Seewölfe Paket 20

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„Willst du das unbedingt wissen?“
Jussuf seufzte und griff in die Hosentasche. Er förderte eine Perle zutage und drückte sie dem überraschten Mädchen in die Hand. „Ich will offen zu dir sein. Als alter und langgedienter Lakai von Don Antonio genieße ich so etwas wie eine Vertrauensstellung. Er will wissen, wer sich in Havanna herumtreibt. Als er vernommen hat, daß dieser Caligula hier sein soll, hat er mir den Auftrag gegeben, mich ein bißchen zu informieren, ob es stimmt.“
„Aber dafür hat er doch seine Polizisten.“
„Die können aber nicht so unauffällig auftreten wie ich.“
„Du bist also ein Spion?“ fragte sie.
Ein bißchen naiv war sie trotz ihres Metiers, das mußte Jussuf feststellen. Deshalb antwortete er: „Ja. Ich bin ein Geheimagent des Gouverneurs. Das mußt du aber für dich behalten. Weißt du, daß die Perle eine Menge wert ist?“
„Ja. Ich habe doch gar nichts dafür geleistet. Willst du mit auf meine Kammer kommen?“
Wieder seufzte er. „Liebend gern, aber mein Auftrag geht vor. Was ich von dir verlange, ist, daß du mir Caligula zeigst, damit ich mich von seiner – nun, äh – Echtheit überzeugen kann.“
Maria del Mar nickte. Sie fand die Sache spannend und abenteuerlich. „Einverstanden, das läßt sich arrangieren. Du mußt aber ganz leise sein. Wenn Madam Luana rauskriegt, daß ich dich heimlich reingelassen habe, ist der Teufel los.“
Caligula lag – völlig entkleidet – in den Armen zweier ebenfalls hüllenloser „Damen“. Die eine war rothaarig, die andere hatte schwarze Locken. Soviel sah Jussuf, als er durch den Türspalt einen raschen Blick in den Raum im oberen Stockwerk des Hauses warf. Dann tippte Maria del Mar ihn mit dem Finger an, denn ein paar Türen weiter waren Geräusche zu vernehmen.
Maria del Mar zog die Tür zu, schob Jussuf vor sich her und dirigierte ihn in das Nebenzimmer. Hier verweilten sie und atmeten ein paarmal tief durch. Sie setzte sich auf die Bettkante, kleidete sich ganz an und sagte: „Dies ist mein Zimmer. Du kannst dir mein Angebot noch überlegen.“
Draußen, auf dem Flur, waren trippelnde Schritte zu vernehmen. Zwei Damen schienen wach zu sein und stiegen die Treppe hinunter, um sich auf dem Hof am Brunnen zu waschen. Maria del Mar nickte Jussuf beruhigend zu.
„Die bereiten uns keine Schwierigkeiten“, raunte sie. „Madam Luana liegt noch in den Federn, das ist die Hauptsache. Also?“
„Es ist Caligula, kein Zweifel.“
„Wirst du es dem Gouverneur melden?“
„Ja, sofort.“
„Und er wird Caligula gefangennehmen?“
„Das weiß ich nicht“, entgegnete Jussuf. „Das muß der Gouverneur entscheiden. Vielleicht wartet er auch ab, wie der Kerl sich weiter verhält. Eine direkte Anklage oder Anzeige gegen ihn liegt nämlich nicht vor, soviel ich weiß.“
„Aha.“ Sie deutete einladend auf das Bett. „Hast du nicht noch eine Minute Zeit?“
„Ach, lassen wir das lieber.“ Die Situation war ihm jetzt wirklich peinlich. „Ich – es ist ja noch viel zu früh und so.“
„Ich begreife schon, mein Alterchen“, sagte sie verständnisvoll. „Die Liebe ist nichts mehr für dich. Schade. Ich finde dich nämlich sehr nett.“
„Ich dich auch. Aber kannst du mir nicht erzählen, was Caligula gestern abend alles gesagt hat?“
„Heute nacht, meinst du. Na ja, er war wohl völlig betrunken. Madam verkauft ja auch einen sehr guten und starken Wein. Wie ich schon sagte, hat er herumgetönt und mächtig aufgeschnitten unten, im Salon, wo die anderen Mädchen ihn auch mit Essen bewirtet haben.“
