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Die Tiere nickten, sie waren einverstanden und bildeten einen großen Kreis. Als Erstes trat das Huhn in die Runde. „Ist es nicht selbstverständlich, dass ich die Eier für die Menschenkinder verstecke?“, fragte es. „Schließlich bin doch auch ich dasjenige Tier, das die Eier legt. Niemand kann also besser mit Eiern umgehen als ich.“ Und zur Bestätigung scharrte das Huhn mit den Krallen im Sand und legte auf die Schnelle noch ein Ei.
Als Nächstes trat der Fuchs in den Kreis der Tiere. „Ihr wisst, wie listig ich bin“, sagte er zu den anderen Tieren. „Listiger als ihr alle zusammen. Ich werde den Menschenkindern die Eier so gut verstecken, dass sie lange suchen müssen, um sie zu finden. Das wird sicher ein großer Spaß, nicht wahr?“ Der Fuchs blinzelte verschwörerisch in die Runde.
Da krabbelte die Maus an ihm vorbei und stellte sich in den Kreis der Tiere. „Der Fuchs mag schlau und listig sein, ich aber bin flink und wendig“, sagte sie. „Ich kann die Eier für die Menschenkinder so schnell verstecken, dass niemand etwas davon mitbekommt. Und das ist doch wohl das Wichtigste beim Verstecken.“ Und um den anderen Tieren zu zeigen, wie schnell und flink sie war, sauste die Maus ein paar Runden durch den Kreis.
Auf diese Art und Weise ging der Tag dahin. Jedes der Tiere trat nacheinander in die Mitte und versuchte, die anderen davon zu überzeugen, dass es selbst am allerbesten dazu geeignet wäre, die Eier für die Menschenkinder zu verstecken.
Als es schließlich Abend geworden war und der runde Mond hinter den Wolken hervortrat, hoppelte der Hase in den Kreis der Tiere.
„Ostern, das Fest, bei dem die Eier versteckt werden, ist ein Fest des Frühlings und des Lebens“, sagte der Hase. „Deshalb sollte ich die Ostereier verstecken, denn kein Tier hat so viele Nachkommen wie ich.“
Der Hase wies mit den Pfoten stolz auf seine große Kinderschar, die das Geschehen von außerhalb des Kreises beobachtete. „Außerdem fällt das Osterfest immer auf die Zeit des Vollmondes. Schaut euch den Mond an!“, wies der Hase die anderen Tiere an. „Erblickt ihr nicht das Bild des Hasen im Mond?“
Die anderen Tiere blickten auf. Und tatsächlich, jetzt erkannten sie das Bild eines Hasen in den dunklen Schatten der Mondscheibe. Aufgeregt beratschlagten die Tiere untereinander. Aber der Hase hatte die anderen überzeugt. So waren die Tiere einstimmig der Meinung, dass der Hase den Wettstreit gewonnen hätte. Auch die alte Eule nickte zustimmend mit dem Kopf.
Und so geschah es, dass von da an der Hase die Ostereier zu den Menschenkindern brachte.
Simone Philipp wurde 1976 in Karlsruhe geboren und studierte klassische Archäologie, Religionswissenschaft und Kunstgeschichte in Tübingen und Heidelberg. Seit 2003 lebt sie mit ihren drei Kindern in Graz. Beruflich arbeitet sie als Trainerin im Menschenrechtsbildungsbereich, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin und Projektkoordinatorin. Außerdem ist sie auch Schriftstellerin, bildende Künstlerin, Redakteurin, Lektorin und Jurorin. Zahlreiche Veröffentlichungen finden sich in Anthologien, Literaturzeitschriften und im Internet.
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Die Hexe und der Hase
In den Wäldern des Riesengebirges lebte einst die Hexe Gruselda Mieselinde Schierlingsgelb, Hexenmeisterin allererster Klasse. Sie ärgerte sich über lachende Kinder ebenso wie über zwitschernde Vögel. Am meisten ärgerte sie sich jedoch über den Osterhasen, der unter dem Haselbusch gegenüber wohnte. Sobald Gruselda das Wort Hase aussprach, verfärbte sich ihr Gesicht grüngelb und sie begann zu husten. Dieses Jahr wollte sie dem Osterhasen eine Lektion erteilen, die er nicht so schnell vergaß. Sie hatte schon einen Plan.
