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Ebenso formuliert Prengel (2013, 123), dass «pädagogische Beziehungen […] der Bildung inhärent» seien. Obwohl diese alleine noch keinen Lernerfolg sichern, sind ohne sie «persönliche Entwicklungs- und Lernprozesse sowie gesellschaftliche Demokratisierungsprozesse gefährdet». Lernen läuft über Beziehung. Nach dem Neurobiologen und Arzt Joachim Bauer ist der Kern aller menschlichen Motivation in Anerkennung, Wertschätzung und Zuwendung zu finden und zu geben. Um dies erreichen zu können, braucht es Zeit für LehrerInnen und SchülerInnen gemeinsam: «Eine gute Pädagogik erfordert […] eine Balance zwischen verstehender Zuwendung und Führung» (Joachim Bauer 2007,8).
Für John Hattie (2013, 139) ist der Blick auf die Lernenden ausschlaggebend und «es kommt nicht so sehr darauf an, ob Lehrpersonen exzellent sind oder von ihren Kolleginnen und Kollegen als exzellent eingeschätzt werden, sondern ob sie von ihren Lernenden für exzellent gehalten werden». Weiter schreibt Hattie (ebd.), dass es die Lernenden sind, «die in den Klassen sitzen und merken, ob ihre Lehrperson das Lernen mit ihren Augen sieht und ob die Qualität der Beziehung förderlich ist». Diese Beziehung, von der Hattie spricht, kann über Anerkennung aufgebaut und hergestellt werden. Wirkmächtige Facetten machen pädagogisches Handeln so bedeutend und bestimmte Praktiken der Anerkennung im täglichen Miteinander zeigen sich als besonders prägend und einflussnehmend auf Lernen, Entwicklung, Selbstverständnis, Subjektwerdung und Bildungswege von Schülerinnen und Schülern. Im Folgenden werden verschiedene Facetten von Anerkennungspraktiken im schulischen Alltag beschrieben, bevor im zweiten Kapitel sechs bedeutende Praktiken zur Gestaltung pädagogischer Beziehungen ein Netz für entwicklungsförderndes pädagogisches Handeln spannen.
Was wird unter Anerkennung verstanden?
Erinnerungen an schulische Erfahrungen sind besonders oft mit ermutigenden und auch demütigenden Erziehungsszenen verbunden und somit ist pädagogisches Handeln immer auch durch Fragen und Probleme der Anerkennung charakterisiert.
Anerkennung als wechselseitiges Adressierungsgeschehen
Anerkennung wird in diesem Buch als ein Adressierungsgeschehen verstanden, das Teil pädagogischen Handelns ist. Bestätigende und versagende, retrospektive und prospektive Adressierungen greifen ineinander und wirken besonders beim Herausbilden der Identität der Kinder und Jugendlichen. Dabei ist Anerkennen ein wechselseitiges Geschehen. Auch Lehrerinnen und Lehrer sind auf die Anerkennung von ihren SchülerInnen angewiesen. Das Begehren nach Anerkennung teilen beide, SchülerInnen und LehrerInnen. Beide sind zugleich anerkennungsgebend und anerkennungsnehmend. Erfahrungen der Anerkennung, von anderen gesehen und gehört zu werden, angesprochen zu werden, Rückmeldung zu erhalten, ermöglichen es Menschen, Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstschätzung auszubilden. Damit spielt Anerkennung für die Identitätsentwicklung und die Subjektwerdung eine zentrale Rolle.
Anerkennung als machtvolles Geschehen
Axel Honneth spricht sogar von einem Kampf um Anerkennung und damit verbunden von einem Kampf um Selbstachtung und Respekt. Zentral erscheinen dabei Adressierungen als machtvolles Geschehen. Wer entscheidet über Gesehen-Werden oder Nicht-gesehen-Werden? Wer hat die Macht, öffentlich jemanden als jemand anzusprechen? Wer entscheidet, was es wert ist, gesehen zu werden? Macht zeigt sich in der Anerkennungspraxis einerseits als machtvolles Handeln, anderseits zeigen sich auch die Auswirkungen der einzelnen Anerkennungspraktiken auf die Subjektwerdung als mächtig. Anerkennung darf deshalb nicht an spezifische Leistungen oder Eigenschaften geknüpft werden, sondern muss bedingungs- und voraussetzungslos gegeben werden. Helsper und Lingkost (2013, 132) sehen «als Kernstruktur der jeweiligen Schulkultur […] die konkret ausgeformten Anerkennungsverhältnisse und -beziehungen zwischen Lehrern und Schülern». Das heißt, dass sich Schulkulturen und damit auch Unterricht und pädagogisches Handeln nicht ohne Anerkennungspraktiken denken lassen. In Schulen zeigen sich diese ausgeformten Anerkennungsverhältnisse nicht nur im unterrichtlichen Tun, sondern auch im Leitbild, in der Führung, in der Kommunikation, in den Strukturen und Prozessen.
