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>>Sie ist vollkommen erschöpft. Das Baby schläft bereits. Und sie wird sehr wahrscheinlich auch sofort einschlafen.<<
Jage und Markan saßen am Tisch und tranken Kaffee, als Niko ins Wohnzimmer trat. Er sah gleich, dass sie frohgelaunt sind. >>Was ist los mit euch? Wer oder was hat euer Glück hervorgerufen?<<
>>Ein neues Familienmitglied.<< Markan ging auf seinen Vater zu und küsste ihn. >>Vater, du bist Opa. Ich gratuliere dir aus ganzem Herzen!<<
>>Endlich!<<, rief der Opa. >>Ein besseres und schöneres Geschenk könnt ihr nirgendwo finden und mir schenken.<<
Jage gratulierte ihrem Mann und sagte: >>Dieser glückliche Fall passierte vor drei Stunden. Gehen wir leise ins Schlafzimmer. Wenn sie immer noch schlafen, kommen wir gleich zurück.<<
Rozina war schon munter. Als sie sie sah, schrie sie vor Freude: >>Vater, du hast einen wunderbaren Enkel bekommen!<<
>>Das freut mich sehr. Aber du hast sicher viel gelitten. Es tut mir leid.<<
>>Als ich ihn küsste, habe ich alles vergessen. Mein Sohn ist bei mir. Schaut, wie süß er ist.<<
>>Er wird sicherlich ein großer Mann.<<
>>Er wird so groß wie sein Großvater<<, merkte Jage an und lächelte.
>>Schau ihn dir an, Jage, das ist Größe!<<
>>Sei still, Niko! Jemand wird denken, du hättest einen Forscher oder Künstler bekommen. Solche werden bei uns nicht geboren.<<
>>Jage, ich bitte dich, einmal muss bei uns auch solch ein großer Mann geboren werden<<, sagte Niko. Dann wandte sich er seine Schwiegertochter zu. >>Du hast mir einen so schönen Enkel geschenkt, aber ich habe auch für dich und für alle andere Familienmitglieder ein großes Geschenk vorbereitet.<<
>>Sicherlich ein großes Haus.<< Rozina lachte lauthals.
>>Eben, Rozina. Du hast mich glücklich gemacht. Auf meinem Sparbuch habe ich ziemlich viel Geld, aber ich muss noch einige Zeit sparen. Unser neues Haus muss das größte, beste und schönste Haus in unserem Dorf sein. Alle Dorfbewohner werden kommen, um es zu sehen.<<
>>Wow!<<
>>Aber ich habe noch etwas geplant. Für unsere jetzige und zukünftige Nachwuchs werden wir einen großen Kinderspielplatz bauen. Du und Markan bekommen ein großes Zimmer. Und ich kaufe euch neue und modernste Möbel.<<
>>Danke, Vater. Wir werden alle sehr glücklich sein. Und ich bitte euch noch etwas... Ich will, dass mein Sohn Marco heißt und wünsche mir, dass er Pfarrer oder etwas noch höheres wird. Vielleicht sogar ein Erzbischof. Warum nicht?<<
>>Wir werden alle zu Gott beten, dass er deinen Wunsch erhört.<< Niko schmunzelte, und Jage und Markan lachten. Das Kind wurde anschließend auf den Namen Marco getauft.
3
Die junge Mutter erholte sich schnell. Ihr Sohn war sehr fortschrittlich. Er war gesund und aufgeweckt. Mit elf Monaten fing er zu laufen an und wurde zu einer wahren Attraktion für alle Familienmitglieder. Seine Mutter liebte ihn von Tag zu Tag immer mehr. Im September hatte Marcos Großvater Urlaub und war ungewöhnlich gut gelaunt. Mit Begeisterung beobachtete er seinen zweieinhalb-jährigen Sohn Gabriel und seinen Enkel Marco, die auf der ausgebreiteten Decke neben dem Blumengarten spielten.
>>Niko, du brauchst noch einen Urlaub, um die Spiele deines Sohnes und Enkels genießen zu können<<, sagte Jage.
