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Danach hätte eigentlich die Stunde E-Mail-Verkehr mit Ronja stattgefunden, leider antwortete sie jedoch nicht auf Attilas Anfrage. Was war da nun wieder los? Hatte Uschi sie schon ins Nervenkrankenhaus eingeliefert oder welche Gründe waren ansonsten noch denkbar?
Natürlich hatte Uschi es nicht nötig, hierüber Auskunft zu geben. Ich persönlich glaubte, dass Uschi mit den Kindern nach Waldmünchen zur Kur gefahren war, denn das Jugendamt hatte beim letzten Telefonat mit Attila geäußert, diese sei für Ende Januar angesetzt. Falls meine Vermutung zutraf, dann würden auch die nächsten Wochen ohne Mailverkehr mit den Kindern verlaufen. Aber Attila hätte in diesem Fall wenigstens die Gewissheit, dass Dritte ein Auge auf die Kinder hätten, weswegen hoffentlich in diesen sechs Wochen nichts eskalieren könnte.
Den Sonntagnachmittag verbrachten wir damit, die letzten Kartons auszupacken. Attila musste außerdem ein paar Stunden lang für die IAS arbeiten. Es wurde kalt in Orihuela Costa, nachts ging die Temperatur bis auf 1 Grad herunter und am Tag erreichte sie in dieser Woche maximal 9 Grad. In Häusern ohne Heizungsanlage konnte sich das recht unangenehm anfühlen; so waren wir froh, uns wenigstens einen kleinen Heizstrahler angeschafft zu haben. Wenn man sich genau davorsetzte, kroch die Kälte nicht gar zu sehr in die Knochen.
Dann geschah das, was Attila schon länger befürchtet hatte: einer der 7 Jahre alten IAS-Server machte schlapp. Totalschaden. Somit war alles, was Attila an diesem Tag vorher gearbeitet hatte, für die Katz gewesen, die Datensätze verloren. Ich weiß nicht, ob das für andere Leute im selben Umfang gilt, doch bei uns war es traurige Wahrheit – irgendwas ist immer!
Am Montag ging es mit der Serie von Pleiten, Pech und Pannen unverzüglich weiter. Zuerst musste Attila feststellen, dass der Anwalt sich anscheinend nicht traute, den Antrag auf eine einstweilige Verfügung zu formulieren. Wegen der Erklärung, welche Uschi künftig daran hindern sollte, Attilas geschäftliche Aufträge weiterhin durch peinliche Polizeianfragen zu torpedieren.
Der Anwalt hatte bisher noch überhaupt nichts geschrieben, war noch nicht einmal im Besitz der Polizeiakte, um Einsicht zu nehmen. Attila konnte man am Telefon deutlich die Verärgerung über diese Untätigkeit anmerken. Konnte Uschi denn wirklich auf allen Ebenen tun und lassen, was sie wollte? Ohne Rücksicht darauf, was sie allen anderen damit antat? Jetzt durfte Attila sich bei seinem eigenen Anwalt noch den Vorwurf gefallen lassen, dass er mit derartigen Anträgen unnötig Kosten produziere. Wodurch er dann weiterhin keinen Kindesunterhalt leisten könne und seine Frau erst recht gegen sich aufbringe.
Sehr witzig! Aber wenn der Firma wegen Uschis widersinnigen Aktionen andernfalls die Aufträge wegblieben? Wie sollte er dann eigentlich jemals Unterhalt bezahlen können? Meine Nerven!
Der Kurier-Netz-Server war dann, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, eine Zeit lang auch nicht erreichbar, ohne, dass sich hierfür nachvollziehbare Gründe eruieren ließen. Und schließlich brach in Orihuela Costa auch noch das Netz des Handy-Anbieters zusammen, gerade als Attila und ich zu Hause angekommen waren und Attila über seinen Internet-Stick arbeiten wollte. Zunächst glaubte er jedoch, der Stick selbst habe das Zeitliche gesegnet. Also fuhr er entnervt zum Computerladen, wo sich nach zahllosen Tests herausstellte, dass das Netz das Problem war, nicht etwa der Stick.