„Abraxus? Wo steckst du schon wieder?“ Die Tür des Hexenhauses knarrte und Gruselda steckte ihre lange Nase aus dem Türspalt. „Abraxus! Wenn du nicht sofort erscheinst, wirst du die nächsten Monde …“
Der Zauberlehrling erfuhr nicht mehr, welche Strafe für ihn bestimmt war. „Ich bin doch schon da, beste Madame. Was steht zu Diensten?“
„Lauf zum Bauernhof und leg dich beim Hühnerstall auf die Lauer. Sobald du weißt, wann die Eier für den Ha... chk ... chk ... Hasen geliefert werden, kommst du zurück. Und jetzt beeil dich!“
Vergnügt pfeifend machte sich Abraxus auf den Weg. Ein Ausflug zum Bauernhof war hundert Mal besser, als Zaubersprüche zu lernen oder Eulenfedern zu sammeln.
Die Hexe hingegen machte drei Schritte Richtung Haselbusch und hielt nach dem Hasen Ausschau. „Wenn ich nur an den Ha... chk ... chk ... Hasen denke, bekomme ich Magenbeschwerden“, schimpfte sie vor sich hin. „Was fällt diesem Löffeltier ein, sich so aufzuspielen? Kinder herlocken und beschenken, sonst noch was! Dann rennen die Fratzen stundenlang durch meinen Wald und stören mich bei der Arbeit. Wie soll ich bei diesem Lärm mein Buch „Wie wird man eine berühmte Hexe“ fertig schreiben? Nein, nein, diese Gören sollen bleiben, wo sie sind.“
Zornig stampfte die Hexe mit dem Fuß auf. „Warum die Menschen diesen mickrigen Ha... chk ... chk ... Hasen lieben, versteh ich überhaupt nicht. Ich beherrsche die schwierigsten Zaubersprüche, koche die beste Krötensuppe, bin die einzige Hexe, die ein Buch schreibt. Sollten sie nicht mich bewundern? Aber diesmal werde ich ihm sein Fest versalzen. Ich habe einen Plan. Ich werde …“
Die Hexe konnte den Satz nicht beenden, denn Abraxus kam im Laufschritt herangekeucht. „Madame Gruselda, pff! Madame Gruselda, es eilt!“ Der Zauberlehrling schnappte nach Luft. „Die Hennen bringen ihre Eier schon heute zum Haselstrauch. Sobald es dunkel ist, ziehen sie los.“
„So, so, heute Nacht soll die große Lieferung sein.“ Die Hexe zog ihre knöchernen Finger lang, bis sie knackten. „Ich fürchte, dass es für die Hennen heute keine Ausgangserlaubnis geben wird.“ Gruselda kicherte und klatschte in die Hände: „Husch, husch! Hol meinen Besen, Abraxus! Ich fliege zum Hühnerstall.“
„Ist es nicht zu hell zum Fliegen?“, fragte der Zauberlehrling, als er mit dem Besen zurückkam.
„Abraxerle, du bist ja ein schlaues Kerlchen“, lobte die Hexe. „Du hast völlig recht. Doch wozu gibt es Wolken?“ Sie streckte den Zeigefinger zum Himmel und murmelte einen Zauberspruch. Sogleich schwebte eine dicke graue Wolke herbei und ließ sich auf dem Dach des Hexenhauses nieder.
„Vergiss nicht die Krötensuppe auf dem Herd umzurühren“, rief die Hexe ihrem Lehrling zu. „Und lern endlich den Zauberspruch 27. Wenn ich zurückkomme, will ich ihn fehlerfrei hören.“ Sie stieg auf ihren Besen und schwebte zum Rauchfang hoch. Ein Satz und schon waren Wolke und Hexe Richtung Bauernhof unterwegs.