>>Ich brauche Pension, Jage.<< Niko lachte fröhlich. Dann wandte er sich an seine Familie. >>Meine liebe Familie, ich liebe euch über alles und ich habe für euch sehr schöne und gute Nachrichten. Ich war bei der Bank und sie sagten mir, dass ich einen günstigen Kredit für den Hausbau bekommen kann.<<
>>Bravo, Vater!<<, rief Rozina. >>Endlich werden wir ein großes Haus bauen!<<
Markan schaute seiner Frau an. >>Im Grunde dürfen wir nicht mehr lange warten, da unser Haus jeden Augenblick in sich zusammenfallen kann.<<
>>Es ist mir jetzt egal.<< Niko winkte ab. >>Sobald der Frühling kommt, bauen wir ein neues Haus. Ich werde bereits diesen Monat daran arbeiten, den Kredit zu bekommen, sodass wir all das, was wir kaufen müssen, kaufen können. Markan, du und deine Brüder haben genug Sand und auch Steine für die Kellerwände vorbereitet. Aber jetzt müsst ihr, bis der Frühling beginnt, all das, was wir für Dach und Boden brauchen, vorbereiten. Die Ziegel für die Mauern und die Dachziegel werden wir später kaufen. Ich werde einen Handwerker, der die Baustelle vermessen wird, finden, sodass ihr langsam auch die Grundkanäle graben könnt.<<
>>Wir schaffen das<<, sagte Rozina bestimmend und mit der Faust demonstrierte sie ihre Durchsetzungsfähigkeit. >>Wichtig ist, dass wir endlich diese Aktion in Angriff nehmen. Das wird wie am Schnürchen laufen.<<
>>So ist es, Rozina! Aber ich wollte ihnen jetzt noch etwas sagen.<< Niko seufzte auf. >>Ihr dürft niemals vergessen, dass ich ein Bergarbeiter bin und dass mein Leben immer in Gefahr ist.<<
>>Ach, Vater, solche Geschichten wollen wir nicht hören!<<, wies Rozina ihren Schwiegervater zurecht.
>>Das Leben ist ziemlich kompliziert und unvorhersehbar. Ich wünsche mir, dass ihr jeden Tag immer selbständiger werdet. Das ist wichtig für euch. Ich weiß jedoch nicht, was mir morgen bereits zustoßen kann. Ein Bergwerk ist ein Bergwerk.<<
Zehn Tage später saß die ganze Familie am Tisch im Blumengarten, als Anna, die Frau von Nikos verstorbenem Bruder, zu ihnen kam. Mit ihrem Sohn lebte sie in einer Hälfte des Hauses, das ihr Nikos verstorbener Bruder hinterließ, und in der anderen Hälfte des Hauses lebte ihr Stiefsohn. Anna war eine 50-jährige Frau, die klein, ziemlich dick und dunkelhaarig war. Sie war unglaublich streng und ernst.
>>Willkommen, Anna!<<, begrüßte sie Jage.
>>Ich weiß wirklich nicht, ob ich willkommen bin.<< Anna setzte sich hin. >>Ich bin zu euch gekommen, um euch zu sagen, dass ich mit meinem Sohn nach Srijem ziehen werde. Ich will hier nicht mehr leben.<<
>>Glaubst du, dass es hier keine Zukunft gibt?<<
>>Um ehrlich zu sein, ich sehe keine. Mir gefällt solch ein Leben nicht. Eigentlich wollte ich euch sagen, dass ich das ganze Land, welches mir und meinem Sohn gehört, verkaufen werde.<<
>>Du weißt ganz genau, was dein Land für uns bedeutet. Ob wir wollen oder nicht, müssen wir dein ganzes Land kaufen. Wie viel wird es kosten?<<
>>Das werdet ihr in den nächsten Tagen erfahren. Auf Wiedersehen!<<
In diesem Moment erschien Petar Gruby, Nikos Arbeitskollege. Er war ein 55-jähriger Mann, der eine mittlere Statur hatte. Dank dem großen Ackerland, das er besaß, und dem Viehverkauf, war er der reichste Mann in der Pfarrei geworden. Rozina und Markan schauten sich an und schüttelten die Köpfen, da ihnen etwas komisch vorkam. In Wahrheit war ihnen klar, dass Petar nicht zufällig zu ihnen gekommen ist. >>Geht es meinem Niko gut?<<, fragte Jage Petar gleich, da ihr auch etwas komisch vorkam.
>>Ja, ja.<< Petar lachte gekünstelt und setzte sich hin.
