Ritter, Thronerbe, Prinz

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Thanos stand auf. Er hatte es satt, vor diesem Mann zu knien. „Ich habe es verstanden, Vater. Ich habe dich bestens verstanden.“
Er drehte sich um und lief auf die Türen zu ohne auf eine Erlaubnis zu warten. Was konnte sein Vater schon tun? Es würde ihn schwach aussehen lassen, wenn er ihn zurückriefe. Thanos trat durch die Tür, wo Stephania auf ihn wartete. Es sah so aus, als hätte sie ihre Selbstbeherrschung zum Wohle der Leibgarde bewahrt, doch in dem Moment als Thanos durch die Tür kam, lief sie auf ihn zu.
„Geht es dir gut?“ fragte Stephania und hob eine Hand an seine Wange. Sie ließ sie weiter nach unten fahren und Thanos sah, dass Blut an ihrer Hand haftete als sie sie zurückzog. „Thanos, du blutest!“
„Es ist nur ein Kratzer“, versicherte Thanos ihr. „Das muss noch von dem Kampf vorhin sein,“
„Was ist dort drinnen geschehen?“, fragte sie.
Thanos zwang sich zu einem Lächeln, aber es gelang ihm nicht recht. „Seine Majestät hat sich dazu entschlossen, mich daran zu erinnern, dass Lucious, obwohl wir beide Prinzen sind, ihm wichtiger ist als ich.“
Stephania legte ihre Hände auf seine Schultern. „Ich habe dir gesagt, Thanos. Es war nicht der richtige Zeitpunkt. Du darfst dich nicht so in Gefahr bringen. Du musst mir versprechen, mir zu vertrauen und nie wieder so etwas Dummes zu tun. Versprich es mir.“
Er nickte.
„Weil du es bist, meine Liebe, werde ich es dir versprechen.“
Sein Versprechen war aufrichtig. Lucious so offen anzugreifen war nicht die richtige Strategie, denn es erzielte nicht die gewünschte Wirkung. Lucious war gar nicht das Problem. Das gesamte Reich war das Problem. Für einen kurzen Augenblick hatte er geglaubt, den König überzeugen zu können, die Dinge anders anzugehen, doch in Wahrheit wollte sein Vater gar nicht, dass sie sich änderten.
Nein, der einzig wahre Weg der ihm jetzt noch blieb, war, die Rebellion zu unterstützen. Nicht nur die Rebellen auf Haylon, alle von ihnen. Allein konnte Thanos nicht viel bewirken, doch zusammen, könnte es ihnen gelingen, das Reich zu stürzen.
KAPITEL SECHS
Wo sie auch hinsah, überall erblickte Ceres auf der Insel jenseits des Nebels Dinge von einer seltsamen Schönheit, die sie innehalten und staunen ließen. Falken, deren Federn in allen Regenbogenfarben schimmerten, kreisten auf der Suche nach Beute über ihr und waren doch gleichzeitig die Gejagten einer beflügelten Schlange, die sich schließlich auf einem Türmchen aus weißem Marmor niederließ.
Sie lief über das smaragdgrüne Gras der Insel und es kam ihr vor, als wüsste sie genau, wohin sie gehen musste. Sie hatte sich selbst in der Vision gesehen, dort auf dem Hügel in der Ferne, wo regenbogenfarbene Türme wie die Stacheln eines großen Ungeheuers in die Höhe ragten.
Blumen wuchsen auf dem Hang und Ceres griff nach ihnen, um sie zu berühren. Doch als ihre Finger sie streiften, waren ihre Blätter aus papierdünnem Stein. Hatte jemand sie so fein gemeißelt oder lebte der Stein etwa? Die Tatsache, dass sie sich so etwas vorstellen konnte, zeigte bereits, wie seltsam dieser Ort war.
Ceres lief weiter auf die Stelle zu, von der sie wusste oder hoffte, dass ihre Mutter dort wartete.
Sie erreichte den Fuß des Hügels und begann hinaufzusteigen. Die Insel um sie war voller Leben. Bienen summten im niedrigen Gras. Eine rehgleiche Kreatur, die Kristallzacken hatte wo man Fühler vermutet hätte, blickte Ceres lange an bevor sie davonsprang.
