Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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„Statt zu klagen, dass wir nicht alles haben, was wir wollen, sollten wir lieber dankbar sein, dass wir nicht alles bekommen, was wir verdienen“
(Dieter Hildebrandt)
Und es gilt auch: „Je mehr wir brauchen, desto ärmer werden wir“ (M. Richter). Deshalb mein Rat: „Mit der Befriedigung unserer Bedürfnisse sollten wir es nicht übertreiben. Ein gewisses Maß an Bescheidenheit scheint gerade für unser heutiges Leben notwendig.“*
2.6.2 Begehren
Das Begehren kennzeichnet den gezielten Antrieb des Menschen zur Behebung eines Mangels mit einem damit verbundenen Bedürfnis, den Mangel zu beseitigen. Es wird auch als Begierde bezeichnet, wobei hier mehr körperliche Aspekte in den Vordergrund treten, z. B. Trieb, Lust, Wolllust. So wie es H.C. Neuert hinsichtlich der Begierde sehr treffend ausgedrückt hat: „Ich sehne mich nach deinen Küssen, begehre dich fast bis zum Schmerz, verzehre mich vor Lust und Verlangen, fiebere nach dir, mein Herz.“ Auf das Begehren gibt es noch eine andere kluge Antwort: „Der großen Liebe des Herzens ist das Begehren nicht mehr das wichtigste“ (M. Borée). Das Begehren kann sich nicht nur auf körperliche, sondern auch auf geldliche Aspekte richten.
► Wenn wir etwas begehren, dann ist das ganz normal: „Begierde ist des Menschen Wesen selbst“ (B. de Spinoza). Und anders gesagt: „Ein gewisses Maß an Begehren gibt dem Leben erst seinen Schwung“ (S. Johnson). Allerdings wissen wir auch: „Wir kennen uns bei weitem nicht in allen unsern Wünschen aus“ (La Rochefoucauld). Begehren ist mit einer gewissen Hoffnung verbunden: „Das Begehren, verbunden mit der Erwartung, das Gewünschte zu erlangen, nennt man Hoffnung“ (T. Hobbes). Die einen hoffen darauf, endlich den heiß begehrten Partner heiraten zu können und andere geben sich der Hoffnung hin, endlich reich zu werden. Dabei ist vor allem hinsichtlich des Reichtums zu beachten: „Die Begierde ist nach der Erfüllung der Wünsche ebenso ungestillt, wie sie es vorher war“ (M. Luther).
► Das Begehren der Menschen kann aber sehr schnell ausufern: „Die Sucht nach mehr richtet die Menschen zugrunde“ (Mohammed). „Je mehr die Menschen haben, desto mehr begehren sie“ (Justinus). Anders gesagt: „Der Menschen Wille ist ihr Himmelreich und wird oft ihre Hölle“ (aus Island). Mitunter ist der Wunsch das Begehren nicht Wert: „Man bedarf oft das Unnötigste am meisten“ (B. Auerbach). Hinsichtlich des Begehrens gilt:
▪ „Die Begehrlichkeit kennt keine Schranken, nur Steigerung“ (Seneca).
▪ „Begehren kennt keine Ruhe (aus England).
▪ „Das Laster lebt und wächst unter der Decke“ (Vergil).
▪ „Zuviel auf einmal wollen, das ist vom Bösen“ (Gotthelf).
▪ „Wer in einem silbernen Bett schläft, hat goldene Träume“ (aus Livland).
▪ „Je mehr er hat, je mehr er will. Nie schweigen seine Klagen still“ (J.M. Miller).
Körperliches Begehren reicht für das Gelingen einer guten Partnerschaft nicht aus. Vergessen wir nicht, dass in Deutschland etwa ein Drittel aller Ehen geschieden werden. In den Großstädten soll es schon mehr als die Hälfte sein. Hier kann durchaus von einer Krise des Begehrens201 gesprochen werden.