„Mir scheint, ich bin gerade rechtzeitig gekommen“, flüsterte Gruselda. Vor neugierigen Blicken in der Wolke geschützt, beobachtete sie, wie die Bäuerin die Hühner in den Stall sperrte. Sobald es dunkel war, schlich sie auf Zehenspitzen zum Hühnerstall, schlug die Türe zu und schob den hölzernen Riegel vor.
Dann beugte sie sich zum winzigen Guckloch und zischte: „Der Abendspaziergang ist gestrichen, meine Damen. Und Ostern fällt heuer aus!“ Zufrieden rieb sie ihre knochigen Hände. „Auf zum Mondscheinflug. Mal sehen, ob Horrifikus in seiner Burg sitzt. Seinen köstlichen Nachtschattenwein habe ich mir heute verdient.“ Sie kletterte auf ihren Besen und schwebte über die Baumwipfel dem Sternenhimmel entgegen.
Bei den Hennen herrschte unterdessen große Aufregung. Sie trippelten auf ihren Stangen auf und ab und gackerten kläglich. „Der Osterhase wartet auf uns.“
„Ohne unsere Eier gibt es kein Osterfest.“
„Können wir gar nichts tun?“
Karoline, die kleine rotbraune Henne, meldete sich zu Wort: „Helft alle mit. Ich will versuchen, durch das Guckloch zu schlüpfen.“ Sie flatterte zur obersten Stange und steckte den Kopf durch die Lücke. Die großen Hennen schoben und drückten, die kleine Henne ächzte und piepste, und schwupps war sie im Freien. „Ich hol Benno, den Hofhund. Der ist stark genug, um den Riegel wegzuschieben“, rief sie von draußen. Bei sich dachte sie: „Es hat auch sein Gutes, wenn man so dünn und mickrig ist.“
Im Nu waren alle Hennen befreit und mit den Eiern auf dem Weg zum Osterhasen. „Das ist ja noch einmal gut gegangen“, stellten die Hennen nach ihrer Rückkehr erleichtert fest.“
„Ich würde zu gern das Gesicht der Hexe sehen, wenn sie merkt, dass ihr mieser Plan fehlgeschlagen ist“, lachte Karoline.
„Ohne dich hätten wir es nicht geschafft“, lobten die anderen die kleine Henne.
Die wurde vor Verlegenheit hochrot. Nur gut, dass das bei einem rotbraunen Gefieder nicht auffiel.
Drei Tage später kam Gruselda Mieselinde Schierlingsgelb von ihrem Besuch auf der Zauberburg zurück. Beschwingt und heiter, ein Liedchen und den Geschmack des herben Weines noch auf den Lippen, schlenderte sie durch das Wäldchen. „Nun will ich mal sehen, wie es diesem Ha... chk ... chk ... Hasen ohne Eier ergangen ist. Hat er sein Bündel schon gepackt?“
Vorfreude glitzerte in ihren Augen, als sie die Zweige des Haselstrauches zur Seite schob. „Da soll doch! Wie war das möglich?“
Freudiges Glitzern verwandelte sich in zorniges Funkeln, Hexenwangen färbten sich giftgrün. Wütend starrte Gruselda auf den schmalen Grasstreifen vor dem Gebüsch. Vom Osterhasen war nicht einmal das Stummelschwänzchen zu sehen. Aber neben Farbtöpfen in Reih’ und Glied lachten wie immer die bunten Eier aus ihren Strohnestern.
„Glaub ja nicht, dass du gewonnen hast, du komisches Pelzmantelgeschöpf“, schimpfte Gruselda und verfärbte sich dunkelgrün. „Ich gebe nicht auf. Du wirst es gleich erleben!“ Wutentbrannt packte sie einen leeren Kübel und leerte einen Farbtopf nach dem anderen hinein. Flink umgerührt und im Nu floss eine braunschwarze dickflüssige Brühe über die bunten Eier. Zuletzt rollte die Hexe die Eier kreuz und quer durch das Stroh. Kein Rest der bunten Farbe sollte durchscheinen.
„Morgen feiern die Kinder Ostern ohne dich, mein Lieber“, kicherte Gruselda schadenfroh, drehte sich um und verschwand.
