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Verbunden mit der Todesstrafe des Räderns war auch häufig das Schleifen. Der Verurteilte wurde gefesselt auf eine Tierhaut oder ein Brett gelegt und von einem Pferd zur Richtstätte geschleift. Eine Strafverschärfung war es, wenn er unterwegs an bestimmten Plätzen mit glühenden Zangen in Brust, Arme oder Hüften gezwickt wurde.
Die Strafe des Ertränkens war im Mittelalter weit verbreitet. Hauptsächlich wurde sie bei weiblichen Rechtsverbrechern angewandt, doch auch an Männern vollzogen. Gewöhnlich band man dem Verurteilten Hände und Füße zusammen und warf ihn von einer Brücke aus in den Fluss. Dort, wo kein Fluss vorhanden war, diente ein Weiher oder Teich als Richtstätte. War die Wassertiefe nicht genügend, wurde der Delinquent mit Stangen oder Gabeln so lange unter Wasser gedrückt, bis der Tod eintrat. Häufig verwendete man auch einen Sack, in den man als Beigabe Tiere steckte, z. B. Schlangen oder Hunde. Das Ertränken wurde auch in großen hölzernen Zubern vollzogen. Der Scharfrichter drückte den in einem Sack steckenden Verbrecher so lange unter Wasser, bis der Tod eingetreten war.
Eine im Mittelalter ebenfalls häufig angewandte Todesstrafe war das Verbrennen. Grundgedanke dieser Strafe war es, den Verbrecher, dessen Tat als besonders abscheulich erschien, völlig vom Erdboden zu vertilgen. Deshalb war diese Strafe in ihrer Ausführung auch sehr vielseitig und alles, was mit ihr zusammenhing, hatte seine Bedeutung. Feuer, eine der elementarsten Urgewalten, hatte reinigende Kraft und verzehrte alles Böse. Der dabei entstehende Rauch und mit ihm die Bosheit des Missetäters wurde vom Wind fortgetragen. Hexen verbrannte man deshalb meist auf Anhöhen, wo der Wind freien Zugang hatte. Auch die Asche des Verbrannten galt noch als gefährlich, darum überließ man es dem fließenden Wasser eines Flusses oder Baches, sie fortzuführen. So waren an der Vernichtung des Bösewichtes die drei Naturelemente Feuer, Wind und Wasser beteiligt.
Die Hinrichtung durch Verbrennen wurde je nach dem Tatbestand verschieden durchgeführt. Entweder wurde der Delinquent mit gebundenen Gliedern auf einen Scheiterhaufen gelegt, oder er wurde an einem Pfahl festgebunden und das Feuer um ihn herum gelegt, oder aber er wurde auf einer Leiter angebunden, hochgestellt und mit der Leiter in den voll auflodernden Scheiterhaufen gestoßen. Ein Gnadenerweis war es, den Missetäter vor dem Verbrennen zu erdrosseln oder ihm zur raschen Beendigung seiner Qualen ein Säckchen Schießpulver um den Hals zu binden. Es ist aber auch überliefert, dass Scharfrichter, die trotz ihres grausigen Handwerks mitunter humaner waren als Volk und Richter, den Todeskandidaten vor dem Verbrennen am Pfahl unauffällig erdrosselten oder durch einen Stich ins Herz töteten. Wurde der Delinquent vorher enthauptet oder erhängt und anschließend verbrannt, konnte das zwei Gründe haben: Entweder es war ein Gnadenerweis oder es wurden bei mehreren todeswürdigen Verbrechen mehrere Todesstrafen nacheinander vollstreckt.
Die Zunahme der Hexenprozesse in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ließ die Scheiterhaufen in ganz Europa auflodern und das Verbrennen zur häufig angewandten Todesstrafe werden.
Das Sieden in Wasser, Wein oder Öl war seit Ende des 13. Jahrhunderts in fast allen Landes- und Stadtrechten als Strafe für Fälscher vorgesehen. Besonders auch an Ketzern wurde die Todesstrafe im siedenden Wasser vollzogen.
