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„Human“ soll exekutiert werden – das beanspruchten alle Reformer, wenn es um die Neu- oder Weiterentwicklung von Hinrichtungsinstrumenten ging. Die ersten Überlegungen zur „Humanisierung“ der Todesstrafe reichen weit zurück. Schon der Arzt Joseph-Ignace Guillotin legte im Dezember 1789 der französischen Nationalversammlung einen „Reformvorschlag zum Hinrichtungsproblem“ vor. Daraufhin wurde in Frankreich die Enthauptung durch das Fallbeil, die Guillotine, bei der dem Verurteilten im Liegen der Kopf durch ein fallendes Beil abgetrennt wird, als einheitliche Hinrichtungsmethode festgelegt. Das „Prinzip der Gleichheit vor dem Tode“ und die zuverlässige Tötung waren die ersten Folgen dieser „Humanisierung“ der Todesstrafe. Die modernen Hinrichtungsmethoden sind deren Weiterentwicklung.
Während es bei der heutigen Diskussion über die Todesstrafe fast immer um deren Abschaffung geht, versuchten die Reformer seit dem Ende des 18. Jahrhunderts vor allem „humanere“ Formen der Vollstreckung zu entwickeln. Zwar wurde die Notwendigkeit der Todesstrafe kaum angezweifelt, doch entsprachen die grausamen Hinrichtungsrituale der Vergangenheit nicht mehr den kulturellen Standards der Gesellschaft.
Von den archaischen Strafen bis zur Giftspritze – die Geschichte staatlichen Tötens ist immer auch eine, wenn auch ambivalente, gesellschaftliche Reformgeschichte. Es geht dabei nur vordergründig um die Achtung der Menschenwürde, die auch dem Delinquenten zugebilligt wird. Vor allem handelt es sich um den Versuch, die Hinrichtung für den Verurteilten und die Gesellschaft erträglicher zu gestalten. Ein Schlusspunkt eines zivilisierten juristischen Aktes soll es sein – für alle Beteiligten: für den Ankläger, der das Urteil gefordert hat; den Richter, der das Urteil verhängt; für den Henker, der das Urteil vollstreckt; die Augenzeugen, die der Hinrichtung beiwohnen müssen; die Angehörigen des Opfers und des Verurteilten. Ein besonderes Interesse staatlicher Definitionsmacht gilt der Art und Weise, wie eine Exekution in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
In diesem Buch geht es um staatliches Töten. Zu allen Zeiten und in beinahe jeder menschlichen Gesellschaft wurde die Todesstrafe vollstreckt. So unterschiedlich die Rituale und Instrumente sind, die dafür entwickelt wurden, lassen sich doch Gemeinsamkeiten feststellen. So ist stets eine Legitimation erforderlich, um das staatliche Töten als unausweichliche Notwendigkeit erscheinen zu lassen, weil sonst der Gemeinschaft großes Übel drohe – sei es durch göttliche Vergeltung, sei es durch den Zusammenbruch der sozialen Ordnung. Gesetzestexte und Verurteilungsrhetorik haben sich ebenso geändert wie die Exekutionsmethoden und Hinrichtungsinszenierungen; geblieben ist der Glaube, etwas „Gerechtes“ zu tun – im Namen des Volkes.
Eine zweite zentrale Fragestellung des Buches ist, wie sich die gesellschaftliche Wahrnehmung und Stellung der Vollstrecker des Todesurteils darstellt, wie ein Richter und Henker mit der persönlichen Schuld umzugehen vermag. Eine Möglichkeit, diese persönliche Schuld zu verringern, besteht darin, den Vorgang gewissermaßen zu entpersönlichen, die Hinrichtung durch die gesamte Gesellschaft vollstrecken zu lassen. Dieser Gedanke findet sich bereits in einer der ältesten Formen der Todesstrafe, der Steinigung, die nicht nur im Alten Testament Erwähnung findet, sondern in einigen Ländern mit islamischer Rechtsprechung – der Scharia – noch heute praktiziert wird. Doch nicht nur bei den archaischen Strafen zeigt sich der Doppelcharakter des Vollstreckers. Einerseits nimmt der Henker eine herausgehobene Rolle ein, andererseits agiert er als anonymer Schütze eines staatlichen Erschießungskommandos oder als Mitglied eines Exekutionsteams, das die letale Injektion (Giftspritze) vorbereitet, die unweigerlich zum Tod des Verurteilten führt.