>>Ihr Gesichtsausdruck verrät uns, dass nicht alles in Ordnung ist<<, merkte Markan an. >>Hat mein Vater zufälligerweise einen Unfall gehabt?<<
>>Wisst ihr..., es ist mir etwas unangenehm...<< Petar verstummte und senkte den Kopf. >>Leider ist es in unserem Bergwerk zu einem schweren Unfall gekommen...<<
>>Was ist passiert, um Gottes willen!?<<
>>Es tut mir wirklich leid. Niko ist ums Leben gekommen. Mein Beileid.<<
>>Nein, nein! Das darf nicht wahr sein!<<, schrie Markan. Für Rozina war es eine schockierende Nachricht. Sie überkreuzte die Finger, tat sie an das Kinn und fing an zu schwanken. Dann tat sie schnell die rechte Hand auf die linke Brust, weil sie im Herzen auf einmal extrem starke Schmerzen fühlte.
Jage griff sich ins Gesicht. >>Er wollte das Doppelte verdienen und uns ein großes und schönes Haus bauen. Hm? Das kostete ihn das Leben.<<
>>Nur das hat uns noch gefehlt. Es wird höllisch schwer ohne ihn sein.<< Markan pustete heftig.
Der siebzehn Monate alte Marco und sein 3-jähriger Onkel liefen auf dem Hof herum und lachten. Markan schaute sie sorgenvoll an, seufzte und ging ins Haus.
>>Lass nicht zu, dass dich die Sorgen auffressen, mein Sohn<<, mahnte ihn seine Mutter.
>>Wir haben es nicht leicht.<< Markan setzte sich neben seine Frau. >>Es sind fast sieben Monate vergangen, seitdem Vater ums Leben gekommen ist. Fast ganzes Geld, das Vater für das neue Haus erspart hatte, müssten wir Anna für ihr Land geben. Auch den ganzen Geldrestbestand, den Mama mit der ersten Rente bekommen hat, haben wir schon ausgeben. Jetzt müssen wir von Mamas kleiner Rente leben. Aber aus unserer Haut können wir nicht. Das Schlimmste, das wisst ihr alle, ist, ich muss zum Bundesheer gehen. Bis dahin können wir keine neuen Pläne machen. Was unser neues Haus betrifft, müssen wir geduldig auf bessere Zeiten warten.<<
>>Ihr müsst alle den Frieden und die Würde bewahren. Wenn ihr das verliert, verliert ihr alles. Und ihr müsst bescheiden bleiben, da Bescheidenheit die Tugend kluger Menschen ist.<<
4
Nachdem Markan die Vorladung ins Bundesheer bekam, waren alle beklommen. Rozina und Markan gingen spazieren, sie schwiegen nur. Der nervöse Markan beschleunigte sein Tempo und ging vor seiner Ehefrau, deshalb sah er nicht, dass sie stehen blieb und sich an die linke Brust griff. Ihr Blick erstarrte. Sie öffnete den Mund weit auf und hockte sich hin. Markan drehte sich zufällig um und sah seine zusammengekrümmte Frau am Boden knien. Er verdrehte die Augen, lief zu ihr hin, hockte sich vor sie und umarmte sie. >>Rozina, was ist los? Kann ich dir helfen?<<
Aber sie antwortete nicht, sondern sie krampfte sich weiterhin zusammen und versuchte an Luft zu kommen. Mit der rechten Hand massierte sie die linke Brust. Irgendwie schnappte Rozina im Moment nach Luft und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. >>Mein Herz.<<
>>In Gottes Namen, Rozina, ich weiß nicht, ob ich im Leben jemals so erschrocken bin. Oh Gott, was ist passiert?<<
>>Seit dein Vater ums leben gekommen ist, fühle ich Schmerzen im Herzen, allerdings habe ich dem keine größere Beachtung geschenkt. Ich dachte, dass es ungefährlich sei. In letzter Zeit treten diese Schmerzen immer häufiger auf…<<
>>Warum hast du mir nichts gesagt?<<, unterbrach er sie.
