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„Und wer ist das?“
„Sie wohnt in der nächsten Straße. Von den Devos aus können wir ihr Haus sehen. Ich bin mir sicher, dass man es auch von der hinteren Veranda der Hopkins aus sehen kann.“
„Wie lautet die Adresse?“
„Das weiß ich nicht genau. Aber es ist ganz leicht zu finden. Draußen auf der Veranda hat sie überall diese unheimlich aussehenden Katzenstatuen stehen.“
„Glauben Sie, dass sie uns behilflich sein kann?“, fragte DeMarco.
„Ja, ich glaube, sie könnte am ehesten helfen. Ich bin nicht sicher, inwieweit ihre Informationen der Wahrheit entsprechen, aber man kann nie wissen …“
„Danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben“, sagte Kate. Sie lächelte den kleinen Jungen kurz an, wodurch ihr klar wurde, wie sehr sie Michelle vermisste. Es erinnerte sie auch daran, dass auf ihrem Handy höchstwahrscheinlich eine wütende Sprachnachricht ihrer Tochter auf sie wartete.
Kate und DeMarco gingen zurück zum Wagen. Als sie eingestiegen und auf die Straße zurücksetzten, hatte es schon angefangen, stärker zu regnen.
„Ich glaube, dass Mrs. Patterson, die in einem Haus lebt, das man von den Devos‘ aus sieht, aller Wahrscheinlichkeit nach die Person ist, die ich aus Karen Hopkins‘ Arbeitszimmerfenster gesehen habe“, meinte Kate. „All diese Gärten, die nur durch Zäune voneinander getrennt sind … ein Paradies für eine neugierige alte Dame.“
„Also“, sagte DeMarco, „dann lass uns mal sehen, was Mrs. Patterson in den letzten Tagen so getrieben hat.“
* * *Kate konnte einfach nicht anders, sie sah sofort, wie sich Mrs. Pattersons Augen weiteten, als ihr klar wurde, dass zwei FBI-Agents auf ihrer Veranda standen. In ihrem Gesicht stand jedoch kein Ausdruck der Angst, sondern der von Aufregung. Kate stellte sich vor, wie die alte Dame schon überlegte, wie sie ihren Freundinnen brühwarm davon erzählte.
„Ich habe alles darüber gehört, was Karen passiert ist, jawohl, das habe ich“, sagte Mrs. Patterson auf eine Art und Weise, als sei dies ein Beweis der Ehre. „Die Arme … sie war so eine charmante und nette Frau.“
„Dann kannten Sie sie?“, fragte Kate.
„Ja, ein wenig“, antwortete Mrs. Patterson. „Aber bitte … kommen Sie doch herein.“
Sie führte Kate und DeMarco ins Haus. Während sie hinein gingen, musterte Kate die zahlreichen Dinge, aufgrund derer sie das richtige Haus gefunden hatten. Acht verschiedene Katzenstatuen waren auf der Veranda versammelt; Gegenstände, die aussahen, als kämen sie direkt vom Flohmarkt. Einige von ihnen sahen wirklich unheimlich aus, genau wie Lily Harbor gesagt hatte.
Mrs. Patterson ging mit ihnen ins Wohnzimmer. Der Fernseher lief. Über den Bildschirm flimmerte Good Morning America. Der Ton war leise gestellt. Daraus leitete Kate ab, dass Mrs. Patterson eine Witwe war, die sich nicht an das Alleinsein gewöhnen konnte. Sie hatte einmal gelesen, dass ältere Leute, die einen Ehepartner verloren hatten, dazu neigten, immer den Fernseher oder das Radio laufen zu haben, damit ihr Haus lebendiger erschien.
Als Kate sich in einem Sessel niederließ, fiel ihr Blick aus dem Wohnzimmerfenster an der Ostseite des Hauses. Sie konnte die Straße sehen und versuchte, das Layout des Gartens und der Straße zu schätzen. Sie war sich sicher, dass sie sich tatsächlich in dem Haus befanden, das sie von Karen Hopkins‘ Arbeitszimmerfenster aus gesehen hatte.
„Mrs. Patterson, ich habe eine Frage“, begann Kate. „Als wir im Haus der Hopkins waren, habe ich aus Karens Fenster gesehen und konnte ein Haus am rechten Rand ihres Gartens sehen. Das war Ihr Haus, richtig?“
„Ja, das ist richtig“, sagte Mrs. Patterson mit einem Lächeln.
