- -
- 100%
- +
Michael war überzeugt, daß Apoll und Aphrodite bei diesem fast schon unanständig überirdisch schönen Jungen gemeinsam Pate gestanden hatten.
Maximilian war es mit Michael ähnlich gegangen. Er schätzte die guten Gespräche mit ihm, den ausgezeichneten Literaturgeschmack des Deutschen, sein allgemeines Kunst- und besonders sein Musikverständnis. Er fand es spannend, aus seinem Mund etwas zur gemeinsamen, leidvollen Geschichte zu hören und beide erlebten es als ungemein beruhigend, daß aus beider Familien in den beiden Weltkatastrophen niemand im Kampf ihrer Nationen gegeneinander gefallen, ja nicht einmal verwundet worden war, obwohl jeweils mehrere Männer dabei gewesen waren.
Sie lasen einander vor, mal auf Englisch, mal auf Deutsch. Maxi mochte die romantischen Werke von Hermann Löns und Hedwig Courths-Mahler, worüber sich lustig zu machen Michael sich verkniff. Gemeinsam amüsierten sie sich über Jerome K. Jeromes „Three Men in a Boat” und anderes mehr. Und wenn sie sich Krimis „’reinzogen”, dann wählten sie zumeist aus den Werken von Dame Agatha Christie aus. Dorothy Sayers, Dashiell Hammet und Raymond Chandler wurden nicht vernachlässigt und zuletzt wandten sie sich Georges Simenon zu. Was den Großen Krieg betraf, wie die Briten den Ersten Weltkrieg immer noch nannten − sie tun es bis zur Gegenwart −, so faszinierte Maximilian Branbury die Schilderung von Ernst Jünger in dessen „Stahlgewittern”. Er konnte es sich auf Michaels Nachfrage nicht erklären, warum.
Derjenige von ihnen, der gerade nicht lesen mußte, legte dann den Kopf auf den Bauch des anderen und lauschte gebannt dem ruhigen Ton der Lesestimme. In der warmen Jahreszeit lagerten sie dazu meist unter einer uralten Eiche im Park; regnete es oder war es kalt, so verschwanden sie irgendwo im Internatsgebäude, mal in den Weiten der Bibliothek, mal in einem der Kaminzimmer bei flackerndem Buchenholzfeuer.
Als er Michael bei ihrem ersten gemeinsamen Duschen nach dem Sport das erste Mal nackt sah, betrachtete er ihn, wenn auch noch verstohlen, einen Moment lang ganz genau, als wolle er auf keinen Fall vergessen, was er gesehen hatte.
Bei ihrem ersten Saunabesuch nahm er ihn bei der Hand, näherte sich seinem linken Ohr und flüsterte ihm auf Deutsch zu, daß er sich freue, mit ihm zusammen zu sein. Danach gingen sie schwitzen und schwimmen und waren fortan unzertrennlich. Selbst im Schlafbereich schafften sie es, Nachbarn zu werden. So konnten sie sich auch nach dem Lichtlöschen noch ein wenig flüsternd unterhalten.
In den ersten gemeinsamen Ferien wurde Michael nach Litherington Hall eingeladen. Er bekam sein eigenes Zimmer, das, passenderweise und nicht ohne Absicht, direkt neben Maxis Zimmer lag. Es stand sonst leer und wurde extra für diese Sommerwochen hergerichtet.
Der Earl war auf Geschäftsreisen unterwegs, Maxis Mutter hielt sich mit einer Freundin im Seebad Brighton auf und James war bei seinen Großeltern, Lord und Lady Haversham of Lameral, im schottischen Hochland auf Besuch, wo ihm sein Lieblingspferd „Dragon of Loch Ness” uneingeschränkt zur Verfügung stand, worauf der wilde Teenager sich schon Wochen zuvor ganz närrisch gefreut hatte.