Anerkennung als identitätsstiftendes Geschehen
LehrerInnen adressieren ihre SchülerInnen immer als jemanden, tun dies vor jemandem und machen damit ihre SchülerInnen zu jemandem. Anerkennung ist damit als ein identitätsstiftender Vorgang zu sehen, wie auch das Beispiel in der Einleitung gezeigt hat. Schülerinnen und Schüler werden als bestimmte Identitäten anerkannt, zum Beispiel als guter Schüler/gute Schülerin in der positiven Ausprägung oder als fauler Schüler/faule Schülerin in der negativen Ausprägung. Damit zeigt sich die Kehrseite der Anerkennung, weil durch Adressierungen auch etwas festgeschrieben werden kann, was man gar nicht will. Vor allem in retrospektiven und prospektiven Adressierungen, die in den Praktiken des Ansprechens und des Rückmeldens erläutert werden, zeigt sich eine Möglichkeit der bewussten Gestaltung von Anerkennungshandlungen: Lehrerinnen und Lehrer können in der Gestaltung von Rückmeldungen, die vor allem zur schulischen Leistung gegeben werden, auf ihre Sprache achten, um es den Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, zwischen der Leistung und sich als Personen zu trennen. Anerkennungshandeln kann dabei nie per se als gut oder schlecht bezeichnet werden, denn eine vorschnelle Kategorisierung in positive und negative Handlungen ist nicht zulässig, wenn man davon ausgeht, dass erst die bestimmte Situation in ihrer gesamten Verstrickung analysiert werden muss, um herauszufinden, was die Wirkung der Adressierung ist. Erst mit dem Einbeziehen der Sichtweisen der Adressierten sind Aussagen über negative oder positive Anerkennungshandlungen zulässig. Das, was auf die Adressierung folgt, eröffnet ein Spannungsfeld zwischen der Annahme der Adressierung auf der einen Seite und der individuellen Autonomie mit der Möglichkeit des Widerstandes auf der anderen Seite.
Anerkennung als triadisches Geschehen
Anerkennung ist ein Geschehen, das sich nicht nur zwischen zwei Personen abspielt, sondern in das immer auch andere involviert sind. Das Andere können gesellschaftliche Normen, wirkmächtige Diskurse, Machtverhältnisse oder andere Personen als MithörerInnen darstellen. Diese Triade (LehrerIn, SchülerIn, Andere) bestimmt nicht nur die Wirkung von Adressierungen maßgeblich mit, sondern bestimmt auch ganz grundlegend, was es überhaupt wert ist, adressiert zu werden. So sind Anerkennungspraktiken nicht isoliert, sondern im Kontext ihres Geschehens zu denken und zu reflektieren. Durch diese Überlegungen zeigt sich, dass Adressierungen immer abhängig von unseren Einstellungen, Werten und subjektiven Theorien erfolgen. Besonders im Klassenzimmer treten die MitschülerInnen als bedeutende Dritte in diesem Geschehen auf. Sie können die Wirkweise einer Adressierung unter Umständen sogar in ihr Gegenteil wenden. Die nachfolgende Szene eines Schülers der 9. Schulstufe nimmt die beiden Aspekte «vor der gesamten Klasse« im Gegensatz zu einem Vier-Augen-Gespräch in den Fokus.
[…] Er hatte Angst, er könnte den Text vergessen, stottern und sich vor der gesamten Klasse blamieren. Der Lehrer schien dies zu bemerken, denn er nahm David beiseite. «Du musst nur ruhig bleiben und dich konzentrieren, dann geht es.» Er lächelte ihm aufmunternd zu und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. Diese wenigen Worte beruhigten David. Er stellte sich nach vorne und hielt sein Referat.
In dieser Erinnerungsszene wird deutlich, dass einerseits die befürchtete Blamage durch die Öffentlichkeit der ganzen Klasse zusätzlich bedingt wird und andererseits die Wirkung der Beruhigung durch den Lehrer erst durch das Beiseitenehmen sich entfalten kann. Wie anders hätte die Aufmunterung gewirkt, wenn auch sie öffentlich erfolgt wäre? Hätte sie selbst nicht zu einer Blamage werden können?