► Zusammenfassung: Das zehne Gebot in der Bibel lautet: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weibes und Besitzes“ (2. Mose 20,17). Aber menschlich ist: „Zu dem Verbotenen neigen wir stets und begehren Versagtes“ (Ovid). Dabei sollten wir andere Menschen aber nicht unglücklich machen: „Ehe man etwas begehrt, soll man das Glück dessen prüfen, der es besitzt“ (La Rochefoucauld). Eine wichtige Erkenntnis ist: „Des Glückes größter Feind ist die Begierde“ (E. Gött). Und: „Sündigen heißt, sich dem Leben hingeben“ (B. Steiner). Dieses Bestreben ist wohl unendlich: „Die Natur des Menschen ist so wesentlich auf das Bedürfen und Wünschen angelegt, dass jedes befriedigte wirtschaftliche Bedürfnis in unendlicher Folge neue weckt“ (H. von Treitschke). Und man ist nicht immer sich selbst gegenüber ehrlich: „Manch einer, der vor der Versuchung flieht, hofft doch heimlich, dass sie ihn einholt“ (G. Guareschi). Dazu Franz Grillparzer: „Ei, wer den Kelch der Weltlust nie versucht. Der weist vielleicht ihn von den trocknen Lippen. Doch wem’s einmal gelang daran zu nippen. Der ist zu ew’gem Trinken auch verflucht.“ Das Begehren wird dann immer stärker: „Wie wertvoll ein Ding ist, hängt davon ab, wie sehr wir es begehren“ (A. Maggauer-Kirsche). Ein Menschenkenner hat sich hinsichtlich des Reichtums so ausgedrückt:
„Der Reichtum gleicht dem Seewasser: Je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man“
(A. Schopenhauer)
„Wer alles begehrt wird unzufrieden.“* Plutarch sagt zu diesem Thema: „Wer wenig bedarf, der kommt nicht in die Lage, auf vieles verzichten zu müssen.“ Auf der anderen Seite: „Wer keine Wünsche mehr hat, der ist ein armer Kerl.“* Aus Frankreich stammt: „Wünschend bereichert sich keiner.“ Zum Schluss: „Um glücklich zu sein, ist es nicht nötig, mehr zu besitzen, sondern weniger zu begehren“ (P. Bosmans).
2.6.3 Egoismus
Der Egoismus ist eine Handlungsweise des Menschen, bei der die Verfolgung eigener Zwecke vor anderen Zwecken als das zentrale Motiv gesehen wird.202 Es geht hier um Antriebe und selbstsüchtige Strebungen: „Ein Egoist ist ein unfeiner Mensch, der für sich mehr Interesse hat als für mich“ (A. Bierce). Dabei sind Hartnäckigkeit, Zielstrebigkeit und Unermüdlichkeit nicht mit dem Egoismus identisch: „Beharrlichkeit wird zuweilen mit Eigensinn verwechselt“ (A. von Kotzebue). „Das Gegenteil vom kranken Altruismus ist und bleibt: „gesunder“ Egoismus“ (A. Selacher). Biologisch gesehen beruht der Egoismus auf dem Selbsterhaltungstrieb. Verwerflich wird er, wenn er sich im Geltungs- und Machtstreben zur Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit steigert. Überzogener Egoismus ist auch ein Problem der Interessengruppen in unserer Gesellschaft.203 Das Gegenteil vom Egoismus ist der Altruismus (Selbstlosigkeit).
► Pro: In unserer heutigen Leistungsgesellschaft ist ein „gesunder“ Egoismus zum Überleben notwendig: „Auf ein Ziel gerichtet, ist er ein weiser Egoismus“ (P. Mulford). In diesem Sinne gilt: „Egoismus ist Drang zum Dasein und Wohlsein“ (A. Schopenhauer). Der bekannte Künstler S. Dali ergänzt: „Wer heute Karriere macht, muss schon ein wenig Menschenfresser sein.“ Auch Sport lebt der Egoismus: „Die Meisterschaft gilt oft für Egoismus“ (J.W. von Goethe). Man kann auch Bezug zum Theater nehmen: „Auf der Bühne des Lebens heißt der Souffleur meistens Egoismus“ (unbekannt). Auch in der Kindererziehung spielt er eine Rolle: „Egoismus der Eltern artikuliert sich gern in rücksichtsloser Förderung der eigenen Kinder.“ Dann verwundert folgendes nicht: „Kindergesichter zeigen schnell den Egoismus, den sie von ihren Eltern geerbt haben“ (M.M.Jung). Und zum Nachdenken: „Satire ist eine Art von Spiegel, in dem der Betrachter fast jedermanns Gesicht erkennen kann, außer dem eigenen“ (J. Swift).
