Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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2.3.1 Das Gute und das Böse
Das Böse ist die Kraft, die den Menschen zum moralisch falschen Handeln antreibt, z. B. zur Sünde, Lüge, Angeberei, zum Egoismus und/oder zum Verbrechen. Das Böse ist eine Herausforderung für Philosophie und Theologie.123 Aus China stammt dazu das Sprichwort: „Das Böse lernt sich leicht, das Gute schwer.“ Demgegenüber werden unter dem Begriff des Guten traditionell moralische und ethische Werte verstanden. Wir sollten im Rahmen der Betrachtungen des geisteswissenschaftlichen Universums vorrangig das Gute in den Blick nehmen, das sich z. B. in der Bescheidenheit, Selbstlosigkeit, Höflichkeit, Ehrlichkeit, dem Edelmut, der Hilfsbereitschaft und in der Demut zeigt. Aber: „Die Guten können zu unglücklichen Opfern der Bösen werden“ (M. de Sade). Lässt sich das Böse bekämpfen? In China werden Drachen verehrt, weil sie das Böse zugunsten des Guten bekämpfen. Ein interessanter Bezug ergibt sich zum Phänomen der Faszination: „Das Gute behält seine Faszination in der Niederlage und verliert sie im Sieg. Das Böse behält seine Faszination im Sieg und verliert sie in der Niederlage“ (M. Rumpf).
► Was ist das Böse? Der Aufklärer und seltsame Querkopf J.J. Rousseau, der selbst wenig Kritik vertrug und Zurückhaltung bzw. Demut nicht kannte, hält den Menschen eigentlich von Natur aus für gut. Trotzdem gibt es überall Lug und Trug, Mord und Totschlag.124 „Das ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeugend immer Böses muss gebären“ (F.v. Schiller). Auch: „Das radikale Böse ist ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Natur“ (E. Kant). Und: „Das Böse in der Welt rührt uns viel mehr als das Gute“ (Ch. von Schweden). Warum ist das so? „Die Macht des Bösen lebt von der Feigheit der Guten“ (Don Bosco). „Aus bösen Gedanken entspringen böse Taten“ (Sprichwort). Durch seine zerstörerische Haltung ist das Böse wohl auch ein Phänomen der Leiderfahrung.125 Außerdem: „Wenn die Realität mies ist, sind die Miesmacher nicht weit“ (A. Saheb). Aber es gilt insbesondere: „Wer das Böse duldet, lässt es galoppieren.“* Menschlich ist allerdings die Feststellung: „Auch die größten Heiligen waren höchstens tageweise ohne Sünde“ (Papst Johannes Paul I.). Und: „Das Böse ist ein verzehrendes Feuer“ (E. Stein). Oder einfacher: „Das Böse ist das Fehlen des Guten“ (Th. von Aquin). Für ganz clevere gilt: „Wer einem andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ (Mohammed). „Wenn das Böse siegt, wird es ernst“ (A.M. Bussek). Außerdem lässt sich feststellen: „Böse Menschen werden im Alter bitter“ (H.J. Quadbeck-Seeger).
► Was ist das Gute? „Gut sein heißt, mit sich selber im Einklang sein“ (O. Wilde). „Aus guten Gedanken entspringen gute Taten!“ Merke: „Wer das Gute anstrebt, ist auf dem richtigen Weg zur Zufriedenheit.“* „Das Gute allein ist auf Dauer beachtenswert“ (K.L. Immermann). Außerdem: „Alles was gut ist, ist zeitlos.“* F.M. Dostojewski sagt hoffnungsvoll: „Ich will nicht und ich kann nicht glauben, dass das Böse normal sei“. Folgender Rat ist treffend: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse mit dem Guten“ (Papst Johannes XXIII). Deshalb gilt: „Betrachtet alles von der guten Seite“ (T. Jefferson). Und humorvoll: „Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt“ (W. Busch). „Das Gute durchdringt, das Böse wuchert“ (Sprichwort). Überzeugend ist: „Wer Gutes tut, fragt nie warum“ (K. Eisenlöffel). „Das Böse kommt von selbst, um das Gute muss man kämpfen“ (aus Spanien). Zum Schluss verblüffend: „Wenn der Teufel alt wird, will er Mönch werden“ (aus Frankreich). Zum Schluss: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ (E. Kästner).