Das einzige, was wenigstens teilweise klappte, war der Telefonanschluss im neuen Haus. Zumindest, bis der Techniker beiläufig anmerkte, dass heute nur das Telefon installiert werden könne, nicht aber der Internetanschluss. Dafür müssten wir bitte morgen noch einmal bei Gesellschaft anrufen, um diesen Anschluss auch freischalten zu lassen. Manchmal sei das eben so, dann komme er noch einmal vorbei. So musste Attila um 17.30 Uhr nochmal nach La Mata zu unserem festen Internetanschluss im alten Haus fahren, der zum Glück noch nicht gekündigt war, damit er wenigstens ein bisschen Arbeit vom Tisch bekam.
Die E-Mail-Stunde mit Marco hatte währenddessen auch stattgefunden; somit weilte Attilas »alte« Familie doch nicht in Waldmünchen. Vielleicht hatte Uschi diese Maßnahme abgesagt, sie hatte viele Viecher zu betreuen, für die 6 Wochen lang in ihrer Vertretung bestimmt niemand sorgen würde; schließlich handelte es sich um vier Hunde und vier Katzen. Aber gerade eben, als sich Attila bei seinem Sohn nach Ronja erkundigen wollte, musste Marco seine E-Mails beenden und konnte (oder vielmehr: durfte) nicht mehr antworten.
Am Abend wurde wieder einmal deutlich, wie sehr Attila die ganze offene Scheidungssache mittlerweile belastete. Er grübelte, ob er überhaupt nach Deutschland fahren sollte, oder ob Uschi womöglich erreichen würde, dass er dort gleich zur Unterhaltsüberprüfung festgehalten werde. Auch wenn er diese bei realistischer Betrachtung nicht fürchten musste, so eine Prüfung würde dauern. Was, wenn er währenddessen nicht ausreisen durfte? Wegen der »Fluchtgefahr«, aufgrund des Wohnsitzes in Spanien?
Ich hatte keine Ahnung, ob so etwas rechtlich überhaupt möglich ist, ausschließen hätte ich es jedoch gedanklich nicht können. Es folgte eine schlaflose Nacht voller Befürchtungen. Hoffentlich würde der Richter jetzt endlich ein Machtwort sprechen, denn so konnte das nicht weitergehen. Es mussten Entscheidungen her, denn in dieser ständigen Unsicherheit zu leben, das war unzumutbar. Auch für mich!
Der Anwalt teilte Attila endlich mit, dass er die polizeiliche Akte mit der Anzeige wegen seines angeblichen Unterhaltsbetrugs derzeit nicht erhalte, die sei nämlich bereits auf dem Weg zur Staatsanwaltschaft. Das Verfahren sei jedoch vorläufig eingestellt. Attila solle wegen der Unterlassungsklage eine eidesstattliche Versicherung abfassen und in dieser die tatsächlichen Vorgänge schildern, insbesondere auch, dass Uschi in Wirklichkeit ganz genau Bescheid gewusst hatte, dass er nicht leistungsfähig ist; die Anzeige diene damit ganz bewusst dazu, Attila in Misskredit zu bringen und seine Firma zu gefährden. Das müsse deutlich werden.
Das konnte der Anwalt haben! Attila strapazierte stundenlang die Tastatur seines Rechners, um eine 5-seitige Erklärung abzufassen. Alles verlorene Arbeitszeit, insofern hatte Uschi mit ihrer Schädigungspolitik bereits Erfolg. Wenn ich zusammenrechnen würde, wie viel Zeit und Nerven die jahrelange Verteidigung gegen die Angriffe dieser Frau Attila und mich bis zu diesem Zeitpunkt schon gekostet hatte – das ging auf keine Kuhhaut mehr, wie man so schön sagt.
Wenigstens tauchten am Mittwoch zwei gutgelaunte englische Monteure auf und montierten unser Richtfunk-Internet, welches anschließend auch prima funktionierte. Wenigstens eine Sorge weniger! Ansonsten räumten wir in dieser Woche unser Büro aus, damit wir mit dem Interieur zum Wochenende umziehen konnten. Ich begann, das Haus in La Mata wieder auf den FerienhausStandard zurückzusetzen. Es wirkte schon wieder richtig fremd, da dort jetzt nahezu keine persönlichen Gegenstände mehr vorhanden waren. Damit waren wir nun richtig in Spanien heimisch geworden. Wohnen mit eigenen Möbeln, die nicht mehr in einer Ferienwohnung zwischen das vorhandene Mobiliar gequetscht waren. Dieser Gedanke gefiel mir.