„Das muß ihn eine Menge Geld kosten.“
„Madam hat gleich gesehen, daß er eine Geldkatze bei sich hat. Und in den Taschen hat er Perlen.“
„Ich verstehe“, sagte Jussuf. „Er kann sich was leisten.“
„Und dauernd hat er gerufen, daß er ein toller Hecht sei und das tollste Weib auf Erden besitze.“
„So?“
„Eine Königin“, fuhr Maria del Mar fort. „Soviel habe ich gehört, während ich hier oben mit einem Kunden – beschäftigt war. Dann hat Madam gefragt, ob es die Königin nicht störe, daß ihr Gemahl sich anderweitig vergnüge, und die Mädchen haben gelacht.“
„Und er?“
„Er hat behauptet, daß er erstens nicht mit ihr verheiratet sei, und daß sie zweitens zur Zeit nicht in der Lage sei, mit ihm in die Koje zu steigen.“ Sie kicherte und schüttelte den Kopf. „So was. Das würde aber wieder anders werden, meinte er. Bald würde er mit ihr, der schwarzen Königin, über die ganze Karibik herrschen, aber erst wolle er die englischen Piraten ans Messer liefern, die überall ihr Unwesen treiben. Ehrlich, ich habe nicht geahnt, daß er selbst ein Pirat ist.“
„Hat er noch mehr über seine Königin gesagt?“
„Daß er wieder zu ihr zurückkehrt, habe ich vernommen. Wenn er hier fertig ist.“
„Was will er denn in Havanna?“
„Mit den englischen Piraten aufräumen“, erwiderte sie. „Das hat er doch selbst gesagt.“
„Ja, richtig.“
„Was sind denn das für Piraten?“
„Ich weiß es selbst nicht“, log Jussuf. „Aber auch das werde ich herausfinden, verlaß dich drauf.“ Jetzt hatte er die Bestätigung: Die Black Queen lebte noch. Aber er mußte mehr erfahren. „Und wo hält sich die Königin auf?“ fragte er.
„Das weiß ich nicht.“ Maria del Mar benetzte ihre Lippen mit der Zungenspitze. Plötzlich hob sie die Hand. „Halt, Augenblick. Madam fragte ihn noch, wo denn das Königinnen-Liebesnest sei, sehr zum Vergnügen der Mädchen übrigens. Da brüllte Caligula, ob sie schon mal etwas von den Islas de Mangles gehört habe. Da gebe es nämlich eine wunderschöne Insel mit einer hübschen, versteckten Bucht, wo der Zweidecker ankere.“
„Nicht zu fassen“, sagte Jussuf. „Einfach toll. Diese Islas de Mangles liegen doch südlich von Kuba, nicht wahr?“
„Da fragst du mich jetzt wirklich zuviel.“
„Schon gut. Aber erzähle mir alles, was du sonst noch gehört hast.“
Das tat Maria del Mar. Jussuf verließ kurze Zeit später das Hurenhaus – mit entsagungsvoller Miene. Er mußte auf das verzichten, was sie ihm angeboten hatte. Aber es war auch besser so. Allah drückte in diesem Punkt bestimmt kein Auge zu, und ein gläubiger Muselman ließ sich mit keiner Dirne ein.
Aus einiger Entfernung behielt Jussuf das Bordell auch weiterhin im Auge. Seine Geduld wurde auf die Probe gestellt, aber nach Ablauf von ungefähr zwei Stunden erschien Caligula dann doch.
Er wankte ein wenig, schien aber höchst vergnügt und guter Dinge zu sein. Sein Weg führte ihn zurück in den Hafen, und er steuerte direkt die Kaschemme „Malagena“ an. Joanna war ihm wieder eingefallen, er wollte ihr unbedingt guten Tag sagen. Außerdem hatte er Durst – großen Durst.
Den Verfolger bemerkte Caligula nicht. Jussuf, der „alte Vollbart“, schritt ebenfalls auf die Kneipe zu, als der Kerl an ihm vorbei war. Er hatte sich in einer Hofeinfahrt verborgen. Jetzt zeigte er sich offen und betrat das Gewölbe der Kaschemme. Er tat so, als sehe er Caligula überhaupt nicht und trat an die Theke.
