Logos Gottes und Logos des Menschen

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Deshalb kann der Mensch die Wahrheit der Schöpfung nur als Wahrheit eines personalen Schöpfers annehmen, der ihn als Menschen in seiner Ewigkeit erhält. An dieser Stelle wird abermals die innere Bewegung des Schöpfungsglaubens auf den Glauben an die liebende Zuwendung des Schöpfers in Christus deutlich.
Zusammenfassend lässt sich mit Ratzinger demnach sagen: „Der Mensch braucht das Ethos, um er selbst zu sein. Das Ethos aber braucht den Schöpfungs- und den Unsterblichkeitsglauben, d.h. es braucht die Objektivität des Sollens und die Endgültigkeit von Verantwortung und Erfüllung. Die Unmöglichkeit eines davon abgeschnittenen Menschseins ist der indirekte Beweis für die Wahrheit des christlichen Glaubens und seiner Hoffnung.“228 Man kann hier von einem indirekten Beweis des christlichen Glaubens auf dem Boden der moralischen Vernunft sprechen: Nur, wenn es den Schöpfer und die Unsterblichkeit wirklich gibt, hat die moralische Vernunft einen Anknüpfungspunkt in der Metaphysik und nur dann kann der Mensch in Würde leben. Die Annahme des Schöpfers ist Ratzinger zufolge für das moralische Vernunftvermögen des Menschen eine Notwendigkeit.
Ratzinger bezieht sich hinsichtlich dieser Argumentation an einer Stelle sogar direkt auf den ‚moralischen Gottesbeweis‘ Immanuel Kants: „Kant hatte die Erkennbarkeit Gottes im Bereich der reinen Vernunft bestritten, aber Gott, Freiheit und Unsterblichkeit als Postulate der praktischen Vernunft dargestellt, ohne die seiner Einsicht nach konsequenterweise sittliches Handeln nicht möglich schien. Gibt uns nicht die Weltlage von heute Anlass dazu, neu nachzudenken, ob er nicht recht hatte?“229
1 Dialektik, 49.
2 Naturrecht, 25.
3 Dialektik, 49.
4 Vgl. Dialektik, 50.
5 Naturrecht, 25.
6 Naturrecht, 25.
7 Vgl. Dialektik, 50.
8 Naturrecht, 26.
9 Vgl. Naturrecht, 26.
10 Naturrecht, 26.
11 Volk und Haus Gottes, 311.
12 Vgl. Volk und Haus Gottes, 311; vgl. auch Dritte Konzilsperiode, 44.
13 Volk und Haus Gottes, 311.
14 Naturrecht, 27.
15 Naturrecht, 28.
16 Naturrecht, 29.
17 Naturrecht, 29.
18 Vgl. Naturrecht, 29.
19 Dogma und Verkündigung, 170.
20 Vgl. Dogma und Verkündigung, 172; vgl. zur Thematik auch Wortgebrauch, 489f.
21 Dogma und Verkündigung, 172.
22 Dogma und Verkündigung, 173f.
23 Weiterhin kennt Bonaventura aber auch einen vom Glauben unabhängigeren metaphysischen Naturbegriff, der für Ratzinger „an und für sich einen Eigenbereich philosophischen Denkens eröffnen kann“ (Wortgebrauch, 493f), der aber von ihm immer in starker Geschichtsbezogenheit behandelt wird. Auch Augustinus weiß nach Ratzinger um die „Geschichtlichkeit auch der menschlichen ‚Natur‘“ (Theologie der Ehe, 58, Anmerkung 4).
24 Dogma und Verkündigung, 174.
25 Dogma und Verkündigung, 174.
26 Dogma und Verkündigung, 175.
27 Dogma und Verkündigung, 176.
28 Dogma und Verkündigung, 177.
29 Dogma und Verkündigung, 177.
30 Dogma und Verkündigung, 177.
31 Vgl. Dogma und Verkündigung, 178.
32 Dogma und Verkündigung, 180.
33 Dogma und Verkündigung, 178.
34 Dogma und Verkündigung, 179.
35 Dogma und Verkündigung, 179f.
36 Dogma und Verkündigung, 181.
37 Dogma und Verkündigung, 181.
38 Letzte Sitzungsperiode, 51. Dementsprechend hebt Ratzinger in seinem Bericht über die letzte Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils positiv hervor, das Konzil habe das vom biologisch verstandenen Naturrecht geprägte katholische Eheverständnis zu Recht durch ein personales Eheverständnis abgelöst (vgl. a.a.O. 52). So setzt es seiner Beobachtung nach „an die Stelle eines abstrakten Naturbegriffs, der für einen Großteil der moraltheologischen Begründungen maßgebend gewirkt hatte, eine Besinnung auf die konkreten Wirklichkeiten des Menschen und seiner Geschichte“ (a.a.O. 27).
