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»Sie war nicht meine Freundin. Aber glaube mir, genau das habe ich mehrmals versucht«, antwortete Sandra in einem schärferen Ton als beabsichtigt.
»Offenbar warst du nicht sehr überzeugend.«
»Sag mal, klagst du mich etwa an? Ich muss mich doch nicht vor einem oberg’scheiten Wiener rechtfertigen, der überhaupt keine Ahnung vom Leben in einer kleinen Ortschaft hat«, fuhr sie ihn an.
»Hoppla, ein Gefühlsausbruch«, bemerkte Bergmann sichtlich amüsiert.
Da war es wieder: dieses selbstgefällige Grinsen!
Ganz ruhig, Sandra, komm wieder runter, versuchte sie sich zu beruhigen. »Entschuldige, Sascha. Aber du hast wirklich keine Ahnung, was am Land so alles läuft. Du kennst doch nur die geschönten Klischees auf den bunten Postkarten und in den Tourismusprospekten.«
»Dann erzähl mir halt, was hier so alles läuft.«
»Im Moment konzentriere ich mich darauf, einen Mordfall aufzuklären.«
»Und wenn das eine mit dem anderen unmittelbar zusammenhängt?«, blieb Bergmann stur.
»Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sich ein Kinderschänder für die Kovacs interessiert hätte?«
»Wohl kaum. Sie war Mitte 30. Nicht gerade im richtigen Alter für jemanden, der es mit Kindern treibt.«
»Eben. Außerdem muss der Edlinger inzwischen über 60 sein. Wahrscheinlich ist er gar nicht mehr kräftig genug für so eine Tat.«
»Wahrscheinlich auch nicht mehr potent genug. Denk an die Spermamenge. Wie oft hintereinander kann man eigentlich noch in diesem Alter?«
»Das kann ich dir leider nicht beantworten. Aber wenn du darauf bestehst, finde ich es für dich heraus.«
»Nicht nötig. Setz ihn auf die Liste. Dann fragen wir ihn morgen selbst.«
»Das kannst du gerne übernehmen.« Sandra fuhr ihren Laptop herunter, der an diesem Abend ausnahmsweise einmal im Büro bleiben würde. »Willst du Max Leitgeb bei den morgigen Einvernehmungen dabeihaben? Er kennt die Leute hier in- und auswendig.«
»Ich denke, wir kommen auch ohne deinen Dorfpolizisten klar. Er soll lieber ein Auge auf die Landjugend werfen, damit ihr nichts Böses widerfährt.«
Schon wieder dieses spöttische Grinsen! Das reichte für diesen Tag. Sandra stand auf, nahm ihre Handtasche und die Lederjacke und schubste den Stuhl mit dem Knie unter den Schreibtisch. »Ich denke, wir sind fertig für heute. Ich bin nämlich zum Abendessen eingeladen«, verabschiedete sie sich.
»Lass mich raten … Max, richtig?«
Sandra schlüpfte wortlos in ihre Jacke, ohne Bergmann eines Blickes zu würdigen. Dennoch konnte sie fühlen, dass er sie beobachtete. Woher zum Teufel wusste er das? Sie hätte doch genauso gut bei ihrer Familie essen können. War sie für Bergmann wirklich so leicht zu durchschauen?
»Muss ich denn wirklich ganz allein in der verqualmten Gaststube mein Abendessen einnehmen?«, fragte er gespielt vorwurfsvoll.
»Du rauchst doch selber. Außerdem brauchst du ja nicht hier zu übernachten. Fahr heim nach Graz und komm morgen wieder«, schlug sie ihm vor, während sie durch die Tür ging, ohne sich umzudrehen.
»Meinst du, es wird spät werden, Liebling?«, rief er ihr übermütig hinterher.
