Verbot, Verfolgung und Neubeginn

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95 Vgl. dazu H. Reinalter, Freimaurerei, Politik und Gesellschaft. Die Wirkungsgeschichte des diskreten Bundes, Wien – Köln – Weimar 2018, S. 128 ff.
96 Vgl. dazu H. Reinalter, Freimaurerei, Politik und Gesellschaft, S. 193.
97 Vgl. zu diesem Geheimbund H. Reinalter, Der Geheimbund der Carbonari, in: Tirol – Österreich – Italien, Festschrift für J. Riedmann zum 65. Geb., Innsbruck 2005, S. 571 ff.; ders., Geheimbünde in Tirol. Von der Aufklärung bis zur Revolution 1848/49, Innsbruck 2011, S. 181 ff.
98 Zit. nach H. Reinalter, Die Freimaurer in Österreich von der Aufklärung bis zur Revolution 1848/49, in: Zirkelund Winkelmaß. 200 Jahre Große Landesloge der Freimaurer, Wien 1984, S. 7 ff., hier S. 20 ff.
99 Zum Geheimbund der Carbonari und seiner Zielsetzung vgl. H. Reinalter, Die Freimaurer, München, 7. Aufl. 2016, S. 88 ff.
100 Kärntner Landesarchiv Klagenfurt, Topographische Sammlung Zenegg, Fasz. 7/1, Carbonari, Freimaurer, geheime Gesellschaften, vol. 1–2.
101 Vgl. H. Reinalter, Geheimbünde in Tirol, S. 184 f.
102 Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien (AVA), PH2632/1821.
103 Ebd.
104 Ebd.; zit. auch bei H. Reinalter, Geheimbünde in Tirol, S. 185 f.
105 Vgl. dazu S. Steiger-Moser, Anton David Steiger, Edler von Amstein. Der Gründer der Wildensteiner Ritterschaft zur Blauen Erde, in: Quatuor Coronati-Berichte H. 32 (2012), S. 217 ff.
106 Vgl. H. Reinalter, Johannisfreimaurerei, in: Freimaurerei. Geheimnisse – Rituale – Symbole. Ein Handbuch, Leipzig 2017, S. 123 f.
107 S. Steiger-Moser, Anton David Steiger, Edler von Amstein, S. 217 ff.
108 Vgl. dazu H. Reinalter, Geheimbünde in Tirol, S. 184 f.
109 Vgl. auch für das Folgende H. Reinalter (Hg.), Demokratische und soziale Protestbewegungen in Mitteleuropa 1815–1848/49, Frankfurt / M. 1986, S. 77 ff.
110 Zentrales Staatsarchiv Merseburg, Historische Abteilung II, Außenministerium 2.4.1.T. Nr. 8150, Nr. 8151 (heute Geheimes Staatsarchiv, Berlin-Dahlem, Preußischer Kulturbesitz); vgl. dazu auch H. Reinalter, Revolution und Verschwörungstheorie in Briefen und Berichten Metternichs, in: Innsbrucker Historische Studien 9 (1986), S. 115 ff.
111 H. Ritter von Srbik, Metternich. Der Staatsmann und der Mensch 1, München 1925, S. 388.
112 Vgl. dazu H. Reinalter, Revolution und Verschwörungstheorie, S. 115.
113 Vgl. ebd., S. 116.
114 Brief Metternichs an Wittgenstein, Wien, 21. Mai 1833, abgedruckt bei H.J. Schoeps (Hg.), Neue Quellen zur Geschichte Preußens im 19. Jahrhundert, Berlin 1968, S. 174 f.
115 Ebd., S. 175.
116 Zentrales Staatsarchiv Merseburg, Außenministerium, 2. 4. 1. I. Nr. 8150, vol. 5–6 (Abschrift); zitiert auch bei H. Reinalter, Revolution und Verschwörungstheorie in Briefen und Berichten Metternichs, S. 117.
117 H. Reinalter, Revolution und Verschwörungstheorie in Briefen und Berichten Metternichs, S. 119 f.
118 Ebd., S. 120.
119 Vgl. dazu M. Rietra (Hg.), Jung Österreich. Dokumente und Materialien zur liberalen österreichischen Opposition 1835–1848, Amsterdam 1980.