In den mittelalterlichen Rechtsgesetzen ist die Strafe des lebendig Begrabens nicht enthalten, die Carolina fordert sie nur für Kindsmord. Trotzdem fand diese Strafe Anwendung, und zwar hauptsächlich an Frauen und an Männern, die das Verbrechen der Unzucht begangen hatten. Wie diese Strafe genau vollzogen wurde, ist aus den vorhandenen Quellen nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Mit Wahrscheinlichkeit ist jedoch Folgendes anzunehmen: Der Täter wurde lebend und gefesselt in eine am Galgen ausgehobene Grube gelegt und diese über ihm zugeschüttet. Um eine „Wiederkehr“ des Gerichteten zu erschweren, legte man ihn, wie bei einem Selbstmörder, mit dem Gesicht nach unten und häufte über seinem Grab Dornengestrüpp auf. Lag der Delinquent auf dem Rücken, so steckte man ihm ein Rohr in den Mund, nicht um ein Atmen zu ermöglichen, sondern um der Seele die Möglichkeit zu geben, auszufahren (Seelenloch). In engster Verbindung zum lebendig Begraben stand das Pfählen. Nach dem Begraben wurde ein Pfahl in die Grube und durch den Gerichteten getrieben. Dies geschah einerseits wieder aus Aberglauben, um ein Wiederkehren des Toten zu erschweren, andererseits aber, um den Tod rasch eintreten zu lassen. Darüber hinaus hatte das Pfählen noch die Bedeutung einer spiegelnden Strafe für den Notzuchtverbrecher, wobei die Frau, welche Opfer seiner Tat war, die ersten drei Schläge ausführen durfte, den Rest erledigte der Henker. Lebendig Begraben und Pfählen gehörten aber nicht zu den oft angewandten Strafen und verschwanden mit dem Beginn der Neuzeit fast ganz aus dem Strafgebrauch.
Die Strafe des Einmauerns war ein Ersatz für die Hinrichtung und kann als Spätform des lebendig Begrabens angesehen werden. Besonders bei straffällig gewordenen Angehörigen höherer Stände wurde anstelle einer Todesstrafe aus Gnade auf Einmauern erkannt. Dies geschah, um der Familie die Schande der öffentlichen Hinrichtung und dem Verurteilten die Berührung mit dem Scharfrichter zu ersparen. Die Strafe wurde aber auch bei einfachen Leuten verhängt. Einmauern ist jedoch nicht wörtlich zu verstehen, dass also der Missetäter in einer Zelle eingemauert wurde, weder Essen noch Trinken erhielt und so einen qualvollen Tod erlitt, sondern als lebenslängliches Gefängnis. Dieses Gefängnis konnte eine Zelle am Haus des Scharfrichters sein, der den Gefangenen dann auch zu versorgen hatte, oder – bei Höhergestellten – ein Raum im eigenen Haus oder dem eines Familienmitgliedes. Die Familie hatte ihn dann bis an sein Lebensende zu versorgen. Gleich wo sich dieses Verließ befand, der Gefangene durfte es bis zu seinem Tod nicht mehr verlassen, war also eigentlich für seine Mitmenschen schon nicht mehr auf dieser Welt. Sehr selten fand, vom Gericht aus Gnade angeordnet, eine vorzeitige Freilassung statt, freilich immer verbunden mit der Auflage, das Land oder die Stadt zu verlassen und nie mehr wiederzukehren, andernfalls drohte die Todesstrafe.
Bei Vierteilung ist zwischen zwei Arten der Ausführung zu unterscheiden. Zum einen das Vierteilen bei lebendigem Leibe, zum anderen nach vorhergehender Tötung. Die ursprünglichste Form ist wohl die erstere. Die Alemannen vollzogen diese Strafe für Verräter mit der Axt. Bekannter war die Art der Vierteilung, bei der Arme und Beine jeweils an den Schweif eines Pferdes gebunden, die vier Pferde auseinandergetrieben und der Delinquent buchstäblich zerrissen wurde. Hierbei handelte es sich eigentlich um ein Zu-Tode-Schleifen. Gregor von Tours, Bischof und Historiker (540–594), beschreibt diese Tortur in Gesta Francorum, seinem wichtigsten Werk. Er berichtet hier von der Hinrichtung der Königin Brunehild, die am Schweif eines Pferdes gebunden, in Stücke gerissen wurde. Aber auch in der neueren Zeit fand diese grausame Todesart Anwendung, so 1757 bei der Hinrichtung des erfolglosen Königsattentäters Robert Daumiens in Paris.