39 Naturrecht, 29.
40 Dialektik, 50f.
41 Vgl. Dialektik, 50f.
42 Abbruch und Aufbruch, 14.
43 Vgl. Abbruch und Aufbruch, 14f.
44 Abbruch und Aufbruch, 15.
45 Dialektik, 51. Noch 1993, in seiner Vorstellung der von Papst Johannes Paul II. verfassten Enzyklika Veritatis Splendor, empfindet Ratzinger den Vorwurf eines solchen biologisch geprägten Naturrechtsbegriffs an die Kirche als sehr stark: „Nun ist neuerdings immer wieder der Vorwurf zu hören, mit dem Begriff des Naturgesetzes binde sich die Kirche an eine überholte Metaphysik, ja, sie huldige einem törichten Naturalismus oder Biologismus und erkläre biologische Abläufe zu moralischen Gesetzen“ (Glaube als Weg, 569).
46 Schöpfungsglaube, 13.
47 Glaube als Weg, 569. Ratzinger bezieht sich hier auf Veritatis Splendor, 40.
48 Dialektik, 51.
49 Vgl. Gott Jesu Christi, 32f.
50 Heisenberg, Werner: Der Teil und das Ganze, München 1969, zit. nach Gott Jesu Christi, 32.
51 Gott Jesu Christi, 32.
52 Gott Jesu Christi, 37f.
53 Gott und die Welt, 137; vgl. auch 140.
54 Den verschiedenen Vernunfttätigkeiten des Menschen entspricht also eine dazu passende Eigenschaft des göttlichen Schöpfungslogos. Nach Ratzinger ist es Kerninhalt des christlichen Glaubens, „dass am Anfang der Logos stand und dass daher das Sein selbst die Sprache des Logos in sich trägt – nicht nur die mathematische, sondern ebenso ästhetische und moralische Vernunft. Das nämlich ist gemeint, wenn Kirche daran festhält, dass ‚Natur‘ eine moralische Aussage habe“ (Auftrag des Bischofs, 534).
55 Gott und die Welt, 152.
56 Vgl. Gott und die Welt, 152.
57 Gott und die Welt, 152.
58 Gott Jesu Christi, 38.
59 Eschatologie, 72.
60 Eschatologie, 72.
61 Zur Begründung moralischer Vernunft bei Platon vgl. 7.3.
62 „Das Gewissen wird von vielen als eine Art Apotheose der Subjektivität verstanden“ (Auftrag des Bischofs, 527).
63 Werte, 100.
64 Werte, 100.
65 Auftrag des Bischofs, 530.
66 Werte, 101.
67 „Aus dem Subjekt würde dann keine Tür und kein Fenster herausführen ins Ganze und ins Gemeinsame hinein“ (Werte, 101).
68 Werte, 104.
69 Bei dem Psychologen Albert Görres findet Ratzinger die dazu passende Einsicht, dass das „Schuldgefühl, das eine falsche Gewissensruhe aufbricht und die Wortmeldung des Gewissens gegen meine selbstzufriedene Existenz genannt werden könnte … dem Menschen so nötig wie der körperliche Schmerz“ (Werte, 105; vgl. Görres, 434) sei, der auf Störungen der Körperfunktionen hinweist. Das Gewissen ist nach Görres also nicht dazu da, den Menschen in seiner subjektiven Selbstgenügsamkeit zu bestätigen und diese gegen von außen an ihn herantretende moralische Ansprüche zu verteidigen, sondern seine Funktion besteht ganz im Gegenteil darin, ihn aus dieser Selbstgenügsamkeit durch Schuldgefühle, die durch den Anspruch moralischer Wahrheit ausgelöst werden, herauszureißen.
