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Zudem muss Kausalität, wie jedes fundamentale Naturgesetz, unabhängig sein von absoluter Zeit und absolutem Raum, was äquivalent ist zur Gleichförmigkeit des Naturgeschehens in Raum und Zeit. Die Gleichförmigkeit ist wie die Erhaltungssätze der Physik eine berechtigte Annahme, die sich als Rückschluss aus der erfolgreichen Anwendbarkeit der Naturgesetze ergibt, beispielsweise in der Raumfahrt. Man kann diese Annahmen als „Schlussfolgerung auf die beste Erklärung“ oder Abduktion deuten. Darauf beruht das Prinzip der positivistischen Induktion, indem beobachtete Eigenschaften von Elementen einer ausgewählten Teilmenge allen Elementen zugeordnet, oder auf die gesamte Menge projiziert werden. Aus gleichartigen Eigenschaften folgt die Erwartung gleichartigen Verhaltens der Elemente. Das Erkennen von Wiederholungen setzt das Erkennen von Ähnlichkeiten voraus und dieses beinhaltet objektive Deutungen vergangener Beobachtungen wie auch Deutungen auf Grund zukunftsbezogener Erwartungen, so dass auch im Induktionsprinzip eine Zirkularität gegeben ist. Somit kann empirische Gewohnheit oder Regularität das Induktionsprinzip zwar logisch nicht begründen, andererseits ist der Mensch zur Bewältigung des Lebens mit Bedürfnisbefriedigung auf die regelmäßige Wiederholung gleichartiger oder ähnlicher Ereignisse angewiesen. Deshalb ist die Annahme des Induktionsprinzips unausweichlich, bedarf jedoch immer wieder der skeptischen Prüfung und empirischen Bestätigung.
Wenn ein Meteorit aus den Tiefen des Weltalls in den Schwerkraftbereich der Erde gerät, dann wird er beschleunigt. Die Schwerkraft der Erde ist also die Ursache für die Änderung von Bahn und Geschwindigkeit. Umgekehrt wirkt der Meteorit auch auf die Bahn der Erde, allerdings ist der Effekt so gering, dass er vernachlässigt wird. Wenn der Meteorit in die Atmosphäre eindringt und auf der Erdoberfläche einschlägt, dann ist er seinerseits Ursache für allerlei Erscheinungen und möglicherweise Schäden. Untersuchungen haben ergeben, dass der Meteorit von Tscheljabinsk Anfang 2012 immense Schäden angerichtet hätte, wenn sein Bahnwinkel durch die Atmosphäre einige Grade steiler gewesen wäre. Offensichtlich liegt es am Beobachter, bzw. seinem aktuellen Interesse, was als Phänomen und als Wirkung gedeutet wird und was als zugehörige Ursache untersucht wird. In der Natur müssen häufig mehrere Bedingungen gleichzeitig gegeben sein, um ein Ereignis auszulösen, wobei das Eintreten der letzten Bedingung die auslösende Ursache bildet. Der Apfel fällt erst vom Baum, wenn er schwerer geworden ist als die Haltekraft des Astes, wobei das Schütteln des Astes die auslösende Ursache bilden kann. Kausalität ist immer nur lokal gültig, als räumlicher, zeitlicher und empirischer Ausschnitt eines umfassenderen Geschehens, denn jede Ursache ist selber wieder Wirkung und Phänomen einer anderen Ursache, bis zurück zum Urknall. Das Universum hat keine statischen Anfangszustände als Ur-Sachen, die eindeutig als alleinige Ursache infrage kämen. So aber kann man jedes Ereignis kausal beliebig weit zurückverfolgen.
Das Überleben der Menschheit über Jahrmillionen zeigt den evidenten Erfolg der Forschung und Wissenschaft. Andererseits deuten die gegenwärtigen Probleme der Umweltzerstörung auf die mit der Unkenntnis zusammenhängender, räumlich und zeitlich global verteilter Kausalketten sowie die mit der disziplinär beschränkten Perspektive und den ökonomischen Erkenntniszielen der Wissenschaft verbundenen Defizite hin. Naturwissenschaft ist nicht ein Produkt der Natur, sondern der Menschen in ihrer jeweiligen Lebenswelt. Der Naturforscher und Naturphilosoph Ernst Mach (1838-1916) schrieb dazu:
Wenn wir Tatsachen in Gedanken nachbilden, so bilden wir nie die Tatsachen "überhaupt" nach, sondern nur nach jener Seite, die für uns "wichtig" ist; wir haben hierbei ein Ziel, das unmittelbar oder mittelbar aus einem praktischen Interesse hervorgewachsen ist.
Die moderne Wissenschaftstheorie hat dafür den Ausdruck "empirische Adäquatheit" erfunden, der von dem kanadischen Philosophen Bas van Fraassen (*1941) im Rahmen des Konstruktiven Empirismus geprägt wurde, als Erkenntnisziel der Wirklichkeit und als Ersatz für einen Wahrheitsanspruch in den Naturwissenschaften. Empirische Adäquatheit bedeutet, dass die Theorie mit einer Klasse von Beobachtungen und Erfahrungen unter definierten Bedingungen übereinstimmt. Sie ist als pragmatisch notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für wissenschaftliche Theorien zu verstehen und liefert der Naturwissenschaft einen Ermessensspielraum, um Forschung effektiver und flexibler zu gestalten, ohne Abstriche an Zuverlässigkeit hinzunehmen. Das ist nicht als willkürlicher Relativismus zu verstehen, sondern als System historisch oder retrospektiv bewährter Konstruktionsregeln. Jede Theorie muss kohärent in den Sprachkanon und in das Netzwerk der Theorien zumindest der Fachdisziplin zusammenhängend eingebettet sein. Die Tragweite der empirischen Adäquatheit für die Praxis der Naturwissenschaft kommt in der Erkenntnis zur Geltung, dass sogar wahre Theorien nicht notwendig empirisch adäquat sind, weil beispielsweise die Instrumente fehlen, um die Theorie empirisch prüfen und bestätigen zu können.
Der Physiologe Johannes Müller schrieb bereits 1826:
"Wir mögen uns die Mahnung gelten lassen, daß Licht, Dunkel, Farbe, Ton, Wärme, Kälte, und die verschiedenen Geschmäcke, mit einem Worte, was Alles uns die fünf Sinne an allgemeinen Eindrücken bieten, nicht die Wahrheiten der äußeren Dinge, sondern die realen Qualitäten unserer Sinne sind, daß die thierische Sensibilität allein in diesen rein subjectiven Zweigen ausgebildet ist, wodurch das Nervenmark hier nur sich selbst leuchtet, dort sich selbst riecht und schmeckt [..] Die Wesenheit der äußeren Dinge und dessen,was wir äußeres Licht nennen, kennen wir nicht; wir kennen nur die Wesenheiten unserer Sinne."
Realität und empirische Relativität
Das reale Universum ist vergleichbar einem Computerbildschirm. Die Hardwarestruktur dahinter, die für den Betrachter unzugänglich ist, bestimmt die Möglichkeiten der Darstellungen. Die Software stellt die Naturgesetze dar und steuert die Strukturen der Hardware, so dass sichtbare und flüchtige Muster auf dem Bildschirm erscheinen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob dieser Bildschirm im individuellen Bewusstsein als Innenwelt oder in der Außenwelt gedacht wird. Der Betrachter kann allein aus der Fülle der Darstellungen Vermutungen über die Substanzen, Strukturen und die Funktionsweise der Hardware anstellen, genau so wie der Naturwissenschaftler es tut, z.B. der Physiker anhand der Spuren im Detektor des Teilchenbeschleunigers über das Higgsboson. Eine Menge von Betrachtern kann sich mittels der Sprache verständigen, welche Darstellungen von allen Betrachtern gleichermaßen beobachtet werden und daher mit allgemein geltenden Begriffen belegt werden können. Die Begriffe repräsentieren bereits konstruktive Deutungen der gemeinsamen und vorgängigen Beobachtungen und Erkenntnisse. Kein Beobachter kann wissen, was genau die übrigen Beobachter sehen, sondern kann nur die eigenen Beobachtungen mit den für ihn bereits verfügbaren Begriffen vergleichen und die Deutungen anpassen, denn die Konfiguration für die Hardware und Software der Beobachter selber als deutendes Bewusstsein ist nicht vollständig gleich. Die empirische Adäquatheit zeigt sich in den gemeinsamen Begriffen, Vorstellungen, Deutungen und Überzeugungen der Beobachter.
Zwischen den Objekten, die mit den natürlichen Sinnen beobachtbar sind und den Objekten, die nur mit technischen Instrumenten beobachtbar sind, besteht kein prinzipieller Unterschied bezüglich ihrer ontologischen Existenz. Alle Objekte sind Deutungen des Verstandes, in der Form sprachlicher Begriffe, sei es aus unmittelbarer, sinnlicher Erfahrung oder aus wissenschaftlicher Untersuchung mit raffinierten Instrumenten. Die ontologische Existenz kann nur aus ihrer epistemischen, temporären Existenz hypothetisch gefolgert werden. Die epistemische Existenz gründet auf den raum-zeitlich gebundenen Wechselwirkungen der Objekte mit der Umwelt und letztlich mit den Detektoren der Wissenschaft und über geeignete Transformationen, wie über Bildschirme, mit den Sinnen der Wissenschaftler. Je vielfältiger die Wechselwirkungen der Objekte sind, desto zuverlässiger wird die Annahme und Bestimmung ihrer Existenz und ihrer Eigenschaften. Die visuelle Wahrnehmung in Verbindung mit taktiler Empfindung liefert die höchste Überzeugungskraft, besonders bei einer Vielzahl von Beobachtern oder Beobachtungen ohne gegenteilige Erfahrungen. Je komplexer die Objekte auf Grund ihrer Begriffsbestimmung sind, je höher also auch der Aggregationsgrad, desto wandelbarer und desto unbestimmter wird ihre aktuelle Zusammensetzung und ihr Verhalten als Darstellungen auf dem Bildschirm der Welt, desto vielseitiger sind auch die Wechselbeziehungen mit unterschiedlichen Beobachtern als subjektive Phänomene. Auch hierbei ist Zirkularität inkauf zu nehmen, denn die Komplexität kann erst retrospektiv aus den vielfältigen Wechselbeziehungen erschlossen werden.
Der fiktive Bildschirm zeigt alle Objekte, die ohne Intervention eines Beobachters als Erscheinungen dargestellt und wahrnehmbar sind. Die klassische Naturwissenschaft geht stillschweigend von der Erfahrung aus, dass die Objekte unabhängig von der Beobachtung existieren und durch die Beobachtung nicht verändert oder beeinflusst werden. Wie Niels Bohr (1885-1962) zeigen konnte, gilt diese Bedingung nicht für die Welt der Quanten. Er schrieb:
Der Hauptunterschied zwischen der Untersuchung von Phänomenen in der klassischen Physik und in der Quantenphysik ist [. . . ], daß in der ersteren die Wechselwirkung zwischen den Objekten und den Meßgeräten außer acht gelassen oder kompensiert werden kann, während in der letzteren diese Wechselwirkung einen integrierenden Bestandteil der Phänomene bildet.
Diskontinuität, Ganzheitlichkeit, Indeterminiertheit, Superposition, Interferenz, Nichtlokalität, Verschränkung, Komplementarität und Unbestimmtheit kennzeichnen die Quantenphysik. Sie erfordert Instrumentarien, um die Quanten zu gezielt beobachtbarem und messbarem Verhalten anzuregen, da ihre Existenz sich ausschließlich in den zu beobachtenden, zueinander jeweils komplementären Zustandsattributen offenbart, also beispielsweise Ort und Impuls. Quanten geben erst in Interaktion mit dem spezifischen Instrumentarium die spezifische Information preis, die der Beobachter anstrebt. Die Grenze zwischen Objekt und Beobachter wird verschoben, indem das Objekt nun das zur Beobachtung notwendige Instrumentarium einschließt, weil gewissermaßen verschiedene Spezialbildschirme für komplementäre Attribute zur Auswahl verfügbar sind. Das Instrumentarium bestimmt, ob beim Doppelspaltexperiment ein Streifenmuster oder ein Leuchtfleck beobachtet wird, ob Wellen- oder Teilchenphänomene beobachtet werden, je nachdem, welcher Bildschirm gewählt wurde. Dabei wird nichts über die Realität der Objekte selber ausgesagt, sondern nur über die Erscheinungen der Wechselwirkung, denn sie sind weder Teilchen noch Welle. Deshalb ist in der Quantenphysik das Instrumentarium als Teil des Phänomens zu sehen. Keine Versuchsanordnung kann in einem Schritt den vollständigen Zustand eines Quantensystems erfassen. Die reine Objektivität der klassischen Physik wird ersetzt durch die instrumentelle Objektivität in ihrer Ganzheitlichkeit von Subjekt und Objekt. Es ist jedoch keine Subjektivität im üblichen Sinn, die auch die Situation und Motivation des Beobachters sowie seine Deutungen umfassen würde, wie hin und wieder irrtümlich angenommen wird. Insbesondere wirkt der Beobachter mittels des Bewusstseins nicht auf das Verhalten der Quanten, sondern auf das objektive Design und Resultat des Experiments.
Zurück zur gewöhnlichen Erfahrungswelt. Man kann also die subjektiv beobachteten Darstellungen auf dem Bildschirm nur einander gegenseitig verständlich machen, d.h. objektivieren und bei späteren Beobachtungen bestätigen oder modifizieren und veränderten Bedingungen anpassen. Im Gedächtnis bleiben Wahrnehmungen und Empfindungen als gedankliche Vorstellungen, verknüpft mit den zugehörigen Begriffen. Das heißt, die Begriffe symbolisieren die bewussten Vorstellungen von den Dingen der Außenwelt. Man kann sich rote Tomaten vorstellen, wobei das Rot der vorgestellten Tomaten viel weniger differenziert ist als die fein abgestuften Rottöne der tatsächlich sichtbaren Tomaten. Der Dualismus besteht folglich nicht zwischen Realismus und Relativismus der Erscheinungen, sondern ausschließlich zwischen Objektivismus kollektiver Wahrnehmungen und Subjektivismus individueller Vorstellungen. Kein Beobachter kann jemals hinter den Bildschirm schauen, um die essenziellen Eigenschaften der Hardware, die "Dinge-an-sich" zu prüfen, sondern nur von der Gesamtheit der Erscheinungen hypothetisch auf Strukturen und Mechanismen einer fiktiven Hardware schließen, den physikalischen Teilchen und den Naturgesetzen.
Einen solchen "Strukturenrealismus", eine Variante des wissenschaftlichen Realismus, vertritt der britische Wissenschaftstheoretiker John Worrall (*1946). Strukturen sind Elemente einer Menge sowie Relationen zwischen den Elementen, oder in der Physik Objekte und ihre gegenseitigen Wirkungen als Beziehungen. Die Welt wird als Gesamtheit der Strukturen selbst nicht erkennbarer Objekte und ihren erkennbaren Beziehungen zueinander gedeutet und als real angenommen. Das tatsächliche, substanzielle Sein und Wesen des Bildschirms selber und seiner funktionalen Hardware und Software dahinter bleiben spekulative Metaphysik.
Man kann (oder muss) also drei Welten voneinander unterscheiden:
- die Welt der elementaren und fiktiven, nicht erkennbaren Dinge-an-sich,
- die von den Objekten ausgehenden Erscheinungen der Welt und
- die von den Subjekten wahrgenommene Welt der Phänomene.
Da die Welt der Phänomene eine Teilmenge der Welt der Erscheinungen ist, weil die Menge der wahrnehmenden Subjekte und ihrer Sinnesvermögen sehr begrenzt ist, kann die Welt der Phänomene aus der Sicht der Subjekte kausal nicht geschlossen sein. Das heißt, es sind wahrnehmbare Erscheinungen als Phänomene möglich, deren Kausalität nicht vollständig erkennbar ist. Ein beliebtes Beispiel dafür sind die sogenannten Nahtoderfahrungen mit einem Jenseits, aber auch das Bewusstsein selbst. Es sind aber keine Wahrnehmungen möglich, die nicht als Erscheinungen von Materie oder Energie existent sind. Folglich wäre es sinnlos, danach zu suchen oder deren Existenz zu behaupten, zumal eine Existenz ohne erkennbare Eigenschaften ohne Bedeutung wäre.
Die modernen Deutungen der Materie sind nicht mehr mit dem Verständnis von Materie im 19.Jhdt. vergleichbar. Die Kräfte der Physik haben unterschiedliche Reichweiten und unterschiedliche Stärken. Die anziehende Gravitation ist eine schwache Kraft mit großer Reichweite, die schwache und starke Kernkraft, die sowohl anziehend als auch abstoßend wirken, sind sehr starke Kräfte mit sehr kurzer Reichweite. Kumulative Überlagerungen der symmetrisch wechselwirkenden Kräfte erzeugen dadurch eine riesige Vielfalt an Aggregaten als Objekte und Strukturen der Physik mit entsprechend unterschiedlichen Eigenschaften, Effekten und Erscheinungsformen. Die Überlagerung und konträre Wirkung von Anziehung und Abstoßung bringt durch die Bildung von Gleichgewichtszuständen stabile, persistente und trotzdem variable Strukturen hervor, auf unterschiedlichen Ebenen von Komplexität, so dass dadurch die makroskopischen, langlebigen und wahrnehmbaren Objekte und die Phänomene der Welt entstehen können. Komplexität bedeutet hohe Diversität, Variabilität und Relationalität von Elementen und Strukturen. Kompliziertheit im Unterschied dazu bezieht sich auf Prozesse oder Vorgänge mit einer Vielzahl von Variablen, nichtlinearen Abhängigkeiten und Rückwirkungen.
Da das Universum nicht statisch ist, als wenn es sich in einem ausgeschalteten Zustand befände, sondern dynamisch sich unentwegt ausdehnt und die Teile gemäß den vom Beobachter erkannten Naturgesetzen der Entropie folgen, so wie auch der Beobachter selber, werden ständig Darstellungen mit kürzerer oder längerer Dauer auf dem Bildschirm erscheinen. Aus diesen dynamischen Darstellungen, aus den invarianten, wiederholbaren Formen, Figuren, Gestalten, Mustern und ihren Relationen und Verhaltensweisen zueinander müssen die Naturwissenschaftler mittels Abstraktion, Aggregation und Approximation die Erkenntnisse als universalisierte und idealisierte Naturgesetze erraten, erschließen oder ableiten. Dabei muss bereits das Erkennen der elementaren Formen auf tiefere Erkenntnisleistungen der Sinnesorgane rückgeführt werden, auf das Vergleichen von Sinneseindrücken mit inneren Repräsentationen oder Vorstellungen. Deutlich zu unterscheiden ist zwischen dem funktionalen Verstehen und dem phänomenalen Verstehen von Beobachtungen oder Gegebenheiten. Die Sinnesorgane selber stellen bereits Formen bereit, oder sind durch Formen vorgeprägt, die kybernetisch als repräsentierende Schablonen und selektierende Filter für Wahrnehmungen dienen und allen bewussten Erfahrungen voraus gehen. Ebenso bilden Raum und Zeit elementare Ordnungskategorien des bewussten Erlebens, entstanden aus frühen, unbewussten Empfindungen und Erfahrungen mit der eigenen Leiblichkeit.
Es versteht sich fast von selbst, dass aus bloßen Erscheinungen keine realen Kausalitäten abgeleitet werden können. Die logische Schlussfolgerung daraus ist, dass ultimative Ursachen des Weltgeschehens unerkennbar sind und es immer bleiben. Kausalität ist somit eine hypothetische Annahme, eine regulative Idee oder ein gedankliches Hilfskonstrukt, wie Hume und Kant schrieben. Auch andere Forscher haben darüber sinniert, wie Ernst Mach, der die Ursache-Wirkungs-Relation als Funktionalität im mathematischen Sinn verstand. In der mathematischen Funktion oder Gleichung steht die Wirkung auf der linken Seite und die Ursachen als Variable auf der rechten Seite. Auch Raum und Zeit können darin als Variable auftreten, weil die Funktionalität über die strukturelle Kausalität hinaus die dynamische Kausalität beschreibt. Der Physiologe Max Verworn (1863-1921) hat Ursachen als erfüllbare Bedingungen ihrer Wirkung verstanden, die Kausalität als Konditionalität. Bemerkenswert dabei ist, dass viele Ursachen in der realen und komplexen Welt latent immer vorhanden sind, wie die erwähnte Schwerkraft, aber einen Auslöser benötigen, um tatsächlich wirksam oder wahrnehmbar zu werden. Ein Gebäude bricht zusammen, wenn ein Erdbeben als auslösende Bedingung die Schwerkraft zur Wirkung kommen lässt. Bedingungen allein sind jedoch nicht hinreichend, weil sie nur die Möglichkeit eines Ereignisses bestimmen können. In der Gesamtheit aller Bedingungen steckt die universelle Multikausalität allen Weltgeschehens, wie im Zusammenwirken aller physikalischen Kräfte, die durch antagonistische Wirkungen scheinbar und temporär stabile Gleichgewichtszustände entstehen lassen. Die Konditionalität ist charakteristisch für die biologische Welt.
Eine Erscheinung kann als physikalisch oder als natürlich gedeutet werden, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Die Erscheinung muss von mehreren Personen wiederholt, regelmäßig oder auf Abruf in ähnlicher oder gleicher Form wahrgenommen werden.
Die Erscheinung muss prinzipiell für alle gesunden Menschen wahrnehmbar sein.
Die Erscheinung tritt nicht spontan und zufällig, sondern nur in bestimmten Situationen, unter bestimmten Bedingungen oder als Folge eines bestimmten Ereignisses auf.
Die Erscheinung muss mit bekannten Gegenständen, Ereignissen und Gesetzen der Natur vergleichbar oder verträglich sein.
Ob die Erscheinung mit den Sinnen direkt oder über technische Hilfsmittel wahrgenommen werden kann, ist dabei unerheblich. Neuartige Phänomene, insbesondere in der Folge neuartiger technischer Hilfsmittel, können die Naturwissenschaft zu neuen Erkenntnissen bringen, oder können bisherige Erkenntnisse korrigieren. Über der gesamten Naturwissenschaft schweben die Erhaltungssätze der Physik, ohne deren fundamentale Gültigkeit die Erscheinungen der Natur nur Zufallscharakter und das Weltgeschehen keine Menschen und kein Bewusstsein hervorgebracht hätte. Ohne die Erhaltungssätze hätten mathematische Gleichungen zur Beschreibung der Natur keine Aussagekraft und wären gar nicht erst entstanden.
Weißes Licht ist ein alltägliches und universell bekanntes Phänomen. Das phänomenale Verstehen von Farben gehört zu den ersten Erfahrungen des Lebens und die zugehörigen Begriffe zu den ersten Wörtern im Verlauf des kindlichen Spracherwerbs. In der Schule lernt man, dass weißes Licht durch Mischung aller Regenbogenfarben entsteht. Licht wird von den Sinnesnerven der Augen aufgenommen und im Nervensystem verarbeitet. Farben existieren als irreduzibles Phänomen allein in unserer Innenwelt. Sie sind entscheidend für das Erkennen von Objekten anhand von unterschiedlich farbigen Konturen und Flächen. Sicher kann man herausfinden, welche Areale des Gehirns aktiv sind, welche Vorgänge sich abspielen im Verlauf der Wahrnehmung einer roten Tomate, bzw. Licht eines bestimmten Spektralbereichs. Im orbitofrontalen Kortex des Gehirns über den Augenhöhlen laufen alle Sinnesmodalitäten aus vorgeschalteten Sinnesarealen sowie aus der Amygdala, dem emotionalen Zentrum, zusammen. Somit ist der orbitofrontale Kortex der erste Kandidat für den Sitz von Bewusstseinsfunktionen. Warum das Licht eines Gegenstandes aber als spezifische Farbe empfunden wird, das zeigt sich nicht in elektrischen, chemischen oder physikalischen Objekten, Signalen oder Messwerten, sondern ist das ungelöste Rätsel des Bewusstseins.
Im Gegensatz zu Farben ist ein Auto ein Objekt in der Außenwelt, das aus Einzelteilen oder Bauelementen zusammengesetzt ist und entsprechend wieder in die Einzelteile zerlegt und darauf reduziert werden kann, indem das Auto nicht als aggregiertes, komplexes Objekt, sondern als Struktur der Einzelteile mit geringerer Komplexität beschrieben wird. Als menschgemachtes Objekt sollen die Einzelteile bestimmte Funktionen erfüllen, so dass die Zweckmäßigkeit des Gesamtobjektes erreicht wird. Natürliche Objekte dagegen unterliegen keiner Zwecksetzung, ihre Einzelteile gehorchen allein den physikalischen Kausalitäten. Das gilt auch für lebende Organismen einschließlich des menschlichen Gehirns als Träger des Bewusstseins. Die Segregation und die Reduktion auf Einzelteile oder Bauelemente kann beliebig fortgeführt werden, über mehrere Aggregationsstufen, jedoch ist die Reduktion einer Metallschraube auf ihre ununterscheidbaren Moleküle oder Atome nicht mehr sinnvoll, weil sie zum funktionalen Verstehen der Schraube und des Autos nichts mehr beiträgt. Spezifische Form und Verhalten des Bauelements verschwinden bzw. entstehen als Emergenz auf dieser Ebene der Komplexität. Natürlich könnte die Wahl eines anderen Metalls, eventuell einer Legierung, bei gleicher Funktion die Verhaltenseigenschaften verändern. Das wäre für die Synthese oder Konstruktion verbesserter Objekte von Bedeutung.
Gegen eine rein reduktionistische und nomothetische Naturwissenschaft, die jedem funktionalen Verstehen vorausgeht, wendet sich auch die Wissenschaftstheoretikerin Nancy Cartwright (*1943), eine Vertreterin des Entitätenrealismus. Ihrer Meinung nach gibt es keine absoluten oder starren Ordnungsstrukturen, wie sie in Naturgesetzen angenommen und beschrieben werden. Vielmehr sei die Welt "gefleckt", also vielfältig in ihren kausalen Beziehungen und ihren Phänomenen. Naturgesetze sind immer ceteris-paribus-Gesetze, gelten nur unter Beachtung bestimmter "Reinheitsbedingungen", auch in der Physik, wo das gerne unterschlagen wird. Der wesentliche Aspekt dabei ist, dass Naturgesetze schon unter ceteris-paribus-Bedingungen zustande kommen, weil die zu Grunde liegenden Beobachtungstatsachen nur unter solchen Bedingungen gewonnen werden können.
Beispielsweise ist die Uhr als Zeitmesser selbst ein technisch-physikalisches System, das nicht über der Physik schwebt, sondern als Generator von Referenzereignissen – das Uhrwerk - rekursiv in sie eingebunden ist und nur sich selbst messen kann. Cartwright unterscheidet fundamentale Gesetze mit Erklärungswert, aber zu ungunsten empirischer Adäquatheit, von phänomenologischen, beschreibenden Gesetzen ohne Erklärungsinhalt. Fundamentale Gesetze haben annähernd Gültigkeit für Modelle von Laborphänomenen oder extremen Phänomenen, wie sie in der Sonne singulär vorkommen, aber nicht in der Lebenswelt. Die phänomenale Realität ist immer eine Überlagerung verschiedener fundamentaler Naturgesetze, die sich in ihren Wirkungen verstärken oder auch neutralisieren können. Schwerkraft und Trägheitskraft können ein dynamisches Gleichgewicht bilden und somit andere Phänomene hervorbringen als bei Einzelbetrachtung. Deshalb haben phänomenologische Gesetze den Charakter von Naturregeln, die auch Abweichungen und Ausnahmen zulassen. Die fundamentalen Naturgesetze können also weder die phänomenale Realität noch die Realität als „wahre Natur“ beschreiben, denn die Natur dieser Naturgesetze existiert einfach nicht. Dennoch haben Naturgesetze die unverzichtbare Eigenschaft, innerhalb ihres Gültigkeitsbereiches gegenüber Raum und Zeit, oder besser der Raumzeit, invariant zu sein.