Im Mittelalter und in der Neuzeit wurde diese Strafe aber fast immer nach vorheriger Tötung des Delinquenten vollzogen. Der Verbrecher wurde erst enthauptet, erhängt oder erdrosselt und dann anschließend in vier Teile zertrennt. Die Vierteilung war also Schlussakt einer Hinrichtung und galt als Strafverschärfung oder zweite Strafe bei Vorliegen mehrerer Delikte, die den Tod verdienten. Zeitgenössische bildliche Darstellungen zeigen die widerlich makabre Art und Weise solcher Vorgänge. Die vier Körperteile wurden dann zur Abschreckung an eigenen Galgen oder an Landstraßen aufgehängt, etwa in Frankfurt am Main im Jahre 1616 als Schlusspunkt des Fettmilchaufstandes.
Hatte ein Mensch mehrere, jedes für sich aber todeswürdige Verbrechen begangen, so enthielt das Urteil eine Aneinanderreihung von Strafen, also eine Kumulation der Todesstrafen. Für jedes einzelne Delikt wurde also dem Gesetz entsprechend die dafür bestimmte Todesart ausgesprochen. Die Reihenfolge der Ausführung zu bestimmen war Sache des Gerichtes. Da jeder Mensch aber nur ein Leben hat, konnte letztlich auch nur eine der Strafen zum Tod führen. Die Schwere der begangenen Verbrechen mag für die Wahl der Reihenfolge der Strafen ausschlaggebend gewesen sein. Zum Verständnis der Kumulation von Todesstrafen hier ein willkürliches Kombinationsbeispiel: Der Verbrecher wurde zur Richtstätte geschleift, unterwegs mit glühenden Zangen gezwickt (Strafverschärfung), dann gerädert (für Mord), noch lebend auf das Rad gelegt und an einem beim Rad stehenden Galgen erhängt (für Diebstahl), anschließend mit Rad und Galgen verbrannt (für Sodomie) und schließlich wurde die Asche in den Fluss geworfen. Was dieser arme Sünder bis zu seinem endgültigen Tod am Galgen an Qualen erlitten hat, ist unvorstellbar.
Schließlich soll hier noch von einer Hinrichtungsart die Rede sein, die in die graue Vorzeit gehört, in eine Ära, als Menschen zu Steinen griffen, um den Missetäter und Friedlosen aus der Gemeinschaft zu vertreiben, weil er sich den Hass der Stammesangehörigen zugezogen hatte: die Steinigung. Getroffen von den Steinen brach der Verurteilte blutend zusammen und starb. Diese archaische Strafe hat bis heute ihren Platz im islamischen Recht, das von der altmosaischen Gesetzgebung stark beeinflusst ist. Gegenwärtig wird diese barbarische Hinrichtungsart im Iran, im Jemen sowie im Königreich Saudi-Arabien, in Pakistan und im Sudan praktiziert.
Im Juli 1982 verabschiedete der Iranische Rat das islamische Strafgesetzbuch. Als todeswürdige Verbrechen gelten seither unter anderem Mord, Vergewaltigung und Verstöße gegen Moralvorschriften wie Ehebruch, aber auch der wiederholte Konsum alkoholischer Getränke. Artikel 119 des islamischen Strafgesetzbuches bestimmt: „Die Steine, die bei der Steinigung verwandt werden, dürfen nicht so groß sein, dass die Person, wenn sie von einem oder zwei Steinen getroffen wird, stirbt; sie dürfen nicht so klein sein, dass man sie nicht mehr als Steine bezeichnen kann.“
Auf diese Weise wird eine archaische Strafe bis in die Gegenwart ausgeführt. Eine der seltenen Schilderungen findet sich in dem Buch Die gesteinigte Frau, in dem der in Frankreich lebende Journalist Freidoune Sahebjam eine Steinigung beschreibt, die am 15. August 1986 in seinem Heimatland Iran an einer 35-jährigen Mutter von neun Kindern vollzogen wurde. Die Anklage: sie hatte Ehebruch begangen. Die Vollstreckung leitete der Bürgermeister, der zuvor das Urteil verkündet hatte: „Wir haben einstimmig beschlossen, dass die Schuldige Soraya Manoutchehri noch vor Ende dieses Tages gesteinigt werden soll, bis sie tot ist. Alles wird ordnungsgemäß durchgeführt, wie es der Koran gebietet und das Gesetz vorschreibt. Der allmächtige Gott befiehlt uns, Selbstjustiz zu üben, weil wir alle von diesem Weib beleidigt worden sind und weil ihre Angehörigen Rache fordern.“
Sahebjam protokolliert das barbarische Geschehen. Auszüge:
„Auf ein Zeichen des Bürgermeisters packten die beiden Männer die junge Frau an den Armen, schleppten sie zu der Grube und ließen sie hineinsteigen. Ein Murmeln erhob sich unter den Zuschauern. Nun würde das Schauspiel, dessentwegen sie hergekommen waren, wahrhaftig beginnen. Aufgeregt blickten sie auf die wehrlose Frau.
