- -
- 100%
- +
Zum vorübergehenden Abschied bat Lou ihn, ihr einen guten Cocktail seiner Wahl bringen zu lassen. Sie wolle sich innerlich erfrischen. Auf dem Weg zu den sehr stilvoll ausgestatteten Sanitärräumen erledigte Damian diesen Auftrag an der Bar und war gespannt, welche der vier Damen ihm folgen würde, denn daß eine kommen würde, dessen war er sich absolut sicher. Jede Einzelne hatte sich bereits in Gedanken oral mit ihm amüsiert; die Blicke waren eindeutig gewesen. Und sein Ego hatte es zutiefst genossen. Jetzt sollte Monsieur Bouchon auch zu seinem Recht kommen. Er pochte bereits ungeduldig.
*
Damian hatte großes Glück, daß bei seinem Betreten ein Bekannter seines Vaters den WC-Bereich verließ und nach ihm selbst niemand kam. Man wechselte ein paar belanglose Worte. Ein kurzes Toilettenvorraumgespräch unter Männern. Danach war es still. Es war niemand mehr da, und es tauchte niemand mehr auf. Die anwesenden Männer waren offensichtlich alle auf dem Platz unterwegs. Das Personal hatte eigene Toiletten.
Damian urinierte in aller Ruhe, wusch sich die Hände und auch Monsieur Bouchon erhielt eine Kopf- und Halswäsche. Danach rieb er ihn wieder mit seiner Lustschwitze ein, um ihn schön geschmeidig einsetzen zu können. Er würde bald feststellen können, daß eine schwarzhaarige Madame La Chatte ihrerseits vortreffliche Vorsorge getroffen hatte, ihn genüßlich empfangen zu können. Gerade als er Monsieur Bouchon wieder warm eingesperrt hatte, öffnete sich die Tür.
„Ups, da habe ich mich doch tatsächlich verlaufen. Wie kann ich mich denn dafür entschuldigen?”
Statt sich zurückzuziehen, trat die angeblich in der Tür Irrende gänzlich ein und schloß die Tür von innen. Passenderweise errötete sie aufs Stichwort. Langsam, sich dabei wie verlegen auf die Unterlippe beißend, kam sie Damian näher.
„Ich bin aber auch ein ungezogenes Mädchen”, säuselte sie Damian an, der sie schmunzelnd erwartete − und mit ihm Monsieur Bouchon, der ungeduldig drängelte.
„Müssen unartige Mädchen nicht den Hintern versohlt bekommen?” Sein Vorschlag schreckte nicht ab, sondern löste ein wohliges Schnurren aus.
„Aber dazu müßte ich mein Höschen ablegen. Willst Du mir dabei behilflich sein, mein strenger Züchtiger?”
Damian nahm die rechte Hand, der nah vor ihm stehenden Dame, die bebend erwartete, was er nun tun würde.
*
„Ist mein Vater inzwischen hier vorbeigekommen?” An Damian war nicht die geringste Unordnung festzustellen, als er zu den vier Damen und Louisiana zurückkehrte. Es mochte eine knappe dreiviertel Stunde vergangen sein. „Ich habe überall nachgesehen, aber er scheint sich französisch verabschiedet zu haben.” Er schmunzelte vielsagend.
„Hauptsache, Du hast es eben französisch gehabt”, dachte sich Lou, denn ihr war natürlich nicht entgangen, daß Damians Schritt entspannt war und Monsieur Bouchon entsprechend genußvoll beschäftigt gewesen sein mußte. Das intensive Fächeln der kurz vor ihm zurückgekehrten Dame war eine unübersehbare Erfolgsmeldung.
„Meine Liebe, darf ich Dich daran erinnern, daß wir bei Konstantin Seesenheim zum Essen eingeladen sind?” Damian drängte zum Aufbruch.
„Oh ja, das hätte ich beinahe vergessen. Die Konversation war aber auch zu interessant”, heuchelte Lou und erhob sich, während Damian den Stuhl unter ihr zurückzog.