„Sie sagten, Sie kennen die Hopkins‘ ein wenig. Könnten Sie das bitte genauer ausführen?“
„Natürlich, gerne! Von Zeit zu Zeit fragte mich Karen hinsichtlich ihres kleinen Gemüsegartens um Rat. Sie hat einen direkt unter ihrem Fenster angelegt, wissen Sie. Viel hat sie darin nicht gepflanzt, nur Kräuter, die sie zum Kochen verwendete: Basilikum, Rosmarin, ein wenig Koriander. Ich hatte immer einen grünen Daumen. Das wissen alle hier in der Nachbarschaft, deshalb bitten sie mich für gewöhnlich um Rat. Ich habe natürlich einen eigenen Gemüsegarten, hinterm Haus … falls Sie ihn sehen wollen?“
„Nein, vielen Dank“, sagte DeMarco höflich. „Wir sind ein bisschen in Zeitdruck. Wir möchten nur, dass Sie uns erzählen, was Sie über die Hopkins wissen. Erschienen sie glücklich, wenn Sie sie sahen?“
„Ich finde schon. Gerald kenne ich nicht allzu gut. Aber hin und wieder sah ich sie zusammen hinten auf der Veranda sitzen. Vor kurzem erst sah ich sie sogar Händchen halten. Das war wirklich herzerwärmend. Ihre Kinder sind alle erwachsen und aus dem Haus, das wissen Sie wahrscheinlich. Ich habe mir vorgestellt, wie sie vielleicht über ihre Pläne für die Rentenjahre sprechen, oder Reisepläne schmieden.“
„Hatten Sie jemals die Vermutung, dass die beiden Probleme miteinander hatten?“, fragte Kate.
„Nein. Ich habe nie etwas gesehen oder gehört, was darauf hingewiesen hätte. Soweit ich weiß, waren sie ein durchschnittliches Ehepaar. Aber ich glaube, dass jedes Ehepaar vielleicht Probleme hat, wenn die Kinder erst einmal aus dem Haus sind. Das ist wahrlich nicht ungewöhnlich, wissen Sie?“
„Haben Sie einen von ihnen innerhalb der letzten Woche gesehen?“
„Ja. Ich habe Karen gesehen, die in ihrem Gärtchen etwas schnitt. Das ist etwa vier oder fünf Tage her. Genauer kann ich es nicht sagen. Ich werde dieses Jahr vierundsiebzig und mein Gedächtnis lässt mich manchmal im Stich.“
„Haben Sie mit ihr gesprochen?“
„Nein. Aber da war etwas, was mir gestern wieder eingefallen ist … ich hatte es nicht wirklich vergessen, aber ich habe nicht weiter darüber nachgedacht. Und um ehrlich zu sein… ich weiß nicht einmal, an welchem Tag es war, deshalb …“
„An welchem Tag was war?“, hakte DeMarco nach.
„Nun ja, ich glaube, es war am Dienstag … soweit ich weiß, war das der Tag, an dem Karen ermordet wurde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich jemanden im Garten hinter dem Haus habe herumlaufen sehen. Einen Mann. Und es war nicht Gerald Hopkins.“
„Hatten Sie den Eindruck, dass dieser Mann versuchte, einzubrechen?“, fragte Kate.
„Nein. Er bewegte sich, als gehöre er dorthin, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er lief herum, als sei er eingeladen. Er trug eine Art von Anzug oder eine Uniform. Mit einem kleinen Logo genau hier“, und die tippte sich auf eine Stelle oberhalb der linken Brust, um zu veranschaulichen, wovon sie genau sprach.
„Haben Sie dieses Logo genauer erkennen können?“
„Nein. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es überwiegend weiß und in etwa sternförmig war. Aber vielleicht habe ich auch unrecht … meine Augen sind nicht mehr die besten.“
„Aber wirklich gesprochen haben Sie mit keinem der Hopkins in der letzten Woche?“
„Nein. Zum letzten Mal habe ich mit Karen gesprochen, als sie herüber kam, um mich nach dem Rezept meiner Ananastorte zu fragen. Und das ist fast drei Wochen her, würde ich sagen.“
Kate zerbrach sich den Kopf darüber, was für andere Ansätze es noch geben könnte, bei denen Mrs. Patterson für sie von Nutzen war, aber ihr fiel nichts ein. Allerdings hatten sie jetzt diesen Mann in Uniform zu überprüfen, also war das Gespräch nicht vollends vergebens gewesen.
