ist es am leichtesten, die Leere mit wertlosem Zeug zu füllen.
Ich wohnte einmal bei einem Mann, der sehr reich war und ein schönes Haus hatte. Irgendwie begann er sich für meine Ideen zu interessieren. Er hatte einige meiner Vorträge gehört und lud mich ein, bei ihm zu wohnen. Er sagte: „Warum willst du so weit draußen wohnen, außerhalb der Stadt? Ich habe ein schönes Haus in der Stadt, und es ist so groß, dass du die eine Hälfte haben kannst. Ich will keine Miete, aber ich hätte gerne deine Anwesenheit in meinem Haus.“
Ich lebte in den Bergen außerhalb der Stadt, aber es war schwierig, von dort aus ständig zur Universität zu pendeln. Von seinem Haus war die Universität ganz nahe. Er hatte einen schönen Garten, und das Haus lag im besten Wohnviertel der Stadt. Also nahm ich seine Einladung an. Doch als ich das Haus betrat, traute ich meinen Augen nicht: Er hatte so viel Krempel gesammelt, dass gar kein Platz mehr zum Leben war! Das Haus war groß, aber seine Sammlung war noch größer. Und was für eine Sammlung absolut stupider Dinge! Er kaufte einfach alles, was er auf dem Markt finden konnte. Ich fragte ihn: „Was willst du mit all den Sachen anfangen?“
Er sagte: „Man weiß nie, vielleicht brauche ich sie eines Tages.“
Ich sagte: „Aber wo soll man denn in diesem Haus leben?“ So viele Möbel aus den verschiedensten Epochen … Als die Europäer Indien verließen, mussten sie alle ihre Sachen verkaufen. Dieser Mann konnte davon nie genug bekommen. Er war imstande, alles zu kaufen – lauter Dinge, die er gar nicht brauchte. In seiner Garage stand ein Auto nur herum, weil es alt und kaputt war. Ich fragte ihn: „Warum wirfst du es nicht weg? Dann hättest du mehr Platz …“
Er sagte: „Es sieht doch gut aus in der Garage.“ Alle Reifen waren platt. Es war zu nichts zu gebrauchen. Wenn man es einmal wegbewegen wollte, musste man es schieben. Es stand nur da und rostete vor sich hin. Er sagte: „Ich habe es sehr günstig bekommen. Es gehörte einer alten Frau, die hier Krankenschwester war, aber jetzt wieder in England ist.“
Ich sagte: „Wenn du schon ein Auto kaufen wolltest, hättest du wenigstens eines kaufen sollen, das fährt!“
Er sagte: „Ich habe kein Interesse am Autofahren. Mein Fahrrad genügt mir.“ Das Fahrrad war ebenfalls eine Kuriosität. Man wusste schon aus einem Kilometer Entfernung, wenn er kam – so einen Lärm machte es. Es hatte keine Kotflügel, kein Schutzblech. Es muss das älteste Fahrrad gewesen sein, das je produziert wurde. Und es hatte auch keine Klingel. Er sagte: „Wozu brauche ich eine Klingel? Es macht so viel Lärm, dass die Leute schon einen halben Kilometer vorher zur Seite gehen. Und es ist gut, es kann mir nicht gestohlen werden, weil sonst niemand damit fahren kann. Es ist mir schon zweimal gestohlen worden, aber der Dieb wurde sofort gefasst. Es macht einen solchen Krach, und jeder weiß, dass es mein Fahrrad ist. Ich kann es überall stehen lassen. Ich kann ins Kino gehen und brauche es nicht im Fahrradständer abzustellen, denn das kostet Geld. Ich kann es irgendwo hinstellen, und wenn ich zurückkomme, ist es immer noch da. Jeder weiß, dass es einfach zu viele Probleme macht. Darum lässt man es besser in Ruhe.“ Er sagte: „Es ist ein seltenes Exemplar.“
In seinem Haus gab es alle möglichen Dinge … kaputte Radios, die er irgendwo billig erstanden hatte. Er war ein Jaina, aber er hatte eine zerbrochene Statue von Jesus am Kreuz. Ich fragte ihn: „Wofür hast du denn das gekauft?“