„Wir dürfen uns für heute verabschieden, meine Damen, hoffen aber auf ein gelegentliches Wiedersehen”, wobei Damian dem Quartett einen von einem strahlenden Lächeln unterstützten, vielsagenden Blick zuwarf.
Lou wurde zweideutig deutlicher. „Wenn Sie je meine Hengstzucht besichtigen wollen, sind Sie jederzeit herzlich willkommen, wir machen auch Einzelführungen nach Voranmeldung. Ich stehe im Telephonbuch. Aber für heute Adieu.”
Damit nahm sie Damian bei der Hand und die Beiden verließen den Golfclub.
Zurück blieb ein überwältigtes Damen-Quartett, von dem eine Zugehörige, kaum, daß der Grund ihrer Erregung außer Hörweite war, bestürmt wurde, zu berichten, wie es denn gewesen sei.
„Ihr glaubt gar nicht, was dieser Rotfuchs alles drauf hat. Ich habe seit zehn Jahren keinen solchen Orgasmus mehr gehabt. Glücklicherweise habe ich gerade keinen Eisprung, sonst wäre ich jetzt schwanger!”
„Uuuh!” ertönte es in der Runde und drei Damen ärgerten sich gewaltig, daß nicht sie diesem jungen Hengst gefolgt waren, aber sie würden es nachholen. Jede für sich beschloß das in jener Stunde und war gespannt, was diese Louisiana an weiteren Pferden in ihrem Stall zu bieten hatte. Rappe, Falbe oder Fuchs − das war egal. Hauptsache …
*
„Nun erzähl schon”, drängte Lou Damian zu berichten, kaum, daß sie im Wagen saßen und die Türen geschlossen hatten.
„Die hat es wirklich gebraucht, das kann ich Dir sagen. Ich habe schon einige Zeit keine Katze mehr erlebt, die es derart gebraucht hat. Die war erotisch völlig ausgetrocknet, aber als sie mit Monsieur Bouchon näher bekanntgemacht wurde, wandelte sich die Wüste zu einem Feuchtgebiet der Sonderklasse. C’était une expérience extraordinaire, ma chère, vraiment.” Damian schnalzte mit der Zunge. „Nie wieder sage ich etwas gegen Stuten, die die Vierzig überschritten haben, nie wieder. Die reite ich auch eine ganze Nacht durch.”
„Gut, Damian, das bringt uns dann tausend €uro“, stellte Lou geschäftstüchtig fest. „Jetzt muß es sich nur noch herumsprechen. Schaffst Du das auch alle zwei Tage, sobald es richtig losgeht?”
„Täglich, wenn Du willst und mir solche Frauen zuführst. Kein Problem. Aber jetzt fahr zu Kon zurück. Ich habe Hunger.”
*
Am nächsten Tag lagen Damian und Konstantin in paradiesischer Nacktheit am Pool. Alexander und Michael waren noch nicht zu ihnen gestoßen. Die Zwei hatten einen starken Lichtschutz aufgetragen. Die Sonne tat ihr Bestes, die „weißen Hosen” der beiden Freunde einzufärben.
„Wann Lou wohl anrufen wird, um den ersten Einsatz anzufordern, hm?”
Damian blinzelte zu Konstantin herüber, der die Augen geschlossen hielt.
„Weiß nicht”, brummte er vor sich hin, „hoffentlich bald. Mein Monsieur Bouchon und ich möchten endlich wieder etwas zu tun haben. Drei Wochen keinen Sex. Das ist einfach nur unmenschlich.”
„Du bist aber doch gut gelaunt, nicht wahr?” Damian schmunzelte.
„Wie kommst Du darauf?”
„Es muß Dir gut gehen, denn Deine Laune zeigt steil nach oben.”
„Wie?” Konstantins Stirn runzelte sich ein wenig, aber seine Augen blieben immer noch geschlossen.