Doch hatte sie trotz der Häuser, die wie Punkte die Landschaft schmückten, noch immer keine Menschen gesehen. Die Häuser, die Ceres am nächsten waren, wirkten leer und unberührt, wie ein Raum, der nur vor wenigen Augenblicken verlassen worden war. Ceres ging weiter gen Spitze des Hügels, dorthin, wo die Türme auf einem großen Rasen einen Kreis bildeten. Sie konnte zwischen ihnen hindurch über die ganze restliche Insel blicken.
Doch sie blickte nicht in diese Richtung. Ceres starrte vielmehr auf die Mitte des Kreises, wo eine Figur in einem Kleid aus reinem Weiß stand. Die Figur war nicht wie in ihrer Vision verschwommen oder verwackelt. Sie war dort, so klar und echt wie sie selbst hier war. Ceres ging auf die Person zu. Es konnte nur sie sein.
„Mutter?“
„Ceres.“
Die Figur in weiß warf sich im selben Moment wie Ceres nach vorne und sie trafen sich in einer gewaltigen Umarmung, die für Ceres all die Dinge ausdrückte, die sie nicht zu sagen vermochte: wie sehr sie sich nach diesem Moment gesehnt hatte, wie viel Liebe dort in ihr war, wie unglaublich es war, diese Frau zu treffen, die sie nur einmal in einer Vision gesehen hatte.
„Ich wusste, dass du kommen würdest“, sagte die Frau, ihre Mutter als sie sich voneinander lösten, „aber es zu wissen unterscheidet sich dann doch sehr davon, dich wirklich zu sehen.“
Sie zog die Kapuze ihres Kleides zurück und Ceres musste sich verblüfft fragen, wie diese Frau ihre Mutter sein konnte. Ihre Schwester vielleicht, denn sie hatten das gleiche Haar und die gleichen Gesichtszüge. Es war für Ceres beinahe wie ein Blick in den Spiegel. Doch schien sie zu jung, um Ceres’ Mutter sein zu können.
„Ich verstehe nicht“, sagte Ceres. „Du bist meine Mutter?“
„Das bin ich.“ Sie beugte sich nach vorne, um sie erneut zu umarmen. „Ich weiß, dass es dir seltsam erscheinen muss, aber es ist wahr. Meine Art kann eine lange Zeit leben. Ich bin Lycine.“
Ein Name. Endlich kannte Ceres den Namen ihrer Mutter. Das bedeutete ihr mehr als alles zusammengenommen. Das allein war es wert, diese Reise unternommen zu haben. Sie wollte einfach nur dastehen und ihre Mutter für immer anstarren. Auch wenn sie Fragen hatte. So viele, dass sie nur so aus ihr heraussprudelten.
„Was ist dieser Ort?“ fragte sie. „Warum bist du allein hier? Und warte, was meinst du mit ‚deiner Art’?“
Lycine lächelte und setzte sich in das Gras. Ceres setzte sich zu ihr und als sie das tat, bemerkte sie, dass es nicht einfach nur Gras war. Sie konnte die in einem Mosaik angeordneten Steinfragmente unter dem Gras sehen. Sie mussten schon lange von der Wiese bedeckt sein.
„Es ist nicht einfach, alle deine Frage zu beantworten“, sagte Lycine. „Vor allem, wenn ich selbst so viele Fragen habe, zu dir, deinem Leben. Alles, Ceres. Aber ich werde es versuchen. Sollen wir es auf die alte Art versuchen? Jeder eine Frage abwechselnd?“
Ceres wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, doch ihre Mutter schien noch nicht fertig zu sein.