„Mrs. Patterson, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit uns zu sprechen. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich bitte bei der Polizei. Sie kann Ihre Nachricht an uns weiterleiten.“
„Jetzt muss ich Sie doch fragen … denn jetzt, wo das FBI involviert ist, kann man davon ausgehen, dass dieser Mord mit dem vorherigen zusammenhängt? Vor … einer Woche, meine ich, war das. Ich glaube, sie hieß Marjorie Hix.“
„Genau das versuchen wir herauszufinden“, antwortete Kate. „Kannten Sie zufällig auch Marjorie Hix?“
„Nein. Ich hatte noch nie ihren Namen gehört, wirklich nicht. Bis eine meiner Freundinnen mir erzählte, was passiert war.“
Kate nickte und ging Richtung Haustür. „Nochmals danke für Ihre Zeit.“
DeMarco gesellte sich zu ihr und gemeinsam verließen sie das Haus. Draußen regnete es jetzt stärker, obwohl hier und da noch ein Sonnenstrahl durchbrach.
Fast hätte Kate ihr Handy gezückt, um zu prüfen, ob Melissa ihre eine Sprachnachricht hinterlassen hatte, besann sich dann aber eines Besseren. Das einzige, was dies nach sich zöge, wäre, dass sie sich wegen einer weiteren Sache gestresst fühlte. Und wenn sie nicht lernte, ihr Privatleben von ihrem Berufsleben zu trennen, konnte sie genauso gut jetzt sofort ihre Waffe und ihre FBI-Marke abgeben.
Sie hasste sich ein wenig selbst dafür, aber als sie zum Wagen gingen, verdrängte sie Melissa aus ihren Gedanken.
Im Hinterkopf vernahm sie eine Geisterstimme, die ihre Gedanken heimsuchte. Weißt du noch, was passiert ist, als du Melissa früher aus deinen Gedanken verbannt hast? Es hat verdammt lange gedauert, bis der Schaden wieder repariert war. Willst du all das wirklich noch einmal durchmachen?
Nein, das wollte sie nicht. Vielleicht kämpfte sie deshalb mit den Tränen, als DeMarco von Mrs. Pattersons Auffahrt zurücksetzte.
Kapitel vier
Als Kate und DeMarco auf der Polizeiwache ankamen, war Sheriff Bannerman schon da. Er winkte sie zu sich in sein Büro. Als er voran ging, fiel Kate auf, dass er sein Bein leicht nachzog. Er hielt beiden die Tür auf und schloss sie sorgsam hinter ihnen.
„Haben Sie etwas herausgefunden?“, fragte er.
„Wir haben mit Mrs. Patterson gesprochen, der Frau, die in dem Haus lebt, das man vom Fenster in Karen Hopkins‘ Arbeitszimmer aus sehen kann“, sagte Kate. „Sie sagt, sie erinnert sich, dass sie an dem Tag, als Karen ermordet wurde, jemanden im Garten beobachtet hat.“
„Sie sagte, dass sie glaubt, dass es am dem Tag gewesen sei“, fügte DeMarco hinzu.
„Sheriff, kennen Sie eine Firma hier aus der Gegend mit einem Logo, das größtenteils weiß ist und die Form eines Sterns hat? Die Angestellten tragen möglicherweise dunkle Anzüge.“
Bannerman dachte einen Augenblick darüber nach und nickte dann langsam. Er tippte etwas auf dem Laptop, der auf seinem Schreibtisch stand, klickte hier und da und drehte dann den Bildschirm so, dass beide ihn sehen konnten. Er hatte Hexco Internet Providers in die Google Suchmaschine eingegeben und das erste Bild geöffnet.
„Hier ist es“, sagte er. „Dies ist das einzige, was mir einfällt.“
Kate und DeMarco betrachteten das Logo eingehend. Es war fast identisch mit der Beschreibung, die Mrs. Patterson gegeben hatte. Es hatte tatsächlich die Form eines Sterns, wobei eine Zacke lang und gebogen war. Sie zog eine Reihe kleiner Sterne sozusagen hinter sich her. Im kleinsten war das Wort Hexco zu erkennen.