>>Wir müssen nicht beide leiden.<<
Er pustete stark. >>Diese Schmerzen erschweren dir das Atmen und deswegen bekommst du keine Luft, oder?<<
>>So in etwa. Ich fühle einen Druck in der Brust und Schmerzen in der linken Hand. Ich bekomme keine Luft und merke, dass ich langsam das Bewusstsein verliere. Mich wundert, dass ich jetzt nicht in Ohnmacht gefallen bin. Es war grauenhaft.<<
>>Du hast einen Schock erlitten. Das war wahrscheinlich ein Herzanfall. Du musst sofort zum Arzt gehen. Ich habe große Angst um deine Gesundheit und dein Leben.<<
>>Markan, dein Vater ist nicht mehr da. Ich will, dass wir selbstständig leben. Von meinem Vater bekomme ich viel Geld. Anna ist schon weg. Bevor du aus der Armee zurückkommst, kann ich an Anna einen Brief schreiben und sie fragen, ob sie uns ihren Hausteil vermieten will. Wenn sie uns das erlaubt, werde ich von meinem Vater Geld nehmen, sodass wir die Miete zahlen und leben können, bis du eine Arbeit findest. Dann kannst du einen Kredit für den Hausbau nehmen, und ich nehme von meinem Vater das Restliche, das mir gehört. So könnten wir gleich ein Haus für uns bauen. Ich bitte dich, Markan. Ich will mich dir und Marco widmen. Ich will, dass Marco Pfarrer wird. Mein Herz wird voll und ganz gesund, wenn ich ihn eines Tages vor dem Altar in priesterlicher Kleidung sehe. Deswegen will ich ihn auf meine Weise erziehen. Du liebst mich und ihn, deshalb musst du an mein Leben und meine Gesundheit denken, sowie auch an unseren Sohn.<<
Markan lachte. >>Ja, Rozina, mein Leben ohne euch wäre wertlos. Natürlich lebe ich für dich und unseren Sohn. Mit meinen Gedanken bin ich immer bei euch. Und ich hoffe, dass alles gut werden wird, bis ich wieder zurück bin.<<
>>Es wird alles in Ordnung sein. Ich werde all das, was in meiner Macht steht, für unseren Sohn tun. Ich werde für ihn und seine Zukunft kämpfen.<<
>>Ok, Rozina. Die Zeit vergeht sehr schnell.<< Er umarmte und küsste sie.
Alle Familienmitglieder waren beunruhigt, nachdem Rozina ihnen erzählte, dass sie einen Herzanfall hatte. Sie ging zum Arzt und bekam Nitroglyzerin Tabletten, die sie unter ihre Zunge tun musste, wenn sie Schmerzen im Herzen spürte. Einige Monate nach Markans Abreise in die Armee, merkte Jage, dass der Bauch ihrer Schwiegertochter größer wurde. >>Ist da vielleicht ein neues Baby drinnen?<<
Rozina hörte auf den Boden zu kehren und richtete sich auf. >>Ja, Mutter, ich bin wieder schwanger.<<
>>Ihr habt nur ein Kind. Das ist zu wenig. Es freut mich sehr, dass du wieder schwanger bist.<<
>>Aber ich habe jetzt schon Angst.<<
>>Hab keine Angst! Nur die erste Geburt ist schwierig. Jetzt wird das viel einfacher und schneller verlaufen. Glaub mir.<<
Ohne irgendwelche Schwierigkeiten bekam Rozina ihre erste Tochter. Sie gaben ihr den Namen Doris. Rozina machte überwiegend die Hausarbeit und kümmerte sich um ihre Kinder und um Gabriel. Ihre Tochter fing an zu laufen, aber sie blieb vollkommen ihrem Sohn, der ein unglaublich verständnisvolles und intelligentes Kind war, zugeneigt. Ihr Wunsch, dass ihr Sohn Pfarrer werden würde, hatte sie nie verlassen. Jeden Sonntag ging der 4-jährige Marco mit ihr in die Kirche und sie erklärte ihm jedes Detail und jedes Wort. Auch die Kardinalzahlen und Buchstaben musste er jeden Tag lernen. Dann schrieb Rozina geheim einen Brief und schickte ihn an Anna. In diesem Brief bat sie sie, ihr vorübergehend ihren Hausteil zu vermieten. Kurz danach kam die Antwort, welche Rozina Freude bereitete, da Anna ihr antwortete, dass sie in ihren Hausteil einziehen könnten. Rozina war frohgemut. Einige Monate vor Markans Ankunft nahm sie Geld von ihrem Vater, schrieb einen Brief und schickte ihn an ihren Mann. In diesem Brief schrieb sie ihm über ihren Gesundheitszustand und all das, was sie vorbereitet hatte. Sie war ziemlich furchtsam, da sie sich nicht sicher war, ob Markan positiv oder negativ reagieren würde. Als endlich der Brief kam, lief sie sofort ins Schlafzimmer, um ihn zu lesen. Sie las und lächelte, da Markan auf ihrer Seite war. Gerade als sie mit dem Lesen fertig war, kam ihr Sohn ins Schlafzimmer. >>Mama, was machst du da?<<
>>Ich habe den Brief deines Vaters gelesen.<< Sie setzte ihren Sohn neben sich und gab ihm einen Kuss auf sein dunkles Haar.