So waren Maxi und Michael in jenem Sommer allein auf Litherington Hall, lediglich betreut von dem schon etwas älteren und äußerst diskreten Butler Algernon McKenzie und der liebenswürdigen und ihre eigene Werbung darstellenden Köchin Hermione Scullington, von Maxi kurz Scully gerufen. Sie war rundlich, überall, wo man bei ihr hinsah, mit einem stets rosigen Gesicht und einem allzeit fröhlichen Lachen. Es machte ihr große Freude, die beiden jungen Herren, unbeeinflußt von Seiner Lordschaft, mit ihren Kochkünsten verwöhnen zu können, die sich glücklicherweise nicht nur auf die englische Küche beschränkten, sondern sehr wohl auch kontinental orientiert waren. Sie hatte als junge Frau in einem großen Hotel in Deutschland gearbeitet und sprach immer noch ein wenig Deutsch, was sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Besten gab.
Michael liebte sie auf Anhieb − und es war gegenseitig, denn sie traktierte ihn nicht mit Porridge oder Plumpudding; beides empfand er als absolutes Brechmittel − und so englisch Maxi war, es war auch nicht gerade sein Ding.
Noch mehr aber liebte Scully ihren hübschen Master Maximilian, wie sie ihn nannte. Er sei viel zu dünn, er müsse essen, teilte sie ihm regelmäßig jeden Tag mit und Maxi wurde nicht müde ihr zu versichern, er sei erst 16, er liebe es so.
Da er durch seine Mutter schottisches Blut hatte, liebte er es, zu Hause im Kilt herumzulaufen. Der Sommer ihres Kennenlernens war ungewöhnlich warm, und so trug er nur seinen Kilt in den Farben des Clans seiner Mutter, kein dazu passendes Hemd und darunter erst recht nichts. Zudem lief er für sein Leben gern barfuß. Nur bei Tisch zog er sich ein altmodisch wirkendes, aber stilmäßig passendes Rüschenhemd an, das gerade erst von einem traditionellen Herrenausstatter aus London geliefert worden war, mit dem seine Familie schon seit dem 18. Jahrhundert in Verbindung stand. Es war weiß und vorn auf der halben Oberkörperlänge unknöpfbar offen. Es gehörte sich nicht, bei aller Nonchalance, an der Tafel mit nacktem Oberkörper Platz zu nehmen. Das galt selbst bei Maxi als American behaviour − er lehnte das strikt ab.
Butler Algernon schätzte es offiziell gar nicht, daß der junge Lord halbnackt herumlief, was er beim ersten Betrachten am Morgen durch erhobene Augenbrauen anzudeuten pflegte, wohlgemerkt − an jedem Morgen, und Maxi antwortete auf diese stumme Rüge stets mit einem freundlichen Lächeln und der bestimmten Feststellung, er liebe es so. Es kam das unvermeidliche „Sehr wohl, Euer Lordschaft” und damit war es für den Rest des Tages ausgestanden. Danach hätte Maxi auch völlig nackt durch Schloß und Park springen können, beides stand der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung − Algernon McKenzie würde nichts mehr gesagt haben. Begegnete ihm Maxi morgens nackt auf dem Weg zum Bad, übersah er es völlig. Er würde nicht einmal etwas gedacht haben, denn er war so erzogen worden, daß er dazu keine fortdauernde Beurteilungserlaubnis zu haben habe. Seine eigene Meinung hatte er verbal schon gleich gar nicht zu äußern.
Doch am nächsten Morgen würde er ob der lockeren Kleiderordnung wieder seine Augenbrauen anheben, Maxi amüsiert sein er liebe es so bekunden und so weiter. Spränge er mehr als nur zur Morgentoilette nackt herum, würde die liebe, runde Scully in ihrer mütterlichen Toleranz lediglich begeistert ausgerufen haben, wie hübsch er doch aussähe. Als sie einmal des Butlers mißbilligende Mimik bemerkt hatte, trat sie mit ihrer beeindruckenden Körperlichkeit vor ihn hin und fragte ihn, ob er, Algernon McKenzie, in Butler-Ausstattung zur Welt gekommen sei oder jemals ein Baby gesehen habe, daß in vollständiger Hochland-Kleidung geboren worden wäre. McKenzie bemerkte daraufhin leicht indigniert, er pflege nicht an Geburten teilzunehmen, die er nicht selbst verursacht habe. Mit angehobenem Kinn und strafendem Blick hatte er sie stehengelassen und doch schmunzeln müssen, als Scully ihm überrascht-bewundernd nachgerufen hatte „Mr. McKenzie, Sie sind ein Teufelskerl!”.