Sie hatte nicht vor, sich noch weiter von diesem arroganten Idioten provozieren zu lassen. Es ging ihn überhaupt nichts an, dass ihr Ex sie zum Essen eingeladen hatte. Die Tatsache, dass sie nach all den Jahren wieder ein Date mit ihrer Jugendliebe hatte, fühlte sich auch so schon schräg genug an. Da konnte sie auf Bergmanns beißende Kommentare getrost verzichten. Nicht dass sie Schmetterlinge im Bauch gehabt hätte, aber ein wenig nervös war sie nun doch. Schließlich war die unvermeidliche berufliche Begegnung am Tatort und in der Polizeiinspektion etwas völlig anderes gewesen als das bevorstehende private Treffen in Max’ Wohnung. Warum hatte sie seine Einladung überhaupt angenommen? Was, wenn er mehr von ihr wollte, als nur über längst vergangene Zeiten plaudern? Würde sie mit ihm schlafen, wenn er darauf aus war?
Der gute alte Max. Sie hatte ihn von heute auf morgen verlassen, kurz nachdem sie nach Graz gezogen war, um wie er – und wie schon ihr Vater davor – die Polizeischule zu absolvieren. Sie wollte ihr neues Leben in der Stadt ohne Einschränkungen genießen. Weit weg von allem, was sie an St. Raphael erinnerte, an ihre Mutter und ihren Halbbruder Mike. In Gedanken versunken trat Sandra hinaus in die Dämmerung und zog fröstelnd den Reißverschluss ihrer Jacke zu. Herrlich, diese frische Luft! Das war wirklich eines der wenigen Dinge, die sie an St. Raphael schätzte. Obwohl es da auch noch ein paar andere Dinge gab, wie die intakte Natur und einige nette Menschen wie Max. Sie würde heute Abend nicht mit ihm schlafen. Auch wenn sie sich noch so sehr nach körperlicher Nähe sehnte. War es wirklich schon ein halbes Jahr her, dass sie Sex gehabt hatte, überlegte Sandra, während sie hinter dem Steuer des Dienstwagens Platz nahm.
Max öffnete ihr die Tür des alten Bauernhauses. »Wie schön, dass du schon hier bist! Komm doch rein in die gute Stube«, begrüßte er sie im Vorzimmer. Sandra ließ sich aus der Jacke helfen und zog aus alter Gewohnheit ihre Straßenschuhe aus. Max bückte sich nach den Gästepantoffeln und stellte sie kommentarlos direkt vor ihre Füße.
»Das sieht ja toll hier aus«, meinte sie ehrlich begeistert und schlüpfte in die Filzlatschen.
»Nicht wahr? Unglaublich, was der Architekt aus den alten Gebäuden gemacht hat«, stimmte er ihr zu.
Bei Sandras letztem Heimatbesuch vor drei Jahren hatten sich die meisten der verlassenen Wirtschaftsgebäude noch in einem erbärmlichen Zustand befunden. Inzwischen waren daraus stilgetreu renovierte Wohnhäuser geworden, die, in der sanften Hochtalsenke gelegen, in neuem Glanz erstrahlten. So viel hatte sie schon am Vortag im Vorbeifahren erkennen können. Nun staunte sie, wie gemütlich die große Stube wirkte, in der seinerzeit geschlafen, gegessen, gewohnt und gefeiert worden war. Max diente das geräumige Zimmer als Wohn-, Ess- und Arbeitsraum. Die ursprünglichen Deckenbögen und der uralte Schiffboden waren liebevoll restauriert worden, genauso wie die Rauchkuchl mit dem antiken Herd im Nebenraum, die ansonsten zur modernen Küche umfunktioniert worden war. Max schob die Auflaufform mit dem Sterz ins Backrohr und öffnete eine Flasche Schilcher von der weststeirischen Weinstraße. Während er einschenkte, erzählte er, dass der Bauherr beinahe an der Renovierung der völlig verrußten alten Wände verzweifelt wäre. Schlussendlich hatte er dann doch noch den Tipp eines alten steirischen Maurers angenommen, der ihm zu Kuhmistmörtel geraten hatte, um den Originalzustand der Wände wiederherzustellen. Und siehe da, es hatte tatsächlich funktioniert.