► Contra: Demgegenüber ist kranker Egoismus verwerflich: „Der Egoismus ist des Menschen größter Fluch“ (W.E. Gladstone). Oder anders gesagt: „Egoismus: Ein kleiner Größenwahn“ (W. Mocker). Egoisten kennen nur sich und ihre eigenen Interessen: „Der Egoismus besteht darin, sein Glück auf Kosten anderer zu machen“ (J. Baptiste H. Lacordaire). Die Folgen des kranken Egoismus sind offenbar:
▪ „Egoismus ist Einsamkeit“ (F. von Schiller).
▪ „Egoismus: Die Leere vom Du“ (H.J. Quadbeck-Seeger).
▪ „Wer sich selbst zu wichtig nimmt, menschlich immer tiefer sinkt.“*
▪ „Niemand applaudiert dem, der etwas für sich tut“ (E. Pannek).
▪ „Der Egoismus kann viel in der Welt erreichen, nur nicht einen guten Leumund“ (E.J. Jonas).
▪ „Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch“ (Einstein).
▪ „Nur wer an sich denkt, geht an sich kaputt“ (B. Steiner).
▪ „Mangelhafte Gesundheit und Einsamkeit sind der Preis für grenzenlosen Egoismus.“*
▪ „Egoismus ist die Klippe, an der jede Freundschaft zerschellt“ (L. Tieck).
Der englische Dichter S.T. Coleridge drückt es n.m. A. zu milde aus: „Egoismus ist die Zärtlichkeit der Ellenbogen.“ Ich möchte es gern härter sagen: „Kranker Egoismus favorisiert die Rücksichtslosigkeit des Ellenbogens.“* Typisch für den Egoisten ist: „Der Mensch kennt ein Hauptwort nur, und das heißt ich“ (J.N. Nestroy). Der große deutsche Dichter T. Fontane sagt es pfiffig: „Manche Hähne glauben, dass die Sonne ihretwegen aufgeht.“
► Conclusio: Die Bewertung des Egoismus ist gar nicht so einfach: „Alle denken nur an sich – nur ich denk an mich“ (C.M. Schulz). Der deutsche Jurist R. von Ihering bringt es auf den Punkt: „Nicht der Egoismus als solcher ist unsittlich, sondern das Übermaß desselben.“ Die Literatur reicht von für mich nicht hilfreichen Versuchen seiner Befürwortung204 bis hin zur Ablehnung.205 „Mit der Verherrlichung des Egoismus und der Ignoranz seiner potentiellen Nachteile helfen wir unserer Gesellschaft in keiner Weise.“* „Ein „gesunder“ Egoismus ist heute zweifellos für das Überleben in unserer Gesellschaft notwendig, aber kranker Egoismus ist verabscheuenswert.“* Aber auch die totale Selbstlosigkeit ist nicht die Lösung. Deshalb gilt grundsätzlich:
„Wer den Altruismus übertreibt, wird ebenso untergehen,
wie derjenige, welcher der Ichsucht verfällt“
(Horst-Joachim Rahn)
„Der Egoismus ist oft das Gitter, das uns den Weg zum Du verschließt“ (A. Rademacher). Darüber hinaus sind große Gesellschaftssysteme in die Betrachtung einbeziehbar: „Weder Kapitalismus noch Sozialismus sind das wichtigste „ismus“-Problem: es ist der Egoismus“ (W.J. Reus). Typisch: „Man kann nicht allen helfen, sagte der Engherzige und hilft keinem.“ Und wieder zum Nachdenken: „Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die Notwehr uns allmählich zwingt, in seinen Fehler zu verfallen“ (M. von Ebner-Eschenbach). „Deshalb ist Egoismus sehr ansteckend.“* Zum Schluss die weisen Worte von Martin Luther King: „Jeder muss entscheiden, ob er im Licht der Nächstenliebe oder im Dunkel der Eigensucht leben will.“
2.6.4 Leidenschaft