>>Wann kommt mein Vater zurück?<<
>>In zwanzig Tagen wird er wieder mit uns sein. Sag mir, was du werden wirst, wenn du groß bist. Wirst du Pfarrer?<<
>>Ist das der Mann, der vor dem Altar steht und spricht?<<
>>Hervorragend gemerkt. Und? Wirst du das tun, was er macht?<<
>>Ja, Mama, er ist so schön angezogen.<<
>>In Ordnung, mein Sohn. Ab heute musst du jeden Tag zwei volle Stunden die Zahlen und Buchstaben üben. Du musst ein ausgezeichneter Schüler werden. Ist dir das klar?<<
>>Ganz klar, Mama. Ich werde brav sein.<<
Jage zögerte ziemlich lange, bis sie mit ihrer Schwiegertochter sprach. Eigentlich hat sie gemerkt, dass sie ziemlich neurotisch ist. >>Was quält dich, Rozina? Normalerweise solltest du glücklich sein. In einigen Tagen kommt Markan zurück.<<
>>Mutter, du weißt, dass mein Gesundheitszustand nicht gut ist. Ich fürchte...<<
>>Ich weiß, was du sagen willst. Du willst mit deiner Familie selbstständig leben, nicht war?<<
>>Ja. Das ist mein Wunsch.<<
Jage seufzte. >>Glaub mir, ich habe über dich und Markan lange nachgedacht. Ich habe Angst, dass meine Söhne streiten und einander hassen könnten. Vielleicht ist es für alle die beste Lösung. Trotzdem warten wir bis Markan wieder da ist.<<
5
Nachdem Markan zurückkam, redete er mit seiner Mutter und seinen Brüdern über ihn, seine Familie und deren Zukunft. Zu seinem Glück hatten sie für ihn und seine Familie volles Verständnis. So zog er mit seiner Frau und den Kindern in das gemietete Heim. Für ihn und seine Frau begann ein neues Leben. >>Rozina, wir müssen uns so schnell wie möglich ein eigenes Zuhause bauen<<, sagte Markan, während sie und ihr Sohn Marco im Wohnzimmer beim Tisch saßen.
>>Das sollte kein Problem für uns sein. Verstehst du mich? Von meinem Vater kann ich gleich Geld bekommen, sodass du all das, was wir brauchen, kaufen kannst. Plane und besorge alles!<<
Sie nahm das Geld von ihrem Vater und gab es ihrem Mann, der unweit vom Zentrum des Weilers den Hausbau plante und das Baumaterial vorbereitete. Leider bekam Markan erst nach fünf Monaten eine Arbeit im Bergwerk Alte Grube in Zenica. Unter ihrem Herzen trug Rozina das dritte Kind. Ihre Schwangerschaft war ein zusätzlicher Grund für Markan, um das Haus zu bauen. Er engagierte seine Brüder und dank ihrer Hilfe schaffte er fast alles, was er für den bevorstehenden Hausbau vorbereiten musste. Seine Frau gebar das dritte Kind, die Tochter Bela. Nach dieser Geburt verschlechterte sich Rozinas Gesundheitszustand. Die Herzanfälle wurden immer häufiger und dauerten immer länger an. Markan hatte Angst um sie und um ihr Leben. Ihr Liebling war immer bis auf den Tod verängstigt, da er seiner Mutter sehr nahestand. Zu seinem Glück bekam Markan einen Kredit. Der Bau von Markans neuem Heim hatte feierlich begonnen. Er forcierte die Bauarbeiten, da er so schnell wie möglich in sein neues Haus einziehen wollte. Obwohl der Hausbau länger als erwartet dauerte, war das Ehepaar glücklich und zufrieden nachdem das Vierzimmerhaus zur Gänze fertig und bescheiden eingerichtet war. Der 26-jährige Markan und seine gleichaltrige Frau, die unter ihrem Herzen das vierte Kind trug, zogen mit ihren Kindern ihn ihr neues Haus. So erwarteten sie den Tag, an dem Rozinas Sohn in die Schule gehen musste. Sie war sehr aufgeregt. >>Sei brav, mein Sohn. Du bist unsere große Hoffnung. Du musst ein artiger Schüler sein. Hör dem Lehrer zu und merk dir alles.<< Sie zog ihm die Schultasche über den Rücken. >>Hast du mich verstanden?<<
>>Keine Sorge, Mama.<< Er küsste seine Mutter und lief nach draußen.