Als der Osterhase gut aufgelegt und ausgeschlafen aus der Grube hopste und die Bescherung sah, war seine Verzweiflung groß. „Die armen Kinder“, jammerte er. „Sie freuen sich doch so sehr auf ihr Osternest.“ Er setzte sich ins Gras, klappte die Ohren vors Gesicht und eine dicke Träne tropfte von seiner Wange.
Seine Frau nahm inzwischen ein schwarzes Ei aus dem Nest und drehte es nach allen Seiten. „Schau, einmal!“ Frau Hase hielt ihrem Mann das Ei unter die Nase. „Wie hübsch die Strohhalme auf dem dunklen Hintergrund aussehen. Wie eine Schmuckbordüre.“
Tatsächlich bildeten die hellen Halme wunderschöne Muster auf dem schwarzen Ei. Die beiden Hasen schauten sich an, sprangen auf und jubelten: „Ostern ist gerettet! Die Kinder freuen sich über schwarze Ostereier bestimmt genau so!“
Am Ostersonntag wurde Gruselda Mieselinde Schierlingsgelb vom Jubel der Kinder geweckt. Grün und gelb vor Wut packte sie ihre sieben Sachen und zog mit Abraxus fort.
Der Osterhase wohnt noch immer mit seiner Familie unter dem Haselstrauch. Manchmal legt er ein schwarzes Ei mit Strohverzierung ins Osternest. Hast du schon eines bekommen?
Gabi Eder wurde 1944 geboren, ist verwitwet und hat zwei erwachsene Söhne. Sie verfasst humorvolle, ironische Texte und Reimereien über Tiere und die kleinen Dinge des Alltags. Am liebsten schreibt sie Geschichten über und für Kinder. Zahlreiche Erzählungen wurden in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht.
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Ostertausch
Jedes Jahr zur Osterzeit kommt der Hase und beschenkt die Kinder. Man könnte ihn schon liebevoll „den kleinen Weihnachtsmann“ nennen, denn seine Hingabe ist dieselbe. Überall auf der Erde freuen sich die Kinder über bunte Eier, Schokohasen und andere Geschenke. Der Hase hat es auch nicht leicht, denn für ihn gilt es, kein Kind zu vergessen!
Wieder ein neuer Ostermorgen, der in seiner Schönheit erblühte. Man schaute da und hier, doch das Bett des fleißigen Häschens war bereits leer. Munter zupfte der gesellige Genosse an seinem Ohr herum und machte sich schick für seinen Einsatz. Das Körbchen war schnell gepackt, nun fehlten nur noch die verzierten Eier. Geschwind sauste das Häschen mit dem weichen Fell durch den Wald. Er wollte die Hühner besuchen gehen und sie um viele Eier bitten.
Marsi, seine beste Freundin, half ihm jedes Jahr und auch heute war sie mit von der Partie. Mit viel Freude bemalte sie die Eier mit Punkten, Strichen oder Blumen. Als sie endlich fertig waren, legte Marsi die zerbrechlichen Geschenke behutsam in einen Korb.
Glücklich hoppelte der Hase in den Stall. Dieses Jahr waren die Hühner fleißig gewesen und so standen bereits 18 Körbe fertig vor ihm. Mit einem breiten Grinsen schnappte sich der Hase einen und rannte sofort los.
Der Wald war kein großes Hindernis. Durch Büsche, Hecken und über Wiesen, vorbei an Flüssen und Bergen ging sein Weg. Die Strecke war weit und der Weg beschwerlich. Eisern schleppte der Hase seine Sachen über den letzten Felsen. Da war sie, die Stadt. Glücklich verschnaufte das Häschen, doch nur einige Minuten, denn es blieb nicht viel Zeit um die Wünsche der Kinder zu erfüllen.
Leise schlich er durch die Straßen, huschte in Vorgärten hinein und versteckte die Eier. Kinderlachen erhellte den Tag, so wusste man, wo der Osterhase schon war. Ein kleines Mädchen bekam zum Beispiel eine Puppe und strahlte über beide Ohren. Der fleißige Geselle freute sich mit ihr und verabschiedete sich erst, wenn auch das letzte Ei im Garten gefunden war.