Caligula hatte bereits Gesellschaft. Zwei Zecher und eine dunkelhaarige, glutäugige Hure hatten sich an seinem Tisch niedergelassen.
Er füllte ihre Becher aus einem großen Krug und rief: „Wo ist Joanna? Ich will sie begrüßen!“
„Sie erscheint gleich“, erwiderte der Schankwirt. „Durch dein Gebrüll wird sie bestimmt wach.“
„Ich hätte gern ein Glas Wasser“, sagte Jussuf.
Der Wirt wandte den Kopf und sah ihn drohend an. „Wasser? Womöglich auch noch umsonst, wie?“
„Nein. Ich bezahle es.“
„Wasser gibt’s draußen, am Brunnen“, brummte der Mann. „Hier schenke ich nur Bier, Wein, Rum und aus Wein gebrannten Schnaps aus.“
„Dann bitte ein kleines Bier“, sagte Jussuf. Seine Stimme wurde aber fast ganz durch Caligulas Gebrüll übertönt. Caligula schien auf Wolken zu schweben. Er umarmte die Hure und rief: „Es lebe Havanna! Die Welt ist schön! Hoch die Becher, heute saufen wir uns die Hucke voll!“
„Hör dir den an“, sagte der Wirt zu Jussuf. „Der spinnt vielleicht. Aber mir soll’s recht sein. Zahlen kann er ja. Solange er keinen Ärger macht, bediene ich ihn.“
„Und die anderen saufen auch auf seine Kosten“, sagte Jussuf. Er trank nur die Hälfte von seinem Bier, schob dem Wirt eine Münze zu und ging. Er hatte genug gesehen und gehört. Der Wirt blickte ihm ziemlich verwundert nach, steckte die Münze weg und unterzog den Tresen einer symbolischen Reinigung. Dann eilte er zu Caligulas Tisch. Der Bierkrug war leer und mußte wieder gefüllt werden.
Jussuf kehrte zur Faktorei zurück und berichtete Arne und Jörgen, was er beobachtet und vernommen hatte – vor allem sein „Abenteuer“ in dem Hurenhaus, wobei er nicht versäumte, Maria del Mar ausführlich zu beschreiben.
„Du Ärmster“, sagte Jörgen. „Und so ein großzügiges Angebot hast du abgelehnt?“
„Mein Auftrag ist wichtiger“, erwiderte Jussuf mit Würde. „Und man muß Prioritäten zu setzen wissen. Außerdem verbietet der Prophet den Umgang mit solchen Frauenzimmern.“
„Schon gut“, sagte Arne. „Caligula hat also voll aufgedreht und den großen Mann gespielt, nicht wahr?“
„Ja. Die Weiber haben vor Vergnügen gekreischt“, hob Jussuf noch einmal hervor. „Das meiste, was er von sich gegeben hat, haben sie nicht für bare Münze gehalten. Aber sie haben ihn immer wieder animiert, noch mehr zu erzählen, vor allem Madam Luana. Er hat sich als großer Kapitän ausgegeben und verraten, wo sich sein Schiff zur Zeit befindet.“
„In einer Bucht der Islas de Mangles“, wiederholte Arne. Er hatte bereits eine Karte zur Hand genommen und die Position der Inselgruppe südlich von Kuba festgestellt. „Mein lieber Jussuf, dieser Hinweis ist für uns Gold wert. Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Freunde von der Schlangen-Insel.“
Jussuf grinste breit und zufrieden. „Wir schicken also wieder einen meiner Lieblinge auf die Reise?“
„Ja. Aber erst, wenn es wieder dunkel ist.“
