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Typisch Feigling: Abwarten
Wen wundert es, dass Herr Anders unzufrieden war? Doch aus Sorge, sich den nächsten Karrieresprung zu verbauen, sprach er den Vorstand nicht mehr auf die avisierte neue Aufgabe an. Er erinnerte sich an die Worte »Ich komme auf Sie zu, sobald die Dinge sich geklärt haben«. »Wenn ich ihn jetzt anspreche, sieht es so aus, als würde ich mich über seine Worte hinwegsetzen und drängen. Außerdem könnte der Eindruck entstehen, ich sei mit meiner aktuellen Aufgabe nicht zufrieden. Am Ende kippt das positive Bild, das der Vorstand von mir hat, und ich gefährde die bis jetzt gute Beziehung.« Diese Überlegungen hielten Herrn Anders tatsächlich eineinhalb Jahre davon ab, das Gespräch mit dem Vorstand zu suchen und die Situation zu klären.
Den Gedanken von Herrn Anders könnte man die Überschrift »Worst-Case-Szenarien« geben. Typisch für Feiglinge. Je länger sie über negative Verläufe nachdenken, sich diese regelrecht ausmalen, desto größer wird die Angst davor, dass es tatsächlich so kommen könnte. Die Chancen, die in einem Gespräch lagen, blendete Herr Anders lange Zeit aus. Erst nach eineinhalb Jahren fand er schließlich den Mut für ein klärendes Gespräch mit seinem Vorstand. Vorwürfe sind selten sinnvoll und so richtete er seinen Blick nach vorne. Auf seine gezielten und klaren Fragen an den Vorstand zur weiteren Planung seines Einsatzes bekam er die Antwort, dass in absehbarer Zeit keine Veränderung vorgesehen sei. An das Gespräch vor achtzehn Monaten konnte sich der Vorstand nur noch vage erinnern. »Mag sein, Herr Anders, dass es seinerzeit Überlegungen gab, die haben sich wohl aufgelöst.«
Herr Anders verließ das Gespräch mit einer Mischung aus Wut und Erleichterung. Die Wut richtete sich zum Teil gegen den Vorstand, der sich kaum noch an die geäußerte Jobperspektive erinnern konnte, geschweige denn, sich daran gebunden fühlte. Einen großen Teil seiner Wut richtete Herr Anders aber gegen sich selbst: Warum in aller Welt hatte er das damalige Gespräch einfach so stehen lassen, ohne jemals nachzufassen? Wie viele schlaflose Nächte hatte ihn die unklare Situation gekostet? Wie viele zermürbende Diskussionen mit seiner Familie? Die Erleichterung galt der Erfahrung, Mut aufgebracht und damit Klarheit erhalten zu haben. Der Inhalt war zwar nicht positiv, denn eine Beförderung ist etwas anderes als die Aussage, dass sich in den kommenden Jahren keine Veränderung ergeben würde. Aber die Klarheit war der Gewinn – darin lag die positive Erfahrung, die Herrn Anders für die Zukunft stärkte.
Eine späte Einsicht, aber immerhin eine, die ihn zukünftig vor vergleichbaren Situationen schützen würde. Fragezeichen ließ er seitdem nicht lange im Raum stehen, sondern nahm es mit Arthur Schopenhauer, der sagte:

Typisch Feigling: Hinhaltetaktik
So widerspruchslos Herr Anders das Ausbleiben einer zugesagten Beförderung hingenommen hatte, so widerspruchslos nahm Frau Kunze die Aussage ihres Chefs hin. Seit sechs Jahren arbeitete sie in Teilzeit als Sachbearbeiterin im Vertragsmanagement eines Energieunternehmens. Nach der Trennung von ihrem Mann lebte sie nun mit ihren beiden Kindern alleine und war darauf angewiesen, ihre Einkommenssituation zu verbessern. Also fragte sie ihren Vorgesetzten, ob sie ihre Teilzeitstelle auf eine Vollzeitstelle ausweiten könne. Ihr Vorgesetzter meinte, dies sei momentan im Unternehmen grundsätzlich schwierig, da Personalkosten reduziert werden sollten. Er müsse einen günstigen Zeitpunkt abwarten, dann würde er vorsichtig nachfragen. Doch: Kein Bild, kein Ton kam dazu von Frau Kunzes Vorgesetztem. Stattdessen hörte sie aus der Nachbarabteilung, dass einer Mitarbeiterin eine Vollzeitstelle genehmigt wurde und deren Chef sich sehr dafür eingesetzt hatte. Überhaupt lief in der Nachbarabteilung einiges anders: Die Mitarbeiter waren oft deutlich besser und schneller über Themen im Unternehmen informiert, und der Leiter der Abteilung war bekannt dafür, dass er seine Leute in gute Positionen weiterentwickelte. Es war bestimmt nicht einfach, mit der Kritik umzugehen, die dieser Leiter seinen Mitarbeitern stets zukommen ließ, sobald ihm ein zu optimierendes Verhalten aufgefallen war. Aber das war allemal besser, als nie irgendeine Rückmeldung zu bekommen. So wie Frau Kunze es bei ihrem Vorgesetzten erlebte.