Maxi war ihr in seiner Körperlichkeit bestens vertraut, weshalb auch Nacktheit sie nicht störte, denn sie kannte ihn seit seiner Geburt, hatte ihn einst gewickelt und gebadet, wenn die Nanny verhindert war, die die Dienste auf Litherington aus familiären Gründen verlassen hatte als Maxi Fünfzehn war − eine neue hatten die Jungs vehement abgelehnt, sie würden sie vergiften, zwänge man ihnen eine auf, worauf die Lordschaften nachgaben − und das geringfügige, übrige Personal hatte mit den Privaträumen der Söhne des Hauses nichts zu tun. Maxi wollte es nicht. Einzige Ausnahme war eines der beiden Zimmermädchen, das nur in Begleitung des Butlers Zutritt hatte. Und die Toleranz würde augenblicklich auf Michael übertragen worden sein, hätte Maximilian sich auch nur kurz in diese Richtung geräuspert.
Als er das erste Mal lediglich im Kilt bekleidet in Michaels Zimmer eintrat, staunte Maxis Gast und Freund nicht schlecht.
„Ist das alles? Hast Du nicht etwas vergessen?”
„Warum? Ich liebe es so. Gefalle ich Dir nicht?”
„Du gefällst mir immer, Maxi, das weißt Du doch. Egal, ob Du Schuluniform trägst, einen Smoking, T-shirt und Jeans oder nur Deine schöne Haut. Und deshalb gefällst Du mir auch jetzt in diesem Kilt.”
Maximilian lächelte zufrieden.
„Und welcher Tartan ist das?”
„Der des Clans meiner Mutter. Möchtest Du auch einen? Dann können wir zum Schwimmen gehen.”
Maximilian legte leicht den Kopf schräg, während er sich auf einer Stuhllehne abstützte, Michaels Antwort erwartend.
„Aber gern”, sagte der lächelnd, obwohl er gerade nicht ganz verstand, was ein Kilt mit ihren Schwimmplänen zu tun hatte.
„Dann warte einen Moment und ziehe Dich wieder aus. Komplett.”
Michael machte große Augen, während Maxi das Zimmer verließ.
„Nichts drunter”, murmelte er, „dann darf aber kein Windstoß kommen.” Amüsiert begann er, seine leichte, kontinentale Sommerbekleidung abzulegen. Als Maxi zurückkehrte, warf er gerade seinen Slip aufs Bett.
„Da bin ich wieder. Komm’ her.”
Michael trat, nackt wie er war, näher zu Maxi hin, der ein Leuchten in den Augen hatte, als er seinen Freund wieder so sah, was dem nicht entging. „Er liebt es, mich unbekleidet zu sehen.”
Im nächsten Moment schlang Maxi den Kilt um Michaels Hüften, verschloß ihn, rückte ihn zurecht und trat einige Schritte zurück.
„Du siehst großartig damit aus, könntest damit glatt an den Hochland-Wettbewerben teilnehmen. Aber ob Du das Baumstamm-Werfen schon schaffst …”
Maxi lächelte geheimnisvoll und deutete mit der passenden Bewegung seiner rechten Hand Zweifel an. Michael überging lächelnd die Unterschätzung seiner sportlichen Kräfte, sah an sich herab und fand sein Aussehen äußerst apart und aufregend. Die neuen Freiheiten fand er bequem − und eben neu.
„Nur eine Erektion darfst Du nicht bekommen, dann fällst Du gewaltig auf, mein Lieber.”
Michael riß die Augen auf. So hatte Maxi noch nie gesprochen. Erstaunt fragte er:
„Warum sollte ich denn eine Erektion bekommen, hm?”
„Ganz einfach. Weil Du mich schön findest.”
Michael war platt. Daß zwischen ihnen eine ständig wachsende Freundschaft bestand, war fraglos richtig, daß zwischen ihnen eine erotische Spannung vorhanden war, konnte nicht geleugnet werden, aber daß ausgerechnet der zurückhaltende, fast schüchterne Maximilian einen solchen Sprung nach vorn machte, überwältigte Michael für einen kurzen Moment.