„Ich verstehe nicht, wie Caligula so unvernünftig sein kann“, sagte Jörgen. „Er muß doch damit rechnen, daß irgend jemand gegen ihn verwendet, was er ausplaudert. Vielleicht hat Madam Luana längst begriffen, daß mit der ‚Königin‘ die Black Queen gemeint ist. Sie könnte das an den Gouverneur weitergeben.“
„Das glaube ich nicht“, sagte Arne. „Aber Caligulas Ausrutschen könnte folgende Gründe haben. Mitte Dezember wurde die Queen ja von El Tiburon angeschossen. Seitdem mußte sich Caligula um sie und auch um den Zweidecker kümmern. Das hat an ihm gezehrt. Jetzt ist er in der großen Hafenstadt Havanna und kann das genießen, was er seit Monaten entbehrt hat. Versteht ihr?“
„So verliert denn auch ein Mann wie er den Kopf“, sagte Jussuf. „Und er redet Sachen daher, die er eigentlich für sich behalten sollte. Als Farbiger ist er nicht frei von Imponiergehabe vor weißen Frauen.“
„Ja, das leuchtet auch mir ein“, sagte Jörgen. „Ich schätze aber, daß er sich auf die Weise noch Ärger einhandelt.“
„Jussuf, du gehst zurück zu der Kneipe und beschattest weiterhin Caligula“, sagte Arne. „Wir müssen einen Plan entwerfen, aber ich weiß noch nicht recht, wie wir am besten verfahren.“
Die Black Queen lebte – wie er richtig vermutet hatte. Aber er mußte Jussufs neue Informationen erst überdenken. Das Wichtigste war zunächst einmal, den Bund der Korsaren über die neue Wendung zu unterrichten. Er mußte entscheiden, was unternommen werden sollte. Die Zeit drängte. Die Queen war genauso gefährlich wie Don Juan de Alcazar. Im übrigen mußte er, Arne, verhindern, daß Caligula die Gelegenheit erhielt, mit Don Juan Kontakt aufzunehmen.
Arne begriff, daß sein Spiel in Havanna immer gefährlicher wurde. Aber er durfte sich nicht entmutigen lassen, sie mußten weiterarbeiten.
Während die drei Männer noch herumgrübelten, Pläne faßten und wieder verwarfen, geschah etwas, was ihnen die Initiative entzog. Keiner hatte damit gerechnet, aber im Grunde war es Jörgen Brunn, der recht behielt. Caligula handelte sich Ärger ein.
4.
Die Kellerkaschemme „Malagena“ begann sich um die Mittagsstunde zu füllen. Caligula verfolgte lachend und grölend das Treiben an der Theke und an den Tischen, er war der Herr der Szene. Bei ihm waren inzwischen nicht nur die dunkelhaarige Hure, sondern auch Joanna und eine dritte, rothaarige Frau. Außerdem war er von Kerlen umringt, die alle auf seine Kosten zechten. Caligula ließ die Dublonen rollen, und der Schankwirt bediente ihn mit untertänigem, beflissenem Gebaren.
Caligula trank, brüllte herum, riß Witze, sang schmutzige Lieder und preßte die Frauen an sich. Ungeniert griff er Joanna in den Ausschnitt, und alle lachten darüber.
Nur einer lachte nicht mit. Er stand an der Theke und genehmigte sich einen Becher Rotwein. Mit wachsendem Ärger verfolgte er, was sich am Tisch des großen Schwarzen abspielte. Er hieß Diego Cámara und war ein spanischer Fischhändler. Er wußte nicht, wer der Schwarze war, und er ahnte auch nicht, daß er an diesem sonnigen Tag in Havanna sterben würde. Er wußte nur eins: daß ihm das Auftreten dieses Kerl nicht paßte.