120 Zit. nach L. Brügel (F. Burger?), Aus den Tagen des „guten Kaisers Franz“. Die bespitzelte Freimaurerei, in: Wiener Freimaurer-Zeitung 11 (1926), S. 25 ff., S. 27.
121 Zit. nach L. Brügel, Aus den Tagen des „guten Kaisers Franz“, S. 35 ff.
122 Ebd., S. 36.
123 Ebd., S. 30 ff., S. 31; weiters auch Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien (AVA), Polizeihofstelle 3676/1821, über den 8. Grad der Freimaurerei, Sedlnitzky an den Kaiser 1. Mai 1821.
124 Zum Verein vgl. W. Brauneder, Leseverein und Rechtskultur, Wien 1992; H. Reinalter, Der juridisch-politische Leseverein, in: Österreichisches Vereins- und Parteienlexikon, hg. von A. Pelinka und H. Reinalter, Innsbruck 2002, S. 82 ff.
125 H. Reinalter, Geheimbünde in Tirol, S. 185 f.; ders., Liberalismus und Kirche in Österreich im 19. Jahrhundert, in: Der deutsche und österreichische Liberalismus, hg. von H. Reinalter und H. Klueting, Innsbrucker Historische Studien 26. Bd., Innsbruck 2010, S. 149 ff.
126 Vgl. dazu H. Reinalter, Die bürgerliche und demokratische Opposition in der Habsburgermonarchie nach 1815, in: Demokratische und soziale Protestbewegungen in Mitteleuropa, S. 102 ff.
127 H. Reinalter, Die Geschichte der frühen Demokratie in Europa, Innsbruck 2018, S. 63 ff. auch S. 68 ff.; ders., Die bürgerliche und demokratische Opposition in der Habsburgermonarchie, S. 103 f.
128 Vgl. dazu H. Reinalter, Freimaurerei und Demokratie im 18. Jahrhundert, in: ders., Aufklärung und Moderne, Innsbruck 2008, S. 265 ff.; ders., Freimaurerei, Politik und Gesellschaft, S. 147 ff.
129 Vgl. dazu S. Lasz, Ein greiser Gelehrter. Erinnerung an Dr. Ludwig Lewis, Budapest 1887.
130 Vgl. dazu H. Reinalter, Die Freimaurerei in Österreich im 19. und 20. Jahrhundert, in: Freimaurer und Geheimbünde im 19. und 20. Jahrhundert in Mitteleuropa, hg. von H. Reinalter, Innsbruck 2016, S. 130 f.
131 S. Lasz, Ein greiser Gelehrter, S. 27 f.
132 Ebd., S. 30.
133 Vgl. dazu E. Schönmann, 1848, in: Quatuor Coronati-Berichte Heft 1 (1974), S. 17 ff.
134 L. Brügel, Aus der Frühzeit der österreichischen Freimaurerei. 1848 bis 1869, in: Die Gegenwartsmaurerei, S. 64 ff., hier S. 66.
135 Ebd., S. 66.
136 Ebd.
137 L. Lewis, Geschichte der Freimaurerei in Oesterreich im allgemeinen und der Wiener Loge zu St. Joseph insbesondere, Wien 1861; vgl. auch L. Brügel, Aus der Frühzeit der österreichischen Freimaurerei, S. 66.
138 L. Brügel, Aus der Frühzeit der österreichischen Freimaurerei, S. 66 f.
139 Vgl. dazu L. Lewis, Geschichte der Freimaurerei in Oesterreich im Allgemeinen und der Wiener Großloge zu St. Joseph insbesondere; E. Schönmann, 1848, in: Quatuor Coronati Berichte 1 (1974), S. 17 ff.; R. Hubert- F. Zörrer, Die österreichischen Grenzlogen. Freimaurerei in Österreich 1869–1918, in: Quatuor Coronati-Jahrbuch 20 (1983), S. 145; H. Obrecht, Der Kampf um die staatliche Anerkennung der Freimaurerei, S. 32 ff., S. 50 ff.; H. Reinalter, Die Freimaurerei in Österreich, in: Zirkel und Winkelmaß. 200 Jahre Großloge von Österreich, Wien 1984, S. 22.