Mit der Geschwindigkeit einer Revolverheldin zog DeMarco ihr Handy hervor und gab die Nummer ein, die unter dem Logo stand. „Lass uns mal sehen, ob es am Dienstag vom Haus der Hopkins einen Anruf zu dieser Servicenummer gegeben hat.“
Sie setzte sich wieder und wartete auf das Klingeln. Währenddessen drehte Bannerman den Laptop wieder um und klappte ihn zu. Er blickte Kate an und sagte leise, um DeMarco nicht zu unterbrechen, falls jemand ihren Anruf entgegen nahm: „Was ist Ihr erster Gedanke hierzu?“
„Ich glaube, wir haben es mit einem Killer zu tun, der es auf einen bestimmten Opfertyp abgesehen hat. Sowohl Karen Hopkins als auch Marjorie Hix waren Mitte Fünfzig und allein zuhause. Man kann davon ausgehen, dass der Killer wusste, dass die Ehemänner nicht zuhause waren. Außerdem nehme ich an, dass er die Häuser beobachtet hat, da es keine Anzeichen gewaltsamen Eindringens gab. Also … unser Killer sucht sich bestimmte Opfer aus, und er hat seine Hausaufgaben gemacht. Ansonsten … stecke ich in einer Sackgasse.“
„Ich kann versuchen, dem noch etwas hinzuzufügen“, sagte Bannerman. „Es gibt auch keinerlei Anzeichen für einen Kampf. Der Killer wusste offenbar, wie er ins Haus gelangt, ohne die Alarmanlage auszulösen und er konnte zuschlagen, ohne dass die Opfer etwas ahnten. Was mich zu der Annahme verleitet, dass die Opfer ihren Killer ins Haus ließen. Sie kannten ihn.“
Dies glaubte auch Kate, beschloss aber, Bannerman ausreden zu lassen. Sie hörte ihm gern zu. Sein fortgeschrittenes Alter ließ ihn weise erscheinen, und sie schätzte seine Erfahrung sehr. Generell sah sie die Zusammenarbeit mit den lokalen Polizeidienststellen eher als Hindernis an, doch sie begann, Bannerman zu respektieren.
Als sie zustimmend nickte, beendete DeMarco gerade ihr Gespräch. „Ich habe die Bestätigung, dass Hexco Internet am Dienstag tatsächlich einen Techniker zu den Hopkins geschickt hat. Die Frau, mit der ich gesprochen habe, sagte, dass genau zu dem Zeitpunkt immer wieder von einem zusammenbrechenden Internet in der Nachbarschaft berichtet wurde, und zwar beginnend Montagabend. An dem Tag gingen etwa ein Dutzend weiterer Anfragen für die Wartung der Internetverbindung ein.“
„Nun, das mag weit hergeholt sein, aber als Techniker ist es doch ein Leichtes, sich während eines Zeitraums, da die Internetverbindung unterbrochen ist, zu eigentlich jedem Haus Zutritt zu verschaffen“, meinte Kate.
„Soweit hergeholt ist das gar nicht“, sagte DeMarco. „Ich habe auch gefragt, ob in letzter Zeit ein Hexco-Techniker zum Haus der Hix geschickt wurde. Und wie sich herausgestellt hat, hatte Joseph Hix vor zwei Wochen einen Techniker beauftragt. Beide Male war es derselbe Techniker.“
„Klingt für mich nach einem Verdächtigen“, sagte Kate.
„Das sehe ich auch so“, meinte Bannerman. „Sie sollten allerdings wissen, dass Hexco in Frankfield ein relativ neuer Internet-Provider ist. Eine kleine Firma. Ich würde mich wundern, wenn sie mehr als drei oder vier Techniker haben. Deshalb muss es nicht unbedingt etwas heißen, dass derselbe Techniker bei beiden Adressen war.“
„Trotzdem möchte ich mit dem Techniker sprechen“, sagte Kate. „Hast du seinen Namen?“
„Ja. Die Frau, mit der ich gesprochen habe, hat ihm eine Nachricht geschickt mit der Bitte, mich sofort anzurufen.“
„In der Zwischenzeit möchte ich mich im Haus der Hix umsehen“, sagte Kate. „Ich weiß, dass im Bericht steht, dass der Tatort sauber war, aber ich will ihn mir selbst anschauen.“
„Der Schlüssel liegt bei den Akten“, sagte Bannerman. „Sie können …“
Das Klingeln von DeMarcos Handy unterbrach ihn. Sie nahm den Anruf sofort entgegen und als Kate hörte, wie sie sich vorstellte, war ihr klar, dass es der Techniker von Hexco war, der anrief. Kate hörte mit, daher kannte sie schon die Einzelheiten, bevor DeMarco sie erläuterte.