Des Weiteren geht es um die immensen Kosten für das staatliche Töten. Sind diese überhaupt zu rechtfertigen? Allein Kalifornien muss mehr als 100 Millionen Dollar im Jahr für die Kosten der Todesstrafe aufbringen. Eine Untersuchung der amerikanischen Wissenschaftler Arthur Alarcon und Paula Mitchell ergab, dass im Pazifikstaat seit der Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1978 fast vier Milliarden Dollar für die death penalty ausgegeben wurden. Da seitdem 13 Verurteilte hingerichtet wurden, bezifferten die beiden Wissenschaftler die Kosten für jede Exekution auf über 300 Millionen Dollar. Die Kosten summieren sich unter anderem auch aufgrund der langen Wartezeit zwischen Verurteilung und Hinrichtung, die sich durch Berufungsverfahren in Kalifornien auf durchschnittlich 25 Jahre erstreckt.
Eine knappe Mehrheit von 51,1 Prozent votierte bei dem bereits zitierten Referendum dafür, die Todesstrafen schneller zu vollstrecken. Das spare der Allgemeinheit Kosten. Und auch hier machte Paula Mitchell eine einfache Rechnung auf: Selbst wenn jedes Jahr 30 Hinrichtungen in Kalifornien vorgenommen würden und lediglich 20 neue zum Tode Verurteilte hinzukämen, säßen 2040 noch immer 4755 Häftlinge in den Todestrakten der kalifornischen Gefängnisse. Für viele von ihnen bedeutet dies, dass sie noch lange Jahre, mitunter Jahrzehnte, in ihren Todeszellen auf den Tag ihrer Exekution warten werden – meist ohne Aussicht auf Begnadigung.
Schließlich thematisiert dieses Buch die Inszenierung der Todesstrafe. Öffentlich sichtbar oder medial verkündet, dient sie immer auch – und immer noch – der Abschreckung und der psychosozialen Reinwaschung. Sie funktioniert als säubernde, disziplinierende Projektionsfläche eigener Ängste und gesellschaftlicher Mitverantwortung. Früher brauchte es die öffentliche Hinrichtung, die grausame Zurschaustellung der Getöteten oder ihrer Körperteile. Es folgte die schrittweise Abschaffung der öffentlichen Hinrichtung. Heute setzen die Verkünder des strafenden Staates auf die Wirksamkeit moderner Medien: Journalisten berichten, Reporter interviewen, TV-Kanäle liefern die Bilder. Wer das Spektakel vor den Toren amerikanischer Gefängnisse je erlebt hat, weiß um die medienwirksame Dramaturgie des angekündigten Todes. Exekutionen faszinieren Menschen. Damals wie heute.
Drei Viertel der Menschheit leben in Staaten, die sich das Recht vorbehalten, ihre Bürger zu töten. Zur Legitimierung dieser Praxis werden die klassischen niederen Beweggründe der Rache oder Vergeltung angeführt – oder eine erhoffte Abschreckungswirkung, die allerdings noch keiner empirischen Untersuchung standhielt. Es gibt viele Statistiken zur Todesstrafe, sie beruhen auf Informationen von Menschenrechtsgruppen, Medienberichten und einigen wenigen offiziellen Zahlen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International veröffentlicht jährlich die Zahlen weltweiter Hinrichtungen. Doch sie dürften allesamt unvollständig sein, da sie sich nur auf die zur Kenntnis gelangten Fälle beziehen. Die tatsächlichen Zahlen liegen mit Sicherheit höher. Aktuelle Statistiken werden am Ende dieses Buches genannt. Die Entwicklung ist erschütternd: In den zurückliegenden Jahren wurden in der Volksrepublik China die meisten Todesurteile vollstreckt, gefolgt von Iran, Saudi-Arabien, dem Irak und Pakistan – sowie den USA.