„Erzählen sie dort draußen immer noch die Geschichten der Uralten?“
„Ja“, sagte Ceres. Sie hatten den Geschichten über die Kampfherrn und ihre Unternehmungen im Stadion immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt, doch wusste sie dennoch einiges über das, was man über die Uralten sagte: diejenigen, die schon vor Anbeginn der Menschheit existiert hatten, die manchmal wie Menschen aussahen und manchmal doch so anders. Die so viel aufgebaut hatten und es dann verloren hatten. „Warte, meinst du damit, dass du – “
„Eine der Uralten bist, ja“, antwortete Lycine. „Das hier war einst eine unserer Stätten bevor... nun, es gibt noch immer Dinge, über die man besser nicht sprechen sollte. Außerdem schuldest du mir eine Antwort. Erzähl mir, wie dein Leben ausgesehen hat. Ich konnte nicht da sein, aber ich habe viel Zeit damit verbracht, es mir vorzustellen.“
Ceres wollte es versuchen, wenn sie auch nicht wusste, wo sie anfangen sollte. Sie erzählte Lycine von der Schmiede ihres Vaters, in der sie aufgewachsen war und von ihren Brüdern. Sie sprach von der Rebellion und vom Stadion. Sie schaffte es sogar über Rexus und Thanos zu berichten, auch wenn ihr die Worte nur heiser und bruchstückhaft über die Lippen kamen.
„Mein Liebling“, sagte ihre Mutter und legte eine Hand auf die ihre. „Ich wünschte, ich hätte dir diesen Schmerz ersparen können. Ich wünschte, ich hätte für dich da sein können.“
„Warum konntest du das nicht?“ fragte Ceres. „Bist du die ganze Zeit hier gewesen?“
„Das bin ich“, sagte Lycine. „Das war einmal eine der Stätten meines Volkes, früher. Die anderen haben die zurückgelassen. Auch ich habe das, zumindest für eine gewisse Zeit, getan, doch in den letzten Jahren war dieser Ort eine Art Zufluchtsstätte. Und ein Ort um zu warten natürlich.“
„Zu warten?“ fraget Ceres. „Du meinst auf mich?“
Sie sah, wie ihre Mutter nickte.
„Die Menschen sprechen über das Schicksal, als wäre es ein Geschenk“, sagte Lycine, „doch es ist auch eine Art Gefängnis. Verstehe, was geschehen muss und du verlierst die Wahlmöglichkeiten, die dir bereitstehen, wenn du es nicht gekannt hättest, egal wie sehr du es dir auch wünschtest...“ Ihre Mutter schüttelte den Kopf und Ceres konnte die Traurigkeit darin sehen. „Jetzt ist nicht die Zeit, etwas zu bereuen. Meine Tochter ist hier und uns steht nur eine gewisse Zeit zur Verfügung, in der du das lernen kannst, für das du gekommen bist.“
Sie lächelte und nahm Ceres’ Hand.
„Geh mit mir ein Stück.“
***
Ceres hatte das Gefühl, dass sie und ihre Mutter schon seit Tagen die magische Insel erkundeten. Die Aussicht war atemberaubend genauso wie das Zusammensein mit ihrer Mutter. Es fühlte sich wie ein Traum an.
Auf dem Weg sprachen sie die meiste Zeit über die Kraft. Ihre Mutter versuchte sie ihr zu erklären und Ceres versuchte es zu verstehen. Das seltsame war, dass, während ihre Mutter sprach, Ceres das Gefühl hatte, dass ihre Worte ihre Kraft noch verstärkten.
Selbst jetzt, als sie liefen, fühlte Ceres die Wallungen, die wie Rauch in ihr aufstiegen, wenn ihre Mutter ihre Schulter berührte. Sie musste lernen, sie zu kontrollieren, sie war hierher gekommen, um genau das zu lernen, doch schien es verglichen mit der Möglichkeit ihre Mutter endlich kennenzulernen, so unwichtig.
„Unser Blut hat dir die Kraft verliehen“, sagte Lycine. „Die Inselbewohner haben versucht sie freizusetzen, oder?“
Ceres dachte an Eoin und an die seltsamen Übungen, die sie hatte machen müssen. „Ja.“
„Dafür dass sie nicht Menschen unseres Blutes sind, verstehen sie die Welt recht gut“, sagte ihre Mutter. „Doch gibt es Dinge, die selbst sie dir nicht zeigen können. Hast du Dinge zu Stein werden lassen? Das zählt zu meinen Gaben, ich würde also vermuten, dass auch du diese Fähigkeit besitzt.“
„Zu Stein werden lassen?“ fragte Ceres. Sie verstand nicht ganz. „Bisher habe ich Dinge in Bewegung versetzt. Ich war schneller und stärker. Und – “
Sie wollte den Satz nicht zu Ende bringen. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter schlecht von ihr dachte.
