Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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► Was ist nun für unsere Lebensbewältigung wichtig? „Il faut faire le pas selon la jambe“, d. h. den Schritt muss man dem Bein anpassen (aus Frankreich). Und zu beachten ist auch: „Wirf deine alten Schuhe nicht weg, ehe du neue hast“ (aus Flandern). Zu viel Besonnenheit ist auch nicht gut: „Habe Geduld, aber nicht zu viel“ (unbekannt). Und: „Man darf Zurückhaltung nicht mit Schwäche verwechseln“ (R. Plümer). Die Besonnenheit zählt bei Konfuzius zu den zentralen Idealen und ist eine Geisteshaltung, die nicht mit Ängstlichkeit verwechselt werden darf:
„Der Ängstliche besinnt sich so lange,
bis seine Besonnenheit keinen Sinn mehr macht“
(A. Brie)
Insbesondere edle Menschen gelten als besonnen: „Mittleren Menschen mag man den Mut loben, edlen die Besonnenheit“ (W. Rathenau). Der heilige Franz von Sales sagt: „Die Besonnenheit steht in Verbindung mit der Tugend des Stillschweigens, was allzeit besser sei, als eine lieblose Wahrheit zu verkünden.“ „Zur Besonnenheit gehört auch, die rechten Pläne zu fassen, das Gute und Schlechte und alles, was im Leben zu erstreben und zu meistern ist, beurteilen zu können, alle wirksamen Güter recht zu benutzen, den nötigen Umgang zu pflegen, überall den rechten Zeitpunkt zu erkennen, geistesgegenwärtig zu sein in Wort und Tat, in allen nützlichen Dingen erfahren zu sein“ (Aristoteles). Aber: „Hüte Dich, alles zu begehren, was Du siehst, alles zu glauben, was Du hörst, alles zu sagen, was Du weißt, und alles zu tun, was Du kannst“ (Inschrift an einem Kloster in Lyon). Vor allem, wenn man etwas von Anderen verlangt, sollte man sehr vorsichtig sein: „Überlege einmal, bevor du gibst, zweimal bevor zu annimmst, und tausendmal, bevor du verlangst“ (M. von Ebner-Eschenbach).
2.4.8 Hilfsbereitschaft
Die Hilfsbereitschaft ist die Bereitwilligkeit zur Hilfe durch einen Menschen für einen anderen. Der Hilfe geht beispielsweise eine Bitte des Hilfsbedürftigen voraus oder eine davon unabhängige Entscheidung durch hilfsbereite Menschen. In den zwischenmenschlichen Beziehungen ist die Hilfsbereitschaft ein besonderer Bestandteil der Kooperation: Menschen handeln unter spezifischen Bedingungen mehr oder weniger altruistisch.144 Echt gläubige Menschen betrachten Hilfe als eine natürliche Pflicht, die sich als Aufgabe aus ihrem Glauben ergibt. Viele nicht gläubige Menschen folgen ihrem Gewissen und sehen die Hilfsbereitschaft ebenfalls als eine vorrangige Aufgabe. Nicht wenige Personen denken im Leben nur an sich selbst und helfen anderen kaum. Eine funktionsfähige Gesellschaft kommt aber ohne Hilfsbereitschaft nicht aus. Man kann vorsorgende Hilfe (z. B. Vorsorgeuntersuchungen, Nutzung von Versicherungen), nachsorgende Hilfe (z. B. Rehabilitation), Soforthilfe (z. B. Erste Hilfe) und humanitäre Hilfe unterscheiden, z. B. Beistand in Not. Auch die Hilfsbereitschaft hat zwei Seiten.