Nachdem sie angestoßen und den fruchtig-reschen Schilcher gekostet hatten, führte er Sandra auf die Terrasse, hinter der ein romantischer Garten mit Schwimmbiotop angelegt worden war. Leider war es zu kalt, um draußen zu sitzen und das idyllische Ambiente zu genießen. Sandra musste Max versprechen, im nächsten Sommer wiederzukommen, um hier mit ihm und den Kumpels von früher seinen Geburtstag zu feiern.
Wenn es etwas gab, worauf Sandra noch weniger Lust hatte, als hier in der Kälte herumzustehen und in Max’ schmachtende Augen zu blicken, dann war es, mit seinen immerzu durstigen Freunden abzufeiern. Dennoch willigte sie ein, zu kommen, bevor sie ihm fröstelnd in die Wohnung folgte. Bis zu seinem Geburtstag im Juli blieb ihr noch genügend Zeit, um eine passende Ausrede zu finden, warum sie es doch nicht zur Feier schaffen würde.
»Wer wohnt denn sonst noch hier?«, fragte sie.
»Niemand. Nur ich.«
»Ich meinte, dort drüben, im anderen Teil des Gehöfts. Dort hat doch vorhin Licht gebrannt.«
»Ach so. Da wohnt der Matthias mit seiner Frau und der Kleinen.«
»Dein Bruder hat Familie? Das wusste ich gar nicht.«
»Du weißt einiges nicht, was hier in der Zwischenzeit passiert ist. Wie denn auch? Du bist ja nie da.«
Das klang beinahe wie ein Vorwurf ihrer Mutter. Sandra ließ sich seufzend neben Max auf das bequeme Ecksofa fallen. »Was soll ich denn hier? Es reicht doch, wenn ich alle paar Jahre mit meiner Mutter und ihrem missratenen Sohn in die Haare gerate. Wenn ich nur an Mike denke, wird mir schlecht … Meinst du, dass er …? Ach, lassen wir das heute Abend lieber. Der Matthias ist also verheiratet?«
»Ja, mit einer Kärntnerin aus Wolfsberg. Anita heißt sie. Hübsche Frau, Volksschullehrerin. Er hat sie bei irgend so einem Pädagogen-Seminar kennengelernt.«
»Na, das passt doch perfekt.«
»Kann man so sagen. Sie unterrichtet an der hiesigen Volksschule. Matthias ist dort mittlerweile Direktor.«
»Und Bürgermeister, ich weiß. Das hab ich sogar in Graz mitbekommen. Die beiden haben eine Tochter?«
»Ja, die Leni. Ein süßes Dirndl. Sie feiert nächste Woche ihren zweiten Geburtstag.«
»Klingt nach Bilderbuchfamilie.«
»Ist es auch. Der Matthias ist wirklich zu beneiden.« Max seufzte und hatte plötzlich diesen wehmütigen Zug um die Mundwinkel, den Sandra noch von früher kannte. Er hatte sich schon mit 19 Jahren eine Familie gewünscht, als sie gerade mal 16 gewesen war. Der Gedanke an eigene Kinder hatte ihr damals Angst gemacht. Und auch heute war er für sie – trotz ihrer 31 Jahre – immer noch unvorstellbar. Irgendwie fühlte sie sich einfach nicht reif genug für eine Familie. Außerdem bot das Leben einer Kriminalpolizistin viel zu wenig Raum für eigene Kinder. Wieder ein Mann, mit dem sie nicht kompatibel war, dachte Sandra. Hatte sie sich nicht dasselbe erst vor ein paar Stunden gedacht, wenn auch in einem völlig anderen Zusammenhang? Wie kam sie bloß darauf, ausgerechnet jetzt an Bergmann zu denken, ärgerte sie sich. Ihr chauvinistischer Partner würde es glatt noch schaffen, aus ihr, der das Thema Gender-Mainstreaming gehörig auf die Nerven ging, eine Feministin zu machen.
»Möchtest du noch Wein zum Essen? Ich glaube, der Sterz ist jetzt fertig. Zumindest riecht er so«, unterbrach Max ihre Gedanken an Bergmann.
»Ja, gern. Ein Achtel vertrage ich schon noch.«
»Nicht, dass du mir nachher betrunken Auto fährst. Ich bin zwar nicht im Dienst, aber im Falle des Falles wäre es meine Pflicht, dich bis morgen früh hier festzuhalten«, scherzte er und verschwand in der Küche.
»Das hättest du wohl gern«, murmelte Sandra vor sich hin und nippte am Schilcher.
Nach dem Essen machte es Max ihr nicht gerade leicht, standhaft zu bleiben. Seine Lippen waren so weich wie früher, sein Duft immer noch vertraut. Jede Faser ihres Körpers sehnte sich danach, seine harte Männlichkeit in sich aufzunehmen. Doch Sandras Wille, sich der Lust nicht einfach hinzugeben, war stärker. Als ihr Verlangen beinahe unerträglich wurde, stand sie auf und ließ Max enttäuscht und wütend auf dem Sofa zurück.
Wohin hätte Sex mit dem Ex auch führen sollen?, fragte sich Sandra auf der Heimfahrt immer wieder. Außer zu einer kurzfristigen körperlichen Befriedigung und zur neuerlichen Erkenntnis, dass es für sie keinen Weg zurück gab. Auch wenn Max sich das vielleicht noch so sehr wünschte. Warum hatte sie ihn überhaupt so nahe an sich herangelassen, ärgerte sie sich über die eigene Schwäche. Dies war jedenfalls der letzte Abend gewesen, den sie mit Max privat verbracht hatte, schwor sie sich, als sie die ›Goldene Gans‹ erreichte.
Viertel vor zwölf brannte noch Licht in der Gaststube. Sandra beschloss, den Wagen am Parkplatz hinter dem Gasthof abzustellen und das Haus über den Hintereingang zu betreten, um möglichst unbemerkt in ihr Zimmer zu gelangen. Sie hatte keine Lust, angetrunkenen Gästen zu begegnen. Oder ihrem Partner, der mit Sicherheit einen zynischen Kommentar für sie übrig hatte. Oder – was das Schlimmste überhaupt gewesen wäre – ihrem Halbbruder Mike, der sich gerne mal am Stammtisch volllaufen ließ.
Wenn es bloß nicht so stockdunkel hier wäre, dachte sie und begann sich langsam, Schritt für Schritt, entlang der gartenseitigen Hausmauer vorwärtszutasten. Bis sie das wütende Bellen vor Schreck erstarren ließ. »Mephisto? Ganz ruhig. Ich bin’s doch nur!«, rief sie in den finsteren Garten. Gott sei Dank! Die Zwingertür war geschlossen, sonst wäre der Schäferhund längst an ihrem Bein gehangen. Sandra setzte sich wieder in Bewegung, während Mephistos Bellen in ein noch viel furchteinflößenderes Knurren überging.
»Nach dem Schäferstündchen ein Schäferhündchen«, hörte sie eine Männerstimme sagen. Mephisto schlug erneut an, und Sandra sah zum Balkon hinauf. Dort oben stand Bergmann und zog an einer Zigarette. Die Glut leuchtete zwar nicht hell genug, um sein Gesicht erkennen zu können, aber so ein dämlicher Spruch fiel nur ihm ein. Außerdem lag sein Balkon direkt neben ihrem.
»Witzig, Bergmann! Mach wenigstens das Licht an, damit ich die verdammte Türe endlich finde!«, rief sie ihm zu. Im selben Moment ging die Hintertür auf, und Michl trat aus dem Haus ins Freie. Rasch ging Sandra auf ihn zu. »Ich bin’s, Michl: Sandra! Ich hab den Lichtschalter nicht gefunden.«
»Sandra! Warum schleichst du dich denn über die Hintertür rein? Vorn ist doch eh noch offen. Kusch, Mephisto! Jetzt halt’s schon zamm!«, rief er dem Hund zu und ließ seinen Hausgast eintreten.
»Zum Glück ist der im Zwinger«, meinte Sandra erleichtert und blieb im Vorraum, der einerseits zum Korridor im Erdgeschoss, andererseits zum Treppenhaus führte, stehen. Michl sperrte die Tür hinter sich zu. Sandra mochte Hunde, aber vor Schäferhunden hatte sie gehörigen Respekt. Immerhin gingen die meisten Bissverletzungen auf das Konto dieser Rasse. Die gefährlichsten Exemplare waren jene aus der Polizeizucht, die schon als Junghunde ausgesiebt wurden, weil sie sich charakterlich nicht für den Dienst eigneten und deshalb an Privatpersonen abgegeben wurden. In den falschen Händen waren diese Tiere wie ungesicherte Waffen, die jederzeit losgehen konnten. Im besten Fall fielen sie irgendwann andere Hunde oder das eigene Herrchen an, im schlimmsten kleine Kinder. Sandra war als junge Polizistin mit einigen tragischen Fällen konfrontiert worden, die sie von Mal zu Mal vorsichtiger werden hatten lassen.
»Untertags ist der Mephisto ganz ein Lieber. Nur im Finstern kann er nicht zwischen Gästen und Einbrechern unterscheiden. Deshalb sperren wir ihn in den Zwinger, bevor’s dunkel wird.«
»Er schlägt also immer an, wenn sich nachts wer hinterm Haus aufhält?«
»Ja. Manchmal sogar bei mir und der Mutter. Kommt ganz auf den Wind drauf an. Ich glaub, er sieht schlecht im Dunkeln. Er erkennt uns wohl erst am Geruch oder an der Stimme.«
»Dann müsstet ihr ihn doch auch in der Mordnacht bellen gehört haben. Die Spuren deuten zweifelsfrei darauf hin, dass Eva Kovacs und ihr Mörder am Zwinger vorbeikamen, bevor sie durch euren Garten in den Wald liefen.«
»Also ich hab nichts gehört. Ich hab tief und fest geschlafen.«
»Wo liegt denn dein Zimmer?«
»Ganz oben. In der Mansarde. Auf der Straßenseite.«
»Verstehe. Und in der Früh bist du dann mit dem Hund in den Wald spazieren gegangen«, wiederholte Sandra seine Aussage, die er unmittelbar nach dem Leichenfund zu Protokoll gegeben hatte.
»Eigentlich wollte ich dort gar nicht hin. Aber als ich den Zwinger aufgesperrt hab, ist der Mephisto hinausgerannt wie ein Irrer und gleich abgezischt in den Wald. Ich hab befürchtet, dass er Wild gewittert hat und bin so schnell ich nur konnte hinter ihm her. Gott sei Dank hab ich die Taschenlampe dabeigehabt. Es war ja noch stockfinster.«
»Der Hund hat leider ganz was anderes gewittert. Schlaues Kerlchen …«
»Magst du noch was trinken? Wir haben gleich Sperrstund.«
»Nein danke, Michl. Ich bin müde und muss morgen früh raus. Wir werden noch einige Leute befragen. Mit dir und der Mizzi tät ich gern beim Frühstück anfangen. Passt euch viertel nach sieben?«
»Wir haben dir und dem Max doch gestern schon alles erzählt, was wir wissen.«
»Mein Kollege Bergmann hat aber auch noch ein paar Fragen an euch. Das ist doch okay, oder?«
»Ja, klar. Brauchts ihr die Branka und den Vilko auch noch einmal?«
Sandra verneinte. Weder hatte sie an das Hausmädchen noch an den schwulen slowenischen Koch weitere Fragen. Als Täter schieden für sie beide aus. Branka hatte ein Alibi – ihr Mann hatte bezeugt, dass sie die ganze Nacht neben ihm geschlafen hatte. Und Vilko kam mit seiner sexuellen Gesinnung, dem zarten Körperbau und Schuhgröße 41 für die Tat ebenso wenig infrage. Sandra glaubte ihm, dass er die Mordnacht schlafend in seinem Bett verbracht hatte, auch wenn es dafür keinen Zeugen gab.