Ann schickte mir ein paar Mails. Erst ziemlich vorwurfsvolle, wegen der notwendigen Versicherungsumschreibung auf ihren Namen. Dann ließ sie heraus, dass es ihr psychisch total schlecht gehe, sie habe immense Prüfungsangst wegen der bevorstehenden Prüfungen im Studium, außerdem finanzielle Probleme.
Ich hatte ja schon früher den Verdacht, dass Ann meinen Lithiummangel geerbt haben könnte, der bei Aufregungen zusätzlich absackte und für immense Dünnhäutigkeit sorgte. Da konnte nur Lithiumsalz helfen, das Nervenkostüm zu stärken. Ich bat sie daher dringend, sich doch bitte einmal zum Arzt zu begeben und den Lithiumspiegel messen zu lassen.
Finanziell konnte ich ihr leider nicht weiterhelfen, denn ich hatte ja selbst absolut nichts. Um Ann zu zeigen, dass auch ich nicht ohne Probleme lebte, schickte ich ihr per Mail Teil 1 von »Scheidung kann tödlich sein«. Sie glaubte sonst womöglich, wir wären aus Spaß und Tollerei nach Spanien gegangen. Eigentlich konnte sie nur studieren, mit einer bescheidenen Unterstützung von mir, weil wir in Spanien wohnten. In Deutschland hätte ich mir das unter keinen Umständen leisten können.
Auf diese Mail kam erst einmal keine Antwort mehr. Entweder, sie würde die Geschichte lesen und verstehen, oder sie wäre weiterhin stur und uneinsichtig und würde die Sache falsch einschätzen. Beeinflussen konnte ich ihre Meinung über mich aber auch in diesem Fall nicht, mehr konnte ich nicht zur Aufklärung beitragen. Wenn jemand mit Gewalt den Märtyrer geben wollte, so war das nicht zu ändern, wie ich aus meiner Zeit mit Günther sehr genau wusste.
Am Freitag fand sich auf Attilas Rechner mal wieder eine Verwarnung des Schüler-CC an Solveig; sie hatte erneut mit Texten in entsprechenden Gruppen mitgewirkt, die obszöne Inhalte aufwiesen. Wie zum Beispiel in der Gruppe »Ich schlafe nackt« und »ich laufe nackt in der Wohnung herum«, gegipfelt von »Du machst mir Sex im Kopf«. Und dies war genau das Mädchen, welches sich angeblich von einem Sänger mit nacktem Oberkörper auf einer CD abgestoßen fühlte. Sie war mit ihren knapp 13 Jahren offensichtlich nicht nur reichlich verschlagen, sondern auch schon ganz schön verdorben.
Nicht, dass ich hier den Moralapostel spielen möchte; dennoch zeigte das alles wieder einmal, dass Uschi keinerlei Kontrolle und wahrscheinlich auch keine Ahnung davon hatte, was ihre Tochter so trieb. Und dass man dem Mädel weiterhin kein Wort glauben konnte. Die »anstößige« CD hatte entgegen Solveigs Bekundungen auch bisher nicht den Weg zurück zu Attila gefunden; vermutlich gefiel sie ihr eben doch.
Ich bin ja grundsätzlich gegen Gewalt. Aber diese Göre hätte man in sehr engen Grenzen erziehen müssen, um da noch etwas zu retten. Wenn das so weitergehen würde, wer weiß – vielleicht ist sie dann mit 15 schwanger. Gewundert hätte mich das nicht. Und falls das passieren würde, dann hätte man ja auch schon den passenden Sündenbock: den verantwortungslosen, nach Spanien abgehauenen Vater. Wen sonst!
Unser Umzug ins Residencial Ambra klappte prima, allerdings hätte unser neues Domizil tatsächlich um keinen einzigen Quadratmeter kleiner sein dürfen. Das Büro war schlichtweg vollgestopft und auch sonst waren nirgendwo mehr Unterbringungskapazitäten vorhanden. Wir besaßen nun eine Satellitenschüssel auf dem Dach und konnten ab und zu deutsche Nachrichten verfolgen, so oft man das überhaupt ertragen mochte. Endlich kletterten die Temperaturen um ein paar Grad nach oben und die Sonne ließ sich wieder öfters blicken. Eine Wohltat!
Am Samstagnachmittag wartete Attila wieder darauf, dass seine Tochter Ronja ihm E-Mails schreiben würde, doch wieder war Fehlanzeige. Erst Stunden nach der vereinbarten Zeit kam eine Mail an, in der sie ankündigte, ihm morgen einmal schreiben zu wollen; sie sei einkaufen gewesen. Nun gut, sie befand sich anscheinend doch nicht im Krankenhaus oder in sonstiger Unterbringung. Aber zumindest mir zeigte das wieder einmal, dass Papa eben nur dann interessant war, wenn man etwas von ihm wollte. Ansonsten jedoch konnte man Kontaktvereinbarungen ganz einfach ignorieren oder nach Belieben einseitig abändern.
Sonntagnachmittag schrieb sie ihm tatsächlich. Hoffentlich ließ sich Attila künftig jetzt nicht dazu hinreißen, am Wochenende jeweils so lange nicht mehr aus dem Haus zu gehen, bis er schließlich Kontakt mit ihr gehabt hätte. Und zwar dann, wenn es der jungen Dame in den Kram passte und ihre sonstigen Aktivitäten es zuließen. Am Sonntag nämlich waren wir gerade auf einem Spaziergang gewesen, als sie ihre Mail schickte. Dem allerersten Spaziergang seit Wochen, denn vorher waren wir überhaupt nicht mehr dazu gekommen.
Da musste ich wieder an mich als Kind denken. Wenn ich mir diese Situation vorstellte, so gab es gar keine Frage: ich an ihrer Stelle wäre schon den ganzen Tag aufgeregt vor dem Rechner gesessen, damit ich meinen Papa nur ja nicht verpasse. Aber ich war es ja auch nicht gewohnt gewesen, dass die ganze Welt um mich herumtanzte, sobald ich das so wünschte.
Der Strand von Orihuela Costa lag landschaftlich noch schöner als der in La Mata. Er war in mehrere Abschnitte unterteilt, die jeweils von felsigen Stellen unterbrochen wurden. An der Strandpromenade standen jede Menge Palmen und am Hang dahinter reihten sich wunderschöne Villen aneinander, jede vollkommen anders gestaltet. Ich nahm mir vor, in der wärmeren Jahreszeit auf keinen Fall den gesamten Tag im Büro zu hocken, sondern regelmäßig dort spazieren zu gehen.
Warum auch nicht? Ich musste jetzt ohnehin erst einmal zusehen, was mit den drei fertigen Buchbänden werden würde, anstatt gleich weitere zu schreiben. Gearbeitet hatten wir beide den Winter über wirklich viel, irgendwann musste es wieder ein wenig erholsamer werden. Besonders, da man dieses Ambiente direkt vor der Haustüre, zum Greifen nah, zur Verfügung hatte.
Als Attila am Montagmorgen zum ersten Mal sein fertig eingerichtetes Büro betrat, hielt der Rechner gleich den ersten Schock bereit. Wieder waren seine Finanzplanungen für die Katz, wieder mussten wir noch mehr Geld aufbringen als bisher bekannt, um die GmbH abzuwickeln. Hört das denn nie auf?
Die Steuerberaterin hatte ihm eine Mail geschickt und mitgeteilt, dass eine Steuer-Außenprüfung für die GmbH anstehe; dies sei so ungefähr alle vier Jahre der Fall, und jetzt sei es halt wieder einmal so weit. Bei der Durchsicht der Unterlagen war ihr aufgefallen, dass sie offenbar vergessen hatte, die anteiligen Beträge für die private Nutzung des Geschäftsfahrzeuges herauszurechnen, sie müsse das nun leider nachholen. Nun, da steige die Belastung leider um weitere 2.000 Euro.
So schnell konnte man das Geld gar nicht verdienen, wie es einem wieder aus der Tasche gezogen wurde. Wenn wir im Luxus gelebt hätten oder Attila bisher schon in vollem Umfang seinen exorbitanten Unterhaltsverpflichtungen nachgekommen wäre, so hätten wir wenigstens gewusst, wo das ganze Geld hingegangen ist. Doch man hatte mittlerweile einfach das Gefühl, dass es völlig egal war, ob man nun sparsam lebte oder nicht, ob man Tag und Nacht arbeitete oder nicht – es blieb so oder so nicht genug übrig, nicht einmal für die laufenden Verpflichtungen. Ein Wahnsinn! Ich persönlich bekam natürlich erneut berechtigte Angst um die Finanzierung meines Buchprojektes.
Am selben Vormittag »durften« wir dann wieder hinüber zur Bank pilgern, um die Gelder für unsere spanischen Steuern zu überweisen. Ich glaube, die alten Raubritter verhielten sich humaner als die heutigen Steuerbehörden. Damals konnte man wenigstens noch zurückschlagen und seiner Abgabeverpflichtung entgehen, falls man kräftig genug war. Hatte man nichts in den Taschen, konnte einem nichts abgenommen werden. Heute hingegen war das sehr wohl möglich, seit irgendwer die negativen Kontostände erfunden hat. Ein krankes System, dieser Ansicht war ich schon immer gewesen.
Und wieder mussten wir Zeitverlust in Kauf nehmen. Attila zahlte für seine spanische Firma zum ersten Mal Steuern; während bei mir die Zahlung am Schalter einwandfrei klappte, gab es bei ihm Schwierigkeiten. Außer der üblichen NIE-Nummer und der CIF wollte das System der Bank einen weiteren Code haben, über den wir jedoch nicht verfügten. Also mussten wir erst den Steuerberater anrufen, damit der die Daten dorthin übermittelte, während wir genervt warteten.
Wie viele verschiedene Nummern konnte ein einzelner Mensch benötigen, nur, um seiner Steuerpflicht nachzukommen? Die vergeudete Zeit musste Attila natürlich am Abend dranhängen, so dass er bis nach Mitternacht am Rechner saß. Und das alles für unser opulentes Existenzminimum.
Ich war erleichtert, als Attila am Morgen des 1. Februar 2011 endlich den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Unterlassung in seinem Mail-Postfach fand. Der Anwalt hatte die Situation auf 14 Seiten zutreffend dargestellt und beantragt, dass Uschi zukünftig zur Unterlassung schädlicher Äußerungen über Attila, seine angeblichen Verfehlungen und seine GeschäftsBeziehungen verpflichtet werden solle und überdies wegen Mutwilligkeit der falschen Angaben die Kosten dieses Verfahrens zu tragen hätte.
Der Antrag richtete sich gleich direkt an das Familiengericht, so dass der Richter bei der anstehenden Verhandlung bereits Kenntnis von diesen Vorgängen haben würde. Ich hoffte inständig, dass Uschi in seinen Augen schon mit dieser Aktion, neben ihrer eigenen chronischen Arbeitsunwilligkeit, das Recht auf Ehegattenunterhalt verwirkt hätte.
Verdient hätte sie auch bei mildester Beurteilung keinen Cent.
Für mich selbst war dieser Dienstag weniger erfolgreich. Die nächste Verlagsabsage für mein Buch »Himmel noch mal!« lag im Postfach. Die Verlagspolitik und die Vielzahl der eingesendeten Manuskripte ließen eine Veröffentlichung angeblich nicht zu, und das ganz unabhängig von der Qualität des Manuskriptes. Es war einfach frustrierend.
Da wurde einem von allen Seiten durch neutrale Testleser bestätigt, die Bücher seien klasse, aber die Veröffentlichung wurde von den Verlagen trotzdem abgelehnt. So geriet ich zunehmend in eine Krise, denn ich wusste wirklich nicht, ob ich weiter Zeit und Energie in das Schreiben setzen sollte. Ich brauchte einen Beruf, bei dem ich auch etwas verdienen konnte – so angespannt, wie unsere finanzielle Situation nun einmal war.
Und sie spannte sich noch weiter an. Am Nachmittag mussten wir nach La Mata fahren, um der Hausverwaltung jene Post auszuhändigen, welche für unseren Vermieter dort im Briefkasten angekommen war. Bei dieser Gelegenheit rückten wir gleich die Möbel wieder in Ferienhaus-Position, damit die Räume schon wieder halbwegs anständig aussahen, wenn Verwalterin Yvonne das Haus betreten würde.
Natürlich überprüften wir, ob inzwischen weitere Post dort aufgelaufen war. Allerdings, es fanden sich Briefe im Kasten, besonders ein nettes Schreiben für Attila von der Deutschen Rentenversicherung, welches er amüsiert für einen Irrläufer hielt; er war in Deutschland ja mit der GmbH nicht versicherungspflichtig gewesen und das Schreiben behauptete, er hätte sich womöglich als Selbständiger pflichtversichern müssen. Das bezog sich auf Attilas Einzelgewerbe, das er neben der GmbH, und früher der Limited, zusätzlich angemeldet hatte, für das er aber schon seit etlichen Jahren schon nicht mehr arbeitete. Nur, wie kam die Versicherung jetzt nach Jahren plötzlich darauf, hier Überprüfungen anzustellen? Ein Anruf dort sollte es klären.
Attila rief die zuständige Dame an und erfuhr, dass sein Versicherungsstatus nun ermittelt werden müsse, und zwar 5 Jahre zurück bis 2006. Während dieses Telefonats fühlte sich Attila immer beunruhigter, denn ihm fiel siedend heiß ein, dass er ja tatsächlich in der fraglichen Zeit noch ein paar Rechnungen über das Einzelgewerbe gestellt hatte, ohne hierbei sozialversichert gewesen zu sein.
Er stellte der Dame die Frage, wie sie denn ausgerechnet jetzt auf die Idee käme, das Ganze zu überprüfen, nachdem er mittlerweile ausgewandert sei und seine GmbH sich in Liquidation befinde. Nun, das liege am anhängigen Scheidungsverfahren, wegen dem durchzuführenden Versorgungsausgleich, erklärte diese.
Das klang höchst merkwürdig, denn die Auskunft der Rentenversicherung hatte dem Gericht schon seit Monaten vorgelegen. Hatte da etwa schon wieder Uschi als Denunziantin die Finger im Spiel, die auf diese Weise ihr Zerstörungswerk fortsetzte?
Unmöglich war das nicht! Dabei war sie selbst damals die Geschäftsführerin der GmbH gewesen, wenn auch bloß auf dem Papier. Wenn, dann hätte sie die Beiträge für ihren Programmierer abführen müssen, doch die Zeche für das Versäumnis durfte die GmbH heute bezahlen, ergo er als Geschäftsführer. Uschi wäre wieder einmal fein heraus.
Ich fragte Attila nach dem Telefonat, wie schlimm eigentlich diese neuerliche Katastrophe in finanzieller Hinsicht werde, wenn nun nachversichert werden müsste. Er schätzte, so um die 14.000 Euro, was sich beim nachfolgenden Anruf bei der Steuerberaterin leider bestätigte. Auch sie ging davon aus, dass Uschi höchstwahrscheinlich die Informantin gewesen war.
Prima, noch ein »paar« Tausender, die wir nicht auf der Rechnung gehabt hatten! So langsam bekam ich ernstlich die Krise. Attila dagegen nahm es in einem Anfall von Fatalismus relativ leicht. Im Falle des Falles werde er eben doch nicht liquidieren, sondern in Konkurs gehen. Dann müsse es halt so sein!
Die Altlasten dieses Mannes, die ich nicht nur in familiärer, sondern auch in finanzieller Hinsicht ständig mitzutragen hatte, wogen alles andere als leicht. Hätte ich ihn nicht so sehr geliebt, wäre ich schon lange auf der Strecke geblieben. Oder, wie Dr. Beutler es einst ausdrückte: von Bord gegangen.
Apropos familiäre Lasten ... Attila hatte seinem Anwalt voreilig eine Mail geschickt, als Ronja am vergangenen Samstag nicht innerhalb der vereinbarten Zeit auf die E-Mails geantwortet hatte. Aufgrund dieser Mail hatte der Anwalt wiederum ein Schreiben an den Familienrichter gesandt, in welchem er darauf hinwies, dass Ronja in der Vergangenheit bereits zweimal geäußert habe, zu ihrem Vater nach Spanien ziehen zu wollen. Dass alle anders lautenden Äußerungen nur auf Druck der Mutter zustande kämen, auch gegenüber der Gutachterin und dem Verfahrenspfleger. Und dass im Übrigen der Mailkontakt schon wieder unterbunden werde; was sich im Nachhinein allerdings als nicht zutreffend herausgestellt hatte.