70 Werte, 106.
71 Vgl. 4.4.2.
72 Werte, 108.
73 Vgl. Glaube – Wahrheit – Toleranz, 167.
74 Werte, 112f.
75 Werte, 106.
76 Werte, 106.
77 Vgl. 2.1.1.
78 So auch in Glaube – Wahrheit – Toleranz, 166f.
79 Dogma und Verkündigung, 106; vgl. auch Gott Jesu Christi, 39f.
80 Werte, 110. Vgl. Arzt, 396–400.
81 Kirche, Ökumene und Politik, 157.
82 Kirche, Ökumene und Politik, 181.
83 Diener eurer Freude, 45.
84 Bewusstsein, 80.
85 Vgl. Platon: Phaidon 72e–77a.
86 Werte, 116. Die zweite Schicht des Gewissens nach Ratzinger, die er mit Thomas als Conscientia bezeichnet, ist der konkrete Gewissensakt. Gegenüber der ontologischen Gewissensebene der Anamnesis geht es dabei um die konkrete Handlung des Menschen, die er nach seinen mittels der Anamnesis erkannten Einsichten ausrichtet. Der Mensch muss in der Conscientia der so gewonnenen Überzeugung folgen (vgl. a.a.O. 118–120).
87 Wendezeit, 116.
88 Werte, 116. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Ratzinger sich in seinem Bezug auf die Anamnesis-Lehre Platons als in Einklang mit der transzendentalen Anthropologie Karl Rahners begreift. Dieser formuliert nämlich in seinem „Grundkurs des Glaubens“ unter Rückgriff auf die platonische Anamnesis den Begriff der ‚memoria‘, um damit die innere apriorische Erwartung des Menschen auf einen geschichtlichen Heilsbringer zu beschreiben (vgl. Rahner, 310–312). Vgl. 5.7.5.
89 Auftrag des Bischofs, 531.
90 Auftrag des Bischofs, 531.
91 Auftrag des Bischofs, 531.
92 Auftrag des Bischofs, 531.
93 Auftrag des Bischofs, 532.
94 Vgl. Auftrag des Bischofs, 532.
95 Werte, 120.
96 So schreibt Augustinus in De libero arbitrio: „Deshalb wird dir nicht, was du wider Willen nicht weißt, zur Schuld angerechnet, sondern was du, da du es nicht weißt, verschmähst zu erforschen“ (Augustinus: De libero arbitrio III, 19, 53, CChr.SL 29, 306, zit. nach Brown, 132).
97 Werte, 119.
98 Vgl. Werte, 119.
99 Lutherische Freunde, 43.
100 Wendezeit, 40.
101 Auftrag des Bischofs, 532; vgl. z.B. auch Letzte Sitzungsperiode, 18, wo Ratzinger das Gewissen als ‚Geist zur Wahrheit‘ bezeichnet.