Vor allem die amerikanische Hinrichtungswirklichkeit ist für unsere europäische Rechtskultur irritierend. Ein Land, dessen Verfassung seinen Bürgern die Menschenrechte garantiert, ein Land, das sich gerne in der Vorbildrolle als intakte Demokratie sieht, das so selbstbewusst auf seine moralischen Werte verweist und das davon überzeugt ist, vom lieben Gott mit großem Wohlwollen betrachtet zu werden, dieses Amerika setzt als einzige westliche Demokratie noch immer auf die Todesstrafe.
So hatten die acht Richter des Supreme Court Ende 2016 einmal mehr über die Rechtmäßigkeit gleich mehrerer drohender Hinrichtungen zu entscheiden, darunter auch die des 45-jährigen Ronald Smith im Staatsgefängnis Montana, der sich mit seinem letzten Einspruch an das Verfassungsgericht gewandt hatte. Doch mit einer 4:4-Entscheidung wurde dieser abgelehnt. Smith wurde noch in derselben Nacht getötet, nach einem 35-minütigen, schmerzhaften Todeskampf, wie Zeugen berichteten.
Was in der letzten halben Stunde seines Lebens genau passierte, könnte nur Ronald Smith selbst sagen. Nur er könnte erzählen, was er dachte und fühlte, als das Gift in seinem Körper zu wirken begann, als das Beruhigungsmittel, das ihn einschläfern sollte, dies offenbar nicht tat. Vielleicht hatte er grauenvolle, brennende Schmerzen, vielleicht war er bei vollem Bewusstsein. Ronald Smith starb grausam – im Namen des Volkes.
Wie zuvor Troy Davis.

Katalog des Tötens – Macht, Ehre und Tod
Beginnen wir vorne – ganz vorne. Mit einer ersten Reform. Es war der römische Kaiser Konstantin – genannt der Große –, der um das Jahr 320 nach Christus die Kreuzigung als Hinrichtungsritual abschaffte. Gerade hatte er sich dem bis dahin unterdrückten christlichen Glauben zugewandt, nun wollte er in frommer Ehrfurcht die durch den Kreuzestod des Religionsstifters geheiligte Hinrichtungsart nicht länger durch gemeine Verbrecher entweihen lassen. Es gibt kaum authentische Darstellungen von Kreuzigungen, keine detaillierten Beschreibungen, stattdessen viel Widersprüchliches. Bekannt ist, dass die Kreuzigung im gesamten Mittelmeerraum eine geläufige und häufig vollzogene Hinrichtungsart war, vorgesehen für nichtrömische Rebellen, Sklaven, Straßenräuber und ehrlose Gladiatoren. Erst später wurden auch römische Bürger ans Kreuz gehängt. Der schändliche Charakter der Strafe rührte von ihrer Besonderheit her: Der Hingerichtete durfte nach dem Tod nicht vom Kreuz genommen werden. Ein Begräbnis wurde ihm verweigert. Sein Leichnam blieb am Kreuz so lange hängen, bis er sich von selbst auflöste oder Vögel ihn schändeten. Ein Gekreuzigter wurde ständig bewacht, damit ihn seine Freunde oder Verwandten nicht vorzeitig vom Kreuz nehmen und beerdigen konnten.
Die römische Richtstätte, nahe dem heutigen Sankt-Laurentius-Tor, war von Knochen und Skeletten übersät, ein entsetzlicher Gestank hing über dem Platz. Ein Ort des Schreckens: bestimmt für niedrigste Verbrecher, gemieden von jedem ehrbaren römischen Bürger.
Während sich bei den sonstigen Todesstrafen trotz ritueller Abweichungen eine feste Vollzugsform herausbildete, blieb die Kreuzigung der Willkür der jeweiligen Henker überlassen. Es existierten kaum exakte Vorschriften, was bei einer Kreuzigung zu geschehen habe, wie der Delinquent zu behandeln sei, das Kreuz beschaffen sein müsse. Die Ursache mag darin zu finden sein, dass die Kreuzigung eine Sklavenstrafe war und die Gerichtsbarkeit damit bei seinem Besitzer lag. Dieser konnte mit ihm verfahren, wie er wollte: Er konnte ihn auspeitschen oder auch kreuzigen lassen. Niemandem hatte er darüber Rechenschaft abzulegen. Erst unter dem Cäsaren Claudius scheinen die Sklaven einen gewissen Schutz vor allzu großer Willkür genossen zu haben. Er ließ die Tötung eines Sklaven bestrafen, falls der Besitzer nicht einen ausreichenden Grund vorzuweisen hatte.