Die Männer mit Schaufeln und Spaten begannen, die Grube, in der Soraya stand, wieder zuzuschütten. Sie war nun bis zu den Schultern eingegraben. Ihre Arme steckten in der Grube. Der Kopf des Opfers, von dem sie nur das auf der Erde ausgebreitete schwarze Haar sahen, war etwa fünfzehn Meter von den Männern entfernt.
Der Bürgermeister nahm einen Stein und reichte ihn dem Vater: ‚Ihnen, Herr, gebührt die Ehre, den ersten Stein zu werfen … Bitte sehr …‘
Der Alte legte seinen Stock auf den Boden nieder und ergriff den Stein. Er sagte Gott Dank, streckte den Arm und schleuderte den Stein mit aller Kraft in Richtung auf seine Tochter. Dabei brüllte er: ‚Ya Allah! Da hast du’s, Hure!‘ Er verfehlte sein Ziel. Ebrahim reichte ihm einen anderen Stein, und der Alte warf, seinen Hass hinausschreiend, ein zweites Mal auf seine Tochter. Viermal versuchte er sie zu treffen, ohne Erfolg. Rasend vor Wut, schrie er: ‚Gebt mir noch einen Stein, ich will ihr den Kopf einschlagen, ich schlage ihr den Kopf ein!‘
Der Bürgermeister gab ihm zu verstehen, dass er die Kreidelinie auf keinen Fall überschreiten dürfe, denn das sei gegen das Gesetz Gottes. Nun kam Ghorban-Ali an die Reihe. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt und vier Steine zu seinen Füßen aufgereiht. Er wartete auf das Zeichen des Bürgermeisters. ‚Du bist dran, mein Junge‘, sagte Ebrahim liebevoll. ‚Gott möge dir den Arm führen.‘
Der ‚betrogene‘ Ehemann straffte seinen Arm und ließ ihn nach vorn schnellen. Der Stein flog zwanzig Zentimeter am Gesicht der Frau vorbei. Sie hatte nicht die geringste Schreckbewegung gemacht, nicht mit den Wimpern gezuckt. ‚Weiter, Ghorban-Ali, nur zu, das war gut … gleich hast du sie, die Hündin …‘, brüllten die Männer in der ersten Reihe.
Sorayas Mann griff nach dem zweiten Stein, wog ihn in der Hand und blickte auf das Publikum. Er sah aus wie ein Athlet im Stadion, der eine Bestleistung anstrebt. Erneut spannte sich sein Arm, und der Stein streifte den Kopf der Frau. Die Menge stieß ein enttäuschtes ‚Oh‘ aus, doch bevor sie Atem holen konnte, war schon der dritte Stein geworfen und traf die rechte Schulter der Verurteilten. Ein kaum hörbarer Laut entwich ihrem Mund, und für eine Sekunde schwankte ihr zierlicher Oberkörper.
Das Geschrei schwoll an, und die Männer applaudierten. Ghorban-Ali deutete ein Lächeln an, nahm den nächsten Stein, zielte noch sorgfältiger und warf. Diesmal traf er seine Frau am Haaransatz. Sorayas Kopf wurde nach hinten gerissen, die Stirn platzte auf. Blut strömte hervor. Ein Jubeln ging durch die Menge. Ohne es zu merken, waren die Dorfbewohner einige Schritte näher gekommen und hatten die Kreidelinie überschritten. ‚Geschafft! Ein Hoch auf Ghorban-Ali! Er hat sie getroffen, noch einmal, gibs ihr, dieser Nutte!‘ Nun nahmen die beiden Söhne des Opfers ihre Steine und warfen beide gleichzeitig. Nur ein einziger traf die bis zum Oberkörper eingegrabene Frau. Sie schluchzte auf, und ihr Kopf knickte hintenüber.