102 Vgl. auch Gott und die Welt, 119.
103 Werte, 111.
104 Werte, 111.
105 Werte, 121.
106 Vgl. Salz der Erde, 72f.
107 Werte, 121.
108 Vgl. Salz der Erde, 180.
109 Salz der Erde, 180.
110 Vgl. 2.1.1.
111 Salz der Erde, 179f.
112 Vgl. Eschatologie, 91.
113 Werte, 121.
114 Kirche, Ökumene und Politik, 181.
115 Gott ist uns nah, 110.
116 Vgl. Ein neues Lied, 221.
117 Vgl. Gott und die Welt, 362.
118 Gott und die Welt, 363.
119 Werte, 121f.
120 Werte, 121. Auch hier ist die Parallele zum ‚Memoria‘-Begriff Rahners deutlich zu erkennen.
121 Werte, 122.
122 Schöpfungsglaube, 18.
123 Das neue Volk Gottes, 357.
124 Gott und die Welt, 362.
125 Lutherische Freunde, 43.
126 Auftrag des Bischofs, 532.
127 Einführung, 199f.
128 Einführung, 200.
129 Einführung, 201.
130 Sakramentale Begründung, 20.
131 Einführung, 201.
132 Sakramentale Begründung, 20.
133 Vgl. Sakramentale Begründung, 19.
134 Sakramentale Begründung, 20.
135 Hoffnung, 294.
136 Sakramentale Begründung, 20; vgl. auch Theologische Prinzipienlehre, 31.
137 Sakramentale Begründung, 23.
138 Vgl. Sakramentale Begründung, 23.
139 Sakramentale Begründung, 23.
140 Sentire ecclesiam, 321.
141 Sakramentale Begründung, 23.
142 Vgl. Sakramentale Begründung, 24.
143 Einführung, 202.
144 Unterwegs, 42.
145 Vgl. Unterwegs, 42.
146 Unterwegs, 80.
147 Theologische Prinzipienlehre, 90.
148 Unterwegs, 80.
149 Theologische Prinzipienlehre, 91.
150 Theologische Prinzipienlehre, 91.
151 Vgl. Theologische Prinzipienlehre, 91.
152 Vgl. Theologische Prinzipienlehre, 91.
153 Theologische Prinzipienlehre, 92.
154 Theologische Prinzipienlehre, 92.
155 Vgl. 2.2.2.
156 Abbruch und Aufbruch, 16.
157 Theologische Prinzipienlehre, 282.
158 Abbruch und Aufbruch, 16.
159 Glaube – Wahrheit – Toleranz, 50.
160 Auftrag des Bischofs, 528.
161 Auftrag des Bischofs, 528.
162 Auftrag des Bischofs, 528.
163 Eschatologie, 73.
164 Eschatologie, 73.
165 Eschatologie, 73.
166 Eschatologie, 73.
167 „Metaphysische und moralische Vernunft wird nur in historischem Zusammenhang wirksam, hängt von ihm ab und überschreitet ihn zugleich“ (Werte, 63).
168 Vgl. 2.1. und 2.2.
169 Abbruch und Aufbruch, 12.
170 Abbruch und Aufbruch, 13.
171 Abbruch und Aufbruch, 13.
172 „Sie klammert sich an eine Reihe von Details, die sie ordnungslos aneinander aufreiht und kommt so zu ihrer banalen Besserwisserei“ (Abbruch und Aufbruch, 13).
173 Abbruch und Aufbruch, 13.
174 Gott und die Welt, 120.
175 Werte, 12.
176 Werte, 12; vgl. auch Dialektik, 52.
177 Abbruch und Aufbruch, 13.
178 Vgl. Gott und die Welt, 137.
179 Wendezeit, 101.
180 Werte, 26.
181 Wendezeit, 101.
182 Dialektik, 51.
183 Theologische Prinzipienlehre, 93.
184 Theologische Prinzipienlehre, 93.
185 Auftrag des Bischofs, 529.
186 Auftrag des Bischofs, 529.
187 Glaube als Weg, 569.
188 Erlösung, 152.
189 Vielfalt der Religionen, 96.
190 Gott und die Welt, 137.
191 Gott und die Welt, 138.
192 Gottes Projekt, 84.
193 Gottes Projekt, 85.
194 „Manchmal ist der moderne Mensch fälschlicherweise der Überzeugung, der einzige Urheber seiner selbst, seines Lebens und der Gesellschaft zu sein. Diese Überheblichkeit ist eine Folge des egoistischen Sich-in-sich-selbst-Verschließens und rührt – in Begriffen des Glaubens gesprochen – von der Ursünde her“ (Caritas in veritate, 34).
195 Vgl. Gott und die Welt, 363.
196 Hoffnung, 304.
197 Hoffnung, 304.
198 Theologische Prinzipienlehre, 97.
199 Theologische Prinzipienlehre, 98.
200 Werte, 97.
201 Abbruch und Aufbruch, 16.
202 Abbruch und Aufbruch, 17.
203 Auftrag des Bischofs, 534.
204 Ohne Wurzeln, 143.
205 „Wenn nicht eine innere Öffnung im Menschen geschieht, die mehr als das Messbare und Wägbare schaut, die den Glanz des Göttlichen in der Schöpfung wahrnimmt, dann bleibt Gott aus unserem Gesichtsfeld ausgeschlossen“ (Geist der Liturgie, 104f).
206 Geist der Liturgie, 72.
207 Abbruch und Aufbruch, 17.
208 Abbruch und Aufbruch, 17.
209 Abbruch und Aufbruch, 17.
210 Abbruch und Aufbruch, 15.
211 Gott Jesu Christi, 35.
212 Senfkorn, 27.
213 Vgl. Grenzen kirchlicher Vollmacht, 344: „Mit der gleichen menschlichen Würde der Geschlechter wird man aber immer auch ihre je spezifische Sendung sehen und sich jedem neuen Manichäismus entgegenstellen müssen, der den Leib ins Belanglose, ins ‚bloß Biologische‘ herunterdrückt und damit der Geschlechtlichkeit ihre menschliche Würde, ihre spezifische Schönheit nimmt und bloß noch ein abstraktes geschlechtsloses Menschenwesen wahrnehmen kann.“