Die Leidenschaft ist ein starker Antrieb, der als übermäßiges Begehren das Fühlen und Handeln eines Menschen unabhängig von seiner Vernunft bestimmt. Sie umfasst beispielsweise Formen der Liebe – wie z. B. sexuelle Leidenschaft206 – und des Hasses. „Hass ist der Bumerang unter den Gefühlen“ (L. Peppel). In der Antike war die Beherrschung der Leidenschaft ein ganz besonderes Lebensziel. „Leidenschaften finden sich z. B. bei Liebenden, Musikern (R. Wagner: „Die Musik ist die Sprache der Leidenschaft“), Sammlern, Kunstliebhabern, Fußballfans und bei Tierfreunden: „Motivation ist der Zündschlüssel zum Erfolg. Leidenschaft ist der beste Treibstoff“ (K. Karius). Einstein sieht die Leidenschaft bescheiden im Sinne der wissenschaftlichen Neugier: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern ich bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Deshalb: „Den Leidenschaften verdanken die Wissenschaften und Künste ihre Entdeckungen“ (C.A. Helvetius). Auch Leidenschaften sind dialektisch betrachtbar: „Leidenschaften sind Fahrstühle zwischen Himmel und Hölle“ (A. Tenzer). Das bedeutet: Leidenschaften können zum Glück führen, aber auch sehr leidvoll sein: *207
► Leidenschaften können einen Menschen glücklich machen: „Ohne Leidenschaft gibt es keine Genialität“ (T. Mommsen). Oder anders ausgedrückt: „Was man aber gern macht, macht man gut“ (P. Mulfort). N. Chamfort bezieht die Vernunft mit ein: „Durch die Leidenschaften lebt der Mensch; durch die Vernunft existiert er bloß.“ Folgender Vergleich mit der Tierwelt ist möglich: „Wenn alte Gäule in Gang kommen, sind sie nicht mehr zu halten“ (Ch. Lehmann). Ähnlich dynamisch argumentiert L. Hirn: „Es gibt keinen Gipfel, den die Leidenschaft nicht erstürmen kann.“ Unterschiedliche Menschentypen interpretieren den Sinn der Leidenschaft abweichend: „König ist nur, wer seine eigenen Leidenschaften beherrscht“ (Sokrates). Andererseits: „Die einzige Möglichkeit, eine Versuchung zu überwinden ist, sich ihr hinzugeben“ (O. Wilde). Begründung: „Die Natur ist stärker als die Vorsätze“ (Th. Fontane). In eine ähnliche Richtung geht La Rochefoucauld: „Unter allen Leidenschaften steht den Frauen die Liebe noch am besten.“ Allerdings: „Es sind nicht die schönsten Frauen, die die großen Leidenschaften erregen“ (aus Frankreich). Zum Schluss der wahre Satz: „Packe die Menschen bei ihren Leidenschaften und dazu kann’st sie nehmen, wohin du willst“ (aus Frankreich).
► „Die Leidenschaft hat aber auch eine negative Seite, je nachdem wie sich ein Mensch verhält bzw. welche Erfahrungen er mit ihr macht.“* Die Folgen können ganz unterschiedlich sein, wie kluge Köpfe wissen:
▪ „Alle Leidenschaft führt zu Fehltritten“ (H. de Balzac).
▪ „Es reißt einen jeden seine Leidenschaft hin“ (Vergil).
▪ „Vernunft kennt Gnade, Leidenschaft nicht“ (St. Radulian).
▪ „Leidenschaft verleidet dazu, im Kreis zu denken“ (O. Wilde).
▪ „Die Anwendungen der Leidenschaft sind das Glatteis der Klugheit“ (W. Busch).
▪ „Leidenschaften misshandeln die Lebenskraft“ (F. von Schiller).
▪ „Ein aus Leidenschaft Verlorener ist blinder als ein Bildgeborener“ (J. Jacoby).
▪ „Nichts verdunkelt unsere Erkenntnis mehr als Leidenschaften“ (G.E. Lessing).
▪ „Die gefährlichsten Taschendiebe sind unsere Liebhabereien“ (P. Sirius).