„Wir treffen uns mit ihm in fünfzehn Minuten“, sagte sie. „Er hat gleich eingewilligt, aber er klang auch ziemlich verängstigt.“
Als Kate die Tür öffnete, erhob sich Bannerman. „Brauchen Sie noch etwas von mir?“
Kate überlegte und sagte dann mit hoffnungsvoller Stimme: „Vielleicht könnten Sie veranlassen, dass der Vernehmungsraum frei ist.“
* * *Der Techniker hieß Mike Wallace, war sechsundzwanzig und sah nervös aus, als Kate und DeMarco sich mit ihm in einem Café drei Meilen von der Polizeiwache in Frankfield entfernt trafen. Die Art und Weise, wie er zwischen den Agents hin und her blickte, erinnerte Kate an einen Gecko, der scheinbar versuchte, gleichzeitig in zwei verschiedene Richtungen zu gucken.
Er hatte ein Tablet dabei, das in einer zerkratzten Lederhülle steckte. Vorne drauf prangte das Logo seiner Firma.
„Mike, dies ist nur eine Routinebefragung und es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen“, begann Kate. „Bisher erscheint es uns, als hatten Sie nur etwas Pech, was ihre Aufenthaltsorte und verschiedene Umstände anbelangt.“
„Was genau meinen Sie?“
„Nun ja, während der letzten zwei Wochen sind Sie zu den Häusern zweier Kunden geschickt worden. Bei beiden wurde jeweils die Ehefrau ermordet, zuletzt am vergangenen Dienstag.“
„Am Dienstag war ich bei vielen Kunden. In zwei Nachbarschaften war das Internet ausgefallen.“
„Ihre Wartungseinsätze sind auf dem Tablet verzeichnet, nicht wahr?“, fragte DeMarco und wies auf das Gerät.
„Ja, richtig.“
„Könnten Sie bitte den Eintrag für den Kunden Hopkins am Dienstag heraussuchen?“
„Natürlich“, sagte er und machte sich daran, der Bitte nachzukommen. Schließlich sah er ein Dokument durch und dabei, so stellte Kate fest, zitterte er leicht. Er war offensichtlich nervös. Nun ging es darum, herauszufinden, ob er nervös war, weil er etwas zu verbergen hatte, oder ob es an der Anwesenheit der FBI-Agents lag.
„Hier ist es“, sagte er und schob das Tablet zu ihnen herüber. „Um 10:42 Uhr bin ich dort angekommen und war um 10:46 Uhr wieder weg.“
„Das erscheint mir ziemlich schnell“, meinte Kate. „Ich glaube nicht, dass ich je gehört habe, dass ein Problem so schnell behoben werden kann. Woran lag es, dass es kein Internet gab?“
„In der Nähe von Chicago gab es einen größeren Ausfall. Um den zu reparieren, mussten wie den Internet-Service in anderen Gegenden herunterfahren. In Frankfield war der Service noch nicht wieder auf dem üblichen Stand. Das war einfach zu reparieren. Bei allen Hausbesuchen am Dienstag, abgesehen von einem, ging es nur darum, die Installationskästen manuell zu resetten.“
„Und das dauert nur fünf Minuten?“, hakte Kate nach.
„Eigentlich dauert so ein manueller Reset nicht länger als zwei oder drei Minuten. Aber Hexco verlangt, dass ich mich bei jedem Hausbesuch einlogge und damit den Zeitpunkt festhalte, wann ich ankomme. Wenn ich den Timer gestartet habe, muss ich den Besuch notieren und dann draußen an den Telekommunikations-Kasten. Der Reset selbst dauert nur zwei Minuten. Danach schließe ich ein Testgerät an, um sicher zu gehen, dass alles funktioniert. Das dauert etwa dreißig Sekunden. Dann gehe ich wieder zu meinem Wagen, notiere den Status Report und logge mich aus.“
Er war zappelig und zitterte noch immer, wenn auch kaum merklich. Als er es bemerkte, versuchte er, dem beizukommen, indem er seine Hände ineinander verschränkte und auf die Tischplatte legte.