214 Deus caritas est, 5.
215 Vgl. Fest des Glaubens, 19.
216 Gott und die Welt, 119.
217 Gott und die Welt, 120.
218 Werte, 117.
219 Gott Jesu Christi, 39.
220 Vgl. Kirche, Ökumene und Politik, 163.
221 Schöpfungsglaube, 9.
222 Jesus von Nazareth I, 124.
223 Vgl. Schauen auf den Durchbohrten, 44f.
224 Fest des Glaubens, 64.
225 Zukunft des Hals, 57.
226 Vgl. Auf Christus schauen, 122.
227 Auf Christus schauen, 122. Diese Gier nach Leben schlägt aber nach Ratzinger schon bald in die Einsicht der Entwertung des Lebens um: „Es ist nicht mehr vom Siegel des Heiligen umgeben; man wirft es weg, wenn es nicht mehr gefällt: Die missgestalteten Drillinge, Abtreibung, Euthanasie, Selbstmord sind die natürlichen Abkömmlinge dieses Grundentscheids – der Leugnung der ewigen Verantwortung und der ewigen Hoffnung. Die Lebensgier schlägt in Ekel am Leben und in die Nichtigkeit seiner Erfüllungen um. Die Abschaffung des Menschen ist auch hier die Konsequenz“ (Abbruch und Aufbruch, 18).
228 Abbruch und Aufbruch, 18.
229 Ohne Wurzeln, 81f.
3. Ästhetische Vernunft
Neben der Wahrheitserkenntnis, die der Mensch in der Anwendung seines theoretischen sowie seines moralischen Vernunftvermögens machen kann, gibt es in der Theologie Ratzingers noch eine dritte und sehr unmittelbare Art der Erkenntnis des göttlichen Logos in der Schöpfung, die er an einer Stelle mit dem Begriff der ‚ästhetischen Vernunft‘ beschreibt.1 Wie der Name schon sagt, geht es dabei um das schauende Empfinden des Menschen, das ihm in der Erfahrung der Schönheit der Schöpfung, ihr gemäßer Kunst oder auch ganz unmittelbar in einer Art ‚innerer Schau‘ die Erkenntnis des Logos Gottes zuteil werden lässt. „Schönheit ist Erkenntnis, ja, eine höhere Art des Erkennens, weil sie den Menschen mit der ganzen Größe der Wahrheit trifft.“2 Dies sagt Ratzinger im Anschluss an Platon, welcher die Konfrontation des Menschen mit der Schönheit im Phaidros als Schauen seines verlorenen Ursprungs interpretiert. Demnach befindet sich der Mensch „immerfort auf der Suche nach der heilenden Urgestalt. Erinnerung und Sehnsucht bringen ihn auf die Suche, und die Schönheit reißt ihn aus der Zufriedenheit des Alltags heraus. Sie macht ihn leiden.“3 Ratzinger folgt Platon dabei im Grundgedanken der Verbindung von Schönheit und Wahrheit: „Die Begegnung mit der Schönheit kann das Auftreffen des Pfeils werden, der die Seele verwundet und sie damit hellsichtig macht, sodass sie nun – vom Erfahrenen her – Maßstäbe hat und jetzt auch die Argumente recht wägen kann.“4 So wird deutlich, dass für Ratzinger das Schauen der Schönheit keine Flucht ins Irrationale ist, sondern es im Gegenteil die Vernunft des Menschen anspricht und wachrütteln kann.5 Im Anschauen der Schönheit wird dem Menschen die Wahrheit des Seins schmerzlich bewusst und so erlangt er in dieser Wahrheitserkennntis einen Maßstab für sein Denken.
3.1 Die Schönheit in der Schöpfung
In der Natur kann der Mensch die Vernunft des Schöpfers nach Ansicht Ratzingers mittels seiner ästhetischen Vernunft in unmittelbarerer Weise entdecken, als er dies mittels seiner naturwissenschaftlichen Vernunft zu tun vermag. „In der Welt finden wir objektivierte Mathematik vor, ohne Zweifel; in der Welt finden wir aber nicht weniger das unerhörte und unerklärte Wunder des Schönen vor, oder richtiger: In ihr gibt es Vorgänge, die dem vernehmenden Geist des Menschen in der Gestalt des Schönen erscheinen, sodass er sagen muss, der Mathematiker, der diese Vorgänge konstruiert hat, habe ein unerhörtes Maß an Phantasie entfaltet.“6 So kann die ästhetische Vernunft Ratzinger zufolge dem Menschen helfen, den ‚Gott der Philosophen‘, den die naturwissenschaftliche Vernunft findet, als phantasievollen Schöpfer und somit als schaffendes Subjekt, als personales Gegenüber zu begreifen. Auf diese Weise kann sie den Menschen zum Schöpfungsglauben führen.