Die eigentliche Kreuzigung wurde vom Henker der Stadt Rom, dem carnifex, und seinen Knechten vorgenommen. Ob sie den Delinquenten mit Weidenruten an ein Kreuz banden oder ihn annagelten, in jedem Fall geriet der Verurteilte in eine Haltung extremer Wehrlosigkeit, in der er nicht nur Wind und Wetter, sondern selbst kleinsten Tieren hilflos ausgeliefert war. Auch die obligatorische Entkleidung nahm ihm jeglichen Schutz. Reduziert auf das nackte, hilflose Wesen, wurde er der Gottheit als Opfer dargeboten.
Die Kreuzigung war schon vor der römischen Zeit ein Menschenopfer – wahrscheinlich an die Gottheiten der Elemente, an den mächtigen Sonnengott oder an den Windgott. Der Missetäter, der durch seine Untat den Zorn der Götter geweckt und auf die ganze Gemeinschaft gelenkt hatte, musste aus dieser entfernt werden. Schon bei den Assyrern und Babyloniern war die Kreuzesstrafe bekannt, ebenso bei den Persern, Griechen und Karthagern. Auch wenn es unterschiedliche Vorläufer der Kreuzigung gab – etwa das Fesseln an einen Felsen oder Pfahl oder das Hängen an einem Baum –, das Strafziel, die Auslieferung des Delinquenten an die göttliche Macht der Elemente, war allen gemeinsam. Und noch eines setzte sich allerorten durch: Das strenge Tabu, das auf jeder Hinrichtung lag, verbot es, das Land durch verstreut stehende Pfähle und Hinrichtungsbäume zu verunreinigen. Schon früh bildete sich deshalb die Gepflogenheit heraus, einen bestimmten Ort für die Hinrichtungen zu wählen; einen öden Ort, an dem Wind und Wetter ungehindert toben konnten. Übrigens bezeichneten die Griechen das Kreuz immer als stauros, was nichts anderes als Pfahl bedeutet, und auch bei den Römern hieß es arbor infelix, der „Unglücksbaum“, was beides deutlich auf seine Herkunft verweist.
Im Orient wurde der Pfahl dazu verwendet, den Delinquenten aufzuspießen. „Auf das Kreuz setzen“ nannten antike Autoren diese bestialische Hinrichtungsart, bei der dem Verurteilten der zugespitzte Pfahl durch den Anus in den Leib getrieben wurde. Danach richtete man den Pfahl auf und steckte ihn in die Erde. Die unglaubliche Quälerei fand erst ein Ende, wenn der Unglückliche von den natürlichen Elementen erlöst wurde. Warum aber ein Kreuz – woher kommt es? Im alten Ägypten galt es als Symbol des ewigen Lebens, in Herculaneum, dem von der Lava des Vesuvs im Jahre 79 nach Christus verschütteten Ort, wurde es schon früh als Wandzeichen entdeckt. Ein heidnisches Symbol? Erst das Christentum aber erfüllte es mit religiösem Gehalt: ein einfaches, sinnfälliges Zeichen, das Aufbruch und Nähe zu Gott symbolisiert. So ist eines der fürchterlichsten Hinrichtungsinstrumente zum Symbol von Liebe und Vergebung geworden.
Kreuz und Galgen stammen gewissermaßen von den gleichen Wurzeln. Schon im Altertum war das Hängen als Todesstrafe weit verbreitet, denn Bäume gab es überall. Hängen galt als ehrlos und schändlich, weshalb es im Mittelalter zur meistgebrauchten Todesstrafe für Diebe wurde. Wie häufig diese Strafe ausgesprochen und vollstreckt wurde, mag ein Beispiel erhellen: Als im Jahre 1471 in Augsburg die Gruben unter dem Galgen geöffnet wurden, fand man 250 Schädel von Gehenkten, während gleichzeitig noch 32 Diebe am Galgen hingen.