»Trinkst du Tee oder Kaffee zum Frühstück?«, erkundigte sich Michl.
»Tee mit Zitrone. Ach ja, noch was: Wird Franziska morgen wieder da sein? Sie arbeitet doch bei euch, oder nicht?« Das hatte ihr Max erzählt und noch einiges mehr über die Familie Edlinger. Oder das, was von ihr noch übrig war.
»Ja, wieso?« Michl wirkte überrascht.
»Ich frage ja nur, weil ich sie noch nicht gesehen habe, seit ich hier angekommen bin.«
»Ach so. Die Franzi konnte nicht arbeiten mit ihrem verstauchten Knöchel. Der war richtig dick angeschwollen. Aber jetzt geht’s ihr schon wieder besser.«
»Wobei hat sie sich denn verletzt?«
»Beim Radlfahrn. Sie ist blöd umgeknickt beim Absteigen.«
»Oje. Na dann, bis morgen.«
»Gute Nacht, Sandra.« Michl ging vorbei an den beiden Türen, die zu den Gästetoiletten führten, in Richtung Gaststube.
Sandra nahm die Treppe in den ersten Stock. Auf halbem Weg stand Bergmann plötzlich vor ihr. »Mein Gott, Sascha! Musst du mich so erschrecken? Mir hat der Hund schon gereicht. Was machst du denn hier im Treppenhaus?«
»Ich wollte nach dir sehen. Nachdem ich das Balkonlicht eingeschaltet und noch mal hinuntergeschaut habe, warst du plötzlich verschwunden.«
»Michl Oberhauser hat mich hereingelassen. Er hat wohl den Hund gehört.«
»Das hab ich doch längst mitbekommen.«
»Hast du etwa gelauscht?«
»Was dachtest du denn? Ich bin Polizist … Komm, gehen wir auf mein Zimmer. Wer weiß, wer uns hier alles zuhört«, flüsterte er.
»Es war ein langer Tag, Sascha. Ich wollte gerade liegen gehen«, protestierte sie.
»Was wolltest du? ›Liegen‹ gehen?«, fragte er grinsend.
»Schlafen gehen, meinte ich. ›Liegen‹ ist der steirische Ausdruck dafür.« Kaum war sie hier, fiel sie automatisch in das ländliche Kauderwelsch ihrer Kindheit zurück.
»Liegen gehen«, wiederholte Bergmann kopfschüttelnd, und Sandra wunderte sich, dass ihm diesmal kein blöder Kommentar über die Lippen kam.
»Was soll ich überhaupt bei dir im Zimmer?«, fragte sie, während sie ihm über die letzten Stufen in die erste Etage folgte.
»Mir bei einem Glas Zweigelt gestehen, dass ich morgen spätestens um sieben Uhr 15 beim Frühstück erscheinen soll, um die Wirtin, ihren Sohn und eine gewisse Franziska, die einen verstauchten Knöchel hat, einzuvernehmen.« Bergmann sperrte die Tür auf und betrat sein Zimmer.
»Das weißt du also schon alles von deinem Lauschangriff«, antwortete sie lächelnd und drehte sich auf dem Absatz um. »Gute Nacht, Sascha«, verabschiedete sie sich und ging eine Tür weiter, um kurz danach in ihrem Zimmer zu verschwinden.
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