Er sagte: „Die Frau, deren Auto ich kaufte, hat es mir umsonst gegeben. Sie hat es mir geschenkt. Ich glaube nicht an Jesus Christus, aber ein Kunstwerk konnte ich nicht ablehnen.“
Ich sagte zu ihm: „Wenn ich in diesem Haus wohnen soll, muss meine Hälfte leer sein.“ Und er war ganz froh darüber, alles zu übernehmen. Das Haus war schon so voll, dass man sich gar nicht darin bewegen konnte, aber er holte alles hinüber auf seine Seite. Er hatte so viele Möbelstücke auf einem Sofa übereinander getürmt, dass man nicht darauf sitzen konnte. Ich fragte: „Warum?“
Er sagte: „Das verstehst du nicht. Das alles habe ich fast geschenkt bekommen! Und eines Tages werde ich vielleicht heiraten und Kinder haben, und die könnten das alles brauchen. Mach dir keine Gedanken. Irgendwann findet alles seine Verwendung.“
Sogar auf der Straße bückte er sich, wenn er etwas liegen sah, das jemand weggeworfen hatte, und hob es auf. Eines Tages, als er mit mir vom Garten zum Haus ging, fand er einen Fahrradgriff und hob ihn auf. Ich fragte ihn: „Was willst du mit einem Fahrradgriff?“
Er sagte: „Ich werde es dir zeigen.“ Ich ging mit ihm, und in seinem Badezimmer hatte er ein fast komplettes Fahrrad – nur ein paar Teile fehlten noch. Er sagte: „Die Teile habe ich alle auf der Straße gefunden. Ich nehme sie mit und setze sie zusammen. Jetzt fehlen nur noch ein paar Stücke. Es gibt noch keine Kette, keinen Sitz, aber die bekomme ich auch noch! Eines Tages wird sie jemand wegwerfen. Ich habe noch ein langes Leben vor mir, und es schadet doch niemandem? Sieht doch gut aus in meinem Badezimmer!“
Habgier bedeutet einfach, dass du eine tiefe Leere in dir fühlst und sie mit irgendetwas füllen willst – egal was es ist. Wenn du das einmal verstanden hast, musst du wegen deiner Habgier nichts unternehmen. Du musst nur etwas unternehmen, um mit dem Ganzen in Einklang zu kommen, dann verschwindet die innere Leere. Wenn das geschieht, verschwindet alle Habgier.
Das heißt aber nicht, dass du anfängst, nackt zu leben. Es heißt nur, dass du nicht mehr dafür lebst, lediglich Dinge anzuhäufen. Immer wenn du etwas brauchst, kannst du es dir besorgen. Es gibt Verrückte auf der ganzen Welt, die alles Mögliche sammeln. Manch einer sammelt Geld, obwohl er es nie verwendet. Das ist sonderbar. Die Dinge sind dazu da, dass man sie verwendet. Wenn man sie nicht verwendet, braucht man sie nicht.
Diese Situation kann alle möglichen Formen annehmen: Die Leute essen, auch wenn sie gar keinen Hunger haben; trotzdem stopfen sie ständig etwas in sich hinein. Obwohl sie wissen, dass es ihnen Probleme bringt, dass es sie krank macht, dass es sie sie dick macht – aber sie können nicht anders. So zu essen ist ebenfalls ein Versuch, die Leere zu füllen. Man kann also auf vielerlei Arten versuchen, die Leere zu füllen, aber sie verschwindet nie. Sie bleibt leer, und du bleibst unglücklich, denn es ist nie genug. Immer ist noch mehr nötig, und dieses „Mehr“ und das Verlangen danach gehen endlos weiter.
Ich sehe Habgier nicht als Begierde, sondern als existenzielle Krankheit: Du bist nicht im Einklang mit dem Ganzen. Aber nur, wenn du mit dem Ganzen in Einklang kommst, kannst du gesund und heil werden. Wenn du mit dem Ganzen in Einklang kommst, kann es dich sogar heilig machen. Interessanterweise stammen sowohl die Wörter „heil“ und „heilig“ aus derselben Wurzel; sie bedeuten, „ganz“ zu sein. Wenn du dich eins fühlst mit dem Ganzen, verschwindet die Habgier.