Zum Hängen gebrauchte man ein Hanfseil, mitunter eine Kette. An den Galgen wurden zwei Leitern angelegt, der Henker befestigte die Schlinge am Galgenhaken, dann stiegen er und der Verurteilte die Leitern hinauf. Oben angekommen, legte der Henker dem Verurteilten die Schlinge um den Hals, stieg herab und stieß die Leiter, auf welcher der Todeskandidat stand, um, so dass dieser frei in der Luft hing. Die Schlinge zog sich durch die Körperschwere zusammen, verschloss die Luftröhre und Blutgefäße, wodurch der Tod eintrat. Noch qualvoller war das Hochziehen am Galgen. Dem am Boden stehenden Verurteilten wurde die Schlinge eines längeren Seils um den Hals gelegt, das Seil über den Galgen geworfen oder durch den Galgenhaken geführt. Dann wurde der Delinquent von den Henkersknechten oder einem Pferd in die Höhe gezogen. Der Tod trat bei dieser Methode langsamer ein als beim Herabstoßen von der Leiter.
Während Enthauptete ein Begräbnis erhielten, mussten Gehängte häufig so lange am Galgen verbleiben, bis sie von allein hinunterfielen, also der Zersetzungsprozess so weit fortgeschritten war, dass der Körper zerfiel. Die heimliche Abnahme des Leichnams vom Galgen, z. B. durch Verwandte, war verboten und galt als Eingriff in das Strafritual, denn das Hängenlassen des Leichnams am Galgen war Bestandteil der Strafe. Das war auch der Grund, weshalb Hängen als ehrlos und schändlich galt. Es gab weitere Strafverschärfungen, etwa das Aufhängen an den Füßen und das Hängen gemeinsam mit Hunden. Bei Ersterem wurde der Delinquent an den Füßen mit dem Kopf nach unten aufgehängt. Der Tod trat erst nach vielen Stunden, manchmal sogar erst nach Tagen ein. Das Hängen mit Hunden war eine schimpfliche Beigabe und sollte den schlechten Charakter des Verbrechers symbolisieren.
Der Galgen des Altertums war der Ast eines Baumes. Dafür benutzte man nach Möglichkeit abgestorbene, laubfreie Bäume. Nach den religiösen Vorstellungen der damaligen Zeit ging vom leblosen Baum lebenshemmende Kraft, also Kraft zum Töten, aus. Der zum Hängen auserwählte Baum galt als Opferbaum, denn der nordische Gott Odin, Windgott und Herr über Leben und Tod, starb an einem Baum. Auch das Kreuz, an dem Christus starb, war ein künstlich geschaffener Baum. Nach damaligem Glauben nahm der Baum oder Galgen alle geheimen Kräfte des Gehenkten in sich auf, die heiligen des Geopferten (Christus) wie die bösen des Verbrechers. Daraus ist auch die Furcht vor der Berührung des Galgens zu erklären, bestand doch die Gefahr, von den in ihm schlummernden bösen Kräften ergriffen zu werden.
Im Frühmittelalter wurde die Errichtung künstlicher Galgen von Kaiser Karl dem Großen angeordnet. Meist bestanden sie aus zwei senkrecht stehenden Pfosten mit einem Querholz darüber. Später wurden dreibeinige Galgen üblich. Drei senkrechte Pfeiler standen im Dreieck und waren durch Querbalken miteinander verbunden. Oft hatte der Galgen einen erhöhten steinernen Sockel als Unterbau, oder auch die Pfosten selbst waren Steinsäulen. Es gab auch Galgen, auf deren Querbalken nochmals ein Galgen aufgebaut war, für die verschärfte Strafe des Höherhängens. So wurde bei Aburteilung einer Räuberbande der Anführer an dem erhöhten Galgen gehenkt, seine Mittäter unter ihm.
Der Galgen war das Zeichen der Hochgerichtsbarkeit. Daraus mag es sich erklären, dass er weit sichtbar auf einer Anhöhe stand und besonders dauerhaft hergestellt war. Diese Sichtbarmachung diente auch der Abschreckung. Andere Standorte waren die Heerstraße oder die Wegscheide. Die Namen von Flurstücken oder Hügeln (Galgenwiese, Galgenberg) zeugen heute noch vom Standort des Galgens.