► Wir lernen daraus: „Die Fähigkeit zur Leidenschaft ist sowohl grausam als auch göttlich“ (G. Sand). Hinzu kommt: „Einerseits sind Menschen ohne Leidenschaft langweilig und öde. Andererseits können überzogene Leidenschaften zur Hölle werden.“* „Leidenschaft macht häufig einen fähigen Mann zum Dummkopf, aber auch die Dümmsten fähig“ (La Rochefoucauld). Hölderlin sieht das ganz anders: „Es ist nichts so klein und wenig, woran man sich nicht begeistern könnte.“ Der preußische General von Scharnhorst betont den militärischen Aspekt: „Die Gewalt von Leidenschaften lässt sich ohne Hilfe der Gesetze nicht beschränken.“ Dazu der Rat: „Züchtige deine Leidenschaften, damit du nicht von ihnen gezüchtigt wirst“ (Epiktet). Wie lassen sich überzogene Leidenschaften bekämpfen? „Man heilt die Leidenschaften nicht durch den Verstand, sondern durch andere Leidenschaften“ (C.L. Börne). J.W. von Goethe rät: „Fang heute an, kühn zu handeln! Im Moment, wo du dich einer Sache wirklich verschreibst, rückt der Himmel in deine Reichweite.“ „Hinsichtlich des Ergebnisses kommt es immer darauf an, in welcher Art und Weise die Leidenschaft gelebt wird.“*
2.6.5 Ehrgeiz
Ehrgeiz ist das Streben des Menschen, andere an Geltung, Ehre oder Macht zu übertreffen. Ein normaler Ehrgeiz ist meistens mit einem Bedürfnis nach Anerkennung verbunden und wird als Antrieb in pädagogischer Sicht überwiegend positiv beurteilt. Es gibt aber auch den krankhaften Ehrgeiz: „In gruppenpsychologischer Sicht sind Ehrgeizlinge Streber, die mit ihrem extremen Ehrgeiz der Gruppe schaden können.“* „Das große Wunschpotenzial des Ehrgeizlings ist seine Karriere.“* Dazu passt die Feststellung: „Karriere: Der Ehrgeiz auf der Leiter“ (M. Hinrich). Oder anders gesehen: „Ehrgeiz ist die Unbescheidenheit des Geistes“ (W. Davenant). Wenn die Hierarchie neue Möglichkeiten des Aufstiegs eröffnet, dann strebt er sein Weiterkommen mit oft nicht mehr vertretbaren Mitteln an. Er neigt auch zum Perfektionismus. Der Ehrgeizling merkt mitunter nicht mehr, dass sein Verhalten im Team als abstoßend empfunden wird.208 Auch Ehrgeiz hat zwei Seiten.
► Ein normaler Ehrgeiz gehört als Triebkraft209 zum Leben: „Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein“ (M. von Ebner-Eschenbach). Aber Achtung: „Nur Ehrgeiz, durch den keine Eitelkeit schimmert, hat Zukunft“ (S. Prudhomme). Wir wissen: „Ehrgeiz kann man nicht trainieren“ (E. Zabel). Er muss dem Menschen gegeben sein. Und zum Nachdenken: „Chancen kennen keine Regeln“ (C.K. Rath). Den ehrgeizigen Menschen erkennt man relativ schnell: „Ehrgeiz kann sich nicht verbergen“ (Deutsches Sprichwort). Es gibt nach W. Shakespeare auch einen Bezug des Ehrgeizes zum Stolz: „Stolz ging voraus, der Ehrgeiz folgt ihm nach.“ Auch mit Sieg und Niederlage wird der Ehrgeiz konfrontiert: „Eine Niederlage, die deinen Ehrgeiz weckt, nutzt dir mehr als ein Sieg, der dich überheblich macht“ (K.H. Karius).