► Thesen zur Hilfsbereitschaft: „Man muss sich gegenseitig helfen, das ist ein Naturgesetz“ (J. de la Fontaine). Auch: „Es kennt der edle Mann nicht eine schönere Pflicht, als die zu helfen, mit allem, was er hat und was er kann“ (Sophokles). Oder ermutigend: „Wer einen Blinden vierzig Schritte führt, dem werden seine früheren Sünden vergeben“ (Mohammed). Oder: „Dem Mann kann geholfen werden“ (F. von Schiller). Das Genie J.W. von Goethe fordert überzeugend: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ Der österreichische Schriftsteller F. Grillparzer stellt unumwunden fest: „Es ist so schön, für andere zu leben.“ Dazu passt: „Nach „lieben“ ist „helfen“ das schönste Zeitwort der Welt“ (B. von Suttner). Grundsätzlich gilt: „Anderen Menschen helfen zu können erfüllt mit höchster Zufriedenheit.“*
► Es gibt auch Antithesen zur Hilfsbereitschaft: „Jeder überschätzt seinen Wohltätigkeitssinn“ (E. Wertheimer). Oder anders: „Es gibt eine Art Hilfsbereitschaft, die einfach nur widerlich berührt, weil sie nichts so sehr wie der Eitelkeit des Helfenden dient“ (P. Rudi). Nicht immer endet Hilfsbereitschaft positiv: „Elende Helfer, … die nicht helfen können, ohne zugleich zu schaden“ (G.E. Lessing). Oder: „Wer nicht im Augenblick hilft, scheint mir nie zu helfen“ (J.W. von Goethe). Nachdenklich macht: „Ein Wohltäter hat immer etwas von einem Gläubiger“ (C.F. Hebbel). Auf der Autobahn ist leider folgendes nicht selten: „Auf einen Helfer kommen fünf Dutzend Gaffer“ (aus Italien).
► Meine Synthese zur Hilfsbereitschaft: „Hilfsbereitschaft ist für jede intakte Gesellschaft ein unabdingbare Tugend.“* Grundsätzlich gilt: „Um Almosen geben zu können, muss man nicht reich sein“ (Don Bosco). Wer nicht von innen heraus dazu bereit ist: Hilfreiches Verhalten lässt sich durchaus lernen.145 Die Hilfsbereitschaft hat Folgen: „Mein Herz freut sich, dass du so gern hilfst“ (Bibel: Psalm 13,6). Ob mit positiven oder negativen Folgen: „Hilfsbereitschaft spricht sich schnell herum“ (A. van Rheyn). Und Hilfe hat ihre Begründungen: „Unglück hat mich gelehrt, Unglücklichen Hilfe zu leisten“ (Vergil). Irgendwie erstaunlich ist: „Menschen helfen lieber dem, der ihrer Hilfe nicht bedarf, als dem, welcher sie nötig hat“ (C.F. Hebbel). Eigentlich haben wir alle Hilfe nötig:
„Wenn jeder dem anderen helfen wollte,
wäre allen geholfen“
(Marie von Ebner-Eschenbach)
Zum Nachdenken: „Wir sollten alle hilfsbereit sein, aber aufpassen, dass dabei niemand zu Schaden kommt.“* Im Einzelfall trifft Hilfe auf unterschiedliche Personen: „Dem Hungrigen ist leichter geholfen als dem Übersättigten“ (M. von Ebner-Eschenbach). Im Rahmen der Entwicklungsländer ist vielen Hungernden weniger leicht zu helfen. Das ist ein ganz schwieriges Thema! Auch sollte man nicht immer nur Hilfe von außen erwarten: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ (Deutsches Sprichwort). Und zum Schluss das sehr wahre Wort: „Wer seine Ohren verstopft vor den Schreien des Armen, der wird selbst nicht erhört werden, wenn er um Hilfe ruft“ (Bibel: Sprüche Salomos 21.13).
2.4.9 Barmherzigkeit
Die Barmherzigkeit ist die Tugend, das Leid anderer Menschen gewahr zu werden und sich seiner durch Hilfe anzunehmen. „Barmherzigkeit ist damit die Quelle der sozialen Gerechtigkeit.“ Deshalb gilt: „Gnade ist die Stütze der Gerechtigkeit“ (aus Russland). In den Religionen hat die Barmherzigkeit einen hohen Stellenwert. Im Christentum und Judentum ist sie eine herausragende Eigenschaft Gottes (z. B. 2. Mose 34, 6). Aus Barmherzigkeit rettet Gott die Menschen aus ihrer Verstrickung in ihre Schuld. Die von Gott erfahrene Barmherzigkeit wird für gläubige Menschen zur Motivation und steht in enger Verbindung zu Nächstenliebe, Menschenliebe, Hilfsbereitschaft und Humanität: „Selig sind die Barmherzigen, den sie werden Barmherzigkeit erlangen“ (Matthäus 5,7).