Nun war Scheich Hassan an der Reihe. Er nahm seinen Koran in die linke Hand und ergriff mit der Rechten einen großen Stein. Doch ehe er ihn warf, wandte er sich zu der Menge und sagte salbungsvoll: ‚Nicht ich werfe diesen Stein. Gott ist es, der meinen Arm lenkt. Er gibt mir seine Befehle, und ich räche unseren Imam für das schändliche Verbrechen, das dieses Weib begangen hat.‘ Die Menge applaudierte stürmisch … Im Mittelpunkt des Kreidekreises hauchte Soraya ihr Leben aus. Kopf und Oberkörper waren nur noch ein Haufen blutigen Fleisches. Die johlende Menge ließ nicht von ihrem Opfer ab. Der Kreis hatte sich immer enger um Soraya geschlossen. Ihre Kopfhaut war eine einzige klaffende Wunde, Augen und Nase waren zerschmettert, der Kiefer gebrochen. Der Kopf baumelte wie eine groteske Karnevalsmaske an den Resten der rechten Schulter … ”
Soraya Manoutchehri war eine von acht Verurteilten, zwei Frauen und sechs Männern, die im Iran allein 1986 gesteinigt wurden. Seither sind in den islamischen Staaten weitere Todesurteile auf diese Weise vollstreckt worden.
Töten mit Gottes Hand – Vergeltung und Versöhnung
Glauben Sie, dass es einen Menschen besser macht, wenn man ihn verbrennt?“, fragte Emmanuel Philibert, Herzog von Savoyen, den italienischen Inquisitor Antonio Michele Ghislieri, der sich als Papst Pius V. (1566–1572) durch seine besondere Grausamkeit und mörderischen Pogrome gegenüber „Feinden“ der katholischen Kirche auszeichnete und später, 1712, als Reformer heilig gesprochen wurde.
Ghislieri antwortete, dass die Scheiterhaufen der Inquisition der Menschheit Glaubenskriege mit ungleich mehr Todesopfern ersparten. Diese Antwort in Anlehnung an das Alte Testament, nichts sei grausamer als Mitleid mit Gottlosen, fasst die Einstellung der heiligen Inquisition – einer fanatischen Kirchenaufsichtsbehörde, würde man heute sagen – zusammen: Ihre Mitglieder und Verfechter bekämpften im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nicht allein Ketzer, die sich gegen die Kirche vergingen, sondern auch Hexen, Zweifler und Zauberer mit heiligem Zorn. Die Urteilsvollstreckung, wie immer sie ausfallen mochte, wurde mit dem portugiesischen Wort „Autodafé“, (Werk des Glaubens), bezeichnet. Schwere Sünder wurden auf den Scheiterhaufen gezerrt und verbrannt. Das Böse verwandelte sich in Asche. Freilich: Verbrannt wurde auch innerweltlich. Hexenverbrennungen waren kein Privileg der Inquisition. Auch nicht das Foltern, um die Angeklagten zu einem Geständnis zu zwingen.
In der frühen Neuzeit war es beinahe alltäglich, in Indizienverfahren Folter anzudrohen oder mit Gottes Hand – nach Abstimmung und mit Genehmigung der Obrigkeit – Folter vorzunehmen. Die Überzeugung, dass Gott unmittelbar in die Gerichtspraxis eingreifen könne, war weit verbreitet. Bekannt waren die sogenannten Hexenproben, die vor allem zur Überführung einer Hexe dienten. Bei der Nadelprobe stach der Richter mit einer Nadel in ein Muttermal, trat kein Blut aus, galt die Schuld als erwiesen. Am bekanntesten ist die Wasserprobe: So wurden im westfälischen Lemgo 1583 drei Frauen ausgezogen und an Händen und Füßen so eng gebunden, dass sie sich nicht bewegen konnten. Danach wurden sie im Beisein etlicher tausend Menschen an einem Strick festgebunden ins Wasser geworfen. Als sie gleich wie ein Holz nicht umgehend untergegangen waren, galten sie als unschuldig. Das Wasser wollte die Sünder nicht haben.