Ein neues Kind, ein anderer Ort. Doch dieser Junge war anders. Er wünschte sich viel mehr und ließ die kleinen Geschenke außer Acht. Auf seinem Zettel standen ein fernsteuerbares Auto, ein Ball, ein Kuscheltier, ein Fahrrad und etwas Süßes.
Mit großen Augen bestaunte der Osterhase die Liste und schüttelte dann nur traurig den Kopf. Wie sollte er solche großen Geschenke transportieren? Zaghaft versteckte er den Ball im Garten und wartete auf eine Reaktion. Der Junge suchte einige Minuten und fand schließlich den bunten Fußball, den er sich gewünscht hatte. Das Geschenk war entdeckt und doch schien der Junge unbefriedigt zu sein.
Traurig verfolgte der Hase das Spektakel. Nach einer Stunde hatte das Kind auch das letzte Ei endlich gefunden. Nun als er wusste, dass in dem Garten nichts mehr zwischen den Blumen und Bäumen auf ihn wartete, begann er zu weinen und zu fluchen. Frustriert schleuderte er den Ball in die nächste Ecke und schrie: „So ein dummer Osterhase! Er hat mir nicht das gebracht, was ich wollte!“
Wehmütig schaute die Mutter auf ihren Sohn hinab: „Timi, glaubst du nicht, dass die ganzen Dinge etwas schwer für den kleinen Osterhasen gewesen wären?“
Doch der Junge überlegte nicht einmal, seine Antwort stand bereits fest: „Nein! Er hat mir das zu bringen, was ich mir wünsche!“
Nun ärgerten sich auch die Eltern über ihren Sohn und gingen stumm nach drinnen. Die Chance nutze der Hase und schlich sich an Timi heran. „Hey du!“, sagte er.
Verdutzt schaute der Junge auf das Häschen. „Was hast du gesagt?“, fragte er verwirrt.
„Ich sagte: Hey du!“, wiederholte der Hase.
„Du kannst sprechen?“, hauchte der Junge ungläubig.
„Na klar, ich bin ja schließlich der Osterhase! Und du hast dich eben über mich beschwert!“
Timi zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Ja, weil du mir nicht das gebracht hast, was ich wollte!“
Nun kochte der Hase innerlich und wurde ein wenig lauter. „Hast du dir mal vorgestellt, wie schwer ich immer zu tragen habe? Ich bin schließlich nicht der Weihnachtsmann. Zu Ostern wünscht man sich nur kleine Sachen!“
Der Junge rümpfte die Nase und verschränkte in derselben Bewegung seine Arme vor der Brust. „Ist mir aber egal, du hast mir zu bringen, was ich mir wünsche!“
Diese Worte brachten das Fass zum Überlaufen. „Weißt du was? Ich möchte, dass du selbst mal spürst, was ich immer erleiden muss. Und wie ich mich fühle, wenn ich nach all meinen guten Taten auch noch auf solche Kinder wie dich treffe! Für dieses Osterfest wirst du meine Rolle übernehmen und die Kinder an meiner Stelle beschenken.“ Sofort berührte das Häschen den Jungen und ihr beider Erscheinungsbild begann sich zu verändern.
Timi schrie auf, als seine Zähne länger wurden, sein Gesicht sich mit Fell bedeckte und an seinem Gesäß ein weißes Schwänzchen wuchs. Auch der einstige Osterhase verwandelte sich und zwar in den Menschen Timi.
„Deine Eltern werden sich wundern, denn so einen lieben Sohn haben sie sicher noch nie gehabt!“ Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen machte sich das freundliche Wesen von dannen.
Verwirrt hockte der verwandelte Junge an Ort und Stelle. Der einstige Mensch betrachtete seinen Körper, fuhr mit der Fingerspitze über die Zähne und bedachte die flauschigen Schlappohren mit einem Aufschrei. „Komm zurück! Was hast du mit mir gemacht?!“, schrie Timi-Hase aufgebracht.