► Wie zeigt sich Barmherzigkeit in der Praxis? „Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt“ (Bibel: Psalm 41, 2). Für Thomas von Aquin hat die Barmherzigkeit einen besonders hohen Stellenwert: „An sich ist die Barmherzigkeit die größte der Tugenden.“ Und: „Barmherzigkeit beginnt im eigenen Haus – aber sie sollte dort nicht enden“ (Sprichwort). Interessant ist: „Großherzigkeit ist der Klugheit keine Rechenschaft über Motive schuldig“ (L. de. Vauvenargues). Die Barmherzigkeit hat Folgen: „Wer andere in Not aufrichtet, richtet sich selber auf“ (unbekannt). Auch: „Selig, die barmherzig sind, denn sie werden Erbarmen finden“ (Bibel: Matthäus 5,7). Und: „Gott wird sich niemandem erbarmen, der sich der Menschen nicht erbarmt“ (Mohammed). Auch der heutige Papst äußert sich treffend dazu: „Die Barmherzigkeit Gottes kommt von oben. Es ist an uns, als Amtsinhaber der Kirche, diese Botschaft lebendig zu halten …“ (Papst Franziskus).
► Die Barmherzigkeit wird aber auch kritisch gesehen: „Barmherzigkeit ist eine überholte und eine unzeitgemäße Tugend“ (unbekannt). Typisch: „Wahrlich, ich mag sie nicht, die Barmherzigen, die selig sind in ihrem Mitleiden. Zu sehr gebricht es ihnen an Scham“(F.W. Nietzsche). Mancher hat Probleme damit: „Das Tor der Barmherzigkeit ist schwer zu öffnen und schwer zu schließen“ (aus China). Und: „Man erlaubt gern der Wohltätigkeit eine wunderliche Außenseite“ (J.W. von Goethe). Alles ist relativ: „Barmherzigkeit gegen die Wölfe ist Unrecht gegen die Schafe“ (aus Holland). Noch schlimmer: „Wenn Gnade Mörder schont, verübt sie Mord“ (W. Shakespeare). Barmherzigkeit hat Folgen: „Mitleid und Erbarmen verderben das Geschäft“ (aus Indien). Auch: „Eine allzu reichliche Gabe lockt Bettler herbei, ohne sie abzufertigen“ (J.W. von Goethe). Zu Ende gedacht: „Wird der Reiche wahrhaft barmherzig, so hört er bald auf, reich zu sein“ (L. Tolstoi).
► Was lernen wir daraus? Die Barmherzigkeit ist keinesfalls eine unzeitgemäße oder überholte Tugend.146 Als Schlüssel zum Leben ist sie in unserer Gesellschaft allerdings ein sträflich vernachlässigtes Thema.147 Wir stellen zumindest für die Christenwelt fest: „Wer andern gegenüber nicht hilfreich ist, der kann nicht sein ein guter Christ.“* In dem Apostolischen Schreiben vom 26. 11. 2013 weist Papst Franziskus insbesondere auf die Bedeutung der Barmherzigkeit hin.
Die sieben leiblichen Werte der Barmherzigkeit sind: Die Hungrigen speisen, den Dürstenden zu trinken geben, die Nackten bekleiden, die Fremden aufnehmen, die Kranken besuchen, die Gefangenen besuchen und die Toten begraben. Die sieben geistigen Werke sind: die Unwissenden lehren, den Zweifelnden recht raten, die Betrübten trösten, die Sünder zurechtweisen und die Lästigen geduldig ertragen. Denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen, für die Lebenden und die Toten beten. Ist das alles für uns Menschen zu hoch gegriffen und nicht erfüllbar? Tun wir selbst genug für andere Menschen?