„Und deine Kraft hat getötet, wenn du in Gefahr schwebtest?“ sagte Lycine.
Ceres nickte.
„Schäme dich nicht dafür, Tochter. Ich kenne dich erst ein kleines bisschen, doch weiß ich, wozu du bestimmt worden bist. Du bist ein guter Mensch. Alles was ich mir erhofft hatte. Und was das Versteinern anbelangt...“
Sie hielten auf einer Wiese mit feinen seidenen Blütenblättern. Durch den Kontakt mit ihrer Mutter spürte sie die Kraft in sich wallen, sie fühlte sich vertraut an, doch war auch zielgerichteter, konzentrierter, gesammelter.
Stein breitete sich über der Blume aus wie Frost über einem Fenster, doch nicht nur oberflächlich. Eine Sekunde später war es getan und ihre Mutter hielt eine jener Steinblumen in der Hand, die Ceres weiter unten auf de Insel gesehen hatte.
„Hast du es gespürt?“ fragte Lycine.
Ceres nickte. „Aber wie hast du das gemacht?“
„Spüre es noch einmal.“ Sie pflückte eine weitere Blume und dieses Mal vollzog sie die Verwandlung der Blätter zu Marmor und des Stiels zu Granit unglaublich langsam. Ceres versuchte die Bewegung der Kraft in ihre nachzuvollziehen und es kam ihr so vor, als würde ihre eigene Kraft darauf antworten und es ihr gleichtun.
„Gut“, sagte Lycine. „Dein Blut weiß es. Jetzt versuch es selbst.“
Sie hielt Ceres eine Blume entgegen. Ceres griff nach ihr, konzentrierte sich die Kraft in ihr zu fassen zu bekommen und ihr die Gestalt zu geben, die sie bei ihrer Mutter gespürt hatte.
Die Blume explodierte.
„Gut“, sagte Lycine mit einem Lachen, „das hätte ich nicht erwartet.“
Ihre Reaktion war so anders als die der Mutter, mit der sie aufgewachsen war. Sie hatte Ceres für jeden noch so kleinen Fehler geschlagen. Lycine reichte ihr einfach eine neue Blume.
„Atme tief durch“, sagte sie. „Du weißt bereits, wie es sich anfühlen muss. Dringe zu dem Gefühl durch. Stell es dir vor. Lass es geschehen.“
Ceres versuchte es noch einmal und dachte an das, was sie gespürt hatte, als ihre Mutter ihre Blume verwandelt hatte. Sie nahm das Gefühl und füllte es mit ihrer Kraft so wie ihr Vater eine Form in der Schmiede mit flüssigem Eisen gefüllt hätte.
„Öffne deine Augen, Ceres“, sagte Lycine.
Ceres hatte nicht einmal bemerkt, dass sie sie geschlossen hatte bis ihre Mutter es erwähnte. Sie zwang sich die Augen zu öffnen, auch wenn sie in diesem Moment Angst hatte. Als sie die Augen schließlich geöffnet hatte, starrte sie ungläubig auf das, was sie dort vor sich sah. Sie hielt eine perfekt geformte, versteinerte Blüte, die sie mit ihrer Kraft in etwas Basaltartiges verwandelt hatte, in der Hand.
„Ich habe das getan?“ fragte Ceres. Selbst im Bewusstsein der Fähigkeiten, zu denen sie imstande war, erschien es ihr immer noch beinahe unmöglich.
„Das hast du getan“, sagte ihre Mutter und Ceres konnte den Stolz darin hören. „Jetzt müssen wir es nur noch schaffen, dass es dir auch mit geöffneten Augen gelingt.“
Das brauchte länger und wesentlich mehr Versuchsblumen. Doch Ceres fand Gefallen an der Übung. Mehr als nur das, jedes Mal wenn ihre Mutter sich über ihre Versuche freute, spürte Ceres, wie sich ein wohliges Gefühl in ihr ausbreitete. Selbst als die Minuten zu Stunden wurden, gab sie nicht auf.