Anerkennung als bestätigendes und versagendes Geschehen
Für pädagogisches Handeln sind sowohl die Bestätigung als auch die Versagung kennzeichnend. Erst durch die Versagung können sich Lehrende als bedeutsame Andere zu erkennen geben. Die Versagung ist ein wesentlicher Bestandteil der Interaktion. Besonders in den für den Lehrberuf typischen Antinomien (vgl. Helsper 2012) von beispielsweise Fördern und Selektieren, Nähe und Distanz, Autonomie und Heteronomie oder Fordern und Fördern zeigt sich dieser Befund. So erhalten SchülerInnen positive und notwendigerweise auch negative Rückmeldungen in Bezug auf ihr Lernen, ihr Verhalten oder ihre Leistungen und damit wird ihre Entwicklung maßgeblich beeinflusst. Versagung kann in diesem Sinne nicht mit einer Missachtung gleichgesetzt werden, sondern ist notwendiges Moment von anerkennendem Handeln. Versagung zeigt sich beispielsweise besonders im Setzen von Grenzen, das vom Sanktionieren insofern unterschieden werden muss, als im Setzen von Grenzen den SchülerInnen entgegengetreten wird, ohne dabei die Persönlichkeit des Kindes oder Jugendlichen zu beschädigen. Im Grenzensetzen ist es den Lehrenden als pädagogisch Handelnde möglich, die eigenen Interessen nicht zu verleugnen, als bedeutsamer Anderer/bedeutsame Andere zur Verfügung zu stehen und zeitgleich auch das Kind mit seinen eigenen Bedürfnissen wahrzunehmen.
Der Komplexität pädagogischer Adressierungen lässt sich am leichtesten mit einer offenen Haltung für die Sichtweisen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen sowie einer reflexiven Haltung dem eigenen Tun und dem eigenen Verhaftetsein in implizite und explizite Normen gegenüber begegnen. Zum Abschluss des ersten Kapitels werden noch einmal wichtige und wirkmächtige Elemente von Anerkennung im schulischen Feld auf den Punkt gebracht:
Anerkennung
Anerkennung wird als Adressierungsgeschehen verstanden, d.h. jemand wird von jemandem als etwas angesprochen. Damit ist Anerkennung Teil des pädagogischen Handelns. Sowohl die Bestätigung als auch die Versagung sind wesentliche Bestandteile von Anerkennung. Anerkennung hat einen identitätsstiftenden Charakter.
Anerkannt zu werden stellt ein menschliches Bedürfnis dar und ist gekennzeichnet durch Wechselseitigkeit: LehrerInnen und SchülerInnen brauchen beiderseits Anerkennung. Damit ist Anerkennung ein «Ort der Macht».
Explizite und implizite Normen, Machtverhältnisse und gesellschaftliche Diskurse bestimmen mit, was und wer es wert ist, angesprochen zu werden, und was zum Gegenstand dieses Ansprechens wird.
Die Wirkweise dieses Angesprochenwerdens kann durch MithörerInnen, wie sie Mitschülerinnen und Mitschüler darstellen, grundlegend verändert werden.
Die zentrale Frage, die sich LehrerInnen stellen müssen, lautet: «Wie kommt das, was ich tue, bei meinen Schülerinnen und Schülern an?» Dazu ist es hilfreich, diese Frage auch an SchülerInnen selbst zu stellen.

TEIL 2 DIE GESTALTUNG PÄDAGOGISCHER BEZIEHUNGEN
«Trotz aller Ähnlichkeiten hat jede lebende Situation,
wie ein neugeborenes Kind, auch ein neues Gesicht, das
es noch nie zuvor gegeben hat und das auch nie mehr
wiederkehren wird. Die neue Situation erwartet von dir
eine Antwort, die nicht im Vorhinein vorbereitet werden
kann. Sie erwartet nichts aus der Vergangenheit. Sie
erwartet Präsenz, Verantwortung; sie erwartet – dich.»
Martin Buber
Trotz der Verschiedenheit aller Situationen in der Schule, die jedes Mal, wie Martin Buber formuliert, «dich» als ganze Person fordern, lassen sich Leitlinien für die Gestaltung pädagogischer Beziehungen formulieren, an denen wir unser pädagogisches Handeln ausrichten können. Schülerinnen und Schüler können uns viel über pädagogisches Handeln lehren – ihre Erfahrungen und ihr Wissen halfen uns, neben pädagogischer Theorie sechs Anerkennungspraktiken zu formulieren, die im Folgenden genau beschrieben werden.