140 Vgl. dazu P. Leisching, Freimaurertum und Katholizismus, in: Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Bd. 4, Die Konfessionen, Wien 1985, S. 152 ff.
141 H. Reinalter, Liberalismus und Kirche im 19. Jahrhundert, in: Der deutsche und österreichische Liberalismus, Innsbrucker Historische Studien 26. Bd., Innsbruck 2010, S. 149 ff.
142 E. Lennhoff/O. Posner/ D.A. Binder, Internationales Freimaurer Lexikon, S. 496 f. ; H. Reinalter, Freimaurerei, Politik und Gesellschaft, S. 158 ff.
143 E. Weinzierl-Fischer, Die österreichischen Konkordate von 1855 und 1933, Wien 1960, S. 79 ff.; K. Vocelka, Verfassung oder Konkordat? Der publizistische und politische Kampf der österreichischen Liberalen um die Religionsgesetze des Jahres 1868, Wien 1978.
144 E.E. Eckert, Der Freimaurer-Orden in seiner wahren Bedeutung, Dresden 1852.
145 S. dazu H. Reinalter (Hg.), Handbuch der Verschwörungstheorien, Leipzig 2018, S. 97 f.
146 F. Bausenwein, Das Pestübel der modernen Gesellschaft oder der tote Illuminatenbund und der lebendige Freimaurerorden, Preßburg 1874.
147 Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Brevi-Manu Akten des Chefs der Obersten Polizeibehörde betreffend Freimaurer.
148 H. Reinalter, Die Freimaurer, München, 7. Auf., 2016, S. 207; M. H. Weninger, Loge und Altar. Über die Aussöhnung von katholischer Kirche und regulärer Freimaurerei, Wien 2020, S. 302f.
149 H. J. Bidermann, Zur Geschichte der Aufklärung in Tirol, Innsbruck 1828; J. Wieser, Tirol und die Aufklärung, Graz 1869; vgl. weiters auch J. Fontana, Der Kulturkamp in Tirol, Innsbruck 1972; H. Reinalter, Geheimbünde in Tirol, Bozen 1982, S. 121 f.
150 Vgl. dazu H. Reinalter, Die Freimaurerei in Österreich im 19. und 20. Jahrhundert, S. 133 f.
IV. Die Grenzlogenzeit
Das Wiederaufleben der Freimauerei nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich bedeutete für die österreichische Bruderkette insofern einen Neubeginn, als nach mehreren Jahrzehnten der Verbotszeit kaum noch personelle Kontinuitäten vorhanden waren. In den sogenannten „Dezembergesetzen“ wurden staatsbürgerliche Rechte und Freiheiten festgelegt, die die Wiedereinführung der Freimaurerei begünstigten. Ludwig Lewis und Franz Julius Schneeberger stellten 1868 an die Behörden den Antrag, eine Loge „Zum heiligen Joseph“ zu genehmigen, die vorher während der Revolution kurzen Bestand gehabt hatte. Dieser neuerliche Versuch scheiterte allerdings am neuen Vereinsgesetz, in dem eine Kontrolle der Vereine durch staatliche Kommissare vorgesehen war.151 Die Initiatoren wollten diese Bestimmungen jedoch nicht akzeptieren. Das Vereinsgesetz des cisleithanischen, österreichischen Teiles der Monarchie enthielt Bestimmungen, die eine Logengründung ungemein erschwerten. So wurde gesetzlich den Behörden gestattet, zu jeder Vereinszusammenkunft und damit auch zu jeder Logenarbeit Vertreter entsenden zu können, was für die Freimaurer nicht akzeptabel erschien, weil durch ihre Rituale die Anwesenheit von Nicht-Freimaurern verboten war. In den Jahren 1874/1875 gab es einen neuerlichen Vorstoß von freimaurerischer Seite, der eine parlamentarische Behandlung dieses Themas und Abänderungsanträge für das bestehende Vereinsgesetz erreichte, aber zu keiner für die Freimaurerei positiven Lösung führte.