War ein Angeklagter trotz gründlicher Verhöre, belastender Zeugenaussagen und zermürbender Kerkerhaft nicht zum Geständnis bereit, setzte man auf die Folter, die in aller Regel so lange gesteigert wurde, bis endlich ein Geständnis erzielt war. Sie war nicht so sehr Ausdruck eines unkontrollierten Sadismus der Foltergehilfen, sondern ein von allen öffentlichen Institutionen der Kirche und des Staates anerkanntes Mittel zur Wahrheitsfindung. Folter sollte das Böse im Menschen bezwingen – mit Gottes Hand und Segen. Erste Anwendung fand die Folter in den Ketzer- und Hexenprozessen, hier wurde sie zum entscheidenden Instrument im Kampf gegen den Satan. Schritt für Schritt drang sie dann in alle Verfahren gegen schwere Verbrechen ein.
Insgesamt sollte die Folter nach Ermessen eines „guten, vernünftigen Richters“ vorgenommen und der Verdächtige je nach Stärke des Argwohns oft oder weniger oft gefoltert werden. Das Ausmaß der Folter und der Umgang mit dem Angeklagten blieben unkontrolliert und waren allein Sache der richterlichen Obrigkeit. Man ging dabei stufenweise vor: Es gab zahllose Theorien und Praktiken, je nach Religion und Tradition. In der Regel basierte die Folterpraxis auf einer „Dreistufen-Dramaturgie“:
Zu Beginn stellte der Scharfrichter seine Instrumente vor. Durch dieses Einschüchterungsszenario versuchte er den Beschuldigten zum Geständnis zu bewegen. Nutzte dies nichts, schritt er zur zweiten Stufe: Der Verdächtige wurde entkleidet und es wurden ihm Bein- und Daumenstöcke angelegt. Allein das Ausgeliefertsein durch die Nacktheit zeigte bei vielen Wirkung: Sie gaben ihren Widerstand demoralisiert auf. War auch bis dahin noch kein befriedigendes Geständnis erreicht, begann der Richter mit der dritten Stufe, der peinlichen Befragung unter Zuhilfenahme von Daumenstöcken. Dabei wurden flache Eisenstücke zwischen die Daumen gelegt und zusammengepresst. Danach gab es zahlreiche Möglichkeiten, die Schmerzen für den Delinquenten zu intensivieren.
Hier kannte die Phantasie der Peiniger keine Grenzen. Die Abscheulichkeiten – vor allem bei Hexenprozessen – sind dokumentiert. Die zugefügten Schmerzen verstand man als Kampf gegen den Teufel, den es durch eine von Gott geführte Hand zu besiegen galt. Dennoch: Es war ein ambivalentes Marter-Ritual: Einerseits wurde alles darangesetzt, die Wahrheit herauszuquälen und den Willen des Delinquenten zu brechen, andererseits sollte der Gefolterte keinen dauerhaften Schaden erleiden. Eigentlich waren Kranke, Alte oder schwangere Frauen von der Folterprozedur ausgeschlossen. Ansonsten aber wurden die Folter und das peinliche Strafverfahren immer dann mit aller Härte durchgeführt, wenn es darum ging, den gefassten Verdächtigen zu einem Geständnis zu bewegen. Also immer.