„Wir sprechen zwar ernsthaft über Barmherzigkeit,
aber wir tun in unserer Bequemlichkeit zu wenig“
(Horst-Joachim Rahn)
Alle gläubigen Menschen sind zur Barmherzigkeit verpflichtet: „Liebe, Almosen, Hingabe und Geduld sind die vier Dinge, die aus einem Menschen einen Heiligen machen“ (aus Italien). So weit gehe ich allerdings nicht. Aber: „Almosen geben macht nicht arm, Stehlen nicht reich und Reichtum nicht weise“ (aus England). „Da die Barmherzigkeit eine Eigenschaft Gottes ist, ist sie in ihrer Gesamtheit für uns Menschen wohl niemals erreichbar.“*
2. 4. 10 Hoffnung
Die Hoffnung ist die Erwartungshaltung des Menschen, dass in der Zukunft etwas Wünschenswertes eintritt, ohne dass bei ihm darüber Gewissheit besteht. Es kann das Hoffen auf ein bestimmtes Ereignis oder auf einen Zustand sein, z. B. Gesundheit oder finanzielle Sicherheit. Die Hoffnung kann von Angst und Sorge begleitet sein, dass das Erwünschte nicht eintritt. In der Theologie ist die Hoffnung außer dem Glauben und der Liebe eine der drei Kardinaltugenden. Dabei ist Gott selbst die Quelle und Grundlage der christlichen Hoffnung. Wenn ausgedrückt werden soll, dass die Hoffnung nicht berechtigt ist, dann wird von der Illusion oder einem Wunschtraum gesprochen. Ihr Gegenteil ist die Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit bzw. Resignation. Hoffnung ist auch ein philosophisches Prinzip.148 Was ist Hoffnung?
▪ „Die Hoffnung ist eine Anleihe auf das Glück“ (J. Joubert).
▪ „Hoffnung ist die Verquickung von Wunsch und Erwartung“ (A. Bierce).
▪ „Hoffnung ist eine Flamme, die ständig flackert, aber nie erlischt“ (aus Ungarn).
Und zum Schluss: „Hoffnungen sind die Wünsche an die Zukunft“ (P.O. Pirron). Das Gegenteil ist ein Leben ohne Hoffnung: „Hoffnungslosigkeit ist schon die vorweggenommene Niederlage“ (K. Jaspers).
► Pro-Argumente zur Hoffnung: „Hoffnungen sind Schwerkräfte, die uns nach oben ziehen“ (E. Ferstl). B. Stramke sagt es so: „Die Hoffnung ist das Ausbringen von Saat auf kargem Boden.“ Insbesondere gilt: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ (Sprichwort). Wir sollten die Hoffnung nie zu schnell aufgeben: „Die Hoffnung stirbt erst, wenn man sie aufgibt“ (J. Weger). Vor allem gilt grundsätzlich: „Der Lebende soll hoffen“ (J.W. von Goethe). Denn: „Hoffnung ist der Anker der Welt“ (Weisheit der Bantu). Hoffnung bezieht sich vor allem auf die Zukunft: „Hoffnung auf einen kommenden, besseren Tag lässt Unglück leichter ertragen“ (B. Ramlow). Denn: „Was wäre ein Leben ohne Hoffnung“ (J.C.F. Hölderlin). Es gibt auch heute noch Menschen, die sich für das Schicksal interessieren und anderen Hoffnung machen: „Die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben können“ (J. Jaurès). Zwei kluge Köpfe äußern sich ebenfalls dazu: „Wer nichts waget, der darf nichts hoffen (F. von Schiller). Und zum Schluss: „Die Hoffnung hilft uns leben“ (J.W. von Goethe).
► Dazu gibt es contra-Argumente: Wenn die Hoffnungen nicht immer erfüllt werden, gibt es negative Folgen: „Hoffnung ist der erste Schritt auf der Straße der Enttäuschung“ (Sprichwort). Und: „Hoffnung macht mehr Betrogene als Schlauheit“ (Vauvenargues). Im schlimmsten Falle gilt: „Hoffnung ist das Winseln um Gnade“ (H. Krausser). Sie kann uns auch in die Irre führen: „Hoffnung macht blind“ (St. Radulian). Oder: „Hoffnung ist der krankhafte Glaube an das Unmögliche“ (H.L. Mencken). Manchmal bringt die Hoffnung viel verschwendete Zeit: „Hoffnung bedeutet ausharren, aber nicht erfüllen“ (K. Peltzer). Ähnlich wirkungsarm: „Hoffnung ist oft ein Jagdhund ohne Spur“ (W. Shakespeare).