Die Errichtung des Galgens war Sache der Obrigkeit. Weil die Berührung des Galgens ehrlos machte, weigerten sich die Handwerker oft, die notwendigen Arbeiten auszuführen, da sie von ihren Zünften deshalb bestraft oder ausgeschlossen wurden. Es kam daher zu heute merkwürdig anmutenden Gebräuchen. Damit niemand wegen seiner Mitarbeit am Bau des Galgens von anderen verunglimpft werden konnte, hatten alle Gilden und Zünfte mitzuwirken. Unter den Klängen einer Musik zogen alle gemeinsam hinaus zur Richtstätte. Die Maurer und Zimmerleute machten zwar die Hauptarbeit, die anderen aber, z. B. die Kaufleute, leisteten symbolisch Hilfe durch Zureichen von Holz oder Steinen, selbst der Richter legte mit Hand an. Am Ende ging es zurück in die Stadt zu einem gemeinsamen Mahl. Zu den reinen Kosten für den Bau kamen somit auch die Kosten für das Mahl. Alte Abrechnungen belegen, dass die Nebenkosten für Musik und Essen häufig die eigentlichen Baukosten überschritten.
Als eine Variante des Galgens ist die Garrotte bekannt, ein Würgeeisen. Dieses Strafinstrument besteht aus einem Pfahl mit daran befestigtem Sitz und Fesselungsvorrichtungen sowie einer in Halshöhe angebrachten Eisenklammer. Der Verurteilte muss sich auf dem Sitzbrett niederlassen und wird angeschnallt. Dann legt sich die Eisenklammer um seinen Hals. Durch eine Schraubvorrichtung hinter dem Pfahl kann der Henker die Klammer anziehen, die den Delinquenten schließlich erwürgt. Die Garrotte war vor allem in Spanien und in den spanischen Kolonien in Gebrauch, aber auch in Portugal sowie einigen Ländern Mittelamerikas und auf den Philippinen. In Spanien war sie seit Anfang des 19. Jahrhunderts bis hinein in die allerjüngste Vergangenheit – während der Franco-Diktatur – die am häufigsten angewandte Hinrichtungsart.
Das Hängen ist die einzige und letzte der archaischen Hinrichtungsformen, die auch heute noch in zahlreichen Ländern praktiziert wird. In diesem Buch wird darauf noch verschiedentlich Bezug genommen.
Die Unterscheidung der Enthauptung vom Hängen, Verbrennen, Ertränken und lebendig Begraben bestand darin, dass nicht den Naturkräften die Tötung des Verbrechers überlassen wurde, sondern von menschlicher Hand gefertigten und geführten Instrumenten. Die alten Todesurteile verlangten bei Enthauptung ausdrücklich, dass aus dem Verurteilten zwei Stücke zu machen seien und beide Teile so voneinander getrennt werden sollten, dass ein Zwischenraum entstand, um sicherzustellen, dass der Tod auch wirklich eingetreten war. Das hierzu meistgebrauchte Instrument war das Schwert, seit dem 16. Jahrhundert in der Ausführung als Zweihänder. Seltener wurde das Beil verwendet. Die Hinrichtung mit dem Schwert verlangte dem Scharfrichter die höchste Fertigkeit ab. Mit einem einzigen Hieb musste er zwischen zwei Halswirbeln hindurchtreffen und den Kopf vom Rumpf trennen. Wie leicht konnte er danebentreffen und musste dann ein zweites Mal zuschlagen. Das Misslingen einer Enthauptung kam öfter vor, und die Rechtsordnungen rechneten auch damit, denn sie betonten häufig die Unverletzlichkeit des Henkers und stellten ihre Missachtung unter schwere Strafe.
Zeitgenössische bildliche Darstellungen von Hinrichtungen in früheren Zeiten geben einen weitaus besseren Einblick in die gehandhabte Praxis als überlieferte schriftliche Schilderungen. Sie zeigen meist folgendes Bild: Der Verurteilte kniet auf dem Erdboden oder auf einem besonderen Gerüst, die Hände gefesselt oder zum Gebet gefaltet. Das Hemd ist weit vom Hals weggezogen, der Nacken entblößt. Diese Entblößung geschah nicht nur aus der praktischen Erwägung, dass der Stoff die Wucht des Hiebes schwächen könnte, sondern auch aus rituellen Gründen. Kleider galten als persönlichkeitsverändernde Zusätze, welche die wahre Natur des Menschen verfälschen konnten. Sehr auffallend ist bei vielen Darstellungen die völlig freie Haltung des Verurteilten: kein Anbinden, kein Festhalten durch die Gehilfen des Scharfrichters. Ob dies nun von der außerordentlichen Willenskraft des Verurteilten oder von einem durch die vorher erlittenen Folterqualen völlig gebrochenen Lebenswillen zeugt, sei dahingestellt. Nach der erfolgten Enthauptung wurde früher regelmäßig, später häufig, der abgetrennte Kopf auf einer Stange oder an den Stadttoren aufgesteckt.