► Demgegenüber ist krankhafter Ehrgeiz dem Menschen abträglich: „Eifersucht, Wollust und Ehrgeiz richten den Menschen zugrunde“ (Talmud). Und: „Das schändlichste Laster ist der Ehrgeiz“ (M. Luther). Der Ehrgeizling geht voran und versucht mitunter, mit Ellenbogen sein Ziel zu erreichen: „Ehrgeiz schaut nicht zurück“ (B. Jonson). Das Geltungsbedürfnis des Ehrgeizlings beflügelt ihn: „Geltungssucht treibt den Ehrgeiz auf den höchsten Gipfel (M.M. Jung). Ähnlich sieht es B. de Spinoza: „Ehrgeiz ist unmäßige Begierde nach Ehre.“ Mitunter entsteht er auch durch Niederlagen: „Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Misserfolgs“ (O. Wilde). Er hat auch etwas mit Misstrauen bzw. mit Neid zu tun: „Die Ehrgeizigen haben mehr Neigung zum Neid, als die, welche vom Ehrgeiz frei sind“ (Aristoteles). Und: „Heftigen Ehrgeiz und Misstrauen habe ich noch allemal beisammen gesehen“ (G.C. Lichtenberg). Die Folgen des Ehrgeizes sind offensichtlich: „Ach, du unseliger Ehrgeiz, er ist ein Gift für alle Freuden“ (H. von Kleist). Krankhafter Ehrgeiz kann sogar zu Burnout-Falle werden: Mit einem Selbsterforschungsfragebogen lässt sich die Ausprägung des persönliche Ehrgeizes ermitteln.210 Manche Menschen haben zu wenig Ehrgeiz, trauen sich zu wenig zu und scheitern im Leben. Sie sollten beachten: „Wenn du meinst zu klein zu sein, um etwas zu bewegen, dann hattest du noch nie eine Mücke im Bett“ (aus Indien).
► Wie bewerten wir den Ehrgeiz? „Wer alle seine Ziele erreicht hat, hat sie sich als zu niedrig ausgewählt“ (H. von Karajan). „Ganz ohne Ehrgeiz schaffen wir das Leben nicht.“* Welcher Mensch ist eher anfällig für den Ehrgeiz? „Der Ehrgeiz befällt kleine Seelen leichter als große, wie Strohhütten leichter Feuer fangen als Paläste“ (N. Chamfort). Auch gilt: „Wer Großes versucht, ist bewundernswert, auch wenn er fällt“ (Seneca). Und: Ehrgeiz ja, aber nicht um jeden Preis: „Profilneurose kann eine schlimme Krankheit sein“ (H. Lahm).
„Mit falschem Ehrgeiz lässt sich das Schicksal auf die Dauer nicht befriedigen“
(W. Vogel)
Krankhafter Ehrgeiz ist vor allem für Kleingeister schädlich: „Das schlimmste Übel ist, wenn das Schicksal einem mit geringem Talent und großem Ehrgeiz ausstattet“ (L. de Vauvenargues). „Man sollte Ehrgeiz besitzen, ohne von ihm besessen zu sein“ (J. Huston). „Es scheint, dass der Ehrgeiz immer erst dort beginnt, wo er enden wollte“ (E. Wertheimer). „Die Freude beginnt dort, wo der Ehrgeiz endet“ (aus England). Vor allem gilt: „Wenn man glücklich ist, soll man nicht noch glücklicher sein wollen“ (Th. Fontane). Und zum Schluss: „Wer sich selbst erhöht, wird von Gott erniedrigt werden, wer sich gering achtet, wird erhöht werden“ (Bibel: Matthäus 23,12).
2.7 Verhalten des Menschen
Das Verhalten ist die äußerlich beobachtbare und entsprechend beschreibbare Aktivität des Menschen211 und steht im Gegensatz zu dessen innerer Haltung, zu dessen innerem Antrieb oder zu dessen Gesinnung. Es ist außer dem Erleben ein Betrachtungsgegenstand der Verhaltensforschung bzw. der Psychologie. Nach Kurt Lewin ist das Verhalten eine Funktion von Anlage und Umwelt des Menschen.212 Es zeigt sich z. B. im Lachen, Weinen, Rennen, Schlagen, Sprechen, Bewegen und Berühren. Übrigens: „Wenn zwei das Gleiche tun, so ist das nicht dasselbe“ (Terenz). Und für die Menschenführung gilt: „Das beobachtbare Verhalten einer Führungskraft äußert sich in ihrem Führungs- bzw. Erziehungsstil.“*213 Das Verhalten ist auch durch Introspektion feststellbar (In-sich-selbst-Hineinsehen), das sich aus Neugier, Angst und Begierden ergibt und zu bestimmten Reaktionen führt, z. B. zu gestörtem, auffälligen Verhalten. Wir können in dialektischer Sicht positives und negatives Verhalten unterscheiden.