„Wie kommst Du darauf”, spielte er die offensive Bemerkung herunter.
„Deine Augen verraten Dich, immer wieder, seit wir uns kennengelernt haben. Und ich finde es schön, daß Du mich schön findest, denn ich finde Dich auch schön. Wolltest Du das nicht schon lange hören?”
Michael wurde rot, mußte sich durchräuspern und ruderte einen Moment lang wie hilflos mit den Händen in der Luft, als könne er so die passenden Worte finden.
„Äh, ja, kann schon sein. Was man eben so sagt, wenn man sich sympathisch ist, wenn man sich mag.”
„Wenn man sich liebt. Sage es doch ruhig, oder findest Du etwas dabei?”
Maxi ging näher zu Michael hin. Der war ziemlich baff. Hatte ihn dieser schüchterne Junge doch glatt überrannt. Und es kam noch besser.
„Wann küßt Du mich endlich? Ich habe es satt, darauf noch länger warten zu müssen.”
Nun stand Maxi vielleicht noch dreißig Zentimeter von Michael entfernt. Beide sahen sich fest in die Augen, als Michael Maxi bei den Schultern nahm und zu sich heranzog. Des jungen Lords Nasenflügel blähten sich, aber er wollte nicht lächeln. Er sog ganz bewußt den Geruch seines Freundes ein und Michael tat es ihm gleich. Er schloß einen Moment die Augen, genoß den Duft seines Freundes, als er dessen volle, weiche Lippen auf seinen spürte, und sein Puls zu rasen begann. Sie setzten noch einmal ab, sahen sich an, ehe sie ihre Augen wieder schlossen, ihre Lippen sich erneut fanden und ihr erster Zungentanz begann. Und er dauerte lang, dieser Zungentanz, sie wollten sich nicht mehr voneinander lösen, genossen diese erste wirklich intime körperliche Zärtlichkeit, als dürfe sie nur ein einziges Mal stattfinden. Ihre warmen Körper preßten sich aneinander und sie registrierten in ihrer ersten physischen Verschmelzung, daß ihre Schöße voll erblühten.
Michaels rechte Hand fuhr unter Maxis Kilt. Er glitt an den Innenseiten dessen bebender Oberschenkel entlang, begann, dessen heißes Geschlecht „blind” zu liebkosen und ließ es schließlich durch seine Hand gleiten. Er fühlte die nasse Eichel seines Freundes und massierte sie mit seinem Daumen. Ein erstes Stöhnen entrang sich der Kehle des jungen Lords, aber sie küßten sich weiter, als befürchteten sie, der Zauber würde erlöschen, wenn sie einander losließen.
Es war eine gefühlte Ewigkeit vergangen, als sie die Hitze ihrer ersten Leidenschaft füreinander nicht mehr aushielten und sich voneinander lösten. Schwer atmend standen die Verliebten da, sahen sich schweigend an. Ihre Köpfe waren hochrot, ihre Hälse und Brustflächen übersät von unregelmäßigen roten Flecken. Sie waren beide auf das Höchste und Angenehmste erregt, und dieser Rauschzustand nahm ihnen in jenen Momenten die Sprache. Sie konnten nichts sagen, kein einziges Wort verließ ihre Kehlen, dafür sprachen ihre leuchtenden Augen umso mehr.
Michael nahm Maxis Hände, spielte mit den schlanken Fingern, was der junge Lord sich gern gefallen ließ, dann breitete er seine Arme aus, nahm Maxis’ dabei mit, was ihre heißen Oberkörper wieder zusammenführte, und während sich ihre Finger miteinander verschränkten, folgte der nächste intensive Kuß.
Doch plötzlich riß Maxi sich los. Dabei legte er seine rechte Hand auf seine Brust, als wollte er sein tiefes Atmen verdecken, und drückte Michael mit seiner linken sanft aber bestimmt von sich fort. Er sah in die überraschten Augen seines Freundes.