Den perfekten Chef gibt es nicht – das wusste auch Frau Kunze. Aber ein Chef, der ständig »günstige Zeitpunkte brauchte, um vorsichtig etwas anzusprechen«, war nun wirklich nicht ernst zu nehmen. Letztlich hat Frau Kunze das Unternehmen enttäuscht verlassen, um woanders eine Vollzeitstelle anzunehmen. Schade – eine gute Mitarbeiterin, die eine Konsequenz aus der Feigheit ihres Vorgesetzten gezogen hat.
Führungskräfte geben klare Antworten
Als Führungskraft geht es keineswegs darum, den Mitarbeitern jeden Wunsch zu erfüllen. Das war sicherlich auch nicht die Erwartungshaltung von Frau Kunze. Auf jeden Fall wäre es wichtig und sinnvoll gewesen, ihr Anliegen ernst zu nehmen und an den nächsthöheren Vorgesetzten und /oder die Personalabteilung weiterzugeben. Somit hätte die Überlegung zu einer Vollzeitstelle auf breiterer Ebene stattfinden können – möglicherweise mit dem Ergebnis der Versetzung in eine andere Abteilung. Vielleicht wäre das Anliegen von Frau Kunze auch auf Ablehnung gestoßen. Wie auch immer ihre Frage nach einer Vollzeitstelle beantwortet worden wäre, sie hätte eine Antwort erhalten: ein klares Ja oder Nein oder die Angabe eines Termins, zu dem ihr eine Vollzeitstelle hätte angeboten werden können. Doch am Ende gab es lauter Widersprüche: Frau Kunze erfuhr von ihrer Kollegin, dass diese nun eine Vollzeitstelle besetzte. Und das, obwohl Frau Kunze doch gesagt worden war, momentan müssten Personalkosten reduziert werden. Ihr Wunsch käme daher zum falschen Zeitpunkt. Was stimmte denn nun? Schlimm, dass sich die Mitarbeiterin die Wahrheitsfrage überhaupt stellen musste. Noch schlimmer aber war, dass sie keinen Sinn darin sah, ihrem Vorgesetzten diese Frage zu stellen – und das Unternehmen verließ. Denn sie wusste, dass Feiglinge niemals klare Antworten geben.
Das ist leider typisch: Für Feiglinge gibt es einfach keinen richtigen Zeitpunkt, aus ihrer Sicht Unangenehmes anzusprechen. Daher schieben sie wichtige Themen vor sich her, bis sie sich entweder von selbst erledigt haben oder andere sie für sie erledigen. Angemessenes Führungsverhalten bewirkt Klarheit, Feiglinge produzieren Nebel und dicke Luft. Feiges Verhalten zu identifizieren und zu kritisieren ist im Übrigen die Aufgabe des nächsthöheren Vorgesetzten, nicht die der Mitarbeiter.
Von vorgesetzter Führung und führenden Vorgesetzten
Oft erlebe ich, dass die Begriffe »Vorgesetzter« und »Führungskraft« gleichbedeutend verwendet werden. Wenn wir uns die Worte genau anschauen, meinen sie aber keinesfalls das Gleiche.
Vorgesetzte sind nicht automatisch Führungskräfte
Stellen Sie sich vor, Sie übernehmen morgen eine neue Abteilung. Dieser werden Sie also buchstäblich vorgesetzt, es sei denn, die Mitarbeiter hätten sich Sie als Chef ausgesucht. Trotz allen Fortschritts in der Personalarbeit ist das sicherlich unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher und üblich ist es, dass die Mitarbeiter irgendwann im Vorwege Ihrer Stellenübernahme die Information erhalten, dass sie ab Datum X einen neuen Vorgesetzten bekommen werden. Ab diesem Tag prägen Sie mit Ihrem Verhalten die Arbeitsbeziehung zu Ihren Mitarbeitern und das Miteinander wird darüber entscheiden, ob Sie als Vorgesetzter oder als Führungskraft gesehen werden.
Die Führungskraft – emotional akzeptierter Leitwolf
Führen impliziert, dass Ihre Mitarbeiter Ihnen folgen. Tun sie das? Und woran erkennen Sie, dass Ihre Mitarbeiter Ihnen tatsächlich folgen? Sich führen zu lassen ist zum großen Teil ein Sich-Einlassen auf einen Menschen, nicht zuletzt emotional. Es bedingt das Vertrauen in die Kompetenz und Verlässlichkeit der Person, die den Führungsanspruch erhebt.