Wenige Wochen nach der Vereinbarung über den „österreichisch-ungarischen Ausgleich“, die Geburtsstunde der österreichisch-ungarischen Monarchie, meldete die „Neue Freie Presse“ am 18. Juli 1867:
Vor einigen Tagen fand in der inneren Stadt eine Zusammentretung von ehemaligen Mitgliedern der im Jahre 1848 in Wien bestandenen Freimaurerloge ‚Zum hl. Joseph‘ statt. Nach längeren Beratungen wurde der Beschluss gefasst, sich an die Große deutsche Landesloge zu Berlin, um die Ermächtigung zur Wiedereröffnung der Wiener Loge ‚Zum hl. Joseph‘ zu wenden. Wird diese Ermächtigung erteilt, so will man an das Ministerium die Bitte richten, dass es diese Wiedereröffnung bewillige.“
Ungefähr zur gleichen Zeit hieß es in der Wiener Vorstadt-Zeitung: „Die Freimaurer in Ungarn und Österreich sind ziemlich zahlreich; das weiß jedermann. In dem Augenblick, wo die Freimaurer bei uns ihre Logen öffnen und ihre Tätigkeit ausüben, wie es der Fall ist in Deutschland, England, Frankreich, Belgien, in der Schweiz, in Italien, Nord- und Südamerika, in den englischen Kolonien in Asien, Afrika und Australien usw., … dann ist es eine Macht, die wieder in der Welt imponieren kann.“152
1. Konfidententätigkeit in den Jahren 1868/69
Zu dieser Zeit gab es auch eine rege Konfidententätigkeit, insbesondere in den Jahren 1868/69. Die Polizeibehörde sammelte zielstrebig Material, damit ein erneuter Antrag um Genehmigung einer Freimaurerloge in Österreich entsprechend abgelehnt werden könne. Die Bespitzelung übernahm das Landesverteidigungsministerium unter Graf Eduard Taaffe, dessen Konfidenten zahlreiche Berichte zusammentrugen. In diesem umfangreichen Material der Polizeiakten finden sich wichtige Hinweise über die österreichische Freimaurerei, darüber hinaus aber auch viele Materialien über die Geheimbünde im Ausland. Unter diesen befindet sich auch ein Polizeibericht von 1868 über die Loge „Zum heiligen Joseph“, betreffend die Wiedererrichtung 1848 und die fünf Mitglieder, die noch lebten. In einer weiteren vertraulichen Mitteilung vom April 1869 sind die Namen sämtlicher Mitglieder der Loge von 1848 angeführt.153 Im Niederösterreichischen Landesarchiv finden sich weitere Akten. Dort gibt es eine Vielzahl von Vorakten zur Loge „Zum heiligen Joseph“, darunter auch die Statuten der Loge.154
Da Dr. Lewis nach Budapest übersiedelte, musste die Polizei ihn kontaktieren, um weitere Informationen über die Freimaurerei zu erhalten. Ein Konfident der Wiener Polizeidirektion erhielt den Auftrag, eine Verbindung mit Lewis herzustellen. Lewis war bereit, diesen Konfidenten in seine Absichten und Ziele einzuweihen. Der Wiener Polizeidirektor Hofrat von Strobach legte am 3. Oktober 1868 dem Ministerium für Landesverteidigung und öffentliche Sicherheit zwei Berichte über die Freimaurerei vor, nämlich das Aufnahmezeremoniell in den Freimaurerorden und Informationen des Vertrauensmannes der Polizei, die dieser auf einer Reise nach Leipzig von Lewis erhalten hatte.155 Die Berichte des Konfidenten enthielten neben einigen Tatsachen bewusst falsche Informationen, um ein Eingreifen der Polizei besser begründen zu können und das Interesse der Auftraggeber zu steigern. In einem der Berichte stellte der Konfident fest, dass er von Lewis den Zweck der Freimaurerei erfahren habe. Das Ziel der Freimaurerei sei ein politisches und gleiche in vielem dem Jesuitenorden, „obschon sie beide einander feindlich seien. Humanität, Bruderliebe, Kosmopolitismus seien nur das Aushängeschild, da aber diese Ideen ohne völlige Gleichheit aller Menschen nicht realisiert werden können, so müsse die Freimaurerei notwendig auf den Sturz der Throne, auf eine demokratische Republik hinarbeiten. Man suche Protektion, in dem man z.B. Könige zu Mitgliedern mache, doch diesen sei das Nähere der Freimaurerei nicht bekannt.