„Nicht hier, mein geliebter Engel, nicht einfach so. Es wäre unser nicht gerecht, der Zauber unserer Liebe würde gleich zerstört, es wäre gar zu vulgär. Die wilde, heiße Vereinigung wird uns geschenkt werden, aber ich will Dich nicht nehmen und mich Dir nicht geben wie eine Hure, die auf schnelles Geschäft erpicht ist, fort und vergessen. Ich will die eine wahre Stunde auf immer und ewig mit einem Lächeln erinnern. Deshalb laß uns zu einer ruhigeren Zärtlichkeit zurückkehren und unser heißes Blut kühlen. Laß uns zu meinem See gehen, wo wir schwimmen werden und uns in unser gemeinsames Arkadien träumen. Möchtest Du mir diese Geduld schenken?”
Im ersten Moment fühlte sich Michael so, als hätte man ihm einen Eimer eiskalten Wassers über den Kopf geschüttet. Ein Mädchen hätte er längst am Boden gehabt, es bestiegen und wild zum Orgasmus getrieben. Alles in ihm schrie danach in einen schönen, warmen Körper einzudringen und eine leidenschaftliche Vereinigung bis zum Höhepunkt zu zelebrieren. Bis vor Sekunden hatte sein Herz so heftig bis zum Hals geschlagen, es in seinem Schoß so wild gepocht und gezuckt, daß sein ganzes Sein sich in einem Zustand tiefsten Erbebens befunden hatte, sein Verstand kurz vor dem Aussetzen war − und nun nahm er ein gefühltes Eisbad. Es fiel buchstäblich alles in und an ihm zusammen.
Ein ihn so abkühlendes Mädchen würde er vermutlich alles mögliche geheißen haben, aber Maxi sah er nur erstaunt an und legte seinen Kopf schräg. Er mußte seine rauschenden Gedanken auf eine Ebene herunterholen, die ihm ein fast wieder sachliches Sortieren erlaubte.
Michael hatte seinem schönen Gastgeber eine erstklassige Fellatio schenken wollen, die erste seines Lebens, wobei „erstklassig” eine hochtrabende Selbsteinschätzung war, und auf eine ebensolche Erwiderung gehofft − und nun sollte er Geduld haben? Warum das denn? Dieser stillen Frage, die der sensible Maximilian in Michaels Gesicht ablesen konnte, schickte der junge Graf ein innerlich sehr lautes zum Donnerwetter hinterher. Aber dann erreichte ein Wort seinen Verstand, das ihn einlenken ließ. Hure! Er war tatsächlich auf dem besten Weg gewesen, sich wie eine billige Hure zu benehmen und Maximilian auf diese Ebene herabzuziehen. Augenblicklich schämte er sich. Es bedurfte einer schönen männlichen Jungfrau, eines in diesem Alter seltenen echten Jünglings, ihn Geduld in der Liebe zu lehren, gerade auch in der körperlichen Liebe. Nun trieb ihm die Scham das Blut ins Gesicht.
„Verzeih”, stammelte er, „verzeih mir. Es hat mich fortgerissen.” Er senkte den Blick.
„Es gibt nichts zu verzeihen, liebster Michael. Du bist nur leidenschaftlich, und das finde ich schön an Dir.” Maxi nahm Michaels Kopf in beide Hände und zwang ihn sanft, sich wieder aufzurichten, damit sie einander wieder ansehen konnten. „Und Du hast gerade Deiner Schönheit etwas hinzugefügt, was ich beglückt erleben darf: die Kunst, sich zu beherrschen.” Er sah Michael tief in die Augen, ehe er fortfuhr. „Mein Lieblingspferd, ‚Duke of Killarney‘, ist ein wunderbarer Hengst, ein bildschöner Rappe, ein höchst wertvoller Deckhengst zudem, der durch jeden Zaun geht, wenn er eine rossige Stute riecht. Wir können ihn dann nicht mehr halten, müssen ihn springen lassen. Aber er ist trotz seiner Schönheit und seines materiellen Wertes nur ein Pferd, ein seinen Instinkten unterworfenes Tier, wild, erfolgreich auf seine Art, aber eben nur ein Tier, das von der Liebeskunst nichts weiß. Er springt, deckt, stöhnt und wiehert dabei und fertig. Willst Du mich behandeln wie eine rossige Stute, die sich bespringen läßt, weil sie gerade aufnahmebereit ist?”
Michael schüttelte stumm den Kopf.
„Das wäre auch das Ende unserer Freundschaft und Liebe gewesen, denn so ließe ich mich nicht behandeln, auch und gerade von Dir nicht.” Maxi sah Michael durchdringend mit seinen schwarzen Augen an.
„Warte ab. Du wirst sehen was geschieht, wenn Du weiterhin Geduld hast. Der Sommer hat gerade erst begonnen. Du wirst mich nehmen dürfen, so wie ich Dich nehmen will, wenn die passende Stunde gekommen ist. Bis dahin wollen wir die Spannung halten, auch wenn es uns quält. Die Erfüllung wird danach umso schöner und beglückender sein. Das verspreche ich Dir. Und daran werden wir uns unser Leben lang erinnern. Eine Hure hat man vergessen, wenn man sie gehabt und bezahlt hat. Möchtest Du, daß ich Dich je vergesse?”
Michael schüttelte wieder stumm seinen Kopf.
„Siehst Du, dafür liebe ich Dich. Und jetzt beantworte mir eine Frage: Kannst Du ohne Sattel reiten?”
Michael nickte stumm.
„Dann komm. Wir reiten zu meinem See und dort werden wir baden und träumen. Ich habe ein gutes Pferd für Dich, das Du leicht wirst führen können. Es ist ‚Lady Catherine’. Sie ist sehr angenehm. Und ich werde ‚Sunshine of Scotland‘ nehmen, sonst kommt mein Hengst vielleicht doch auf törichte Ideen.”
Dabei schmunzelte er, daß seine Grübchen sich zeigten und nahm Michael bei der Hand. Der junge Graf war innerlich tief erschüttert. Noch war ihm nicht bewußt, daß er an diesem Tag eine der wichtigsten Lektionen seines Lebens gelernt hatte, aber er war voller Bewunderung für seinen Freund, so zu ihm gesprochen zu haben.
Eine halbe Stunde später waren sie an Maxis See angekommen. Unterwegs waren sie niemandem begegnet. Sie hatten nach dem rasanten Überqueren freier Weiden durch ein kleines Waldstück reiten müssen, als sich der Weg plötzlich zu einer wunderschönen Bucht hin öffnete. Vor ihnen lag ein glasklarer See rundum von Bäumen gesäumt. Das Ufer war grasbestanden, so daß die Stuten weiden konnten, nachdem die Freunde abgesprungen waren. Dichtes Schilfrohr und Büsche konnten neugierige Blicke fernhalten, sollten sich je Unbefugte in diesem Teil des Besitzes herumtreiben. Eines der zu Litherington gehörenden Dörfer war einige Meilen entfernt und die Dorfjugend wußte, daß sie dort ohne Einladung nicht würde baden dürfen.
„Wie gefällt es Dir hier?”
„Wunderschön, Maxi. Kommst Du oft her?” Michael schulterumarmte den jungen Lord und der legte seinen Arm um Michaels Hüfte. Beide sahen auf den See hinaus.
„Oh ja. Immer wenn ich mit meinen Gedanken allein sein will. Der See gehört bereits mir. Mein Vater hat ihn mir zu meinem 14. Geburtstag geschenkt. Und ich habe noch nie einen Fremden hierher mitgenommen. Du bist der Erste.”
Die Freunde tauschten einen stummen Blick und lächelten sich dabei an.
„Bin ich denn noch ein Fremder?”
„Oh verzeih, mein Lieber, das sollte Dich nicht herabsetzen. Ich meinte, ich hätte noch nie jemanden hierher mitgenommen, der nicht unseren Namen trägt. Bisher war nur mein Bruder James mit mir hier. Hier können wir nackt baden, weißt Du. Das ist ein herrliches Gefühl. Wollen wir? Einmal um den See herum?”
Kaum gesagt, hatten beide auch schon ihre Kilts abgelegt, sich bei der Hand genommen und waren in das angenehm kühle Wasser gestürmt. Nach einem heftigen gegenseitigen Beschaufeln mit fröhlichem Geschrei legten sie sich aufs Wasser und schwammen los.