Was sollte das schon wieder? Außerdem – was machte ihn eigentlich so sicher, dass das Kind für immer hierher zu ihm ziehen wollte? Ronja hängte doch auch nur ihr Fähnchen in den Wind, benutzte Attila genau dann, wenn sie sich einen Vorteil versprach oder wenn sie Schützenhilfe gegen ihre Mutter brauchte.
Attila versuchte also weiterhin, die Kinder hierher nach Spanien zu bekommen. Aufgrund dieser neuerlichen Ereignisse drohte ich erneut in eine Depression zu rutschen. Es würde niemals aufhören und die anstehende Verhandlung bedeutete für mich eine echte Gefahr für die Zukunft. So viel war spätestens jetzt klar.
Natürlich kam Attila auch an diesem Tag fast nicht zum Arbeiten. Er musste für die Rentenversicherung alte Rechnungen kopieren und Fragebögen ausfüllen. Wie sollte er das Geld verdienen, welches alle so dringend von ihm bekommen wollten? Und wann ließ uns Deutschland endlich in Ruhe?
Am liebsten wäre mir gewesen, ich hätte eine Methode gekannt, die es erlaubte, gewisse Speicherplätze in meinem Gehirn einfach zu löschen, so dass ich über diesen ganzen Wahnsinn wenigstens nicht mehr hätte nachdenken müssen. Das Negative dominierte in diesen Tagen wieder deutlich unser Leben.
Das bekam auch Attila zu spüren. Den ganzen Abend über grübelte er, wie er all das wieder in den Griff bekommen sollte. Falls er wegen dieser außerplanmäßigen Ausgaben tatsächlich in den Konkurs gehen müsste, dann würde das überzogene Gesellschafterkonto an ihm privat haften bleiben, welches zum Schluss ausgeglichen werden musste; er haftete ja dafür. Nur – wie?
Überzogen ist viel zu harmlos ausgedrückt! Es handelte sich um über 40.000 Euro, die größtenteils noch aus der Ehe mit Uschi resultierten; nur, dass er die Zeche nun alleine zahlen durfte, denn sie versteckte sich ja erfolgreich hinter ihrer Privatinsolvenz.
Es hätte durchaus eine Möglichkeit gegeben, diesen Knoten aufzulösen, denn die Firma warf nach wie vor gute Umsätze ab, die eine Gewinnausschüttung in der benötigten Höhe hergegeben hätten, um diese Verbindlichkeiten auszugleichen.
Nur – im Falle einer Gewinnausschüttung käme sofort Uschi daher und hielte die Hand auf. Denn sie würde davon ausgehen, dass Attila ja doch über mehr Geld verfüge als angegeben, wenn er jetzt auf einmal sogar eine Gewinnausschüttung durchführen könnte. Und dann würde sie im Rahmen des Zugewinnausgleichs augenblicklich die Hälfte haben wollen, auch wenn de facto gar kein Geld floss, sondern damit nur das Minus abgedeckt würde, welches zum größten Teil aus ihrer eigenen Zeit als verschwenderische Geschäftsführerin resultierte.
Alle paar Wochen ein neues Handy für irgendein Familienmitglied, ständig neue und vor allem teure Möbel, Reitunterricht für Solveig, Privatschule für zwei der Kinder, Musikunterricht, sehr teure Mieten für überdimensionierte Wohnobjekte, drei Autos … nur bekam Uschi regelmäßig eine Amnesie, wenn sie darauf gestoßen wurde, woraus eigentlich dieses Minus resultierte. Attila hatte all das damals abgesegnet, damit seine liebe Frau nicht ständig nörgelte. Diese wiederum hatte den Kindern alles spendiert, was sie haben wollten, damit sie sich nicht mit ihnen befassen musste; wodurch diese nebenbei auch noch unmäßig verwöhnt wurden und jetzt mit dem notwendigen Konsumverzicht nicht klarkamen.