► Was lernen wir daraus? Der Mensch hat die Freiheit, gut oder böse zu handeln. Allerdings nimmt die Seele des Menschen – mit einem Chip vergleichbar – sein gutes und böses Verhalten stetig und unbemerkt auf: Wer sich niederträchtig verhält, löst damit negative Festschreibungen in seiner Seele aus, die in zunehmendem Maße eine Tendenz zur Unzufriedenheit bewirken. Wer sich im Sinne der Zehn Gebote verhält, wird positive Seelen-Aufzeichnungen haben. Diese zeigen das Gute, machen eher zufrieden und bringen uns dem Glück näher. Der Seelenzustand kann sich vom Bösen zum Guten entwickeln, aber auch umgekehrt. Dabei sollten wir wissen: „Kein Bösewicht kann jemals glücklich sein“ (Juvenal). „Selten freilich sind gute Menschen“ (Juvenal). Aber wir wissen: „Der Mensch weiß wohl um das Gute, auch wenn er es nicht tut „ (H. von Bingen). Und es gilt: „Ein böses Wort ist wie ein Stein, der in einen Brunnen geworfen wird. Die Wellen mögen sich glätten, doch der Stein bleibt“ (Konfuzius). Wer ist gut? „Gut sind die, die auf Böses gut reagieren“ (A.M. Meneghin).
Leider hat sich in der Praxis auch gezeigt: „Wer viel Gutes gibt, wird zum Dank mit Schlägen belohnt“ (F. Schmuck). „Wenn wir in diesem Augenblick wüssten, was alles Schlechtes in der Welt geschieht, würden wir nicht mehr an das Gute glauben.“* Trotzdem sollten uns nicht vom Guten abbringen lassen:
„Will das Böse dich besiegen, dann lass dich ja nicht unterkriegen; genieße, was dir Gott beschieden, dann macht das Gute dich zufrieden“
(Horst-Joachim Rahn)
Warum verbreitet sich das Böse mehr und schneller als das Gute? Vielleicht deshalb, weil die Verbreitung des Guten mit Anstrengungen bzw. Entbehrungen verbunden ist. Im „Faust“ lässt Goethe seine Hauptgestalten Faust und Mephistopheles (das Böse verkörpernd) wirken, die einen Pakt schlossen, den der Teufel am Ende verlor. Faust fragt Mephistopheles: „Nun gut, wer bist du denn?“ Dieser antwortet: „Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“126 Und später: „… So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element.“ Fazit: Wir sollten im Leben versuchen, das Gute anzustreben bzw. zu bewirken und das Böse zu meiden bzw. zu bekämpfen. „Man kann nicht jeden Tag ein gutes Werk vollbringen, aber wir sollten es versuchen“ (H.G. Nitschke). Außerdem gilt zeitlos: „Einander beizustehen ist Bruderpflicht“ (K.W. Ramler). Zum Schluss treffend: „An das Gute im Menschen zu glauben, ist eine weitere Herausforderung unserer Zeit“ (A.M. Meneghin).