„Dann haben Sie all das bei den Hopkins zwischen 10:42 Uhr und 10:46 Uhr erledigt?“, hakte Karen nach.
„Ja, Ma’am.“
„Haben Sie mit Karen Hopkins gesprochen?“
„Nein. Hexco hat eine Email und eine SMS an alle Kunden verschickt, dass Techniker ausgesandt würden. In solch einer Situation, wenn der Besuch dem Kunden nicht berechnet wird, gibt es keinen Grund, ihn zu sprechen oder von ihm etwas unterschreiben zu lassen. Ich bezweifele, dass sie überhaupt wusste, dass ich da war.“
Das klang alles sehr plausibel, trotzdem rechnete Kate nach. Vier Minuten reichten bei Weitem aus, um in ein Haus zu gelangen und jemanden zu erwürgen. Die Tatsache, dass sein Report den Reset und den Test bestätigte, ließen die vier Minuten allerdings auf praktisch nichts zusammenschmelzen.
„Können Sie auch den Eintrag vor zwei Wochen für das Haus der Familie Hix finden?“, bat Kate.
„Ja. Kennen Sie den Vornamen?“
„Marjorie. Oder vielleicht Joseph, das ist ihr Ehemann“, antwortete DeMarco.
Mike befasste sich wieder mit seinem Tablet und hatte den Eintrag innerhalb von zwanzig Sekunden gefunden. Wieder schob er das Tablet zu ihnen herüber. Während sie die Daten betrachteten, versuchte er zu erklären.
„Hier … vor genau zwei Wochen. Der Grund für diesen Hausbesuch war eine Beschwerde bezüglich der Geschwindigkeit der Internetverbindung. Sie hatten angerufen, um ein Upgrade der Geschwindigkeit zu bekommen. Aber wenn man es von extern macht, über das Telefon, klappt es manchmal nicht. Deshalb musste ich hinfahren und es selbst machen.“
„Hier steht, dass es etwas fünfzehn Minuten gedauert hat“, sagte Kate.
„Ja, das kleine Gerät, das ich benutze, um die Signalstärke zu testen, hat mir Probleme bereitet. Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen gern den Antrag, den ich bei Hexco eingereicht habe, um ein neues Gerät zu bekommen.“
„Das wird nicht nötig sein“, meinte Kate. „Ich kann sehen, dass Marjorie Hicks unterschrieben hat. Haben Sie das Haus betreten?“
„Ja, Ma’am. Ich musste das Modem überprüfen. Ich habe ihr empfohlen, ein neues zu besorgen, denn ihres war schon ziemlich veraltet.“
Zum dritten Mal bemerkte Kate das nervöse Zittern seiner Hand. Es war zu offensichtlich, als dass sie es hätte ignorieren können.
„War ihr Ehemann zuhause?“, fragte sie und verbarg, dass sie seine Nervosität bemerkt hatte.
„Ich glaube nicht.“
Kate betrachtete den Eintrag ein letztes Mal. Anhand der Einträge und seiner Erläuterungen meinte sie, dass alles seine Ordnung hatte. Aber es erschien ihr zu viel des Zufalls. Sie musterte Mike und suchte nach Anzeichen, dass er log, fand jedoch keine.
„Vielen Dank, Mike“, sagte sie schließlich. „Wir sind dann auch fertig. Ich möchte Sie nicht noch länger von Ihrer Arbeit abhalten. Danke für Ihre Hilfe.“
„Keine Ursache“, sagte Mike und griff nach seinem Tablet. „Ich hoffe, Sie kriegen den Kerl.“
„Ja …“, sagte DeMarco, „das hoffen wir auch.“
Gemeinsam verließen die drei das Café. Mike winkte ihnen noch einmal unbeholfen zu, als er in seinen Hexco-Firmenwagen stieg.
„Er scheint die Wahrheit zu sagen“, meinte DeMarco, als sie in ihren eigenen Wagen stiegen.