► Conclusio zur Hoffnung: Der kranke Friedrich Hölderlin fragte: „Was wären wir Menschen ohne Hoffnung?“ Seine tiefgründigen Gedichte bildeten einen Höhepunkt der deutschen Lyrik. Wir Menschen brauchen die Hoffnung, vor allem, wenn uns die Erfüllung eines Vorgangs oder das Eintreten eines Ereignisses wichtig ist. Vor allem kranke und einsame Menschen brauchen Zuwendung und Hoffnung.149 Und es gilt weltweit auch folgende traurige Feststellung: „Hoffnung ist das Brot der Armen“ (Thales von Milet). Und: „Der Traum macht die Welt der Armen reich“ (E.R. Hauschka). Nietzsche meint dazu: „Die Hoffnung ist der Regenbogen über dem herabstürzen Bach des Lebens.“ Und Francis Bacon sagt dazu: „Die Hoffnung ist ein gutes Frühstück, aber ein schlechtes Abendbrot.“ Über den Tag hinaus gedacht: „Die kurze Lebenszeit verbietet, eine lange Hoffnung zu beginnen“ (Horaz). „Im Leben kommt vieles anders als man denkt, aber die Hoffnung sollte man vor allem dort nicht aufgeben, wo zumindest noch kleine Chancen bestehen.“*
E. Kant fragte: „Was dürfen wir hoffen?“ Antwort: „Träume deine Träume, aber erwarte nicht, dass sie in Erfüllung gehen“ (P.O. Pirron). „Für den Fall, dass die Hoffnungen nicht erfüllt werden, sollten wir nicht resignieren, sondern nach neuen Wegen suchen.“* „Es wär’ so schön gewesen, es hat nicht sollen sein“ (J.V. von Scheffel). Zu beachten ist auch: „Wer nichts erwartet, wird nie enttäuscht“ (U. Erckenbrecht). Ein guter Rat eines klugen Menschen ist hier hilfreich:
„Drei Dinge helfen, die Mühseligkeit des Lebens zu tragen: Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen“
(Emmanuel Kant)
„Manchmal treibt uns die Hoffnung auch an.“* Eine Hoffnung kann sein: „Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her“ (Sprichwort). „Die Hoffnung, so trügerisch sie ist, dient wenigstens dazu, uns auf angenehmem Weg an das Ende des Lebens zu führen“ (La Rochefoucauld). Und es gilt auch: „Wenn eine über lange Zeit gehegte Hoffnung plötzlich vom Erfolg umarmt wird, dann ist das die größte Befriedigung auf dieser Welt.“* „Fast die Hälfte seines Lebens hofft der Mensch beinah vergebens. Würd’ die Hoffnung gänzlich fehlen, wär’s ein hoffnungsloses Leben.“ (H. Fleitmann). Und Jim Henson meint zum Schluss: „Ich hoffe immer noch, dass ich die Welt ein wenig besser verlasse, als ich sie vorgefunden habe.“
2. 4. 11 Geduld
Geduld ist die Fähigkeit eines Menschen, ruhig und beherrscht unangenehme oder lange andauernde Gegebenheiten zu ertragen.150 Hier muss der Mensch in der Lage sein, zu warten und Ausdauer zu zeigen. Der Engländer sagt dazu locker: „Abwarten und Tee trinken.“ Geduldig ist ebenfalls, wer Schwierigkeiten und Leiden mit Gelassenheit, Standhaftigkeit und Sanftheit ertragen kann. Dazu gehört: „Sanftmut macht sich unsichtbar“ (S. Kirkegaard). Auch in der Bibel und im Koran wird die Geduld als Tugend an verschiedenen Stellen angesprochen. Das Gegenteil der Geduld ist die Eile bzw. die Hast: „Ungeduldig sucht sie zu beschleunigen, was eigentlich seine Zeit braucht“ (J. Dahl).
► Es gibt viele Thesen zur Geduld: „Geduld ist die Tugend der Glücklichen“ (B. de Spinoza). Glücklich sind vor allem Liebende: „Geduld und Liebe überwinden alles“ (Th. Storm). Grundsätzlich gilt: „Geduld ist die Kunst zu hoffen“ (Vauvenargues). Und es gilt auch hier: „Gut Ding will Weile haben“ (Ovid). Mit Bezug zur Natur heißt das: „Wenn man lange genug wartet, wird das schönste Wetter“ (aus Japan). Oder: „Geduld ist ein Baum, dessen Wurzeln bitter, dessen Früchte aber sehr süß sind“ (aus Persien). Tiefgründig ausgedrückt: „Die Geduld ist der Schlüssel zur Freude und zur Zufriedenheit“ (Sprichwort). Zur Abrundung der Bezug zur Hoffnung: „Geduld ist das Ausdauertraining für die Hoffnung“ (G. Uhlenbruck).