Es bedurfte noch Jahrzehnte, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass die Folter ein ungeeignetes Mittel war, um die Wahrheit zu finden oder gar den Anspruch der Gerechtigkeit zu erfüllen. Und es sollte bis ins 18. Jahrhundert dauern, bis die Folter verboten und aufgehoben wurde: etwa in Preußen 1754, in Sachsen 1770 und in Österreich 1776. So waren beispielsweise der Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt, der vier Jahre zuvor, am Morgen des 14. Januar 1772, in Frankfurt am Main ihr Todesurteil vorgelesen wurde, die peinlichen Verhöre erspart geblieben. Doch auch wenn neue Strafrechtsverordnungen zunehmend Folter und Scheiterhaufen verboten, an archaischen Strafpraktiken und öffentlicher Inszenierung wurde mit Nachdruck und organisatorischem Eifer festgehalten. So lautete Susanna Margaretha Brandts Urteil: Tod durch Enthaupten. Das Hinrichtungsritual dokumentiert Richard van Dülmen eindrucksvoll in seinem Buch Theater des Schreckens:
„Der Richter war in Exekutionskleidung erschienen, einem schwarzen Gewand, darüber einen roten Mantel, auf dem das große Stadtwappen zu sehen war. Die junge Frau trug ein ‚Totenkleid‘, eine weiße Haube, eine weiße leinene Jacke mit schwarzer Schleife und einen weißen Rock, dazu weiße Handschuhe. Um 8 Uhr folgte eine kleine Mahlzeit, bis ab 9 Uhr die Kirchenglocke alle Viertelstunde mit drei Anschlägen schlug und zum Aufbruch rief. Die Verurteilte wurde an beiden Händen gebunden auf die Straße geführt. Der Richter, mit einem großen Zepter in der Hand, stieg mit weiteren städtischen Beamten in roten Röcken auf die Pferde. Grenadiere umgaben die von Geistlichen und dem Knecht des Scharfrichters begleitete ‚arme Sünderin‘. Unter ständigem Singen, Beten und Zurufen bewegte sich der Zug gemächlich zur Richtstätte.
Währenddessen hatte der Scharfrichter mit seinen Söhnen und weiteren Gehilfen unter dem Schutz von Grenadieren auf dem Richtplatz alles vorbereitet. Als die Delinquentin eine halbe Stunde später ankam, segneten sie die Geistlichen und der Scharfrichter führte sie zu einem Stuhl, wo er sie festband. Danach entblößte er ihr sorgsam Hals und Kopfhaar. Darauf wurde, unter beständigen Zurufen der Seelsorger, ihr Kopf durch einen Streich des Scharfrichters ‚glücklich und wohl‘ abgeschlagen. Auf die Frage des Henkers, ob er das ihm Befohlene richtig ausgeführt habe, antwortete der Richter: ‚Er hat sein Amt wohl verricht und gethan, was Gott und die Obrigkeit befohlen hat.‘“
Das öffentliche Sterben, wie es im 18. Jahrhundert inszeniert wurde, war eine ernste Angelegenheit, die ihre Wirkung auf das Publikum nicht verfehlen sollte. Richard van Dülmen schildert eindrucksvoll, wie sich der Zug der Beteiligten nach der öffentlichen Urteilsverkündung und der Henkersmahlzeit in der Regel bereits am frühen Morgen unter Glockenschlägen vom Gefängnis oder Rathaus zum Richtplatz in Bewegung setzte. Dort hatte sich das Volk schon seit Stunden versammelt. Bevorstehende Hinrichtungen wurden durch Aushang und Ausrufen öffentlich und frühzeitig bekannt gemacht, mitunter hing ein rotes Tuch vom Balkon des Rathauses und zeigte an, dass eine Hinrichtung unmittelbar bevorstand.
Von öffentlichen Exekutionen, die oft den Charakter eines Volksfestes trugen, wird in einem späteren Kapitel noch die Rede sein.
In der Regel nahm der „Arme-Sünder-Zug“ mit dem Verurteilten den kürzesten Weg zur Richtstätte, obschon er auch am Wohnhaus des Delinquenten oder am Tatort des Verbrechens vorbeigeführt werden konnte. Soldaten begleiteten den Zug, damit es zu keinen Unruhen kam und der festlichfeierliche Charakter gewahrt blieb.
Richter und Henker waren durch ihre Kleidung weithin sichtbar. Der Verurteilte musste gefesselt zu Fuß gehen; mancherorts wurde er auf einem Wagen gefahren und zur Schau gestellt, was bereits Teil der Strafe war. Vom Verbrechen und der Haltung des Delinquenten hing es ab, wie das Volk am Wegesrand reagierte. Spott und Hohn waren ebenso an der Tagesordnung wie aufmunterndes Zurufen, Wehklagen oder Einstimmen in das von Geistlichen angestimmte Lied. Für besonders schimpfliche Verbrechen gab es – wie auf vorhergehenden Seiten im Katalog der Strafen aufgeführt – das Schleifen zur Richtstätte, das auf einer frischen Kuhhaut mit dem Kopf nach unten durchgeführt wurde. Auch für diese grausame Tortur gab es genaue Anweisungen vom Richter:




