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Vaaks wandte ihm das Gesicht wieder zu und seine Augen funkelten warm. »Wirklich?«
Xaith schielte zu ihm auf und nickte stumm.
Dann wurden Vaaks` Augen auf etwas gelenkt, das sich hinter Xaith befand. Er beugte sich vor und an ihm vorbei, und als er sich wieder hinsetzte, hielt er eine Rose in der Hand, deren Blüte noch fest verschlossen war. Vaaks` Finger waren wegen der Dornen blutig, aber das schien ihn nicht zu kümmern.
»Hier«, sagte er und reichte Xaith die junge Rose, »die schenk ich dir.«
Das machte Xaith so unsicher, dass er am liebsten im Erdboden versunken wäre. »Aber… aber die ist doch noch zu!«, sagte er und lachte.
Vaaks wirkte verlegen. »Vater schenkt Vater auch immer Rosen, die noch nicht blühen. Dann sagt er, so hat man länger davon. Und Vater lächelt dann immer glücklich.« Er sah Xaith bedeutungsvoll an. »Ich will auch, dass du heute lächelst. Ich will, dass du immer lächelst. Wie Vater, wenn er Vater ansieht.«
Xaith starrte Vaaks mit der Rose in der Hand an. Seit diesem Moment, dort auf der Bank, hatte er in Vaaks keinen Bruder mehr gesehen, nicht im Geringsten. Seit diesem Moment hatte es ihn regelrecht wütend gemacht, wenn sie als Brüder bezeichnet wurden. Denn es war der Moment, als er ganz sicher wusste, was es hieß, verliebt zu sein. Auf seine kindliche, unschuldige alles aufopfernde Art und Weise, wie eben nur ein Kind zum ersten Mal lieben konnte.
»Bleiben wir hier?«, durchbrach Vaaks die anhaltende Stille. »Und feiern ganz allein, nur du und ich?«
Xaith grinste glücklich. »Nur du und ich!«
Und das taten sie, jagten lachend durch den Rosengarten, spielten Verstecken und Fangen, erst miteinander, dann mit den Wachen und ihren Vätern, die sie bis zur Dämmerung suchten und erst in der Festungskapelle fanden, wo sie sich unter dem Altar versteckt und mit einer Kerze und ihren Fingern Schattenspiele auf die Tischdecke geworfen hatten. Es war und würde immer der schönste Tag in Xaiths Kindheit sein, obwohl ihre Väter so wütend vor lauter Sorge waren, dass sie beide einen Mond lang die Festung nicht verlassen durften und Unterrichtstunden aufgebrummt bekommen hatten, während ihre Geschwister zu Mittag schon im Garten spielten. Doch auch das machte nichts, denn sie waren dabei zusammen, und das war alles, was Xaith wollte.
Die Rose hegte und pflegte Xaith die Tage darauf mit größter Hingabe, denn auch wenn er ein Kind war, glaubte er ihre Bedeutung zu verstehen. Vaaks hatte ihm etwas geschenkt, was sich ihre Väter aus einem besonderen Grund schenkten.
War dies eine Botschaft?
Er hatte Wochen darüber gegrübelt und immer ein nervöses Flattern im Bauch gespürt, wenn er die Rose neben seinem Bett angesehen hatte.
Doch dann, ein paar Wochen später, war Jin in Vaaks` Leben getreten, genau an jenem Tag, als die Rose ihr letztes Blatt verlor. Nur kurz darauf war der erste rote Punkt in Xaiths Gesicht erschienen. Und von da an, wurde alles anders…
Es war eine Berührung, die ihn weckte. So sanft und zart und doch aufdringlich genug, um ihn aus seinem Traum zu reißen. Forsche Finger kitzelten ihn im Gesicht, während sie neugierig jedes Grübchen im Mundwinkel nachfuhren und sacht seine warmen Lippen betasteten.
Angestrengt versuchte Xaith, nicht zu lächeln, solange er so überaus lieblich erforscht wurde. Es kostete ihn einiges an Anstrengung, jetzt nicht zu lachen. Noch halb im Schlaf nahm er all das war, auch den heißen Atem auf seiner Wange, der von dem Schatten ausging, der dicht über ihm kauerte.
Es konnte nur einer sein, da war er sich sicher, und er wollte den Moment nicht zerstören.
Also blieb er liegen und rührte sich auch nicht, als ihm die Lippen resolut geöffnet und über die Fänge geschoben wurden. Nun musste er sich wirklich zusammenreißen, nicht die Augen zu öffnen oder loszulachen.
Interessiert fuhren die salzigen Finger über seine zusammengebissenen Zähne, strichen ehrfürchtig über seinen dolchartigen Reißzahn, immer und immer wieder. Dann beugte sich der Schatten über ihn hinab und leckte unerwartet sanft mit der warmfeuchten Zunge über seinen messerscharfen Fangzahn.
Xaith knurrte tief und animalisch. Ein dunkles Lachen erklang leise im Raum, dann fuhr die Zunge damit fort, Xaiths Fangzahn zu lecken. Er schmeckte den fremden Speichel und fühlte das weiche, heiße Fleisch der Zunge an seinen Lippen und Zähnen, immer wieder, und ein starkes Kribbeln weckte sein Geschlecht.
Unruhig begann er sich zu bewegen und zu blinzeln, da drückte ihm der aufdringliche Schatten einen sanften Kuss in den Mundwinkel. Zu spät erwiderte Xaith ihn, denn dieser wundervoll weiche, volle Mund war längst wieder fort.
»Hallo«, begrüßte ihn Vaaks` melodische Stimme.
»Hallo«, brachte Xaith kratzig hervor. Er räkelte sich mit einem Stöhnen auf den Rücken und musste gegen die Helligkeit im Zimmer anblinzeln. Obwohl die Vorhänge zugezogen waren, fand das grelle Sonnenlicht einen Weg in das weiße Zimmer und ließ die Wände leuchten.
Vaaks lag auf der Seite, trug ein leichtes Leinenhemd, das nicht mehr in der Hose steckte und aufgeschnürt war, sodass er geradezu verwegen und nachlässig aussah – aber nie anziehender. Sein gelocktes Haar war offen und wurde von einem lauwarmen Windzug gestreichelt.
»Warum hörst du auf?«, beschwerte Xaith sich und griff nach Vaaks` Gesicht, um es wieder zu sich hinab zu ziehen, obwohl er noch kaum im Stande war, seine übermüdeten Augen länger als einen Wimpernschlag lang aufzuhalten. »Komm wieder her und mach weiter!«
Vaaks lachte leise und vergnügt, ließ sich hinreißen, Xaith noch einen warmen aber keuschen Kuss auf die sehnsüchtigen Lippen zu geben, doch dann hob er den Kopf wieder, und Xaith spürte die braunen Augen genüsslich über sich gleiten.
»Nicht! Nicht ansehen!« Sofort schlug Xaith die Hände vor das Gesicht und drehte sich, um sich an Vaaks` Brust zu verstecken. Er hasste es, bei so viel Licht angesehen zu werden. Er konnte förmlich spüren, wie seine Pickel dabei größer und hässlicher wurden. Immer dann, wenn man ihn betrachtete, war er sich überdeutlich der Makel in seinem Gesicht bewusst, es war sogar so, dass sie dann regelrecht pulsierten. Er würde nie vergessen, wie er aussah.
Doch Vaaks` fröhliches Lachen klomm wieder auf. »Warum denn nicht?«, fragte er und amüsierte sich offen über Xaiths Schüchternheit. »Ich sehe dich gerne an.«
Xaith gab nur ein abfälliges Grunzen von sich, das Vaaks zum Kichern brachte.
»He! Bitte.« Vaaks zupfte an Xaiths Arm. »Sieh mich wieder an, ja?«
Aber Xaith schüttelte den Kopf und nuschelte in seine Hände: »Zu hell.«
Vaaks gab ein unverständliches Murren von sich, dann riss er plötzlich die Decke über sie und alles wurde dunkel.
Na gut, es wurde natürlich nicht stockdunkel, die Sonne schimmerte auch durch den leichten Stoff der Decke, doch es war wesentlich düsterer als im lichtgefluteten Zimmer außerhalb ihrer Betthöhle.
Xaith wagte es, hervor zu linsen und die Lage zu beurteilen. Er konnte Vaaks` Gesicht noch gut erkennen, aber nicht mehr jede Kerbe, jedes Haar. Zögerlich kam er hervor und schmiegte dann den Kopf auf sein Kissen.
»Besser?«, fragte Vaaks mit einem wissenden Schmunzeln, während er einen Arm nutzte, um die Decke oben zu halten. Er machte sich gut als Zeltpfahl.
»Nicht perfekt, aber passabel«, antwortete Xaith und sah zu Vaaks auf. Selbst im Halbdunklen konnte er sich nicht an diesem schönen, kantigen Gesicht satt sehen. Vor allem nicht an jenem Tag.
»Du warst so mutig«, raunte er ehrfürchtig und zugleich beschämt, »als du auf den Drachen losgestürmt bist. So mutig und … beneidenswert. Eine wahre, entfesselte Naturgewalt.«
Sein Herz schlug Purzelbäume, als er sich Vaaks in Erinnerung rief, wie er nur wenige Stunden zuvor furchtlos in den Kampf gerannt war. So entschlossen, so erwachsen, kriegerisch und kraftvoll.
Vaaks wurde unter den Schmeicheleien verlegen und wandte für einen Moment den Blick ab. Er lachte humorlos auf. »Ich war nicht mutig, ich war ängstlich«, gestand er dann und schaute Xaith achselzuckend wieder an. »Ich wollte einfach nicht glauben, dass… Also bin ich losgerannt, um nicht darüber nachzudenken.«
Aber Xaith schüttelte den Kopf. »Du warst mutig! Sehr sogar. Genauso wie Sarsar und May, die den Drachen mit Magie und Pfeilen angriffen. Ich war starr vor Angst«, seufzte er und schlug beschämt die Augen nieder, nestelte nervös an Vaaks` Hemd. »Ich und Riath. Wir waren feige und konnten vor Unglauben nur starren, während ihr…«
»He!« Vaaks beugte das Gesicht dicht über ihn, sodass sich ihr Atem vermischte. Tief und eindringlich sah er Xaith in die Augen. »Ihr seid nicht feige! Niemand denkt das von euch. Vater wurde gerade vor unseren Augen von einem Drachen verschluckt. Ich habe mir vor Angst fast in die Hosen gepisst!«
Xaith lächelte dankbar, aber er fühlte sich nicht wirklich besser. Sein Blick fiel auf Vaaks` halb entblößte Brust und er betastete die nackte, leicht behaarte Haut mit seinen Augen. »Ich hatte solche Angst, Vaaks. Um Vater. Die habe ich noch.«
»Ihm geht es gut, du hast Sarsar doch gehört«, beruhigte Vaaks ihn und schmiegte das Gesicht an seines, rieb mit Nase und Mund über Xaiths gerötete Wange. »Alles ist gut, er ist bald wieder da.«
»Ich weiß«, flüsterte er und atmete bebend aus, noch immer waren die Spuren der letzten Nacht nicht vergangen. »Aber als wir dachten … verdammt, ich glaubte wirklich, es sei zu spät. Von jetzt auf gleich war er einfach … fort. Niemand von uns konnte damit rechnen.« Ratlos schüttelte er den Kopf und nestelte weiter an Vaaks` Hemd herum, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.
Langsam wurde es stickig unter der Decke, aber Vaaks lüftete sie nicht, obwohl ihnen beiden der Schweiß auf der Oberlippe stand.
»Vielleicht ist das der Unterschied zwischen dir und mir«, meinte Vaaks nachdenklich, und Xaith sah wieder zu ihm auf. »Wie wahrscheinlich ist es schon, dass er das überlebt hat? Du bist eben … pragmatisch. Ich bin ein dummer Träumer, der die Hoffnung nicht aufgeben wollte, während dein schlaues Köpfchen eben einfach die Fakten sah und sich bereits ausrechnete, dass kaum noch Hoffnung besteht. Deshalb bist du erstarrt, und deshalb bin ich losgestürmt. Ich wollte es nicht wahrhaben, während du nicht mehr hoffen konntest.«
Xaith lächelte zerknirscht. »Aber er hats überlebt.«
Vaaks atmete erleichtert aus. »Das hat er. Und wenn die Legenden über ihn stimmen, hat er auch schon viel Schlimmeres überstanden. Er wird lachen, wenn er hört, dass wir uns Sorgen machten.«
Doch Xaith konnte den Schrecken noch nicht ganz abschütteln. »Als ich dachte, er kommt nicht zurück, war ich noch nie so verzweifelt gewesen, Vaaks.«
»Ich weiß. Ich auch.«
»Nein, ich meine, wirklich verzweifelt. Ich habe mich so leer gefühlt, so unwirklich. Als wäre der Boden unter mir weggebrochen. Und alles um mich herum war wie in einem Alptraum, vernebelt und seltsam fremd.« Er schloss die Augen und schauderte. »Ich kann und will mir eine Welt ohne unseren Vater nicht vorstellen. Gestern Nacht wurde mir so richtig bewusst, dass ich nicht bereit wäre, sollte ihm etwas zustoßen.«
Vaaks erwiderte mit dünner Stimme: »Ich auch nicht.«
Aber das glaubte Xaith ihm nicht. Natürlich wäre Vaaks traurig, May und Sarsar wären auch traurig, aber Xaith glaubte nicht, dass sie diese tiefe Verzweiflung spürten, wie er sie gespürt hatte. Seine gesamte Welt war zusammengebrochen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er gefühlt, was es wirklich bedeutete, völlig allein zu sein. Denn so fühlte er sich ohne Vater. Allein und irgendwie verloren. Während Vaaks einfach dieser Fels in der Brandung war, immer stark und fürsorglich, der sich um alle kümmerte und Xaith die ganze Zeit über aufrechtgehalten hatte.
Nein, Vaaks würde ganz sicher ohne Vater auskommen. Er würde trauern wie jeder Sohn, aber darüber hinwegkommen und sein Leben führen. Xaith würde einfach den Halt verlieren und sich vorkommen wie ein Blinder im Irrgarten. Denn als er dachte, sein Vater wäre tot, hatte auch er sterben wollen.
»Es geht ihm gut«, beschwor ihn Vaaks, als er Xaiths düsteren Blick bemerkte und stupste ihn aufmunternd mit der Nase an. »Er ist bestimmt schon auf dem Weg hier her. Und wie gesagt, er übersteht doch immer alles.«
Xaith rang sich ein Lächeln ab, aber nur, weil Vaaks damit anfing, mit seinem verführerischen Mund an Xaiths Lippen zu zupfen.
»Komm schon«, drängte Vaaks gurrend und stieß das Becken gegen Xaiths Schenkel, »lass uns nicht über den Tod reden, lass uns das Leben feiern. Vater lebt, und wir …« Er brach ab und küsste Xaith stattdessen sacht auf den Mund. Nicht, um ihn zu küssen, es fühlte sich mehr nach einer Frage an.
Xaith genoss die Nähe. Wie könnte er nicht, nachdem er sich das all die Jahre gewünscht hatte? Doch richtig glauben konnte er es noch nicht, aber er würde sich davon ganz sicher nicht aufhalten lassen. Sein ganzer Leib lechzte nach Vaaks` harten, warmen Körper, und das würde er sich nicht durch seinen Selbsthass zerstören lassen.
»Ich habe es dem Drachen wirklich übelgenommen«, schnurrte Vaaks mit einem Lächeln, während er sich über Xaiths Gesicht hermachte und sich über den Mundwinkel zur Wange küsste. »Dass er uns gestört hat, meine ich.«
Xaiths Augen waren geschlossen, sein Atem kam stoßweise, während die leichten Berührungen bereits genügten, um seinen Körper in Flammen zu hüllen. Er grub eine Hand in Vaaks` dunkle Locken und kraulte die Kopfhaut darunter. »Gestört?«
Vaaks gluckste und biss ihm sacht in die Wange. Seine Zähne und Kiefern waren so kraftvoll wie alles an ihm und bescherten Xaith einen wohligen Schauer. »Ich dachte, dort unter dem Sternenzelt, hätte ich dich endlich«, raunte er Xaith ins Ohr und ließ die Decke fallen, die nur noch von seinem Kopf gehalten wurde, um spielerisch die Hand über Xaiths flachen Bauch nach unten gleiten zu lassen, wo er…
Xaith zog scharf die Luft ein, was beinahe nach einem erregten Fauchen klang.
Leise lachend massierte Vaaks das halbsteife Glied durch die Hose. »Habe mich nicht getäuscht, dein Körper spricht offener, als du es je getan hast«, neckte er ihn und rieb wieder genüsslich die Nase über seine Wange. »Hm, deine Haut riecht so gut.«
Xaith wurde rot, seine Hände hatten sich längst verkrampft an Vaaks` Hemd geklammert, und auch sonst lag er stocksteif da, während sein Körper ihn regelrecht verriet und nur noch daran denken konnte, sich intensiver an Vaaks` Hand zu reiben.
»Du bist nicht so, wie ich dachte, dass du bist«, presste er angestrengt hervor und versuchte an etwas Belangloses zu denken, Sträucher, Hauswände, Ratten, Kuhscheiße… es klappte nicht. Er keuchte und versuchte, die Schenkel zusammenzudrücken, wodurch er sein Geschlecht nur noch mehr in Vaaks` gönnerhafte Handfläche schmiegte.
Doch da hielt dieser inne und sah verwundert auf ihn herab. »Schlechter oder besser als du dachtest?«
Jetzt hatte er ihn gekränkt. Mal wieder. Xaith schimpfte sich einen Dummkopf, einen vorlauten Dummkopf und schüttelte schnell den Kopf. »Nein, nicht schlechter, nicht besser, nur anders.«
Vaaks legte amüsiert den Kopf schief.
»Verdammt«, seufzte Xaith und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. »Ich mein doch nur, du bist immer der Ruhige. Ich habe einfach nicht gedacht, dass du so …«, fordernd, »forsch dabei bist.«
Das brachte Vaaks nur noch mehr zum Schmunzeln. Über sich selbst fluchend, versteckte Xaith wieder das Gesicht an Vaaks` schöner Brust. Er schämte sich ja so für seine Unerfahrenheit.
Vaaks hingegen schien schon genau zu wissen, was er tat. Und auch, was er wollte. Das schüchterte Xaith etwas ein, zumal er sich verbieten musste, darüber nachzudenken, mit wem Vaaks bereits…
Jedenfalls hätte er nie erwartet, dass Vaaks so … leidenschaftlich sein konnte. Liebevoll, gewiss, aber auch so voller Feuer. Und gierig, sehr gierig. Das hatten sie wohl gemein. Ob es am Alter lag? Xaith wusste es nicht, er konnte nur für sich sprechen, und schon seit Jahren war die Fleischeslust das interessanteste Thema, vor allem im Zusammenhang mit Vaaks. Liebe und Begierde, das hatte seit einigen Jahren Vorrang vor allem anderen. Was wegen seines Triebes und seines unansehnlichen Gesichts nicht immer einfach war. Um genau zu sein, war es eine verfluchte Qual gewesen.
So aber nicht an jenem Tag, da ihm seine innigsten Fantasien erfüllt wurden. Nein, sogar übertroffen wurden, denn Vaaks war nicht nur freundlich, er wollte es selbst. Er wollte es mit einer Inbrunst, die Xaiths verzweifeltem Sehen gleichkam.
Vaaks` Zunge kitzelte an seinem Ohr und er lachte, während er das Gesicht tiefer an Vaaks` Brust vergrub.
»Du bist auch anders, als ich dachte«, gestand Vaaks dann, seine große Pranke fuhr warm und liebevoll über Xaiths Rücken. »Schüchterner, für deine sonst scharfe Zunge. Das ist irgendwie niedlich.«
Xaith fuhr so schnell hoch, dass er den Kopf beinahe gegen Vaaks` markantes Kinn gestoßen hätte. Er verengte die Augen und knurrte: »Ich bin nicht niedlich!«
Aber Vaaks grinste ihn frech an. »Doch, irgendwie schon. Und versteh mich nicht falsch, ich bin froh, dass du so bist.«
Unsicher forschte Xaith in Vaaks` Augen. »Ach ja?«
»Ja«, raunte Vaaks und beugte sich vor, um ihn zu küssen. Xaith hielt ganz still und erzitterte erregt unter Vaaks` warmen, vollen Lippen, die sich zärtlich nahmen, was sie begehrten.
»Ich will dich jetzt richtig kennen lernen«, flüsterte Vaaks und lüftete die Decke, »dich, ganz und gar, als Mann. Will dich und … deinen Körper erforschen.«
Ein entzückter Laut entkam Xaiths Kehle, als Vaaks ihn mit beiden Armen an sich zog und ihn tiefer küsste, leidenschaftlicher, gieriger. Xaiths Lippen teilten sich wie von selbst und Vaaks` Zunge stupste fragend hinein.
Sie lächelten und Xaith öffnete den Mund weiter. Ermutigt presste Vaaks die feuchten Lippen darauf und drang besitzergreifend mit der Zunge ein. Sie spielten miteinander, rangelten und kämpften regelrecht, wie sie es früher als Kinder getan hatten, nun mit den Zungen. Kosteten und tranken den Speichel des anderen und gingen voll im Feuer blinder Leidenschaft auf.
Alles in Xaith wollte sich auf Vaaks werfen und ihm und sich die Kleider mit Händen und Zähnen von den Leibern reißen. Aber er traute sich nicht. Er verfluchte sich selbst für seine Schüchternheit, aber noch immer befürchtete er, Vaaks könnte aufspringen und ihn auslachen. »Du hast doch nicht wirklich geglaubt, wir würden…? Hahaha! Bestimmt nicht …«
Vaaks spürte die Zurückhaltung und das verlieh wiederrum ihm Mut, denn noch ehe Xaith sich wehren konnte, rollte sich dieser Riese auf ihn und drohte ihn, unter sich zu ersticken. Und doch war es nicht genug. Im Kuss vertieft presste Xaith sich an Vaaks` breiten, großen Körper und rieb sich aufreizend an ihm. Junge Leidenschaft kannte keine Zurückhaltung, Xaith wollte es so sehr, forderte es. Wollte Vaaks so sehr nahe sein. Trotz aller Unerfahrenheit, er wollte aufs Ganze gehen und endlich erleben, wovon er immer nur geträumt hatte.
Vielleicht gerade in diesem Moment mehr denn je, da er den Schrecken der Nacht verdrängen wollte.
Sie keuchten zwischen den Küssen und schnappten nach Atem, während ihre feuchten Münder sofort wieder in schierer Verzweiflung verschmolzen. Sie rissen und zerrten ungestüm aneinander, wobei Vaaks so herrlich übermächtig über Xaith ragte, dass er sich vollkommen von ihm eingenommen fühlte und ihm der Kopf vor Gier schwirrte. Wie konnte Vaaks so viel harte Masse besitzen und gleichzeitig noch »zu wenig Vaaks« sein.
Er labt sich gerade an den harten Brustmuskeln, strich mit seinen schlanken Fingern darüber und ergötzte sich stolz an Vaaks` unkontrolliertem Stöhnen, als es passierte.
Das, was nicht passieren sollte.
Der Hunger erwachte. Ein übermächtiges Verlangen, das sich nur nach Blut sehnte. Nach Vaaks´ Blut, das so köstlich in dieser kräftigen Vene an seinem starken Hals pochte. Xaith versteinerte, während ihm bereits das Wasser im Mund zusammenlief. Vaaks bekam davon nichts mit, hielt sein Erstarren vielleicht für Hemmung, denn er schob eine Hand zwischen ihre Körper, atmete gegen Xaiths Mund und packte ihm sanft in den Schritt.
Das Gefühl sandte ein noch größeres Verlangen durch Xaiths Körper, und mit einem entschlossenen Schubs beförderte er Vaaks von sich runter.
Atemlos setzte er sich auf, während Vaaks ebenso keuchend neben ihm auf der Matratze landete und verständnislos den Arm ausbreitete.
»Willst du nicht?«, fragte er verwundert und umfasste Xaiths Arm.
Ruckartig entzog sich Xaith der Berührung und versuchte angestrengt, nicht Vaaks` würzigen, herbstlichen Duft einzuatmen. »Fass mich jetzt nicht an«, presste er hervor und sein Körper begann vor Zurückhaltung zu zittern.
Vaaks setzte sich langsam auf, respektierte aber, dass er nicht berührt werden wollte. Er neigte den Kopf, um ihn ansehen zu können, genau wie damals auf der steinernen Bank im Rosengarten.
»Was ist mit dir?«
Xaith schloss die Augen. »Der Blutrausch«, keuchte er mühsam. »Bitte. Vaaks. Kannst du etwas Abstand nehmen.«
Aber Vaaks rührte sich nicht. Im Gegenteil, statt dass er sich fürchtete, schien es ihn sogar zu beruhigen. Er lachte leise und drückte sich an Xaiths Rücken.
Der Hunger bäumte sich wie ein eigenständiges Wesen in Xaith auf, sodass er sich in die Bettlaken krallte und die Fänge zusammenbiss. »Vaaks…«, knurrte er.
»Vertrau mir«, sagte Vaaks und strich ihm beruhigend über den Hinterkopf bis hinunter zu seinem Hosenbund. »Ich fürchte mich nicht.«
»Ich scherze nicht, Vaaks, du musst…« Ein unterdrückter Schrei entkam ihm. »Verdammt, geh vom Bett… sonst … kann ich nicht …« Atmen.
Vaaks gab einen Laut voller Unmut von sich, erbarmte sich dann aber. Jedoch offensichtlich nicht im Geringsten besorgt, sondern lediglich, weil Xaith ihn darum bat.
Es dauerte eine qualvolle Ewigkeit, bis Xaith sich einigermaßen wieder unter Kontrolle hatte und sich frei zu atmen wagte. Als er sich daraufhin im Zimmer umsah, stand Vaaks vor dem Fenster und beobachtete ihn mit verschränkten Armen. Sein schönes, bereits so sagenhaft männliches Gesicht war alles andere als amüsiert.
Xaith konnte es ihm nicht verübeln, ein weiteres Mal hatten sie sich unterbrechen müssen.
Er senkte den Blick und schluckte geräuschvoll. »Das muss dich mächtig nerven, entschuldige.«
Verdammt, warum musste er auch so kompliziert sein.
Aber Vaaks schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht genervt. Nicht davon jedenfalls.«
Xaith sah auf, als Vaaks wieder näherkam.
»Vertraust du mir nicht?«, fragte Vaaks ein wenig verstimmt. »Glaubst du, ich könnte dich nicht aufhalten?«
Xaith runzelte die Stirn. »Du bist ein Mensch! Ich könnte dich töten.«
»Dann hältst du mich für schwach«, schlussfolgerte er pikiert.
Xaith ließ matt die Schultern hängen. »Nein! Natürlich nicht. Aber du bist aufgrund deines Volkes eben schlicht verletzlicher. Du heilst nicht so schnell und ich habe mich nicht unter Kontrolle. Nur ein falscher Biss, in einem Moment der Unachtsamkeit, und…« Er brach ab und sah zerknirscht in Vaaks` beleidigte Miene. »Ich habe schon meine Mutter auf dem Gewissen, Vaaks, ich will nicht auch noch dich…«
»Das wirst du nicht«, sagte Vaaks so ernst, so entschlossen, das Xaith ihm beinahe geglaubt hätte. Beinahe.
Er seufzte. »Vaaks, ich…«
»Ich bin stark, Xaith!«, unterbrach Vaaks ihn gleich und stieg zu ihm aufs Bett. Sein Geruch machte Xaith wieder ganz nervös. »Wenn du die Kontrolle verlierst, dann kann ich dich aufhalten.« Er packte Xaiths Kinn mit seiner Pranke und hob seinen Kopf an, bis sie sich ansehen mussten. Vollkommen entschieden betonte Vaaks: »Ich kann dich kontrollieren, wenn du es nicht mehr kannst, Bruder.«
Xaith sah gequält zur Seite. »Bitte, nenn mich nicht Bruder. Wir sind keine …«
»Doch, sind wir«, sagte Vaaks bitterernst.
Xaith fuhr fassungslos zu ihm herum. »Wie kannst du das jetzt noch behaupten? Ich dachte…«