Aber was haben die Religionen gemacht? Sie haben die Habgier als Begierde missverstanden und versucht, sie zu unterdrücken: „Sei nicht habgierig!“ Dann gehst du ins andere Extrem – in die Entsagung. Auf der einen Seite der Habgierige, der hortet – und auf der anderen Seite der Asket, der versucht, durch Entsagung die Habgier loszuwerden. Aber auch das geht endlos so weiter.
Mahavira, der Meister der Jainas, konnte Gautama Buddha nicht als Erleuchteten anerkennen – allein deshalb, weil Buddha immerhin noch drei Garnituren von Kleidungsstücken besaß. Nur drei Garnituren von Kleidern, das absolut Notwendige! Eine Garnitur zum Tragen, eine ist in der Wäsche und die dritte dient als Reserve, falls die Wäsche einmal nicht rechtzeitig fertig wird oder noch nicht getrocknet ist, wenn es den ganzen Tag geregnet hat. Drei scheint man mindestens zu brauchen – ein kleiner Notfall, und die Reserve wird gebraucht. Mahavira war ein fanatischer Gegner der Habgier, und er trieb es ins Extrem: Er lebte völlig nackt. Buddha trug immer seine Bettelschale bei sich. Auch das konnte Mahavira nicht akzeptieren, weil selbst eine Bettelschale noch „Besitz“ ist, und nach Mahaviras Dafürhalten sollte ein Erleuchteter überhaupt nichts besitzen. Diese Bettelschale … sie ist aus einer Kokosnuss. Eine Kokosnuss wird in der Hälfte geteilt, das Fruchtfleisch entfernt, und so gewinnt man aus der Schale zwei Schüsseln. Die billigste Sache, die man sich vorstellen kann! Die Schalen werden sonst weggeworfen, sie sind nicht essbar. Eine solche Bettelschale als „Besitz“ zu bezeichnen, ist absurd.
Wer in der Habgier eine Begierde sieht und fanatisch dagegen ist, für den wird alles zum „Besitz“. Mahavira lebte nackt, und anstelle der Bettelschale nahm er seine Hände und hielt sie wie eine Schale. Aber das war schwierig, denn beide Hände waren voll Essen und er musste essen wie ein Tier, denn er konnte seine Hände nicht zu Hilfe nehmen. Er musste das Essen direkt mit dem Mund aus der Schale seiner Hände holen.
Alle Menschen auf dieser Welt essen im Sitzen. Mahavira hatte aber die Idee, dass man zu viel isst, wenn man im Sitzen isst. Deshalb verlangte er von seinen Mönchen, dass sie im Stehen essen sollten – nur im Stehen, mit dem Essen in Händen. Und nur so viel, wie sie auf einmal in beide Hände nehmen konnten – das war eine Mahlzeit. Sie mussten stehend essen, und alles musste zusammen gegessen werden – süß, salzig, ein einziger Mischmasch. Auf diese Weise wollte Mahavira das Essen geschmacklos machen, denn den Geschmack zu genießen bedeutete, den Körper zu genießen und damit die materielle Welt zu genießen.
Für mich ist Habgier etwas völlig anderes als Begierde. Deshalb brauchst du gegen die Habgier nichts zu unternehmen. Verstehe einfach, welche Leere du damit zu füllen versuchst.
Frage dich: „Warum bin ich leer? Die ganze Existenz ist eine solche Fülle – warum bin ich leer? Vielleicht habe ich den Anschluss verloren, bewege mich nicht mehr in der richtigen Richtung. Ich bin nicht mehr in Verbindung mit der Existenz. Das ist der Grund für meine Leere.“
Verbinde dich mit der Existenz.
Lass los und komme der Existenz näher durch Stille und Frieden, durch Meditation. Dann wirst du eines Tages erleben, dass du erfüllt bist – übervoll und überfließend vor Freude, Glückseligkeit, Gnade. Du hast so viel davon, dass du es mit der ganzen Welt teilen kannst und es sich dennoch nicht erschöpft. An diesem Tag wirst du zum ersten Mal keine Habgier mehr empfinden – nach Geld, Essen, Objekten, irgendwas.
Du wirst leben – aber nicht mehr mit dieser ständigen Habgier, die nie befriedigt werden kann, einer Wunde, die nicht heilen kann. Du wirst auf natürliche Weise leben, und alles was du brauchst, wirst du finden.
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