2.3.2 Das Schöne
„Das Schöne ist für uns Menschen ein gefühlter ästhetischer Zustand. Dieser ist eine Mischung der zarten Nuancen von Wohlgefühlen und Begierden“ (F.W. Nietzsche). Das Schöne und das Hässliche durchlaufen den gleichen Klassifizierungsprozess wie auch das Harmonische und Disharmonische. Doch währen das Harmonische höchstens Wohlgefallen in uns auslöst, kann das Schöne mehr, denn es erweckt Assoziationen, spricht unsere Gefühle an und bewegt vor allem unsere Triebe bzw. Instinkte. „Das Schöne in der Kunst, Kultur und in der Natur ist nicht einfach in Worte zu fassen: man muss es genießen.“*
► Christian Morgenstern hat das Schöne sehr treffend beschrieben: „Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet.“ Ähnlich: „Halte dich ans Schöne! Vom Schönen lebt das Gute im Menschen“ (E. von Feuchtersleben). „Das Schöne eröffnet sich eher dem Guten als dem Bösen.“* „Das Schöne ist der Glanz des Wahren“ (Augustinus). Sehr gut: „Edles erkennt man daran, dass es zeitlos schön ist“ (A. Assa). Und: „In der Wahrheit findet man das Schöne“ (F. von Schiller). „Durch das Schöne wird die Sinnlichkeit des Menschen geadelt“ (C. Oeser). „Wahres und Gutes wird sich versöhnen, wenn sich beide vermählen im Schönen“ (F. Rückert). „Schönheit bändigt allen Zorn“ (J.W. von Goethe). Nicht immer gilt: „Alles Große und Edle ist einfacher Art“ (G. Keller). „Das Schöne vergeht nie ganz, denn es geht in die Erinnerung ein“ (R. Kaune). Sehr treffend sagt es E. Reinhardt: „Das Schöne am Alter ist, etwas sein zu dürfen, ohne etwas werden zu müssen.“
► Aber: „Wer schön sein will muss leiden – wer nicht schön ist, leidet sowieso“ (Gräfin Fito). Leider gilt zeitlos: „Auch das Schöne muss sterben“ (F. von Schiller). „Um das Schöne zu erkennen, muss man das Hässliche gesehen haben“ (aus Friaul). Außerdem: „Schönheit und Verstand sind selten verwandt“ (Sprichwort). Aus China: „Schöne Frauen bringen den Männern Hochwasser.“ Was haben Liebe und Schönheit gemeinsam? „Sie sind beide vergänglich“ (S. Gönül). „Die wahre Schönheit kommt von innen. Leider setzt sie sich oft nicht nach außen fort“ (K. Feldkamp). Leider gilt auch: „Ach, wie bald, ach wie bald, schwinden Schönheit und Gestalt“ (W. Hauff). „Leider lässt der Alltag für uns Menschen viel Schönes zur Gewohnheit werden.“* Und: „Das Schönste ist immer viel zu schnell vorbei!“* Auch beim Essen hat das Schöne nicht immer eine Chance: „Eine schöne Krawatte zieht die Tagessuppe magisch an“ (Sprichwort).
► Fazit: „Was die Schönheit ist, weiß nur Gott“ (A. Dürer). „Nach dem Höchsten und Herrlichsten musst du ringen, wenn dir das Schöne zuteil werden soll“ (C.D. Friedrich). „Wenn mehr von uns Heiterkeit, gutes Tafeln und klingende Lieder höher als gehortetes Gold schätzen würden, so hätten wir eine fröhlichere Welt“ (J.R.R. Tolkien). In der Philosophie wird das Schöne gern mit dem Guten verglichen: „Das Gute muss bewiesen werden, das Schöne nicht“ (B. de Fontanelle). „Menschlich und edel ist das Gute, göttlich und unsterblich ist das Schöne“ (R. Hamering). „Das Schöne ist außerdem in der Lage, uns zu aktivieren, denn es entstehen Aufmerksamkeit, Neugier und Freude. Wer an Glücksgütern und Besitz reich ist, aber in seinem Hause das Schöne nicht pflegt, den kann man nicht glücklich nennen“ (Euripides). Der graue Alltag richtet vieles zugrunde: „An das Edle und das Schöne, möchte ich mich so gern gewöhnen; doch der Alltag ist viel stärker, bringt mir immer wieder Ärger!“*
Hierzu der gute Rat: „Denke an das Schöne, das du erreicht hast, und das Negative wird zur Nebensache“ (E. Rau). „Das Beste im Leben ist, Verständnis für alles Schöne zu haben“ (Menander). Dazu noch ein sehr guter Rat: „Bewahre dir ein kritisches Gefühl für das Schöne, so versiegen deine Quellen des Vergnügens nie“ (F. von Schiller). Dazu passt auch die weise Feststellung: „Schöne Erinnerungen sind die Schmuckstücke des Lebens“ (H. Joost). „Der Schlüssel zur ewigen Jugend ist die Fähigkeit, das Schöne zu sehen. Wer diese Fähigkeit besitzt, wird niemals alt“ (F. Kafka). Zum Schluss meine Bitte: „Lasst uns in einer zunehmend kalten Gesellschaft ein wenig heile Welt erhalten!“*
2.4 Tugenden des Menschen
„Die Tugend ist die Gesinnung eines Menschen, welche auf die Verwirklichung moralischer Werte ausgerichtet ist“ (Sokrates). Sie ist eine vorbildliche Haltung bzw. eine hervorragende Charaktereigenschaft, die eine Person dazu befähigt, das Gute in der Welt des geisteswissenschaftlichen Universums zu realisieren. Zu den Kardinaltugenden zählen Klugheit, Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Demgegenüber bestehen soziale Tugenden127 aus Hingabe, Dankbarkeit, Staunen, Vergebung, Vertrauen und Aufrichtigkeit. Soldatische Tugenden sind gegenseitiges Verständnis, guter Wille, Hilfsbereitschaft und Kameradschaft. Weitere wichtige Tugenden sind: Mut, Bescheidenheit, Besonnenheit, Höflichkeit und Menschlichkeit. Auch Tugenden unterliegen einem Wandel.128 Wo ist die Tugend denn einzuordnen? „Die Tugend wohnt im Herzen und sonst nirgends“ (Voltaire).