Im selben Moment klingelte seine Armbanduhr, die mit dem Fell und den Ohren gekommen war. Vorsichtig drückte er auf einen der Knöpfe und sogleich verwandelte sich das Zeigerblatt in ein Bild.
„Wo bist du denn? Die Kinder warten!“, sagte Marsi eisern.
Timi verdrehte die Augen. „Keine Ahnung und die Kinder sind mir gerade völlig egal!“
Das konnte Marsi Huhn nicht auf sich sitzen lassen und so suchte sie ihren Freund. Schon nach wenigen Minuten war sie bei ihm. „Was ist los?“, quietschte sie aufgeregt.
„Ich bin nicht der Osterhase, du komisches Federvieh!“, zischte er.
Marsi trat zurück und begann mit Gackern. „Was heißt das nun wieder?“
Timi zupfte genervt an seinen Ohren herum. „Dein Freund hat mich in diesen Fellball verwandelt, weil ich seine Geschenke als zu wenig empfand.“
Nun begann Marsi zu lachen. „Dann ist es deine Strafe und er verwandelt dich erst zurück, wenn du deine Aufgabe gut gemacht hast!“
Und so folgte Timi dem Huhn und arbeitete als Osterhase für einen Tag. Er beschenkte die Kinder und erfreute sich an ihrem Lachen. Er kümmerte sich um die bunten Eier und bemalte teilweise selbst, damit alles schneller ging.
Am Ende kam er an einem Haus vorbei, wo ein kleines Mädchen namens Luna wohnte. Sie erinnerte ihn stark an sich selbst und so begann er sich zu schämen. Denn Luna hatte nur einen großen Hasen als Kuscheltier erhalten und war unzufrieden. Fluchend rannte sie durch den Garten und drückte das Kuscheltier in den Dreck. Doch für Timi war es nun einmal unmöglich gewesen noch mehr zu tragen und so senkte er seinen Kopf und ging nach Hause.
Wie die Henne Marsi es vorausgesagt hatte, verwandelte der Hase den Jungen zurück.
„Es tut mir leid“, flüsterte Timi verlegen. „Wenn du nächstes Jahr mal Hilfe brauchst, dann komm einfach vorbei. Ich wusste einfach nicht, was da alles dran hängt!“
Nun wurde der Osterhase aufmerksamer. „Heißt das du würdest mir wirklich helfen?“
Timi nickte und brachte ein überzeugendes Lächeln hervor. „Nur noch eine Sache. Da gibt es ein Mädchen namens Luna, sie hätte diese Verwandlung auch mal nötig!“
Der Hase verschränkte die Arme vor dem flauschigen Bauch. Dann zwinkerte er dem Jungen zu und sagte: „Ich werde es mir merken!“
Und so endete ein wundervolles Osterfest. Ein Kind wurde eines besseren belehrt und gewann einen neuen Freund. Und im nächsten Jahr würde der Osterhase einem anderen Menschen zeigen, dass auch sein Leben nicht einfach ist, er aber dennoch alles tut, um liebe Kinder zu beschenken!
Marie-Luis Rönisch wurde am 26.02.1993 in Großröhrsdorf geboren. Zurzeit besucht sie die 12. Klasse des Ferdinand-Sauerbruch-Gymnasiums. Neben dem Schreiben interessiert sie sich auch für Musik und Schauspiel. Im Moment schreibt sie an unterschiedlichen Werken aus dem Bereich Kinder- und Jugendliteratur (Fantasy).
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Ostergruß
Die Sonne strahlt im Blumengarten,
Kinder können’s kaum erwarten.
Wenn’s Frühling ist in Feld und Wald,
dann kommt der Osterhase bald!
Bunt bemalte Ostereier
laden ein zur Osterfeier.
Der Osterhas’ hat viel zu tun,
hat keine Zeit, um auszuruh’n!
Mit seinen Helfern werkelt er,
und tolle Verstecke müssen her!
Im tiefen Wald unterm Eichenbaum
ist Osterhäschens Werkstattraum!
Hier entstehen tolle Sachen,
die allen Kindern Freude machen!