„Ja“, sagte ihre Mutter schließlich, „besser geht es nicht.“
Nicht nur das; es fiel ihr leicht. Es fiel ihr leicht, nach einer Blume zu greifen und die Kräfte in ihr zu erwecken. Sie zu bündeln. Es war leicht, eine makellose steinerne Blume zu kreieren. Erst als ihre Energie langsam nachließ, merkte sie, wie müde sie war.
„Es reicht“, sagte ihre Mutter und nahm ihre Hand. „Deine Kraft zehrt Energie und Mühe. Selbst die stärksten unter uns könnten nicht mehr schaffen.“ Sie lächelte. „Doch deine Kraft weiß nun, wie es funktioniert. Sie wird erwachen, wenn dich jemand bedroht oder wenn du sie erweckst. Sie wird auch noch mehr als das tun können.“
Ceres spürte einen Funken der Kraft ihrer Mutter und sie erkannte das volle Ausmaß ihrer Kraft. Sie sah die Steingebäude und Gärten in einem neuen Licht, als Dinge die mit dieser Kraft auf eine den Menschen fremde Art und Weise geschaffen worden waren. Sie war erfüllt. Vollständig.
Ein wenig Freude schien aus dem Gesicht ihrer Mutter zu weichen. Ceres hörte sie seufzen.
„Was ist?“ fragte Ceres.
„Ich wünschte nur, wir hätten mehr Zeit füreinander“, sagte Lycine. „Ich würde dir gerne die Türme hier zeigen und dir die Geschichte meines Volkes erzählen. Ich würde gerne mehr von diesem Thanos erfahren, den du so sehr geliebt hast und dir die Gärten zeigen, deren Bäume nie ein Sonnenstrahl berührt hat.“
„Dann mach das doch“, sagte Ceres. Sie hatte das Gefühl, für immer hier bleiben zu wollen. „Zeig mir alles. Erzähl mir von der Vergangenheit. Erzähl mir von meinem Vater und was geschehen ist, als ich geboren wurde.“
Doch ihre Mutter schüttelte nur den Kopf.
„Du bist noch nicht bereit dafür. Wie ich bereits sagte, das Schicksal kann zu einem Gefängnis werden, Liebling, und dich erwartet ein größeres Schicksal als die meisten Menschen.“
„Ich habe Teile davon gesehen“, gab Ceres zu und dachte an die Träume, die sie auf dem Boot immer wieder heimgesucht hatten.
„Dann weiß du auch, warum wir nicht zusammenbleiben und eine Familie sein können, wie sehr wir uns das auch wünschten“, sagte ihre Mutter. „Doch vielleicht hält die Zukunft solch eine Zeit für uns bereit. Das und noch mehr.“
„Doch zunächst muss ich zurück, oder?“ sagte Ceres.
Ihre Mutter nickte.
„Das musst du“, sagte sie. „Du musst zurückkehren, Ceres. Zurückkehren und Delos aus den Fängen des Reichs befreien, so wie es für dich bestimmt worden ist.“
KAPITEL SIEBEN
Stephania konnte kaum glauben, dass sie bereits seit sechs Wochen mit Thanos vermählt war. Doch die nahende Feier des Blutmondes bedeutete genau das. Sechs Wochen Glückseligkeit, jede davon so wunderbar, wie sie es sich erhofft hatte.
„Du siehst fantastisch aus“, sagte sie, als sie Thanos in den Gemächern des Schlosses, die sie nun teilten, musterte. In der tiefroten Seide und dem roten Gold und Rubinen war er ein Bild für die Götter. An manchen Tagen konnte sie kaum glauben, dass er jetzt ihr gehörte. „Rot steht dir.“
„Es sieht aus, als hätte ich in Blut gebadet“, antwortete Thanos.
„Genau darum geht es doch beim Blutmond“, hob Stephania hervor. Sie lehnte sich nach vorne, um ihn zu küssen. Sie mochte es, dass sie das tun konnte, wann immer es ihr gefiel. Wenn sie Zeit gehabt hätten, hätte sie vielleicht noch ganz andere Dinge versucht.
„Es spielt eigentlich keine Rolle, was ich anhabe“, sagte Thanos. „Niemand wird mir Beachtung schenken, wenn du an meiner Seite bist.“
Ein anderer Mann hätte dieses Kompliment vielleicht besser verpacken, doch Thanos’ unvermittelte Art hatte auch etwas für sich, das Stephania mehr bedeutete als die formvollendetesten Gedichte dieser Welt.