Die christlichen Tugenden gehen auf die Zehn Gebote zurück (Altes Testament). Im Neuen Testament ergänzt Jesus Christus in seiner Bergpredigt die Tugenden Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Sanftheit, Reinheit des Herzens und Friedfertigkeit. Die drei göttlichen Tugenden bestehen aus Glaube, Hoffnung und Liebe. Nach Prudentius kämpfen die sieben himmlischen Tugenden (Demut, Mildtätigkeit, Keuschheit, Geduld, Mäßigung, Wohlwollen und Fleiß) mit den entsprechenden Untugenden des Menschen (Stolz, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit) um die Vorherrschaft in der Seele. Auch die Tugenden werden in der Philosophie unterschiedlich gesehen.
► Welches sind die wichtigsten Tugenden? „Die nützlichen Tugenden der Bürger sind Menschlichkeit, Billigkeit, Tapferkeit, Wachsamkeit und Arbeitsliebe“ (Friedrich der Große). Und: „Scham ist eine große Tugend“ sagt B. Freidank. Außerdem wird auf die Diskretion hingewiesen, denn: „Eine der wichtigsten Tugenden … ist die Verschwiegenheit“ (A. von Knigge). Die Gesinnung des Menschen ist dabei auf hohe Ziele gerichtet: „Tugend ist der Weg zur Glückseligkeit, zu einem geglückten Leben“ (Aristoteles). Außerdem besteht ein direkter Bezug zur Wahrheit: „Die höchste, ja … die einzige Tugend, die der Mensch besitzen kann, ist die Wahrheit gegen sich und andere“ (S. Bernhardi). Aus der Erfahrung wissen wir: „Wahre Stärke liegt im Verzeihen“ (R. Bloch). Auch die Selbstlosigkeit hat hier ihren Platz: „Mehr als jede andere Tugend betont der Buddhismus Uneigennützigkeit, die in Liebe und heilender Hinwendung Ausdruck findet“ (T. Gyatso).