Der Marktplatz, an dem das Rathaus stand, wo Gericht gehalten und die Ehrenstrafen vollzogen wurden, war ursprünglich die Stätte der Enthauptung. Der Gedanke der Abschreckung mag hierbei vorherrschend gewesen sein. Auch später, als die Richtstätten außerhalb der Stadt lagen, wurden hin und wieder Enthauptungen auf dem Marktplatz vollzogen. Dies geschah vor allem in Zeiten des Krieges oder bei politischen Gegnern, weil im Schutz der Mauern die Exekution sicher vonstatten gehen konnte und ohne von Freunden des Verurteilten gewaltsam verhindert zu werden. Auch bei besonders verhassten Kapitalverbrechern fand die Enthauptung auf dem Marktplatz statt, um der Wut des Volkes ein Ventil zu verschaffen.
In späterer Zeit wurden die Richtstätten dann vor die Tore der Stadt verlegt. Häufig wurde auf freiem Feld eine gemauerte, erhöhte Plattform mit viereckigem oder rundem Grundriss errichtet. Eine Treppe führte entweder außen oder innen empor. Die Plattform hatte einen hölzernen oder steinernen Fußboden, letzterer häufig mit Gras bewachsen. Hier konnte der Hinrichtungsakt für die Zuschauer gut sichtbar, aber ohne von diesen behindert zu werden, vollzogen werden. Die Plattform war groß genug, um neben dem Verurteilten und dem Scharfrichter auch die öffentlichen Zeugen und den Priester aufzunehmen. Eine solche Richtstätte wurde als Rabenstein bezeichnet, weil die Körper der Enthaupteten auf Räder gelegt und von den Raben zerhackt und zerfressen wurden. Auf dem Rabenstein wurden nur Enthauptungen, gelegentlich auch das Rädern vollzogen. Dort, wo keine besondere Richtstätte bestand, wurde unter dem Galgen enthauptet.
Das Rädern, eine Strafe, die ausschließlich an Männern vollzogen wurde, war von der germanischen Frühzeit bis in das 18. Jahrhundert gebräuchlich. Es galt als schimpflichste und ehrloseste Strafe und wurde nur bei Mord oder Majestätsverbrechen (Attentat auf den König o. Ä.) angewandt. Der Verbrecher wurde mit ausgestreckten Armen und Beinen auf den Boden gelegt. Hände und Füße wurden an Pflöcken festgebunden und unter die Glieder und den Körper kamen Hölzer, so dass er völlig hohl lag. Der Scharfrichter zerstieß ihm dann mit einem Rad sämtliche Glieder und das Rückgrat, wobei die Zahl der Stöße im Urteil vorgeschrieben war. Der Sterbende oder Tote wurde dann durch die Speichen des Rades geflochten, dabei kamen die Glieder einmal über und einmal unter die Speichen des Rades. Am Ende wurde das Rad auf einen Pfosten oder auf den Galgen gesteckt. Brach man beim Rädern zuerst die Knochen der Beine, dann die der Arme usw., trat der Tod sehr langsam ein und häufig lebte der Verbrecher noch, wenn er auf das Rad geflochten wurde. Es galt daher als Gnadenerweis, den ersten Stoß des Rades gegen den Hals zu führen. Ebenfalls eine Strafmilderung war es, wenn der Verurteilte vor dem Rädern gehenkt oder enthauptet wurde oder den Herzstoß erhielt. Dies konnte aber auch eine Zusammenfassung mehrerer Strafen bei mehreren verschiedenen Verbrechen sein (Kumulation). Bei jeder Hinrichtung wurde ein neues Rad verwendet, das neun oder zehn Speichen haben musste.