Außerdem hatte sie sich tatsächlich alle Mühe gegeben, das schönste Kleid Delos’ auszusuchen. Es schimmerte in verschiedenen Rottönen wie Flammen, die sie einhüllten. Sie hatte sogar einen Schneider bestochen, um sicherzustellen, dass das Original einer Kleinadligen aus der Stadt hoffnungslos zu spät fertig werden würde.
Stephania hielt Thanos ihren Arm entgegen und er nahm ihn und geleitete sie in Richtung der großen Festhalle, wo sie auch ihre Hochzeit gefeiert hatten. Was er schon sechs Wochen her, dass sie geheiratet hatten? Sechs Wochen des Glücks, die sich Stephania kaum schöner hätte vorstellen können und die sie gemeinsam in den speziell für sie von der Königin bereitgestellten Gemächern im Schloss verbracht hatten. Es gab sogar Gerüchte, dass der König Thanos ein neues Gebäude unweit der Stadt vermachen wollte. Seit sechs Wochen waren sie das begehrteste Paar der Stadt, das, wo auch immer sie hinkamen, bejubelt wurde. Das hatte Stephania sehr genossen.
„Denk daran, Lucious nicht zu schlagen, wenn du ihn siehst“, sagte Stephania.
„Das ist mir bisher ganz gut gelungen“, antwortete Thanos. „Keine Sorge.“
Stephania machte sich jedoch Sorgen. Sie wollte es nicht riskieren, Thanos jetzt zu verlieren, da sie ihn endlich zum Manne hatte. Sie wollte nicht, dass er für einen Angriff auf den Thronerben hingerichtete würde und nicht nur, weil es sie in eine unmögliche Lage brächte. Auch wenn sie ihn zunächst aus Prestigegründen geheiratet hatte, so musste sie doch jetzt überrascht feststellen, dass sie ihn liebte.
„Prinz Thanos mit Gattin Lady Stephania!“ verkündete der Zeremonienmeister und Stephania lächelte und legte ihren Kopf auf Thanos’ Schulter. Sie hörte das immer wieder gerne.
Sie blickte sich im Raum um. Zu ihrer Hochzeit war der Raum in Weiß gekleidet gewesen, doch jetzt strahlte er in Rot und Schwarz. Der Wein in den Gläsern war von der Farbe dicken Blutes, das Fleisch auf den Festtischen war noch halb blutig und jeder Adlige hier trug die Farben des sich verändernden Mondes.
Stephania lief an Thanos’ Arm, analysierte die Beziehungen der Anwesenden und brachte sich auf den neusten Stand der kursierenden Gerüche während sie es schlicht genoss, gesehen zu werden. War das dort Lady Christina, die im Schatten verschwand, um mit einem königlichen Kaufmann von den Fernen Inseln zu tuscheln? Trug Isoldes Tochter etwa weniger Juwelen als gewöhnlich?
Natürlich sah sie auch, wie Lucious zu viel trank, zu viel aß und den Frauen nachstierte. Stephania glaubte, dass er auch sie kurz mit einem Blick bedachte, der ihm mit Sicherheit einen Kampf mit Thanos eingehandelt hätte, wenn dieser ihn gesehen hätte. Es war in der Tat schade, dass er ihrem Versuch ihn auf der Hochzeit zu vergiften so jäh entgangen war. Wenn Thanos ihn nicht so sehr zur Weißglut getrieben hätte, dass er sein Weinglas zerbrechen musste, dann wäre Lucious in dieser Nacht eingeschlafen und nie wieder aufgewacht. Es wäre vorbei gewesen.
Seitdem hatte sich ihr keine Gelegenheit geboten, sich um ihn zu kümmern. Die Leute die sie normalerweise gefragt hätte, waren vorsichtiger geworden, jetzt, da derjenige, der sich um Thanos hatte kümmern sollen, verschwunden war. In Sachen Mord ging es nie um den Akt an sich; es ging darum, dass niemand Verdacht schöpfte. Es hatte schlichtweg keine Gelegenheit gegeben, sich Lucious zu nähern, ohne dass es auffällig gewesen wäre.
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