► Aber wir sollten uns durch die positive Würdigung der Tugenden nicht blenden lassen: „Tugenden sind mit Zunahme der Reichtümer gesunken“ (K.J. Weber). Denn: „Wenn das Geld ruft, hat die Moral seit jeher kaum eine Chance.“* Auch die Eitelkeit kann Tugenden zunichte machen: „Tugenden und Mädchen sind am schönsten, ehe sie wissen, dass sie schön sind“ (L. Börne). Wenn wir bestimmte Tugenden von anderen Menschen fordern, tun wir das nicht immer ganz selbstlos. Marie von Ebner-Eschenbach sagt dazu: „Wir verlangen sehr oft nur deshalb Tugenden von anderen, damit unsere Fehler sich bequemer breitmachen können.“ Wahre Tugend ist reinste Gesinnung und ist streng von Schmeichelei zu trennen: „Schöne Worte und schmeichlerisches Gehabe gehen selten mit wahrer Tugend einher“ (Konfuzius). Zum Schluss erkennen wir, dass hohe Tugendhaftigkeit im praktischen Leben durchaus nicht erfolgreich sein muss: „Wenn einer besonders tugendhaft ist, lass ihn zum Einsiedler werden“ (von den Philippinen). Ähnlich: „Wem die Scham erste Tugend ist, darf sich nicht wundern, wenn sich kein Partner findet.“*
► Wir lernen aus den Thesen und Antithesen zur Tugend: „Die Verwirklichung moralischer Werte ist durchaus nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, denn Geldgier, Eitelkeit und Stolz verführen uns schneller als wir es verhindern können.“* „Eine vorbildliche Haltung und hervorragende Charaktereigenschaften sind ohne Frage anstrebenswert: Aber sie müssen nicht zum unbedingten Lebenserfolg führen.“* „Wer möchte in tugendhafter Größe und in einer sich schnell verändernden Welt zum totalen Eigenbrödler werden oder ein Leben lang ganz ohne Partner sein?“*
Vielleicht kann der Kategorische Imperativ als Tugend-Grundsatz die Lösung aus dem Dilemma bringen: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer Allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte“ (E. Kant). Aber es gilt auch, dass dem Leben eigene Gesetze innewohnen, wie es sogar die Bibel offen legt: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Matthäus 26.41). In diesem Sinne scheint mir auch bei der Bewertung von Tugenden ein wenig menschliches Verständnis angebracht, weil wir alle Fehler machen:
„Die großen Tugenden machen einen Menschen bewundernswert. Die kleinen Fehler machen ihn liebenswert“
(P.S. Buck)
Deshalb wohl auch die Feststellung: „Wer tugendhaft lebt, wird geehrt, aber nicht beneidet“ (aus Persien). Dazu eine weitere Forderung: „Der Mensch sollte nicht tugendhaft, sondern nur natürlich sein, so wird die Tugend von selbst kommen“ (G. Keller). Interessant ist auch die Herstellung des direkten Bezugs der Tugend zum Laster: „Der Tugend folgt die Belohnung, dem Laster die Strafe“ (H. von Kleist). Ein früherer amerikanischer Präsident philosophiert: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben“ (A. Lincoln). Abschließend die schlitzohrige Aussage eines Menschenkenners: „Man denkt sich den moralischen Unterschied zwischen einem ehrlichen Manne und einem Spitzbuben viel zu groß“ (F.W. Nietzsche). Zum Schluss mein Rat: „Bei der gezielten Bewertung von Tugenden sollte das menschliche Verständnis nicht außen vor bleiben.“* Alle folgenden Tugenden werden in dialektischer Sicht betrachtet.
2.4.1 Tapferkeit
Die Tapferkeit ist die Fähigkeit eines Menschen, einer schwierigen Situation ohne Furcht entgegenzutreten.129 Hinsichtlich dieser Tugend ist insbesondere in folgendem Fall Mut erforderlich: „Der höchste Mut ist Unerschrockenheit angesichts des sicheren Todes“ (Vauvenargues). Tapferkeit äußert sich in dem Willen, einen physischen oder mentalen Konflikt ohne Angst durchzustehen. Tapferkeit kann beispielsweise durch Anerkennung, Beförderung, Geld bzw. durch Orden belohnt werden. Dabei gilt: „Weisheit, Mitleid und Tapferkeit sind die drei wichtigsten sittlichen Eigenschaften des Menschen“ (Konfuzius). In vielen Fällen wird der Tapfere von der Überzeugung getragen, für eine gute Sache zu kämpfen, auch wenn es manchmal sinnlos erscheint. Wer es versteht, sich in aussichtslosen Situationen trotzdem zu behaupten, der besitzt Standhaftigkeit. „Die Tapferkeit steht zwischen der Tollkühnheit und der Feigheit“, sagt Aristoteles. Wie ist die Tapferkeit als Tugend zu bewerten?