“156 Der Konfident spitzte hier seine Kritik an der Freimaurerei zu, in dem er ganz im Sinne der Polizei eine Verschwörungstheorie konstruierte. Laut Mitteilung des Konfidenten habe ihn Lewis zum Hauptagenten für Wien vorgeschlagen. Zweck der Reise nach Leipzig war die Frage, „von welcher Großloge die zu gründenden österreichischen Logen ihre Konstitution nehmen sollten“?157 Der Konfident konnte auch die Namen einiger Wiener Freimaurer herausfinden und die Namen an die Polizei weiterleiten. Nach Leipzig erhielt der Hauptagent von Lewis ein vollständiges Verzeichnis der Wiener Freimaurer und traf mit ihm folgende Vereinbarung:
„1. dass er in Vollmacht des Dr. Lewis bei der Regierung die nötigen Schritte zur Errichtung einer Loge tun werde,
2. dass keine neue Loge begründet, sondern die im Jahre 1849 sistierte L. „Zum hl. Josef “ reaktiviert werde;
3. dass Anzeige bei der Regierung zu machen sei sobald eine entsprechende Anzahl Freimaurer in Wien ihren Beitritt erklärt haben werden;
4. dass die L. „Zum hl. Josef “ sich als österreichische Großloge erklärt.“158
Der erwähnte Konfident war bei seinen Nachforschungen sehr erfolgreich und konnte sehr viel Material zusammentragen. Ziel war, die Gründung einer Loge in Österreich zu verhindern und alle österreichischen Freimaurer unter Polizeiaufsicht zu stellen. Im Jahre 1904 wurde in der freimaurerischen Agenda der Schriftsteller und Journalist Ernst Viktor Zenker wieder aktiv, sodass erneut ein für die Freimaurerei akzeptabler Statutenentwurf für eine Loge bei den Behörden eingereicht wurde. Diese Initiative erfuhr eine Ablehnung, sodass Zenker einen Rekurs beim Reichsgericht einreichte, der aber erfolglos blieb. „Diese Misserfolge waren nicht nur auf die exklusiven freimaurerischen Vorstellungen zurückzuführen, sondern sind auch Ausdruck des starken Widerstands, den Hofkreise, weite Teile des Staatsapparates und konservativ-klerikale Politiker der Freimaurerei entgegensetzten.“159
2. Die Gründung der ersten Grenzlogen
Aus dieser für die Freimaurerei in Österreich schwierigen Situation bot sich aber ein Ausweg, weil das erwähnte restriktive Vereinsgesetz nur für Cisleithanien, nicht aber für Ungarn galt. Weil in der österreichischen Reichshälfte keine Logen gegründet werden konnten, wurde ein unpolitischer Verein mit dem Namen „Humanitas“ in Wien ins Leben gerufen wurde, wobei dieser Verein das Sammelbecken der Wiener Brüder war.160 Auf ungarischer Seite hielt man offiziell die rituellen Arbeiten ab, und in Wien traf man sich in einem unpolitischen Verein, der sich ausschließlich aus Freimaurern zusammensetzte. Dann wurde der Plan gefasst, eine eigene Loge auf ungarischem Boden zu gründen und schlug Neudörfl, das von Wien leicht erreichbar war, als Ort vor. Die feierliche Lichteinbringung fand am 25. Februar 1872 statt. Das Logenleben spielte sich aber hauptsächlich in den Wiener Vereinen ab. Die ersten Logengründungen wurden von der Wiener Polizeidirektion genau beobachtet und dazu auch entsprechende Berichte geschrieben, die sehr detailliert formuliert waren.161