3.2 Die Schönheit in der Kunst
Doch auch vom Menschen geschaffene Kunstwerke können in ihrer Schönheit die ‚Verwundung der Seele‘ auslösen, die im Menschen die Sehnsucht nach der Wahrheit weckt. Ratzinger erzählt in diesem Zusammenhang von seiner inneren Ergriffenheit bei einem von Leonard Bernstein dirigierten Bach-Konzert in München. „Wer das gehört hat, weiß, dass der Glaube wahr ist. In dieser Musik war eine so unerhörte Kraft anwesender Wirklichkeit vernehmbar geworden, dass man nicht mehr durch Schlussfolgerung, sondern durch Erschütterung wusste, dass dies nicht aus dem Leeren stammen konnte, sondern nur geboren werden konnte durch die Kraft der Wahrheit, die in der Inspiration des Komponisten sich gegenwärtig setzt.“7
Die Schönheit der Schöpfung, die auf ihre Wahrheit weist, kann Ratzinger zufolge vom Menschen also auf dem Wege der Inspiration in der Kunst zum Ausdruck gebracht werden. Denn „der Logos selbst ist der große Künstler, in dem alle Werke der Kunst – die Schönheit des Alls – ursprünglich da sind.“8 Deshalb ist jede „wahre menschliche Kunst … Annäherung an den ‚Künstler‘, an Christus, an den Schöpfergeist.“9 Der Mensch kann sich in seinem kreativen Schaffen am Urbild des Schönen, das er in der Schöpfung erblickt und das aus dem Logos Gottes kommt, orientieren und seine Kunst kommt nach Ratzinger erst auf diese Weise zu ihrer wahren Größe: „Die bloß subjektive ‚Kreativität‘ könnte niemals so weit reichen wie der Spannungsbogen des Kosmos und seiner Botschaft von der Schönheit. Sich seinem Maß einzuordnen, bedeutet daher nicht Minderung der Freiheit, sondern Ausweitung ihres Horizonts.“10 Das künstlerische Vermögen des Menschen kann also erst in seinem Verweischarakter auf den Logos als den wahren Künstler seine ganze freiheitliche und kreative Kraft entfalten und den Betrachter auf diese Weise mit der Schönheit der Wahrheit konfrontieren.
3.3 Die innere Schau des Logos
Neben diesen durch die Schönheit der Natur und der Kunst vermittelten Arten, die Wahrheit der Schöpfung zu erkennen, kennt Ratzinger aber auch eine dritte Weise, die Wahrheit Gottes zu schauen, die er mit Nikolaus Kabasilas als „das Berührtwerden von der Wirklichkeit, ‚von der persönlichen Gegenwart Christi selbst‘“11 beschreibt. In diesem Schauen erfährt der Mensch also die Gegenwart des Logos in unmittelbarer Weise. Seine Überwältigung durch diese Erfahrung ist dabei „realere und tiefere Erkenntnis als bloße rationale Deduktion.“12 Zwar bleibt diese für das Verstehen und Nachdenken des Glaubens unerlässlich, aber „darob die Erschütterung durch die Begegnung des Herzens mit der Schönheit als wahre Weise des Erkennens zu verachten oder abzuweisen, verarmt uns und verödet Glaube und Theologie.“13 Es geht Ratzinger dabei um ein persönliches Offenbarungserlebnis, das über die eigene Erkenntnisleistung hinausgeht.14
Die Unmittelbarkeit dieses Schauens Christi ist für Ratzinger konstitutiv für einen Christusglauben ‚aus erster Hand‘, der sich nicht nur auf die Glaubenserfahrungen eines Zeugen verlässt, sondern selbst die Wahrheit des Glaubens erfahren hat. „Der Mensch rührt darin an die Wirklichkeit selbst und glaubt nicht mehr bloß ‚von zweiter Hand‘.“15 Diese Offenbarungserfahrung ist laut Ratzinger eher eine Ausnahme und zeichnet vor allem die Heiligen aus, deren Gruppe er allerdings nicht auf die kanonisierten Heiligen beschränkt: „Immer leben verborgene Heilige, die in der Gemeinschaft mit Jesus einen Strahl von seinem Glanz empfangen, konkrete und reale Erfahrung Gottes.“16 Den anderen Gläubigen empfiehlt Ratzinger, auf diese „großen Zeugen der Wahrheit, auf die Zeugen Gottes zu lauschen, uns von ihnen führen zu lassen, um auf den Weg der Erkenntnis zu kommen.“17 Der Glaube der Vielen bleibt für diese also ‚Glaube‘, kann sich aber auf ein ‚Sehen‘ der Wenigen berufen.