► „Die Tapferkeit wird zu Recht als die erste der positivern Eigenschaften des Menschen angesehen, weil sie diejenige ist, die alle anderen gewährleistet“ (W. Churchill). Vor allem für die Jugendzeit gilt: „Die Tapferkeit trotzt der Ermahnung“ (Ovid). Dazu passt: „Die Begeisterung für rechte Tapferkeit ist der Jugend schönstes Vorrecht“ (H. v. Treitschke). Und: „Tapferkeit ist unparteiisch“ (T. Lenk). „Tapferkeit in Verbindung mit Macht führt zu Tollkühnheit“ (Aristoteles). Tapferkeit braucht auch Zuversicht: „Das Vertrauen auf die eigene Kraft ist die Grundlage der Tapferkeit“ (Friedrich der Große). „Tapferkeit ist die Fähigkeit, von der eigenen Furcht keine Notiz zu nehmen“ (G.S. Patton). Und Tapferkeit ist mit Aktivitäten verbunden: „Wer einen Ertrinkenden retten will, muss sich nass machen, wer einen Entlaufenen einfangen will, muss rennen“ (Lü Bu We).
► Nicht alle Menschen haben mit der Tapferkeit gute Erfahrungen gemacht, vor allem, wenn es um Leben und Tod geht: „Der militärische Ausdruck für Dummheit ist Tapferkeit“ (S. Sarek). W. Shakespeare sagt es milder: „Der bessere Teil der Tapferkeit ist die Besonnenheit.“ Und: „Tapferkeit muss eine Krankheit sein. Viele sind an ihr gestorben“ (E. Blanck). Tapfer zu sein ist nicht jedermanns Sache: „Sie tapfer, aber geh’ aus de Schusslinie“ (aus dem Kaukasus). Deshalb verwundert folgender Ausspruch nicht: „Tapferkeit ist ein Anfall, der bei den meisten Menschen schnell vorübergeht“ (M. Twain). Wer fällt, muss möglichst schnell wieder aufstehen: „Um aufzustehen, muss man gefallen sein“ (D. Wieser). Zum Schluss: „Die Tapferkeit mancher Leute ist nur ein Rechnen mit der Furchtsamkeit des Gegners“ (H. de Balzac).
► Zusammenfassung: Wer meint, auf Tapferkeit verzichten zu können, kann böse Überraschungen erleben: „Wer sich seiner Haut nicht wehrt, dem wird sie abgezogen“ (J.V. von Scheffel). Auch gilt: „Tapferkeit wird dadurch nicht schlechter, dass sie ein wenig schwerfällt“ (G.B. Shaw). Darüber hinaus stellen wir mit Konfuzius fest: „Wer wirklich gütig ist, kann nie unglücklich sein; wer wirklich weise ist, kann nie verwirrt werden; wer wirklich tapfer ist, fürchtet sich nie.“ Damit steht fest: „Gegen die Infamitäten des Lebens sind unsere besten Waffen: Tapferkeit, Eigensinn und Geduld. Die Tapferkeit stärkt, der Eigensinn macht Spaß und die Geduld gibt Ruhe“ (H. Hesse). Es gilt auch: „Die Tugend des Glücks ist Mäßigung, die Tugend des Unglücks ist Tapferkeit“ (F. Bacon). Die Tapferkeit kann auch mit negativer Erfahrung verbunden sein:
„Männer von Charakter, Tapferkeit, Klugheit und Weisheit haben meist lange in Not und Bedrängnis gelebt“
(Mong Dsi)
Zum Schluss eine kompakte Meinung: „Der Jammer der Menschheit ist, dass die Klugen feige, die Tapferen dumm und die Fähigen ungeduldig sind. Das Ideal wäre der tapfere Kluge mit der nötigen Geduld“ (T. Capote).
2.4.2 Mut
Mut ist die psychische Gestimmtheit des Menschen, sich etwas zu trauen bzw. etwas zu wagen und keine Angst zu haben. Diese Tugend zeigt sich in unerschrockenem, überlegtem Verhalten vor allem in gefährlichen Situationen, z. B. in Wagemut, Tapferkeit, Kühnheit und Beherztheit. Er basiert auf dem Selbstbehauptungswillen und dem Selbstwertgefühl des Menschen: „Mut ist die Summe von positiven Erfahrungen“ (A. Selacher). Daraus ist ableitbar: „Wer Gutes tut, hat frohen Mut“ (J.H. Voß). Wer andere Menschen ermutigt, tut damit etwas Gutes. Mut benötigt der Mensch auch, um sich selbst zu erkennen: „Der Mut zur Selbsterkenntnis verrät Charakterstärke“ (E. Ferstl). Was ist das Gegenteil von Mut? „Das größte Laster ist die Verzagtheit“ (Franz von Assisi). Was ist Demut? „Demut ist der Mut, mit Gott zu rechnen“ (A. Maggauer-Kirsche). Auch der Mut kann in dialektischer Sicht gesehen werden.