Doch viel Zeit hat er nicht mehr, nein,
denn bald wird Ostersonntag sein!
Endlich erwacht der Ostertag,
den Groß und Klein so gerne mag!
Schnell aus dem Bett will jedes Kind,
und seh’n, wo Osterhäschens Verstecke sind!
Wenn dann gefunden all die bunten Eier,
kommt die große Osterfeier!
Denn nach dem vielen Eiersuchen,
gibt’s zur Belohnung Kaffee und Kuchen!
Danach gehen wir spazieren dann,
und dabei es passieren kann,
dass wir sehen den Osterhas’,
er ruht sich aus im grünen Gras!
Wir sagen ihm leise „Dankeschön,
bis zum nächsten Jahr, auf Wiedersehen!“
Cosima Konrad, Jahrgang 1976, schreibt seit 2002. Ihr erstes Gedicht „100 Jahre“ erschien im Dezember 2008 in der Papierfresserchen-Anthologie „Polkappen – Die letzte Scholle“. Seitdem wurden verschiedene Gedichte und Kurzgeschichten in weiteren Anthologien veröffentlicht.
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Sterne für Nico
Ulrich Münzer sah erst das weiße Blatt in seinen Händen, dann das gelbe Ding zu seinen Füßen erschrocken an. „W … was bist du?“, stotterte er.
„Sieht man das nicht?“, fragte das Ding verschmitzt. „Ich bin ein Ge-Stern!“ Ulrich schien immer noch nicht zu verstehen. Gerade noch hatte er die Kinderzeichnung auf dem Blatt angestarrt und plötzlich stand da ein leibhaftiger sprechender Stern! „Ich bin hier, weil du dir doch gewünscht hast, deinem Sohn Nico einen echten Stern zu schenken. Wenn du meine kleine Aufgabe erfüllst, gehöre ich dir“, erzählte der Stern weiter.
Ulrich dachte zwar, er sei verrückt, doch trotzdem fragte er nach. „Und … was für eine Aufgabe wäre das?“
Der Ge-Stern lächelte: „Ich werde dich in die Vergangenheit zurückschicken, um genau zu sein, einen Tag zurück.“
Ulrich sagte überrascht: „Ach so! Ich verstehe! Ge-Stern – gestern!“
„Ja, richtig“, nickte der Stern. „Meine Aufgabe lautet: Sorge dafür, dass dein Sohn nicht weinend einschläft!“
Unwohl dachte Ulrich an den gestrigen Abend zurück. Er hatte Nico ganz schön angemeckert, weil er ihn mit Fragen gelöchert hatte. Das tat ihm jetzt furchtbar leid. „Also gut, einverstanden“, sagte er deshalb.
Der Stern verschwamm vor seinen Augen, alles drehte sich und plötzlich war Ulrich wieder im Wohnzimmer, sein kleiner Sohn saß ihm gegenüber und fragte: „Papa, was ist der Frühling?“
Diesmal legte Ulrich seine Zeitung weg und sah den kleinen Jungen an. „Weißt du, das ist die Zeit, in der alle Tiere, die im Winter geschlafen haben, aufwachen, und in der die Bäume Blätter kriegen und die Blumen wachsen. Außerdem wird es im Frühling meistens wärmer.“
Danach brach ein ganzer Schwall von Fragen aus dem Jungen heraus und Ulrich beantwortete alle ganz gelassen. Nico war ziemlich stolz auf seinen Papa, der so schlau war und einfach alles wusste! Am Abend schlief er lächelnd ein.
Ulrich saß zufrieden auf dem Sofa, nahm das Blatt mit dem Stern in die Hand und sagte: „Siehst du? Aufgabe gelöst!“
Der Stern zwinkerte ihm zu, löste sich von dem Blatt und blieb neben ihm auf dem Teppich liegen. Aber diesmal wurde das Blatt nicht weiß, sondern wieder erschien Ulrichs Kinderzeichnung. Er hob den leuchtenden Stern vom Boden auf und lief in das Zimmer seines Sohnes. „Guck mal Nico!“, rief er. „Der ist für dich!“