Der Schankwirt tauchte hinter der Theke auf und füllte den leeren Bierkrug. Cámara beugte sich zu ihm hinüber und sagte: „He, Lopez, komm mal her.“
„Hast du deinen Wein schon ausgesoffen? Warte, ich habe jetzt keine Zeit.“
„Ach. Du mußt den Nigger bedienen, was?“
„Richtig. Es ist schon der zwölfte Krug.“
„Und deine anständige Stammkundschaft kann warten, wie?“
Lopez, der Schankwirt, drehte sich mit dem halbvollen Krug in der Hand langsam zu ihm um. „Suchst du etwa Streit?“
„Ach was. Ich staune nur.“ Cámaras derbes Gesicht war leicht verkniffen. „Bei mir werden solche Affen nur mit der Peitsche bedient.“
„Bei mir werden sie bewirtet, wenn sie bezahlen können und keinen Ärger machen.“
„Wer ist denn der schwarze Hurensohn?“
Lopez warf einen hastigen Blick zu Caligulas Tisch, dann entgegnete er: „Nicht so laut, Mann. Bist du verrückt?“
„Hast du Angst vor ihm?“
„Ich denke nur an mein Geschäft. Er behauptet, der König der Karibik und ein großer Kapitän zu sein, aber mir ist das egal.“
„Ja“, sagte der Fischhändler. „So verkauft sich jeder auf seine Weise. Du bist auch nicht besser als die Huren, die sich hier rumtreiben und dir die Zimmer bezahlen.“
„Wirt!“ brüllte Caligula. „Meine Kehle ist trocken und ausgedörrt! Ich lechze nach Bier! Was ist los? Sind die Fässer schon leer?“
„Ich komme!“ rief Lopez. Er füllte den Krug ganz, blickte dabei aber zu Cámara und zischte: „Mach hier keinen Stunk. Wenn du was auszusetzen hast, haust du am besten gleich wieder ab. Es gibt genug Pinten im Hafen, warum mußt du ausgerechnet bei mir rumstänkern?“
„Weil ich keine Nigger leiden kann“, erwiderte Cámara, aber das hörte Lopez schon nicht mehr. Er war unterwegs zu Caligula, umrundete den Tresen, steuerte zwischen den Tischen hindurch und stieß in eine Lücke zwischen zwei von den Kerlen, die Caligula umringten.
Er knallte den Krug auf den Tisch, daß der Schaum spritzte und sagte: „Salud – Prost.“
„Prost!“ brüllte die Bande.
Gierig füllte ein Kerl die Becher und Humpen und wieder wurde getrunken. Caligula interessierte es nicht, was die Kerle taten, er war mit den Huren beschäftigt. Gerade untersuchte er, ob der Busen der Dunkelhaarigen, Glutäugigen genauso groß war wie der von Joanna. Sie quietschte und kicherte, und er stieß ein begeistertes Grunzen aus.
Lopez war unterdessen hinter die Theke zurückgekehrt. Diego Cámara war nicht mehr da, er hatte seinen Becher stehen lassen. War er gegangen, ohne die Zeche zu zahlen? Lopez war es gleichgültig. Die Hauptsache war, daß es keinen Krach gab.
Aber Cámara befand sich noch in dem Gewölbe. Er hatte sich in die Nähe von Caligulas Tisch begeben und stand gegen eine Säule gelehnt, so daß Lopez ihn von der Theke aus nicht sehen konnte.
„Alle Weiber zu mir!“ brüllte Caligula gerade und griff nach der Rothaarigen. „Du bist richtig für mich! Wie fühlst du dich an? Ha, ihr seid gut gebaut, ihr weißen Weiber! Mit euch gefällt mir das Leben!“
Lachend rutschte die Rothaarige auf seinen Schoß. Joanna kniff sie in den Oberschenkel, und auch der Dunkelhaarigen warf sie hin und wieder einen giftigen Blick zu. Sie wollte sich das Geschäft mit Caligula nicht verderben lassen.
Aber die Rothaarige ließ sich nicht beeindrucken. Kichernd und glucksend ließ sie sich von Caligula abtasten.
„Bei dir möchte ich meinen Anker werfen“, sagte er mit dunkler Stimme. „Wie wär’s?“
„Einverstanden, aber das kostet dich einen Goldtaler.“
„Wir nehmen auch die beiden anderen mit.“
„Zu dritt?“ fragte sie und blickte ihn erstaunt an. „Schaffst du das denn? Bist du ein solcher Riese?“
„Du wirst staunen“, röhrte Caligula und stimmte wieder ein brüllendes Gelächter an.
Cámara hatte sich von der Säule abgestoßen und trat an den Tisch. Er mischte sich unter die Schnorrer und musterte Caligula mit offener Verachtung.
Noch registrierte Caligula es nicht, noch galt seine ganze Aufmerksamkeit den drei Frauen. Aber plötzlich flog der Krug um, und das Bier lief über die Tischplatte. Die Pfütze breitete sich aus, und einige Tropfen fielen auf Caligulas Beine und den Schoß der Frau.
„He!“ brüllte Caligula. „Könnt ihr nicht aufpassen, Ihr Idioten? Jetzt ist das feine Bier beim Teufel! Wirt!“
„Ich frage mich, was so ein schwarzer Hurensohn in einer Kneipe wie dieser zu suchen hat“, sagte Diego Cámara laut und deutlich.