► J.W. von Goethe hat erkannt: „Zu allem Großen ist der erste Schritt der Mut“. Denn nach einem deutschen Sprichwort gilt: „Wer wagt, gewinnt.“ „Unmögliches wird möglich, wenn es an Mut nicht fehlt“ (E. Kulmann). „Mut ist Eifer, der Angst die Stirn zu bieten“ (M. Gitzel). Ohne eine große Portion Mut wird alles nichts, denn: „Ohne Mut trägt die Weisheit keine Früchte“ (B.G. y Morales). Es besteht auch Bezug des Mutes zur Gerechtigkeit: „Mut ist die Tugend, die für Gerechtigkeit eintritt.“ (M.T. Cicero). Auch die Umsetzung gelingt: „Wozu der Mensch den Mut hat, dazu findet er auch die Mittel“ (E.B.S. Raupach). Ganz großen Mut erfordert es, wenn es um Leben und Tod geht: „Der höchste Mut ist die Unerschrockenheit angesichts des Todes“ (L. de Vauvenargues). Hier gilt auch: „Die Gefahr erhöht den Mut“ (W. Shakespeare).
Mut hat ohne Frage mit Kampf zu tun:
„Mut ist, zu kämpfen.
Auch wenn der Gegner übermächtig ist“
(Werbespruch von Miserior)
Mutige Menschen haben es im Leben besser: „Nur durch Mut kann man sein Leben in Ordnung bringen“ (L. de Vauvenargues). Existenzielle Krisen sind nur mit Mut zu bewältigen.130 Dazu sagt Astrid Lindgren keck: „Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!“ Zum Schluss: „Dem Mutigen gehört die Welt“ (Sprichwort). Wer mutig ist, der hat auch den Beistand von ganz oben, denn: „Dem Mutigen hilft Gott“ (F. von Schiller).
► Auch der Mut hat seine Grenzen: „Übermut tut selten gut“ (Sprichwort). Das gilt vor allem bei Kindern. Den Erwachsenen sollte bewusst sein, dass Übermut zu Wichtigtuerei werden kann. Dann gilt zeitlos: „Wer sich selbst zu wichtig nimmt, menschlich immer tiefer sinkt.“* Auch gilt: „Mut ist manchmal nur Leichtsinn“ (P.E. Schumacher). Für den Journalismus gilt mitunter: „Lieber Staub aufwirbeln, als Staub ansetzen“ (H. Burda). Der Bezug des Mutes zum Willen wurde bereits oben hergestellt: „Wo der Mut fehlt, fehlt der Wille“ (A. Selacher). Und: „Als Feigheit offenbart sich vorgetäuschter Mut“ (S. Schütz). Er entsteht zuweilen auch aus Angst: „Wenn dich der Mut verlässt, holt die Angst dich ein“ (W. Ludin). Hinsichtlich der Angst gilt schon immer: „Verzweiflung macht einem Feigling Mut“ (T. Fuller). Darüber hinaus: „Mut ist nicht Freisein von Angst, sondern ihre Überwindung“ (Sprichwort). Bemerkenswert ist Folgendes: „Die schwach sind an Mut, sind stark an Schläue“ (W. Blake). Mut ist auch nicht immer selbstlos: „Die Mutigen sagen immer allen ins Gesicht, was sie von sich halten“ (J. Rukowska). Zum Schluss zum Nachdenken: „Wer die Sanftmut als Schwäche ansieht, verkennt ihren Mut“ (E.R. Hauschka). Und: „Armut darf nicht arm an Mut machen“ (G. Uhlenbruck).