„Ja, schon … Aber dieser Zufall …“
„Das wurmt dich, nicht wahr?“
„Ja. Das, und die Tatsache, dass er gezittert hat wie eine Hure in der Kirche.“
„Nette Metapher“, sagte DeMarco mit einem Kichern.
Beide beobachteten, wie Mike aus seiner Parklücke zurücksetzte. Keiner von ihnen sagte etwas. Kate griff nach ihrem Handy; sie wollte wissen, ob Melissa ihr eine Nachricht hinterlassen hatte … und wie wütend sie war.
Später, ermahnte sie sich. Die Arbeit hat Priorität.
Doch dieser Gedanke, genau wie die wartende Nachricht, tickte so laut wie eine Zeitbombe an einem längst vergessenen Ort. Tickte und tickte und wartete nur darauf, zu explodieren.
Kapitel fünf
Das Haus der Familie Hix befand sich etwa elf Meilen vom Haus der Hopkins entfernt. Es lag außerhalb der Stadtgrenze von Frankfield, war aber dennoch so nahe am Stadtzentrum gelegen, dass der Fall in den Zuständigkeitsbereich von Bannerman und seinen Leuten fiel. Chicago lag nur zwanzig Minuten südlich, was die Region deshalb zu einer Grauzone machte. Die Nachbarschaft war ein bisschen weniger exklusiv als die der Hopkins. Die Grundstücke waren kleiner und durch große Ulmen und Eichen voneinander getrennt. Als Kate und DeMarco in die Auffahrt der Hix‘ einbogen, mutete die Umgebung in dem strömenden Regen geradezu gotisch an.
DeMarco benutzte den Schlüssel, den Bannerman ihnen gegeben hatte, um ins Haus zu gelangen. Sie waren darüber informiert worden, dass der Ehemann direkt nach der Beerdigung zu seinem Bruder gezogen war, der Richtung Chicago wohnte. Es gab keinen Hinweis darauf, wann er vorhatte, zurück zu kommen.
Kurz nachdem Kate und DeMarco das Haus betreten hatten, fuhr ein weiterer Wagen vor und parkte hinter ihrem. Die Agents standen in der Tür, um zu sehen, wer der Besucher war. Eine blonde Frau mittleren Alters stieg aus einem sehr schönen Mercedes aus. Kate bemerkte, dass der Wagen die Nummernschilder eines Immobilienmaklers trug.
„Hallo“, sagte die Frau, die offensichtlich eine Maklerin war, als sie sich den Stufen näherte. Sie sah verwirrt aus. „Darf ich fragen, wer Sie sind?“
Kate zeigte ihren FBI-Ausweis. Somit waren alle Unklarheiten sofort beseitigt. „Agents Wise und DeMarco vom FBI. Ich nehme an, Sie sind die Immobilienmaklerin?“
„Das ist richtig. Ich heiße Nadine Owen. Ich bin hier, um das Haus ein letztes Mal zu überprüfen, bevor wir es zum Kauf anbieten.“
„Mir war nicht klar, dass es verkauft werden soll“, sagte Kate.
„Wir haben gestern den Auftrag erhalten. Mr. Hix wird nicht zurückkehren. Er hat eine Umzugsfirma beauftragt, die morgen den gesamten Hausstand packen wird. Ich habe eine Checkliste; ich soll sicherstellen, dass die Umzugsfirma die Instruktionen befolgt. Gott weiß, es wird schwierig genug sein, dieses Objekt zu verkaufen.“
„Warum?“, fragte DeMarco.
Kate wusste die Antwort. Sie hatte in der Vergangenheit mehrfach mit Fällen zu tun gehabt, in die auch Immobilienmakler involviert gewesen waren. „Wenn in einem Verkaufsobjekt ein Mord geschehen ist, muss der Makler das offenlegen.“
„Das ist korrekt“, stimmte Nadine zu. „In diesem Fall spendet Mr. Hix so ziemlich alles, was er hat. Er war in schlechter Verfassung, als ich mit ihm sprach. In dem nächsten Haus, in das er einzieht, möchte er keine Erinnerungen an seine Frau haben. Ziemlich traurig, wenn Sie mich fragen.“
Und wenn man mich fragt, ist das ziemlich verdächtig, dachte Kate.