So befand sich Marco im Klassenzimmer der baufälligen Schule. Seine Lehrerin war eine 25-jährige, schlanke, schwarzhaarige Frau mit dem Namen Ksenija. Sie hatte eine mittlere Figur, einen dunklen Teint und weiße Zähne. Sie war sportlich angezogen und sah äußerst progressiv aus. >>Meine lieben Schüler und Schülerinnen, ich heiße Ksenija. Zunächst möchte ich euch alle kennenlernen<<, wandte sich die Lehrerin an ihre Schüler, ging von Einem zum Anderen und sprach eine Weile mit jedem einzelnen. Als sie zu Marco kam, fragte ihn sie: >>Wie heißt du?<<
>>Marco Pery.<< Er stand auf. >>Kann ich Sie etwas fragen, Frau Lehrerin?<<
>>Selbstverständlich. Nur zu, Marco.<<
>>Warum haben wir uns nicht bekreuzigt und zu Gott gebetet?<<
>>Eine überaus gute Frage. Dir und allen anderen Schülern möchte ich sagen, dass wir in einer kommunistischen Gesellschaft leben. Der Glaube ist nicht verboten, aber er ist vom Staat getrennt, besser gesagt, von der Politik. Der Glaube und die Gläubigen existieren selbständig.<<
>>Was ist eine kommunistische Gesellschaft?<<
>>Du bist ein überaus neugieriges Kind. Eine kommunistische Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der alles allen gehört, und das bedeutet, dass es in unserer Gesellschaft keine privaten Unternehmen und Institutionen gibt. Alles gehört dem Volk. Verstehst du mich?<<
>>Ach so! Und die Kommunisten?<<
>>Das sind Menschen, die nicht an Gott und an Gottes Ordnung glauben.<<
>>Sind Sie eine Kommunistin?<<
>>Ja, ich bin Kommunistin und Atheistin. Ich glaube nicht an Gott, da ich ihn noch nie gesehen habe.<<
>>Meine Mutter hat Gott auch noch nie gesehen, trotzdem glaubt sie an ihn.<<
>>Deine Mutter hat ihre Meinung und ich meine. Wir alle haben das Recht zu glauben oder nicht zu glauben. Marco, du kannst dich schon hervorragend ausdrücken. Kannst du schreiben?<<
>>Klar<<, erwiderte er selbstbewusst und stolz.
>>Los! Zeig uns jetzt, was du kannst! Komm!<< Die Lehrerin nahm ihn an der Hand und brachte ihn zur Tafel. >>Hier ist Kreide. Hier ist die Tafel. Bitteschön, Marco!<<
Er schrieb alle Nummern auf und sprach sie währenddessen laut aus. Danach schrieb er fast alle Buchstaben des Alphabets auf und sprach sie richtig aus. Unter die Buchstaben schrieb er: MAMA, PAPA, BRUDER, SCHWESTER und Marco Pery. Mit offenem Mund und Augen starrte die Lehrerin ihren Schüler an, dann streichelte sie ihm übers Haar. >>Wer hat dir das beigebracht?<<
>>Meine Mutter.<<
>>Ich bin sehr stolz auf deine Mutter und auf dich. Danke dir. Jetzt geh wieder auf deinen Platz!<< Sie wandte sich den anderen Schülern zu: >>Wer etwas schreiben kann, soll vortreten und auf die Tafel schreiben.<< Kein Kind meldete sich.