Nach einer guten dreiviertel Stunde waren sie zu ihrem Ausgangspunkt zurückgekehrt. Schwer atmend kamen sie am Ufer an, wobei sie sich wieder bei der Hand nahmen. Die Stuten waren noch da und zupften weiter am frischen, saftigen Ufergras. Sie schauten nur kurz auf, als die nackten Freunde aus dem Wasser kamen und ließen sich nicht weiter stören. Daß eins von ihnen in der Zwischenzeit ganz „undamenhaft” ein paar deftige Pferdebollen hatte fallenlassen, buchte Michael unter „würzige Landluft” und ignorierte es einfach. Maxi störte es sowieso nicht.
Die Freunde breiteten ihre Kilts als Unterlage auf dem Gras aus und legten sich in die Sonne, die angenehmerweise genau auf sie herabschien. Maxi hatte seinen Kopf auf Michaels Bauch gelegt und nach einem ersten Ausruhen nahm der junge Graf mit seiner rechten Hand Maxis rechte Hand und verschränkte seine Finger mit ihm.
„Weißt Du, ich bin jetzt doch froh, daß wir vorhin nicht miteinander geschlafen haben, so große Lust ich auf Dich hatte und habe.”
„Hast Du das wirklich”, fragte der junge Lord nach und lächelte.
„Aber ja doch. Ein Mädchen hätte ich hemmungslos vernascht. Du weißt, Hengst und durch den Zaun und so. Du machst mir wirklich großen Appetit.” Beide lachten auf.
„Und warum hast Du es mit mir nicht getan?”
„Du bist mir für ein schnelles Vergnügen zu schade.”
„Das ist aber lieb von Dir.” Maxi drückte im noch immer gehaltenen Griff Michaels Hand zur Bekräftigung. Er zögerte dann aber mit einer Frage, die er nach einem kurzen inneren Anlauf schließlich doch stellte.
„Ich möchte nicht indiskret sein, aber hast Du denn schon mit Mädchen geschlafen?” Er suchte danach Michaels Blick.
„Habe ich“, antwortete der spontan. „Und um Dir das indiskrete Nachfragen zu ersparen: Es hat großen Spaß gemacht, und ich werde es wieder machen, wenn ich zurück in meiner Heimat bin. Aber hier, Maxi, bei Dir und im Internat, gehöre ich nur Dir.”
Das genügte Maximilian. Er küßte Michaels Hand und schloß die Augen für einen kurzen Schlummer. Dem Sonnenstand nach zu urteilen war es bald Mittag. Er hatte Hunger und wollte es sich nicht mit Scully verderben. Sie mochte es überhaupt nicht, wenn man zu spät zum Essen kam. Mochte es nun jemand vom Personal oder von den Herrschaften gewesen sein.
*
Michael „erwachte” aus seinen Reminiszenzen. Es war ihm ganz wohlig zumute, fast auch ein wenig wehmütig ums Herz geworden. Er hatte schon einige Zeit nichts von Maximilian gehört, geschweige denn ihn gesehen. Er besaß natürlich ein neues Photo von ihm, das hatte er zum letzten Weihnachtsfest bekommen. So wußte er wenigstens, wie Branbury aktuell aussah. Ein schöner junger Mann von fast vierundzwanzig Jahren war er inzwischen geworden und mit einer bürgerlichen Kunsthistorikerin liiert. Zumindest noch um Weihnachten und Neujahr herum. Doch das konnte sich inzwischen wieder geändert haben, so wie auch seine eigene Beziehung zu Christian Urskureit beendet war. Aus gutem Grund.
Er hatte die Wildheit dieses Jungen genossen und der Knaller von Körper war es sehr wohl wert gewesen, dessen immer wieder aufblitzende Zickigkeit zu ertragen, doch dann war es ihm zuviel geworden − und er hatte ihn an die frische Luft gesetzt.
Er wollte wieder ein weibliches Wesen an sich heranlassen. Nur, im Moment war keine geeignete Kandidatin in Sicht und mit Lou ging es nicht − dachte er.