► Es gibt auch Antithesen zur Geduld: „Geduld ist eine Qual“ (P.E. Schumacher). Vor allem für hektische bzw. gehetzte Menschen gilt: „Geduld? Dafür habe ich keine Zeit!“ (unbekannt). Deshalb sollten wir beherzigen: „Wer die Geduld verliert, ist schon halb verloren“ (aus China). Mit Bezug zur Natur: „Der Ungeduldige fährt sein Heu nass ein“ (W. Busch). Merke dazu: „Wir sollten immer die Folgen unseres Verhaltens bedenken.“* Vor allem: „Durchschneide nicht, was du lösen kannst“ (J. Joubert). Auch wer sehr krank ist, hadert mit der Geduld: „Ungeduld begleitet wahre Leiden“ (W. Shakespeare).
Der französische Philosoph Blaise Pascal151 ist als sehr geduldiger Mensch bekannt. Er hatte sich über eine Jahr lang dem Thema Nächstenliebe gewidmet. Ein besonders schwieriger Fall war der 80-jährige Fignon, der seit Menschengedenken darniederlag und noch immer nicht sterben konnte. Pascal setzt sich zu ihm ans Bett, wobei der alte Fignon ihn immer wieder aufs Neue dazu nötigte, den Vorhand auf und zuzuziehen, weil ihn das Licht störte. Auch ansonsten war der 80-Jährige etwas ungehalten und provozierte den Philosophen ständig. Pascal versuchte ihn zu beruhigen, indem er ihm geduldig einige seiner philosophischen Beiträge über den Menschen vortrug. „Aufhören!“ brüllte der Alte. „Bring mir Wein, denn dieses Gestammel ist nur mit Wein zu ertragen!“ Und er setzte noch etwas drauf: „Du bist nicht nur ein miserabler Krankenpfleger, sondern auch ein hundserbärmlicher Schriftsteller …“ schimpfte der Alte. Den ansonsten ruhigen Pascal packte plötzlich der Zorn und er holte von der Anrichte eine Karaffe Wasser und schüttete sie über dem verdutzten Alten aus. Dieser sagte: „Ich kann dir gar nicht sagen wie froh ich bin. Endlich habe ich dich einmal zornig gesehen; jetzt aber weiß ich, dass du ein Mensch bist wie wir alle …!“ Dazu passend:
„Geduld ist die Eigenschaft, die am dringendsten benötigt wird, wenn man sie verloren hat“
(Caray Mac Williams)
► Zusammenfassend stellen wir fest: „Zuweilen hat auch der Geduldigste gar keine Geduld mehr.“* Trotzdem: „Geduld ist oftmals der einzige Weg zum Erfolg“ (M. Meurer). Aber sei nicht ungeduldig: „Man kann nicht Apfelbäume pflanzen und schon im nächsten Jahr die Früchte ernten“ (B. Beitz). Auch gilt: „Geduld ist aller Schmerzen Arznei“ (P. Sirius). Aus Frankreich stammt ein Sprichwort, das ebenfalls zur Arznei Stellung bezieht: „Geduld ist die beste Arznei im Unglück.“ Geduld braucht man fast immer: „Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern“ (Konfuzius). Auch beim Schreiben von Büchern ist Geduld nötig: „Nicht Kunst und Wissenschaft allein, Geduld will bei dem Werke sein“ (J.W. von Goethe). Geduld lässt sich durchaus lernen. „Die Geduld bleibt in unserer hektischen Zeit aber nicht selten auf der Strecke. So es für uns nicht immer einfach, geduldig und gelassen zu bleiben.“* Was heißt es denn gelassen zu sein? Ruhe und Ordnung im Kopf haben, Akzeptanz für Unabänderlichkeiten zeigen, maßvollen Umgang mit sich und anderen pflegen bzw. angemessenes Benehmen zeigen.152
Wie soll man mit Trotz umgehen? „Den trotzigsten Sinn weiß Sanftmut nur zu heilen“ (Phädrus). Während in unserer Gesellschaft heute vieles relativ schnell bereitgestellt werden kann, ist der Geduldsfaden äußerst dünn gesponnen. Deshalb sollten wir uns viel mehr bewusst machen, wenn uns der Geduldsfaden mitunter reißt. Vor allem sollten wir daraus lernen. Gegen Ungeduld kann viel getan werden.153 Dabei sind manche Denkmuster zu ändern: Wir sollten beispielsweise versuchen, eventuelle Wartezeiten sinnvoll zu nutzen. Auch regelmäßige Übungen zur Entspannung (z. B. Yoga, Autogenes Training) können helfen, geduldiger zu werden. Gelassenheit lässt sich für uns Menschen auch trainieren. Und zum Schluss: „Ich lerne es täglich, lerne es unter Schmerzen, denen ich dankbar bin: Geduld ist alles“ (R.M. Rilke).