Nachdem der Unterricht zu Ende war, eilte Marco nach Hause. Einige Dinge waren ihm nicht klar und er wollte diese mit seiner Mama erörtern. Mit einem Lächeln im Gesicht wartete Rozina vor dem Haus auf ihren Sohn. Als er zu ihr kam, küsste sie ihn und führte ihn ins Wohnzimmer. >>Wie war dein erster Schultag, mein Sohn?<<
>>Mama, unsere Lehrerin heißt Ksenija. Sie ist nicht so schön wie du, aber sie ist schön. Wenn du dich so anziehen und die Frisur so herrichten würdest wie sie, wärst du die hübscheste Frau auf der Welt.<<
>>Dankeschön. Aber ich bin der Ansicht, dass geistige Schönheit und Verstand wichtiger sind, als äußere Schönheit. Erzähl mir jetzt, was ihr gelernt habt.<<
Ganz langsam erzählte Marco ihr alles und am Ende fragte er: >>Gibt es einen Gott, Mama?<<
>>Natürlich, mein Sohn. Du musst deiner Mutter nur glauben. Jetzt zieh dich um! Mama wird dir etwas zum essen geben. Nach dem Essen musst du zwei Stunden das Schulbuch lesen. Anschließend kannst du nach draußen gehen und spielen.<<
Verdammt! Wird diese Lehrerin mir mein gutes Kind verderben? Sie und ihr Atheismus, dachte sich Rozina. Sie war sauer und besorgt. Ihr war überhaupt nicht recht, dass die Lehrerin mit ihrem Sohn über Kommunismus, Atheismus, Kommunisten und Atheisten diskutierte. Die ganze Zeit, während ihr Sohn aß, konnte sie nur daran denken. Neben der Schwangerschaft war dies für sie eine weitere Belastung.
Im Februar bekam Rozina ihren Sohn Mario. Jedoch konnte sie die Lehrerin nicht vergessen. Ihr Sohn sollte die erste Klasse der Grundschule beenden, sodass die fürsorgliche Mutter zur Elternversammlung gehen musste. Sie war bereits zwei Mal dort gewesen, jedoch sprach sie nicht mit der Lehrerin über das Problem, welches sie bedrückte. Die Lobeshymnen der Lehrerin über ihren Sohn hatten sie jedes Mal entwaffnet. Dieses Mal war Rozina fest entschlossen, die Lehrerin wegen des Kommunismus und Atheismus zur Rede zu stellen.
Die Lehrerin fing an die Noten der Schüler vorzulesen und kurz mit den Eltern zu sprechen. Als sie zu Marco kam, schaute sie Rozina an und lächelte. >>Frau Rozina, ihr Sohn hat eine besondere Begabung. Ich bin glücklich, dass ich solch ein Kind in meiner Klasse habe und wäre noch glücklicher, wenn alle so wären wie er. Er ist ordentlich, fleißig und ein ausgezeichneter Schüler. Ihr Sohn wird das erste Grundschuljahr mit der Note ausgezeichnet beenden. Von ganzem Herzen gratuliere ich ihm und Ihnen.<<
>>Vielen Dank. Ich würde mit Ihnen gerne noch etwas unter vier Augen besprechen.<<
>>Kein Problem. In ein paar Minuten bin ich fertig.<< Die Lehrerin beendete das Vorlesen der Noten und wandte sich an Rozina: >>Liebe Frau Rozina, sagen Sie mir jetzt, worum es geht. Ich bin wirklich sehr neugierig.<<
>>Na ja, es ist mir ein wenig unangenehm, darüber zu sprechen…<<
>>Bitte, nur zu.<<
>>Wissen Sie..., wir sind Christen und respektieren unseren Glauben. Seitdem mein Sohn geboren ist, träume ich, dass er eines Tages Pfarrer wird. Ich will ihn eines Tages in priesterlicher Kleidung vor dem Altar sehen. Sie haben mit ihm über Kommunismus und Atheismus diskutiert. Hm. Das gefällt mir nicht.<<
>>Habe ich etwas Schlechtes gesagt oder etwa gelogen?<<
>>Nein, aber ich wünsche, dass sie gar nicht mit meinem Sohn über solche Dinge reden, da sich das negativ auf ihn auswirken kann.<<
>>Liebe Frau Rozina, wir leben in einer kommunistischen Gesellschaft. Das ist die Realität. Unser Staat wird von Kommunisten geführt, die ebenso Atheisten sind. Menschen, die zu Recht oder auch nicht, nicht an Gott und Gottes Ordnung glauben. Marco weiß, wer der Präsident unseres Landes ist. In einigen Jahren wird er in der Schule alles über unsere Regierungsform und die gesellschaftspolitische Bewegung unseres Landes lernen. Jetzt ist noch schwer zu sagen, welchen Weg Ihr intelligenter Sohn eines Tages einschlagen wird. Es ist durchaus möglich, dass er Pfarrer wird, dennoch können Sie nicht davon ausgehen. Damit müssen Sie rechnen.<<