Caligula blickte zu ihm auf. Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben. „Wie war das? Sag das noch mal!“
„Du bist ein schwarzer Hurensohn“, sagte Cámara. „Und hier fliegst du jetzt raus. Nigger haben hier nichts verloren. Und sie sollen keine weiße Frau beschmutzen, auch wenn es sich um eine Hure handelt.“
Joanna richtete ihren Zeigefinger auf den Fischhändler. „Moment mal. Du hast sie wohl nicht mehr alle, was? Sieh zu, daß du Land gewinnst, oder du kannst was erleben. Was fällt dir eigentlich ein, meinen Freund zu beleidigen?“
„Für Nigger ist hier kein Platz“, sagte Cámara. Seine Schläfenadern waren angeschwollen.
Lopez nahte, und die Zecher versuchten, Cámara einzukreisen und fortzuzerren. Doch der ließ sich nicht wegziehen. Auch Caligula hatte inzwischen reagiert. Er stieß die Rothaarige fort, war mit einem Ruck auf den Beinen, daß sein Stuhl umkippte, und warf sich über den Tisch hinweg auf Cámara.
„Schwarzer Dreck!“ brüllte Cámara. „Negersau! Raus!“ Er hieb mit den Fäusten auf Caligula ein. Aber der riß ihn um und wälzte sich mit ihm über den Boden. Sie fluchten und kämpften wie Raubtiere.
Cámara hatte Caligula unterschätzt. Er war sich zwar im klaren darüber, daß dieser Kerl sehr stark sein mußte, doch er hatte fest damit gerechnet, daß das viele Bier seine Reaktionsschnelligkeit und sein Kampfvermögen geschwächt hätte.
Das war nicht der Fall. Caligula drosch wild auf den Fischhändler ein, er war wie von Sinnen. Nie war er derart beschimpft worden, selbst von El Tiburon, seinem erklärten Todfeind, nicht.
Lopez wandte sich an Libero, seinen kleinen, schmächtigen Gehilfen. „Dieser verdammte Cámara“, zischte er. „Jetzt haben wir die Bescherung! Los, lauf in die Stadt zum Gendarmerieposten und hol Hilfe. Der Schwarze schlägt hier alles kurz und, klein, das sehe ich schon kommen.“
Libero verschwand. Auf schnellen Füßen eilte er in die Stadt und betrat das Gebäude der Gendarmerie. Der Leiter der Stadtgarde hörte sich an, was er zu melden hatte, und schickte sofort drei Mann los.
Caligula hatte Cámara gepackt und hochgezerrt. Er hob ihn an und schleuderte ihn quer durch den Raum. Cámara prallte gegen eine Säule und glitt daran zu Boden. Schlaff und reglos war seine Gestalt, er gab keinen Laut mehr von sich.
„Wasser!“ brüllte Caligula. „Er soll aufwachen! Ich bin noch nicht mit ihm fertig!“
„Wasser vom Brunnen!“ rief jemand. „Oder einfach Bier!“
„Nein.“ Lopez hatte beschlossen, eine Heldentat zu vollbringen und Cámara das Leben und sich selbst die Einrichtung der Kaschemme zu erhalten. Er trat vor Caligula hin und sagte: „Bitte, laß ihn jetzt in Ruhe. Er hat seine Lektion bezogen. Du schlägst ihn sonst noch tot.“
Caligula versetzte Lopez einen Stoß, daß er rückwärts durch den Raum taumelte und über einen Stuhl stolperte. Drohend rückte Caligula wieder auf den Fischhändler zu, packte ihn und riß ihn zu sich hoch.
„Wach auf, du Drecksack!“ brüllte er ihn an. Dann schüttelte er ihn.
Cámaras Kopf pendelte bedenklich hin und her. Joanna war die erste, die darauf aufmerksam wurde. Sie trat zu Caligula und bedeutete ihm, den Mann wieder zu Boden sinken zu lassen. Keiner glaubte, daß er es wirklich tun würde. Und doch gehorchte er. Sein Gesicht war verzerrt, die Augen weit aufgerissen, so daß das Weiße zu sehen war, aber Joannas Einfluß auf ihn war erstaunlich.