► Thesen: Als Grundsatz positiven Handelns kann man – ähnlich wie es der kategorische Imperativ von E. Kant aufzeigt – folgendes Anliegen sehen: „Man muss den Nächsten so behandeln, wie man von ihm behandelt sein will“ (A. Nobel). Oder frech gesagt: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg doch einfach andern zu“ (Graffito). Auch gilt: „Das menschlichste Verhalten ist immer noch, Mensch für einen anderen Menschen zu sein“ (G. Kropp).
Von Christen wird ein besonders positives Verhalten erwartet: „Die wahre Religiosität zeigt sich im gesamten Verhalten des Menschen“ (Kaiser Wilhelm I.). Vor allem für den Christen ist jeder Mensch zu respektieren. Aber: „Der Glaube allein ist kein Garant für heilsames Verhalten“ (Dalai Lama). Vor allem ist das keine Frage der Bildung: „Die Bildung eines Menschen zeigt sich am deutlichsten in seinem Verhalten gegenüber Ungebildeten“ (P. Sirius). Und: „Wenn du ein großer Mensch werden willst, verhalte dich wie einer“ (Sprichwort). Was zeigt am besten den Charakter eines Mannes? „Nichts zeigt besser den Charakter eines Mannes als die Art und Weise, wie er sich den Frauen gegenüber verhält“ (Voltaire). Auch: „Wer das Verhalten eines Menschen einschätzen möchte, sollte sein Auftreten gegenüber Kindern prüfen: „Es gibt kaum ein besseres Erkennungszeichen für Menschen, als ihr Verhalten zu Kindern“ (H. Lhotzky). Vor allen für Kinder gilt: „Nichts fällt so sehr auf, wie das, was man verbergen will“ (A. Jarosch). Wie wird man erwachsen? „Erwachsen wird man nicht dadurch, dass man wie ein Erwachsener aussieht, sondern dadurch, dass man sich wie einer verhält (J. Seifert). Und: „Erwachsen wird man, wenn man damit aufhört, sich für den Nabel der Welt zu halten (A. Rahn).“
► Antithesen: Bei dem Streben nach positivem Verhalten sollten wir aber nicht vergessen: „Gute Absichten entschuldigen nicht böses Verhalten“ (Sprichwort). „Leider gibt es in unserer Welt viel zu viel Böses.“* Das gilt nicht nur für den Morast in unserer Gesellschaft ganz unten: „In je höhere Kreise man kommt, umso affiger verhalten sich die Leute“ (S. Latzel). Dazu passt: „Ihre Einbildung beeinflusst das Verhalten viel stärker als ihre Ausbildung (Querulix). Und zum Schluss: „Die Argumente, mit denen wir unser Verhalten rechtfertigen, sind normalerweise dümmer als unser Verhalten selbst (N.G. Davila).
► Synthese: „Jeder hat seine Gründe für sein Verhalten“ (Voltaire). Auch gilt: „Unsere Aufgabe in dieser Welt ist es nicht, alle Dinge zu wissen, wohl aber diejenigen, die unser Verhalten betreffen“ (J. Locke). Und G. Uhlenbruck ergänzt: „Nicht jeder, der tut, was er kann, kann, was er tut.“ „Das Verhalten eines Menschen ist auch von seiner Bildung abhängig. Menschen, welche primär durch die Naturwissenschaften geprägt sind, verhalten sich anders als solche, die eine geisteswissenschaftliche Basis haben.“* „Nicht wenige Naturwissenschaftler haben Probleme mit der Menschenführung; viele primär geisteswissenschaftlich geprägte Menschen haben zu wenig Ahnung von Physik und Chemie.“* Aber: „Das Verhalten wird nicht von Bedingungen diktiert, die der Mensch antrifft, sondern von Entscheidungen, die er selber trifft“ (V.E. Frankl).





