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Spieler mit zu wenig Selbstvertrauen reagieren unter Druck ganz anders. Sie denken nicht mehr daran, dass Erfolg nichts mit Perfektion zu tun hat. Brächte nur eine perfekte Runde den Erfolg, wie hätte dann Angel Cabrera die U.S. Open 2007 gewinnen können, nachdem er zwei der letzten drei Löcher mit einem Bogey spielte? Durch das Streben nach Perfektion verkrampfen viele Spieler nur. Sie strengen sich noch mehr an. Jeder einzelne Schlag ist für sie wichtiger, als er es sein sollte. Und dann geraten sie schon beim ersten Nervenflattern in Panik. Anstatt daran zu denken, wie oft sie eine Herausforderung schon erfolgreich bestanden haben, fällt ihnen nur ein, wie oft sie schon versagt haben. Plötzlich halten sie sich nicht mehr an die Routine vor dem Schlag. Sie machen so viele Probeschwünge, dass ihre Gedanken abschweifen oder überhaupt keinen Probeschwung mehr und schlagen noch hektischer als sonst. Sie spielen nicht mehr so gut, wie vor der Drucksituation. Und sie gehen mit dem Gefühl des Versagens vom Platz.
Vielleicht erkennen sie sogar, dass sie nur aus Mangel an Selbstbewusstsein gescheitert sind. Aber wenn ich versuche, auf diesen Punkt näher einzugehen, stellt sich meist schnell heraus, dass sie gar nicht wissen, was Selbstvertrauen eigentlich ist, wie man es entwickelt und wie man es behält.
Von Spielern höre ich oft: „Wenn ich alle Teile meines Spiels so beherrsche, wie ich es möchte, dann wird auch mein Selbstvertrauen stimmen.“ In anderen Worten, an dem Tag, an dem alle Abschläge weit und gerade fliegen, alle Eisenschläge direkt an der Fahne liegen bleiben und jeder Putt fällt, werden sie endlich glauben, dass sie tatsächlich gewinnen können.
Diese Einstellung nenne ich „Schwungvertrauen“. Leider handelt es sich dabei um eine Chimäre. Egal, wie talentiert ein Spieler ist und wie oft er trainiert, er wird ungefähr so oft technisch perfekt spielen, wie man es schafft, quer durch Los Angeles zu fahren, ohne in einen größeren Stau zu geraten. Das ist die Natur des Golfspiels. Die technischen Abläufe sind sehr komplex. Vieles kann schief gehen. Und irgendetwas geht immer schief. Wenn Ihr Selbstvertrauen darauf basiert, dass alle technischen Abläufe perfekt funktionieren, verlieren Sie es, sobald ein einziger Schlag danebengeht. Ben Hogan sagte immer, für ihn sei eine Runde gut verlaufen, auf der er zwei oder drei perfekte Schläge hatte. Wenn schon Hogan nicht mehr erwartete, wie lange glauben Sie wird Ihr Schwungvertrauen die nächste Drucksituation überdauern?
Schwungvertrauen hilft Ihnen unter Druck fast nie weiter. Eine andere Art von Vertrauen schon. Dieses Vertrauen kommt aus dem Innersten des Spielers und hängt nicht davon ab, wie er an einem bestimmten Tag den Ball trifft. Nennen wir es doch echtes Selbstvertrauen. Ein Spieler mit echtem Selbstvertrauen glaubt, dass er auch an einem nur durchschnittlichen Tag besser spielen kann, als seine Konkurrenten. Er muss den Ball gar nicht perfekt treffen. Trotzdem macht er seine Punkte, trotzdem kann er gewinnen.
Wenn ich das erkläre, höre ich von Spielern oft Aussagen wie: „Klar, wenn ich das Talent von Tiger Woods hätte, und wenn auch ich schon als Kind viele Turniere gewonnen hätte, und wenn auch ich Eltern gehabt hätte, die mir immer sagten, dass ich ein exzellenter Golfer werden würde, dann hätte auch ich echtes Selbstvertrauen, so wie Tiger Woods. Aber bei mir war das nicht so.“
Wenn Sie wirklich ein Golfer mit echtem Selbstvertrauen werden wollen, dann lassen Sie diese Art Logik schnellstens hinter sich.
Wenn Sie unter Druck gut spielen wollen, müssen Sie von Ihrem Talent mehr überzeugt sein, als vom Talent der anderen Spieler. Wenn Sie meinen, andere hätten mehr Talent als Sie, dann melden Sie sich am besten gar nicht erst zu einem Turnier an.
Jetzt werden Sie einwenden: „Aber es ist doch ganz offensichtlich, dass XY mehr Talent hat als ich. Sehen Sie doch nur, um wie viel weiter er den Ball schlägt.“
Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass es zwar gut ist, wenn der Ball weit fliegt, dass dieses Talent aber bei einem Turnier ganz sicher nicht ausschlaggebend ist. Was ist denn mit der Genauigkeit? Was ist mit dem kurzen Spiel? Was ist mit dem Putten? Und was ist mit der Willensstärke, die man als Spieler braucht? Die Willensstärke zeigt sich nicht unbedingt auf der Driving Range, ist aber wohl das wichtigste Talent, das ein Spieler besitzen kann. Haben Tiger Woods oder Phil Mickelson ehrfürchtig Bubba Watson bewundert, der die Bälle viel weiter schlägt als sie, und dann gesagt: „Das war’s dann wohl für mich, denn er ist viel talentierter als ich“?
Tatsache ist, dass Sie gar nicht wissen, wie viel Talent Sie haben, solange Sie nicht mit echtem Selbstvertrauen spielen. Nehmen wir also deshalb an, Sie haben ausreichend Talent, um die Ziele zu erreichen, die Sie gerne erreichen möchten.
Manche Spieler können dieser Idee vielleicht zustimmen, argumentieren aber trotzdem, dass sie selbst keine Wunderkinder waren und deshalb auch nicht das Selbstvertrauen eines Wunderkindes haben könnten. Wenn man einen Entwicklungsplan für einen Weltklassegolfer erstellen und festlegen könnte, wie sein Leben von frühen Kindesbeinen an verlaufen soll, dann würde man natürlich wollen, dass er möglichst früh und viel gewinnt. Er soll zuerst viele Jugendturniere gewinnen und dann Konkurrenten schlagen, die älter sind als er. Später soll er zum richtigen Zeitpunkt Kontakt mit erfolgreichen Profispielern bekommen, damit er mit ihnen das eine oder andere Freundschaftsmatch austragen und dabei feststellen kann, dass deren physische Voraussetzungen auch nicht besser sind, als eine eigenen. Er soll also möglichst so aufwachsen wie Jack Nicklaus, Bobby Jones oder Tiger Woods.
Aber das ist nicht die einzige Möglichkeit, ein selbstbewusster Turnierspieler zu werden. Jones, Nicklaus und Woods sind nicht die einzigen hervorragenden Spieler. Viele der besten Golfer waren Spätzünder. Sie sollten eigentlich unsere Vorbilder sein.
Denken Sie an einen Spieler wie Fred Funk. Seine Familie war nicht Mitglied in einem Country Club. Er war während seines Studiums in Maryland nicht amerikanischer Universitätsmeister. Er ging Pleite bei seinem ersten Versuch auf einer Mini-Tour. Als er Mitte 20 war, verdiente er sein Geld als Golflehrer und Zeitungsausträger. Auf die PGA-Tour schaffte er es erst mit über 30. Seine Abschläge waren nie besonders lang, aber er hat nie aufgehört, an sich zu glauben. Und dieser Glaube war die Grundlage für seine unglaubliche Trainingsmoral. Er hat so manches Wedge kaputtgespielt, als er sein kurzes Spiel trainierte. Als er über 40 war, wurde er zu einem der erfolgreichsten Spieler auf der Tour. Er schaffte es in die Teams für den Ryder Cup und den Presidents Cup. Er gewann die Players Championship. Und er gewinnt heute noch immer Turniere, während einige der Wunderkinder seiner Generation längst in Vergessenheit geraten sind.
Aus unerfindlichen Gründen fällt es manchen Spielern leichter, Beispiele wie Fred Funk zu ignorieren und sich darauf zu versteifen, dass sie selbst nicht wie Tiger Woods sind. Sie haben alle gelesen, wie Earl Woods seinen Sohn von Anfang an zu einem richtigen Champion erzogen hat. Sie haben gelesen, dass er Tiger immer sagte, er werde einmal berühmt sein. Sie haben gelesen, wie Tigers Mutter Kultida ihren Sohn Disziplin und Härte lehrte. Und alle sagen sie, dass sie einfach nicht so aufgewachsen sind. Sie hatten ganz normale Eltern, die nicht wollten, dass ihr Kind zu selbstbewusst wird.
Als Erstes ist festzustellen, dass wir gar nicht wissen, wie Tigers Kindheit wirklich war. Wir wissen nur, woran Earl und Tiger Woods sich erinnern und worüber sie in der Öffentlichkeit gesprochen haben. Weder in ihrem Haus, noch im Auto, wenn Kultida Woods ihren Sohn zu den Juniorturnieren fuhr, waren Kameras oder Videorecorder dabei. Es gibt also keine wirklich wissenschaftliche Methode, Tigers Kindheit zu beurteilen oder abzuschätzen, welchen Einfluss sie auf sein spielerisches Selbstbewusstsein hatte.
Lassen Sie mich aber hier feststellen, dass Tigers Eltern einen fantastischen Sohn großgezogen haben. Sie gaben ihm ein Gefühl der Sicherheit und spornten ihn gleichzeitig zu großen Leistungen an. Sie lehrten ihn, diszipliniert und höflich zu sein. Nicht viele junge Menschen könnten heute so erfolgreich sein wie Tiger Woods, und würden dabei so umgänglich und trainingsfleißig bleiben.
Aber was Tiger selbst tat, war noch wichtiger als das, was seine Eltern taten. Er identifizierte sich nämlich hinsichtlich seiner Leistungen mit den Träumen seiner Eltern und setzte diese Träume in die Tat um. Immer wieder stelle ich fest, dass es die bewussten Entscheidungen sind, die aus Menschen das machen, was sie sind, und nicht das, was Eltern und Lehrer in der Kindheit an Input leisteten.
Annika Sörenstam wuchs in einer Familie auf, in der es ein Mädchen gab, von dem alle annahmen, dass es eine große Golferin werden würde – ihre Schwester Charlotta. Annika selbst beschloss im Alter von zwölf Jahren, dass sie es im Golf so weit bringen wollte, wie sie nur könnte. Und letztendlich übertraf sie sowohl ihre Schwester Charlotta, als auch alle ihre Altersgenossen. Heute arbeitet Charlotta als Lehrerin in Annikas Golfakademie.
Wenn Sie dieses Buch lesen, dann sind Sie alt genug, um die Verantwortung für Ihre Gedanken selbst übernehmen zu können. Es ist nicht mehr wichtig, was Ihre Eltern Ihnen erzählt haben oder auch nicht. Es ist nicht mehr wichtig, ob sie Sie ermutigt haben oder nicht. Was vergangen ist, ist vorbei. Die Vergangenheit kann hilfreich sein, sie kann aber auch ein Hindernis sein, das Sie überwinden müssen. Ihre Einstellung ist Ihre eigene Sache. Es liegt nur an Ihnen, das Selbstvertrauen zu entwickeln, das Sie brauchen, um feststellen zu können, wie gut Sie im Golf werden können. Es liegt nur an Ihnen, auch unter Druck Ihr bestes Golf zu spielen. Es liegt nur an Ihnen, echtes Selbstvertrauen zu entwickeln.
Und ich erkläre Ihnen, wie das geht.
3.
Golf wird Sie fertig machen
Da ich im letzten Kapitel darüber gesprochen habe, wie das Golfspiel einen fertig machen kann, sollte ich vielleicht jetzt etwas klarstellen. Ich liebe alles am Golfspiel: die Herausforderungen, die Schönheit des Spiels, die Freude, die es mir bereitet. Ich liebe es so sehr, dass ich nach einigen Wochen des Reisens nach Haus kommen kann, todmüde von den vielen Stunden, die ich auf Golfplätzen damit verbracht habe, Spielern zu helfen, und dann wache ich am nächsten Morgen auf und frage mich, ob ich nicht doch Zeit für eine Runde Golf habe.
Aber ich kenne nur sehr wenige Spieler, deren Liebesbeziehung zum Golfspiel problemlos verläuft. Golf kann grausam sein. Ein Golfspieler, der den Sport liebt, dessen Traum es ist, wirklich gut zu werden, kann schneller vom Weg abkommen, als ein Tourist in Tokio. Und genau deshalb brauchen Sie einen Trainingsplan für Ihre Psyche. Ohne einen solchen Plan kann Golf Sie tatsächlich fertigmachen, kann Ihr Selbstvertrauen auf Null sinken. Es kann dann passieren, dass Sie auf irgendeinem Abschlag stehen, rechts die Bäume und links das Wasser sehen und sich fragen: „Was mache ich eigentlich hier?“
Das gilt für die Topspieler der PGA ebenso wie für Amateure, bei deren Schwung noch gar nichts stimmt. Eigentlich sind gute Spieler sogar stärker betroffen. Wenn der Durchschnittsspieler mit Handicap 16 akzeptiert, dass das eben sein Spielniveau ist, dann ist er weniger anfällig für die Grausamkeiten des Spiels als ein Golfprofi, der dem unerreichbaren Ziel der Perfektion nachjagt.
Ich weiß das so genau, weil viele der Spieler, mit denen ich arbeite, dieser Kategorie angehören. Ihre technischen Fertigkeiten sind außergewöhnlich. Von ihren Schwüngen, dem kurzen Spiel und den Putts können die meisten Amateure nur träumen. Und doch spielen sie nicht auf der PGA-Tour, obwohl sie es unbedingt möchten. Oder sie spielen auf der Tour, haben aber noch kein Turnier gewonnen. Und natürlich möchten sie gewinnen. Oder sie haben schon ein Turnier auf der PGA-Tour gewonnen, vielleicht auch schon mehrere, aber sie stehen nicht an der Spitze der Rangliste. Und da möchten sie natürlich hin.
Für solche Spieler kann der Prozess der Verbesserung viele Gefahren bergen. Sie haben eine Leidenschaft für das Spiel entwickelt. Sie verstehen, was es bedeutet, sich voll zu engagieren. Aber eines verstehen sie nicht: Wenn man wild entschlossen ist, besser zu werden, muss man sowohl an den technischen als auch den mentalen Aspekten des Spiels arbeiten. Man muss versuchen, besser zu werden, indem man den Blick nicht nur nach außen richtet, sondern auch nach innen.
Manchmal beschließen meine Klienten aus dem Profikreis, besser zu werden, um jemanden zu beeindrucken. Vielleicht haben sie sogar einen neuen Werbevertrag unterzeichnet. Sie erhalten eine nette Summe Geld über einen Zeitraum von mehreren Jahren, nur weil sie Schläger verwenden, die sie sowieso verwendet hätten, auch wenn sie sie selbst hätten kaufen müssen. Oder vielleicht achten sie besonders auf die Stimmen in den Medien: „XY kann nur kleine Turniere gewinnen, ein Major-Turnier hat er noch nie gewonnen.“ „XY kann sein Potenzial nicht voll ausschöpfen.“
Noch öfter kommt der Druck aber von innen. Es gab vielleicht ein paar Jahre, in denen sie wegen Verletzungen die eigenen Erwartungen nicht erfüllen konnten. Oder sie haben ihre Karriere schon zur Hälfte hinter sich, fangen an Bilanz zu ziehen und stellen fest, dass ihnen nur noch eine gewisse Zeitspanne bleibt, um sich die Träume ihrer Kindheit zu erfüllen.
Ein solcher Spieler wird sich meist sofort daran machen, körperlich fitter zu werden und am Schwung zu arbeiten. In der Welt der Golfprofis ist nichts so zermürbend, wie der oft gehörte Satz: „Keiner trainiert härter als Tiger Woods.“ Der Typ Spieler, von dem ich hier spreche, ist sich nicht sicher, ob er Tigers Talent hat. Aber er weiß ganz genau, dass er hart arbeiten kann und will. Er verspricht, stärker zu werden, flexibler und sich bestens um sich selbst zu kümmern, damit keine Verletzungen auftreten. Er verspricht, die eine oder andere Schwachstelle im Schwung zu beseitigen, eine Schwachstelle, die bessere Spieler offensichtlich nicht haben. Sein Rückschwung soll noch näher an der idealen Schwungebene sein. Sein Schwung soll insgesamt etwas kürzer werden, damit er kompakter und effizienter ist. Die Körperhaltung im Treffmoment soll verbessert werden. Und dieser eine Schlag, der ihn schon seit Jahren plagt, soll endlich deutlich besser funktionieren. Vielleicht hat er die Tendenz, den Ball nach rechts zu blocken. Vielleicht stört ihn der gelegentliche Hook. Er wird sich einen Golflehrer suchen, der all diese Fehler ausmerzen kann. Er beschließt, dass er allen beweisen wird, dass er härter arbeitet als jeder andere. Er freut sich, ist motiviert, verfolgt plötzlich eine Mission.
Anfangs genießt er diesen Prozess der Verbesserung. Er kommt erschöpft von den vielen Stunden auf der Driving Range und im Fitness-Studio nach Hause. Er ist fasziniert von den Tipps, die ihm der neue Golflehrer gibt. Er ist erstaunt, dass er nach so vielen Jahren als Golfprofi nicht wusste, dass es mehrere Schwungtheorien gibt. Er wusste auch nicht, dass es andere Möglichkeiten gibt, den Ball anzusprechen und ihn aus einer anderen Position zu spielen. Es war ihm nicht bewusst, dass man sich den Rückschwung und die Bewegungen der Hände, Muskeln und Handgelenke auch anders vorstellen kann, als er es bisher tat. Wenn sein neuer Lehrer neben ihm auf der Driving Range steht, gelingen ihm tatsächlich einige Schläge, die seinem Ideal sehr nahe kommen. Seine Abschläge werden sicher auch noch länger und gerader. Nach einem Monat Diät und Fitnesstraining freut er sich über ein paar neue Golfhosen, weil er Gewicht verloren hat. Sein Lehrer schwärmt ganz enthusiastisch vom unbegrenzten Potenzial, das es zu erschließen gilt.
Und anfangs ist es in Ordnung, dass die Verbesserungen, die er auf der Driving Range spürt, sich im Turnier nicht immer umsetzen lassen. Es ist verständlich, dass er gelegentlich ein Double oder Triple Bogey spielt, auch wenn früher solche Ergebnisse kaum auf seiner Scorecard zu sehen waren. Es ist verständlich, dass die Abschläge auch einmal ganz danebengehen, auch wenn früher so etwas nie passierte. Er ist geduldig.
Er arbeitet jetzt nicht nur an seinem Schwung, sondern hat auch beschlossen, das kurze Spiel umzustellen. Er hat eine neue Technik für das Pitchen und für die Schläge aus dem Bunker. Dadurch wird er um die Grüns herum Optionen haben, die er bisher nicht hatte. Aber diese Umstellung ist eben noch nicht abgeschlossen.
Je mehr Zeit vergeht, desto ungeduldiger wird er. Ja, mit dem neuen Schwung gelingen manchmal Abschläge, auf die er wirklich stolz ist. Sie sind so lange und gerade, wie er es sich immer erträumt hat. Und dieser lästige Schlag, der wilde Hook oder geblockte Fade, ist fast ganz verschwunden. Andererseits hat er früher immer sofort gewusst, was schiefgegangen war. Heute weiß er das nicht. Außerdem misslingen jetzt mehr Schläge, als früher. Früher war es egal, ob er ein Fairway rechts oder links entlang spielte, er wusste, dass der Ball im Spiel bleiben würde. Heute weiß er nicht mehr, wohin er zielen soll. Zweifel beginnen an ihm zu nagen, die auch den Rest des Spiels negativ beeinflussen. Er schafft es nicht mehr, aus kürzerer Distanz in zwei Schlägen einzulochen, obwohl das früher fast immer gelang. Es fallen auch nicht mehr so viele Birdieputts wie zuvor, einerseits weil er nicht mehr so viele Birdiechancen hat, andererseits weil der Ball meist viel zu weit vom Loch entfernt liegt.
Schließlich verpasst er den Cut immer öfter. Die Journalisten und TV-Kommentatoren, die vorher, als alles noch gut lief, immer so freundlich waren, sind auch jetzt noch freundlich. Aber nun fragen sie nach, was denn mit seiner Technik los ist und warum er so schlecht spielt. Erst erzählt er ganz stolz, dass er sehr viel trainiert und gerade einige Dinge umstellt, und alle nicken und notieren eifrig jedes Detail. Nach einigen Monaten machen sich die Reporter aber keine Notizen mehr und sind nicht mehr an den Veränderungen interessiert. Wenn er bei einem Turnier auf der Driving Range steht, spürt er die Blicke der anderen Spieler. Es ist, als würden sich Laserstrahlen in seinen Rücken bohren. Er hört ihr Gemurmel. Er hört, wie die Menschen über ihn reden – andere Spieler, andere Schwungtrainer, Caddies, Vertreter der Ausrüstungsfirmen, der ganze Tour-Zirkus. Sie reden über seine Veränderungen, vielleicht auch darüber, warum sie nicht funktionieren und warum ihm das alles nichts bringt. Sie wollen natürlich nicht, dass er das hört und deshalb sprechen sie besonders leise über ihn. Er glaubt den Ausdruck „armer Hund“ gehört zu haben, und so etwas hat noch nie jemand über ihn gesagt.
Der Spieler ist aber kein Typ, der schnell aufgibt. Er hält durch. Das ist Teil seines Charakters, eine seiner Stärken. Er arbeitet noch härter. Auch sein Trainer arbeitet noch härter. Golflehrer, die mit Golfprofis arbeiten, sind sehr engagiert und intelligent. Sie wissen alles über den Golfschwung. Sie wissen auch, dass ihre Karriere zumindest teilweise vom Erfolg der Spieler abhängt, die sie betreuen. Wenn sie also beginnen, mit einem bekannten Spieler zu arbeiten, besonders mit einem, bei dem das Spiel nicht gut läuft, dann sind sie bereit, so viel Zeit wie nötig darauf zu verwenden, diesen Spieler wieder zurück in die Spur zu bringen.
Sehr bald verbringen Spieler und Trainer noch mehr Zeit miteinander. Der Schwungtrainer geht auf den Übungsrunden neben dem Caddie her. Er steht während der Einspielphase vor jedem Turnier neben dem Spieler. Er sitzt bei jedem Abendessen neben ihm. Immer, wenn der Spieler einen Ball schlägt, steht der Lehrer neben ihm und beurteilt seine Ausrichtung, die Haltung, den Griff, den Rückschwung, etc. Die meisten Golflehrer arbeiten heute nach dem Prinzip, dass sich der Spieler während eines Turniers und kurz davor keine Gedanken über mechanische Abläufe machen, sondern nur an sein Ziel denken sollte und darauf vertraut, dass sein Schwung den Rest von selbst erledigt. Doch wenn so viel auf dem Spiel steht, ist es schwer, sich jeden Versuch einer Beeinflussung zu verkneifen. Es ist besonders schwer, einfach nur mit den Achseln zu zucken und keinen Kommentar abzugeben, wenn der Spieler, der den Trainer ja für dessen Hilfe bezahlt, sich nach einem Schlag umdreht und fragt: „Was habe ich falsch gemacht?“
Und genau das wird passieren. Spieler, die einen Prozess der Veränderung durchlaufen, analysieren jeden Schwung im Detail. Sie werden sehr leicht überkritisch. Sie wollen jeden Schwung zerlegen und bewerten. Diese Denkweise mag ja ganz hilfreich sein, wenn man am Anfang des Verbesserungsprozesses steht und man einige Monate lang keine Turniere spielt, um den Schwung in Ruhe umstellen zu können. Während eines Turniers oder direkt davor ist eine solche Denkweise aber ganz sicher nicht hilfreich. Und doch sehe ich oft Spieler auf der Trainingsrunde vor einem wichtigen Turnier mit ihrem Schwungtrainer im Schlepptau. Und der spricht bei fast jedem Schlag von den mechanischen Abläufen des Schwungs. Ich habe schon Trainer beobachtet, die noch Minuten vor dem ersten Abschlag versucht haben, an der Aufstellung und Ausrichtung eines Spielers zu arbeiten.
Am nächsten Tag beendet der Spieler die erste Runde mit einer 78. Jeder Schwung sieht hölzern aus. Jede Runde scheint ewig zu dauern. Er hat sich ernsthaft bemüht, besser zu werden und ist in Wirklichkeit schlechter geworden. Das ist die Grausamkeit des Golfspiels. Ich will Ihnen dabei helfen, diese Grausamkeit zu vermeiden.
Wenn man das Drumherum des Profi-Zirkus abzieht und die Anzahl der Trainingsstunden um den Faktor fünf oder zehn reduziert, betrifft dieses Syndrom auch Amateure. Vielleicht möchte ein Spieler endlich Ergebnisse unter 80 erzielen, vielleicht möchte er endlich die Clubmeisterschaft gewinnen, nachdem er einige Male gleich in der ersten Runde geschlagen wurde. Soweit es ihm seine Zeit erlaubt, packt der das Problem auf dieselbe Art und Weise an, wie ein Profi. Er nimmt Stunden bei einem Golflehrer. Er sucht sich einen neuen Pro und nimmt auch bei ihm einige Stunden. Vielleicht hat er in einer Zeitschrift etwas über die neuesten Schwungtheorien gelesen und beschließt, seinen Schwung umzustellen und zusätzlich öfter ins Fitness-Studio zu gehen. Anfangs ist er begeistert.
Doch wenn es schon für einen Golfprofi, der viel Talent und ausreichend Zeit hat, schwer ist, seinen Schwung radikal umzustellen, dann ist es für einen Amateur doppelt so schwer. Er hat weniger Zeit für das Training, er muss die Stunden beim Pro in seinem Terminkalender unterbringen, und auf der Runde hat er keinen Golflehrer dabei. Außerdem realisiert der Amateur, der sich verbessern möchte, dass seine Belohnung nicht darin liegt, mit dem Golfspiel Geld zu verdienen. Für ihn ist es der Freizeitwert, der steigt, es sind die Runden, die er mit seinen Freunden samstags immer spielt. Also bleibt er diesen Runden treu, versucht sein Handicap zu spielen, während er gleichzeitig daran arbeitet, den Schwung umzustellen. Seine Freunde lachen vielleicht über seinen neuen Schwung oder geben ihm Tipps und kommentieren (meistens falsch), was er macht.
In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Amateur nicht wirklich vom Profispieler. Man sollte meinen, ein Profi würde es besser wissen und nicht auf jeden Mitspieler hören, der ihm Schwungtipps geben möchte. Aber genau das Gegenteil ist der Fall, besonders wenn es sich um einen Spieler handelt, bei dem es nicht so gut läuft wie früher, oder wie er es gerne hätte. Ich glaube zwar nicht, dass jemals ein Spieler auf dem Flug zum Austragungsort des nächsten Turniers einen Tipp von einer Stewardess angenommen hat, aber ich kenne einige, für die diese Versuchung sicher sehr groß gewesen wäre. Es gibt bei jedem großen Turnier hunderte von Menschen mit Zugang zu den Spielerbereichen. Die meisten von ihnen wissen zumindest ein paar Dinge über den Golfschwung, obwohl nur die wenigsten tatsächlich so viel Ahnung haben, wie sie glauben. Sie haben nur die besten Absichten und beschließen, dem guten alten Joe, bei dem es in letzter Zeit nicht gut läuft, zu sagen, dass er vor einigen Jahren, als er noch auf der Siegerstraße war, einen viel besseren Schwung hatte als heute. Joe sollte dann eigentlich nur nett und freundlich nicken und solche Aussagen sofort vergessen. Doch genau das tut Joe nicht. Erstaunlicherweise geht er wohl davon aus, dass der nette Zeitgenosse, von dem der Tipp kam, nie ein Fairway verpasst und nie einen kurzen Putt danebenschiebt.