Die Freimaurerei entwickelte sich jenseits der Leitha nach 1868 sehr rasch, wobei für Österreich die Gründung der Ödenburger Loge „Zur Verbrüderung“ 1869 im grenznahen Raum wichtig wurde, weil nun auch Brüder aus Österreich an den rituellen Arbeiten teilnehmen konnten. Dieser Bauhütte gehörte auch Franz Julius Schneeberger an, der 1869 versuchte, in Wien einen unpolitischen Verein zu gründen, dessen Mitglieder ausschließlich Freimaurer sein sollten, ohne aber eine Loge zu bilden und rituelle Arbeiten durchzuführen. Das war der Verein Humanitas mit dem Sitz in Wien, der den Zweck hatte, unter Ausschließung jedweder Diskussion über kirchliche oder politische Tagesfragen die echte Humanität zu wahren und werktätig zu fördern.162 Am 4. November 1969 wurde der Verein bewilligt, der sofort rege Aktivitäten entwickelte und eine eigene Zeitschrift „Der Zirkel“ herausgab.163 Die Zeitschrift erschien ab dem 01. Jänner 1871. Sie war zweifelsohne für die Wiener Freimaurer repräsentativ. Zunächst erschien die Zeitschrift monatlich und dann sogar wöchentlich. Leiter der Redaktion war ab 1900 Heinrich Glücksmann. Gleichzeitig mit dem Kriegsbeginn kam es zu einer Umstellung des Erscheinungsmodus. Die Zeitschrift erschien wieder mit dem Monatsrhythmus. 1917 wurde die Zeitschrift eingestellt.164 Neben historischen Beiträgen enthielt der „Zirkel“ auch Beiträge zu prinzipiellen Fragen der Bruderkette und umfangreichere Informationen über das freimaurerische Weltgeschehen als Rundschau. Der Verein gab sich Statuten, die den Zweck, die Wirksamkeit und andere wichtige Paragraphen enthielt. Über die Wirksamkeit des Vereins heißt es:
„Der Verein stellt sich im Sinne des §. 1 im allgemeinen die Aufgabe, durch die praktische Ausübung einer alle Lebensverhältnisse durchdringenden Nächstenliebe, ohne Unterschied der Nationalität und Confession, auf die Veredlung der Menschheit hinzuwirken und insbesondere die Wohlfahrt, Ehre und Einigkeit sämmtlicher Nationen des gemeinsamen Vaterlandes unter getreuer Beobachtung aller zu Recht bestehenden Gesetze anzustreben.
In seiner speziellen Thätigkeit wird der Verein „Humanitas“ alle wie immer Namen habenden und gesetzlich anerkannten Humanitätsanstalten oder Vereine in ihrem statutenmässigen Wirken mit Rath und That unterstützen.
Namentlich wird der Verein „Humanitas“ in erster Linie es sich zur Aufgabe machen, verschämte und sittenreine Arme von Bildung, ohne Unterschied der Nationalität und Confession, theils durch Geldspenden, theils durch Zuweisung einer ehrlichen und standesgemässen Beschäftigung zu unterstützen. Der Verein wird, ferner, insoferne die Besserung der Existenz solcher Hilfsbedürftigen nur durch Uebersiedlung von einem Orte zum anderen möglich ist, bei den Verkehrsanstalten von Fall zu Fall alle erreichbaren Begünstigungen anstreben, sich überhaupt zur Verwirklichung seiner rein humanitären Ziele aller gesetzlich erlaubten Mittel bedienen.“165
Die Grenzloge „Zukunft“ im Orient Preßburg166 gab 1874 auch eine Verfassung heraus, in der sowohl der Zweck der Loge als auch die Mittel zur Erreichung des Zieles festgelegt wurden.
„Die ger.: und vollk.: Joh.: L „Zukunft“ zu Preßburg ist eine unter dem Schutze der Ehrwüdigst.: Gr.: L.: von Ungarn arbeitende freimaurerische Körperschaft zu dem Zwecke: Die allgemeinen frmr’schen Tendenzen zu verfolgen, außerdem alle gesetzlichen Mittel anzuwenden, um die Reactivierung der FrMrei und die Gründung einer Großloge für die 3 Joh.: Gr.: in Oesterreich zu erwirken.
Die Loge arbeitet daher nach den Grundsätzen der Johannes. Frei und in Uebereinstimmung mit der Verfassung der Ehrwürdigst.: Gr.: L.: von Ungarn, die sie als bindendes Grundgesetz anerkennt.