Sie untersuchte Diego Cámara und richtete sich wieder auf.
„Er ist tot“, sagte sie. „Du hast ihm das Genick gebrochen, Caligula.“
Drei Gendarmen stürmten in die Kaschemme, begleitet von Libero, der sogleich hinter der Theke in Deckung ging.
Lopez war auf den Beinen, deutete außer sich vor Zorn auf Caligula und schrie: „Er hat Cámara umgebracht! Legt ihn in Ketten!“ Vergessen war das gute Geschäft, jetzt galt nur noch eins: Der Schwarze war ein Mörder und mußte eingesperrt werden.
Die Gendarmen stürzten zu Caligula, und einer von ihnen rief: „Die Hände hoch! Du bist verhaftet, Kerl!“
Caligula griff ihn als ersten an und fällte ihn durch einen einzigen Hieb. Die beiden anderen versuchten, ihn zu packen, aber seine Arme waren wie Windmühlenflügel. Sie wirbelten durch die Luft, und die Fäuste trafen ihr Ziel. Stöhnend ging der zweite Gendarm in die Knie.
Der dritte richtete die Muskete auf Caligula, doch Caligulas Fuß flog hoch. Er trat ihm die Waffe aus den Händen, sie polterte zu Boden. Der Gendarm wollte seine Pistole zücken. Er schrie: „Im Namen des Gesetzes, ergib dich!“
„Das Gesetz bin ich!“ brüllte Caligula. Wieder schlug er zu.
Lopez kauerte hinter der Theke neben Libero.
„Lauf!“ zischte er. „Hol einen Trupp Soldaten. Direkt aus der Residenz. Alles andere hat keinen Sinn!“
Wieder rannte Libero los. Er war froh, daß er die Kaschemme verlassen durfte. Wie der Blitz sauste er durch die Stadt, verfolgt von den erstaunten Blicken der Passanten. Er stoppte vor einem Posten am Hauptportal des Gouverneurspalastes und brachte hastig seine Alarmmeldung vor.
Caligula hatte den dritten Gendarmen niedergeschlagen und packte jetzt einen Stuhl. Er drosch damit auf die Tische ein. Die Huren kreischten, die Zecher wichen vor ihm zurück.
„Wo ist der Wirt, dieser Hurensohn?“ brüllte er. „Er will mich in Ketten legen lassen! Ich breche auch ihm die Knochen!“
Lopez begann zu zittern. Nie hatte er größere Angst gehabt. Sie war nackt, kalt und grausam, sie lähmte ihn und schnürte ihm die Kehle zu. Er kroch unter die Theke, aber er wußte, daß er auch dort nicht in Sicherheit war. Caligula würde hier nachsehen und ihn finden.
Joanna stellte sich vor Caligula hin und hob beide Hände.
„Sei doch vernünftig!“ rief sie. „Du hast schon genug angestellt! Los, wir gehen zu mir nach Hause!“
Den Kopf leicht gesenkt, das Gesicht immer noch verzerrt, blieb er vor ihr stehen.
„Das hier – das ist meine Angelegenheit“, sagte er. „Bring dich in Sicherheit. Nimm die anderen Weiber mit. Wir sprechen uns später.“
„Laß Lopez in Ruhe. Er hat dir nichts getan.“
Caligula griff nach ihrem Arm und beförderte sie zum Ausgang. Die Dunkelhaarige, die Rothaarige und noch eine vierte Hure, die erst vor kurzem eingetroffen war, folgten ihnen. Caligula stieß alle vier ins Freie, dann rammte er die Tür zu, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
„Lopez!“ brüllte er. „Zeig dich! Der schwarze Hurensohn hat noch ein Wörtchen mit dir zu reden!“
Lopez gab keinen Laut von sich. Caligula war mit einem Satz zwischen den Tischen, riß einen Stuhl hoch und zertrümmerte ihn. Mit dem einen Bein drosch er auf alles ein, was ihm im Weg war – auf Tische und Menschen, Säulen und Lampen. Alles ging zu Bruch, systematisch arbeitete er sich auf die Theke zu.
„Ich weiß, wo du bist!“ schrie er. „Los, leg mich in Ketten!“