Durch unsere tägliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wachsen der Zusammenhalt und die Verantwortung, der Auftrag, Antwort zu geben. Wenn wir unsere Verantwortung als Lehrerinnen und Lehrer übernehmen, dann steht die Frage im Raum, wie eine Lehrerin oder ein Lehrer denn sein sollte, was sie oder er machen sollte. Dabei hilft es, grundlegende menschliche Bedürfnisse als Axiome anzunehmen: den Wunsch zu lernen, zu gestalten, gesehen zu werden, anerkannt zu werden, Verantwortung zu übernehmen und als soziales Wesen in einer Gemeinschaft zu leben und zu arbeiten. Jede Begegnung mit Schülerinnen und Schülern trägt diese Verantwortung an uns heran. Das kann uns gelingen, indem wir anerkennend handeln und uns der Rechte von Kindern nicht nur bewusst sind, sondern diese auch wahren (vgl. UN-Kinderrechtskonvention). Was heißt es aber nun, pädagogisch anerkennend zu handeln und dabei Kinderrechte zu wahren?
Eine menschenrechtlich begründete Pädagogik ist grundlegend für inklusions- und demokratieorientiertes pädagogisches Handeln von Lehrerinnen und Lehrern und wird unter anderem in professionellen, entwicklungsfördernden pädagogischen Beziehungen sichtbar. Anerkennung spielt dabei für die Frage nach dem Aufwachsen in einer Demokratie eine zentrale Rolle. Die in der Schule vorherrschenden hierarchischen Strukturen, in denen die Qualität der pädagogischen Beziehung der Vermittlung des Stoffs aus Zeitmangel immer wieder nachgereiht wird, bereiten junge Menschen nicht ausreichend auf eine Zukunft vor, in der Demokratie und Inklusion unverzichtbar sind, um heterogene Gesellschaften unter dem Druck der Globalisierung zusammenzuhalten. Die traditionelle Autorität der Lehrerinnen und Lehrer, die sich auf Funktion, Rolle und Stand gründet und gekennzeichnet ist durch Kontrolle, Durchsetzung und Macht, wird abgelöst. Die neue Autorität gründet auf Authentizität, Präsenz, Anerkennung, Respekt und fokussiert auf Verbundenheit und Potenzialentfaltung (vgl. Rasfeld und Breidenbach 2014, 62). Lehrende stellen als pädagogisch Handelnde ein signifikantes Gegenüber für die Entwicklung und das Lernen von Schülerinnen und Schülern dar. Um eigene Potenziale zu entdecken, brauchen Kinder und Jugendliche Aufgaben, an denen sie wachsen, Selbstwirksamkeitserfahrungen und Anerkennung in einer starken Beziehungskultur, in der sie nicht nur sich, sondern auch einem Du begegnen, einem Gegenüber, mit dem sie in Beziehung treten können. Der Aufbau und die Gestaltung professioneller pädagogischer Beziehung werden als ein zentraler Kern der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern verstanden. Eine anerkennende Haltung den uns anvertrauten Schülerinnen und Schülern gegenüber hat den gleichen Stellenwert wie die Vermittlung von Stoff und die Erziehung zu einem kritischen und mündigen Menschen. Eine geglückte pädagogische Beziehung darf und soll kein Nebeneffekt oder gar glücklicher Zufall sein, sondern soll im Fokus der Aufmerksamkeit der Lehrerinnen und Lehrer stehen.
Auch wenn wir keine Gebrauchsanweisung haben, wie pädagogische Beziehungen aufgebaut werden können, gibt es doch gewisse Praktiken, die anerkennendes pädagogisches Handeln beschreiben und auf die wir im alltäglichen Tun, in der Begegnung mit Schülerinnen und Schülern achten können. Um den Aufbau und die Gestaltung von Anerkennungsbeziehungen nicht nur theoretisch zu bearbeiten, sondern auch praktisch erfahrbar zu machen, haben wir uns an Kinder und Jugendliche gewandt und durch die Arbeit mit Erinnerungsgeschichten bei der Perspektive der Schülerinnen und Schüler angesetzt. Erinnerungsgeschichten sind Narrationen von SchülerInnen, in denen sie für sich selbst prägende und einprägsame Situationen mit LehrerInnen genau beschreiben und dabei sowohl Vergangenes rekonstruieren als auch zurzeit geltende Normen- und Wertesysteme sichtbar machen. Der Datenkorpus – 210 von Kindern und Jugendlichen verfasste Erinnerungsgeschichten – stammt aus unserem Projekt zur Erforschung von Anerkennungspraktiken in der Schule.