Aus dem Vertrauen erwächst die Bereitschaft, manchmal sogar die Freude, mit diesem Menschen zusammenzuarbeiten und sich für dessen Ziele zu engagieren. Eine Führungskraft, die in das Vertrauen ihrer Mitarbeiter investiert, zeigt immer auch Mut und Ehrlichkeit in der eigenen Positionierung. Wenn die Arbeitsbeziehung endet, zum Beispiel, weil die Führungskraft sich beruflich verändert, reagieren die Mitarbeiter betroffen, oft sogar mit Traurigkeit und Bedauern.
Der Vorgesetzte – kognitiv akzeptiertes Schaf im Wolfspelz
Wenn die Entwicklung vom Vorgesetzten zur Führungskraft nicht gelingt, arbeitet das Team lediglich mit dem Vorgesetzten zusammen, weil ihm nichts anderes übrig bleibt, weil es eine von außen angewiesene, vorgeschriebene Ordnung so erfordert. Wenn das Verhalten des Vorgesetzten zu belastend wird, bleibt Mitarbeitern häufig nur noch die Kündigung. Wir alle kennen den Spruch: »Mitarbeiter trennen sich nicht vom Unternehmen, sondern von ihrem Chef.«
Interessanterweise, nach einigem Nachdenken jedoch wenig überraschend, finden sich viele Feiglinge unter den Vorgesetzten. Sicherlich kennen Sie das Phänomen in Unternehmen, dass es Abteilungsleiter, Bereichsleiter oder Vorstände gibt, mit denen kaum jemand zusammenarbeiten möchte. Dort gehen einfach keine internen Bewerbungen ein, obwohl die ausgeschriebenen Stellen grundsätzlich attraktiv sind. Gott sei Dank gibt es aber auch den umgekehrten Fall: Da nehmen Mitarbeiter durchaus längere Anfahrtswege in Kauf, um mit einem bestimmten Abteilungsleiter zusammenzuarbeiten. Die Positionen in der Abteilung sind sehr beliebt und es hagelt Bewerbungen, wenn Vakanzen ausgeschrieben werden.
Wirkliche Führungskräfte haben Follower, manche sogar regelrechte Fans. Die Mitarbeiter folgen ihnen, indem sie sich für das gemeinsame Ziel engagieren.

Emotional akzeptiert werden – warum gelingt das nicht allen Stelleninhabern mit Führungsverantwortung? Weil nicht alle über ein ausreichendes Maß an Wollen (Motivation) und Können (Fähigkeit) verfügen.
Wollen und Können
Das Wollen beschreibt die Motivation von Menschen, Führungsfunktionen zu übernehmen. Es gibt einige, die nicht Führungskraft sein wollen. Sie werden nicht primär von dem Wunsch zu führen getrieben, sondern es liegen andere Motive hinter der Entscheidung: Vielleicht konnten sie nicht Nein sagen, als man ihnen die Stelle als Abteilungsleiter anbot. Oder es geht ihnen um den Status der Leitungsfunktion und der Posten als Abteilungs- oder gar Bereichsleiter ist für sie eine Prestigefrage. Dann definieren sie sich über die Streifen auf der Schulter und investieren eher in die Beziehungen nach oben als in die Beziehungen zu ihren Mitarbeitern. Letztere sind für sie in erster Linie Funktionsträger, die im Bedarfsfall austauschbar sind. Zwischenmenschliche Aspekte sind weniger wichtig.
Führungskräfte wollen und können führen
Der zweite Aspekt ist der des Könnens: Es fehlt an Führungskompetenz oder an der nötigen Erfahrung, um die Arbeitsbeziehungen zu den Mitarbeitern positiv zu gestalten.
Wenn Sie feststellen, dass die Anfangszeit in Ihrer neuen Führungsaufgabe, aus welchen Gründen auch immer, holperig verläuft, holen Sie sich Unterstützung oder Rat – bei erfahrenen Führungskräften oder externen Experten. Es ist keine Schande, sich einzugestehen, in seiner neuen Führungsrolle noch nicht hundertprozentig sicher zu sein.
»Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne« – das gilt auch für neue Führungsbeziehungen. Sobald Sie Ihre Mitarbeiter von Ihrem Wollen und Können überzeugen, folgen sie Ihnen und erkennen Sie als Führungskraft an. Sie werden es an den Leistungen feststellen!
Für den schnellen Leser:













2. Das Phänomen FEIGHEIT

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