Als Mittel zur Erreichung des Zweckes dienen:
a) Die Abhaltung von Logen.
b) Die Abhaltung von Konferenzen.
c) Vorträge, Diskussionen und Besprechungen über maurerische Angelegenheiten.
d) Die Herausgabe einer maurerischen Zeitschrift unter dem Titel: ‚Allgemeine Oesterreichische Freimaurer-Zeitung‘.
e) Die Gründung eines allgemeinen Armen-Fonds.
f) Die Gründung einer Kasse zur Unterstützung der Witwen und Waisen verstorbener Vereinsmitglieder.“167
Die Zusammenarbeit der ungarischen und der österreichischen Brüder gestaltete sich aber, nicht zuletzt wegen der Debatten über die Wahl der Arbeitssprache, problematisch. Die 1871 in Neudörfl an der Leitha gegründete Loge „Humanitas“ hatte von Beginn an mit Schwierigkeiten zu kämpfen, weil die Leiter der früheren Mutterloge „Zur Verbrüderung“ die Entscheidung zu einer Neugründung massiv infrage stellten. Die Hauptprobleme der Spannungen waren finanzielle und auch nationale Fragen. Die von den österreichischen Brüdern eingezahlten Rezeptions-, Affiliations- und Beförderungsgebühren bildeten die wichtigste Einnahmequelle der Ödenburger Loge „Zur Verbrüderung“, mit dem Austritt der Brüder aus Cisleithanien erwuchsen der Loge große finanzielle Probleme. Ein weiterer Konflikt betraf den Sprachgebrauch in der Loge. Dazu klagten die österreichischen Brüder, dass auf ihre mangelnden ungarischen Sprachkenntnisse keine Rücksicht genommen wurde, während die ungarischen Brüder meinten, dass diese Klage das Nationalitätenproblem in die Loge hineintragen würde.168
1871 verließen 25 Brüder die Loge „Zur Verbrüderung“ und gründeten in Neudörfl eine eigene Bauhütte, die Loge „Humanitas“, die erste sogenannte „Grenzloge“. Diese Neugründung stand unter dem Schutz der Großloge von Ungarn, die bis 1918 als maurerische Oberbehörde der „Humanitas“ und aller weiteren Grenzlogen fungierte. Die allgemeinen Bestimmungen aus den Statuten der Symbolischen Großloge von Ungarn lauteten:
„1. Der Bund der Freimaurer ist eine zur Wahrung, Pflege und Verbreitung der wahren Humanität geschaffene Vereinigung, dessen Mitglieder einander „Brüder“ nennen.
2. Als oberste Richtschnur für das Betragen einzelner Brüder und der Logen gilt das rein menschliche Sittengesetz.
3. Der Bund fordert von seinen Mitgliedern keinerlei Glaubensbekenntnis. Er nimmt als Mitglieder unabhängige Männer von gutem Ruf auf, die sich brüderlich vereinigen im Streben nach geistiger und sittlicher Veredlung, ohne Rücksicht auf Rasse, Nationalität, Glauben, gesellschaftliche Stellung oder politische Parteistellung.
4. Der Freimaurer achtet jede wahre Ueberzeugung. Der Bund fordert von seinen Mitgliedern, dass sie, trotz der Verschiedenheit ihrer Stellung und Ansichten einander als Brüder achten und nie die Liebe verletzen, welche die Menschen als Kinder eines Vaters untereinander verbindet.
5. Der Bund huldigt den ethischen Grundprinzipien der Gewissens-, Glaubens und Geistesfreiheit. Derselbe verdammt jeden Zwang, der diese Freiheit gefährdet und jede Verfolgung, welche gegen einen Glauben oder eine Denkungsweise welcher Art immer geübt wird; nicht minder jedes Bestreben, das sich im Widerspruche mit der Nächstenliebe befindet.
6. Der Freimaurer-Bund achtet die religiöse und politische Ueberzeugung seiner Mitglieder und schliesst jede religiöse oder politische Discussion aus seinen Versammlungen entschieden aus. Er verpflichtet die Mitglieder zum Gehorsam gegen die Gesetze jenes Landes, in welchem sie leben.
7. Die Hauptthätigkeit der Loge richtet sich nach Innen, indem sie hauptsächlich die Brüder in ihrer Selbstvervollkommnung unterstützt und zur Erkenntniss und Uebung der Humanität aneifert.
8. Ausserdem eifert die Loge die Brüder zu gemeinnütziger und humanitärer Thätigkeit an und zur Uebung der Tugend in der Familie und im bürgerlichen Leben. Vaterlandsliebe und nützliche Thätigkeit für das Gemeinwohl gehören zu den heiligsten Pflichten des Freimaurers.