Was ist eine Praktik?
Tagtäglich führen Lehrerinnen und Lehrer Anerkennungspraktiken durch, die sich als ein Ensemble miteinander verknüpfter, regelmäßiger Aktivitäten zeigen. Zusätzlich zeigen sich in Praktiken subjektive Überzeugungen, Werte und Normvorstellungen der Handelnden. Das Praktizieren verläuft häufig, ohne dass sich die LehrerInnen ihrer inneren Glaubenssätze bewusst sind oder sie reflektieren. Im Alltagsverständnis wird Anerkennung oftmals mit Wertschätzung gleichgesetzt, was zu kurz greift. Zusätzlich lässt sich ein großes Missverständnis im pädagogischen Handeln darin identifizieren, dass sich Anerkennung in Zustimmung und Lob äußern müsse. Diese missverstandene Anerkennung nach dem Motto «stimmst du nicht mit mir überein, dann bringst du mir keine Anerkennung entgegen» führt dazu, dass ich nicht mehr für mich und meine Sicht der Dinge einstehe, sondern immer dem Druck ausgesetzt bin, die Welt mit den Augen meines Gegenübers zu sehen. Vor allem in hierarchischen Beziehungen, wie sie in der Schule vorherrschend sind, stellt das ein Problem für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen dar. Anerkennung als Ausdruck einer inneren Haltung baut auf die Erfahrung von Respekt, Verschiedenheit und Dialog. Dabei ist das Wissen grundlegend, dass der Andere oder die Andere nicht sein muss, wie ich ihn oder sie mir wünsche. Dadurch entstehen Momente der Überraschung und Irritation, mit denen wir lernen umzugehen. Die offensichtlichen Praktiken «Anerkennen» und «Anerkannt-Werden» werden in unserer Arbeit genauer aufgeschlüsselt. Diese Aufschlüsselung hilft uns, unser Verhalten genauer zu betrachten und kleine wirkmächtige Momente, die darüber entscheiden, ob unser Handeln beziehungs- und entwicklungsfördernd bei den SchülerInnen ankommt, zu identifizieren. «Anerkennen» zeigt sich als Praktik des Wahrnehmens, des Begegnens, des Gegenübertretens, des Ansprechens, des Rückmeldens, und des Versagens, sichtbar als Grenzen Setzen oder Sanktionieren. Dabei muss beispielsweise das Wahrnehmen bei den SchülerInnen als ein Gesehen- und Gehörtwerden ankommen, um erst zu einer Anerkennungspraktik zu werden, das Begegnen und Ansprechen erst als ein solches verstanden werden, um seine Wirkung zu entfalten und ein Antworten, eine Gegenadressierung zu ermöglichen. Wird die Adressierung erkannt, sei es bewusst oder unbewusst, entfaltet sie ihre Wirkung – und erst durch die Verkettung in ihrer spezifischen Art werden die Einzelpraktiken zur Praxisform der Anerkennung.
Anerkennungspraktiken spielen sich zwischen mindestens zwei AkteurInnen ab und stellen damit eine Form der Sozialität dar, die von einer grundlegenden Abhängigkeit des Menschen von anderen ausgeht, wobei die Anerkennungspraktik als spezielle, von anderen Praxisformen abzugrenzende Praxisform gesehen wird. Dadurch wird es möglich, unterschiedliche Formen von Anerkennungspraktiken herauszuarbeiten und aufeinander zu beziehen, um damit ihrer Vielfalt gerecht zu werden. Die im Folgenden dargestellten Praktiken wurden aus den Erinnerungsgeschichten der Kinder und Jugendlichen rekonstruiert und durch die Häufigkeit und Dichte der Erwähnungen als besonders relevant für die Beschreibung von anerkennendem pädagogischem Handeln betrachtet. Dabei wird jede der vorgestellten Praktiken mit einer kurzen theoretischen Erläuterung eingeführt. Anschließend wird eine Erinnerungsgeschichte zu dieser Praktik angeführt und die wirkmächtigen Elemente werden darin rekonstruiert. Die Erinnerungsgeschichte wird im Anschluss daran von einem Schüler oder einer Schülerin betrachtet und vor dem eigenen Erfahrungshintergrund reflektiert.
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