2. 4. 12 Fleiß
Der Fleiß ist als strebsames Verhalten eine Tugend des Menschen, die mit Zielstrebigkeit, Eifer, Arbeitsamkeit und Beharrlichkeit verbunden ist.154 In wissenschaftlicher Sicht ist er ein wesentlicher Erfolgsfaktor. „Der Preis des Erfolgs ist Hingabe, harte Arbeit und unablässiger Einsatz für das, was man erreichen will“ (F.L. Wright). In abwertender Sicht wird der Fleiß – mitunter gegen die Intelligenz „ausgespielt.“ Die Arbeitsamkeit wird dann nicht selten als „Angepasstheit“ abgewertet, weil es angenehmer erscheint, weniger zu arbeiten und „clever“ sein Geld zu verdienen. „Für mich steht Fleiß im Verhältnis zur Cleverness wie Arbeit zu Schwarzarbeit.“* Das Gegenteil von Fleiß ist Faulheit. „Zur Faulheit wird man geboren, zum Fleiß erzogen“ (E. Ellinger).
► Was spricht für den Fleiß? „Ohne Fleiß kein Preis“ (Sprichwort). Und: „Das Beste findet sich dort, wo sich Fleiß und Begabung verbindet“ (J. Kepler). Meine volle Unterstützung hat der folgende Spruch: „Der Fleiß bringt heimlichen Segen, wenn du arbeitest mit Lust“ (Hebbel). Folge: „Umso härter ich arbeite, umso glücklicher werde ich“ (S. Goldwyn). Auch: „Fleiß ist aller Tugenden Anfang“ (Friedrich der Große). Napoléon Bonaparte geht sogar so weit, dass er behauptet: „Genie ist Fleiß.“ Dazu passt: „Geniale Menschen beginnen große Werke, fleißige Menschen vollenden sie“ (Leonardo da Vinci). Fleiß ist auch mit Betätigungsdrang verbunden: „Alles gelingt, wen man mit rechtem Eifer angreift“ (S. Smiles). Und: „Fleiß ist die beste Form der Leidenschaft“ (Th. Mann). Auch für die Kunst gilt: „Kunst ist Fleiß“ (Sprichwort). „Die Talente sind oft gar nicht so ungleich, im Fleiß und im Charakter liegen die Unterschiede“ (T. Fontane). Der amerikanische Profi-Golfer E.T. Tiger Woods verriet: „Ich messe den Erfolg nicht an meinen Siegen, sondern daran, ob ich jedes Jahr besser werde.“
► Ist der Fleiß nur positiv zu bewerten? Manche Menschen behaupten: „Wer viel arbeitet, dem fehlt die Cleverness!“ (unbekannt). „Fleiß ist die Chance der Unbegabten“ (A. Bechmann). Oder: „Fleiß ist die Wurzel aller Hässlichkeit“ (O. Wilde). Vom gleichen Autor: „Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers“ (O. Wilde). War der sehr begabte irische Dichter Oscar Wilde kein Freund des Fleißes? Oder kokettierte der als überheblich bekannte Erfolgsschriftsteller mit obigen Aussagen nur mit dialektisch zugespitztem Spott? Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass er durchaus perfektionistische Phasen hatte, wo er seine Werke immer wieder akribisch überarbeitete. Zum Thema Fleiß und Klima: „Die Faultiere leben im tropischen Südamerika, und zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich von jeder Tätigkeit mit Fleiß fernhalten“ (J.G.A Galletti). Zum Schluss zum Nachdenken: „Nicht nur „ohne Fleiß kein Preis“, sondern auch kein Fleiß ohne Preis“ (E. Blanck).