„Na da!” Damian gab einfach einmal Monsieur Bouchon die Hand und schüttelte sie, besser gesagt ihn. Er hatte ein steifes Genick und sein hochroter Kopf glänzte im Sonnenlicht.
Nun fuhr Konstantin hoch. Er wollte offensichtlich einen ungehaltenen Kommentar abgeben, deutete man seine Mimik richtig, doch er sah nur in Damians lachendes Gesicht.
„An welche Süße hast Du denn gedacht, Alter?”
Konstantin sah an sich herab und mußte selber grinsen. Monsieur Bouchon hatte ihn in voller Größe verraten.
„Ist das nicht zum Kotzen? Da wird man von seiner Dauerfreundin einfach sitzengelassen und dann träumt man nicht nur nachts von ihr und kriegt einen Dauerständer, daß es schmerzt, sie schleicht sich auch noch in die Tagträume ein. Mußte sie mir, verdammt noch mal, vorführen, wie sie sich von einem bestgebauten Kalifornier hernehmen läßt? Der Typ sah richtig gut aus, Mist, verfluchter.”
Konstantin zog eine „Schnute” und Damian grinste schelmisch.
„So so, der Typ sah richtig gut aus, hm? Haben wir da etwa heimliche homoerotische Wünsche, wie?”
Konstantin sah seinen Freund entrüstet an.
„Jetzt spinne Dich aber aus, ja! Was kann ich denn dafür, welche Kerle Renata in meine Tagträume einschleppt.”
„Großer Schwanz?” Damian grinste noch breiter.
Konstantins Zornesfalte vertiefte sich. Monsieur Bouchon machte keine Anstalten, sich zur Ruhe zu legen. Die Adern an seinem Hals waren prall mit Blut gefüllt. Konstantin schien mit sich zu ringen. Er streckte sich wieder aus und verschränkte die Arme unter seinem Kopf. Monsieur Bouchon wippte, als wollte er ihm zustimmend zunicken, er solle ruhig plaudern.
„Na ja, irgendwie schon”, murmelte Konstantin und starrte in den wolkenlos blauen Himmel.
„Was, irgendwie schon?” Damians Neugier wuchs und der Bruder von Monsieur Bouchon wuchs mit. Der hieß der Einfachheit halber auch einfach nur Monsieur Bouchon.
„Ja, zum Teufel”, platzte es aus Konstantin heraus. „Der Scheiß Kalifornier hatte einen verdammten Ten-Incher. Sanft geschwungen wie ein Säbel, so wie es sein muß. Und er konnte fünf Mal nacheinander. Zufrieden?”
„Du bist eifersüchtig, Kon, ganz einfach süß verblödet eifersüchtig, und das gaukelt Dir solche Bilder vor, glaub’ mir”, grinste Damian und tätschelte Konstantins flachen Bauch.
„Und warum reckt Dein Monsieur Bouchon so frech den Hals, hm?” Konstantin sah Damian verschmitzt lächelnd an.
„Weil er Dich und seinen Bruder einfach wunderschön findet.” Schwungvoll erhob er sich, nahm Konstantin Bouchon in die Hand, gab ihm einen Kuß auf den Kopf und machte, daß er, aufspringend und unter herzlichem Lachen, weg kam. Mit einem eleganten Hechter war er im Pool untergetaucht, ehe Konstantin zum Gegenangriff hatte übergehen können.
„Du verdammter … geht‘s noch”, schimpfte er Damian hinterher, der gerade auftauchte und ihm zurief: „Bei mir geht’s immer. Komm’ ‘rein, abkühlen. Du hast zu heiße Gedanken.”
„Und Du bist ein gewaltiger Spinner, verdammter ‚Pirat’! Mach‘ Deine Enterversuche woanders, Freckles.” Doch gerade als er Damian hinterher wollte, bremste ihn der Klingelton seines Handys.
„Das wird doch wohl nicht …”, murmelte er, doch es war …”
„Lou! Hallo! Was gibt’s, meine Schöne? − Tatsächlich? Das ging schneller, als ich dachte. Und wer soll …? − Ich? Prima, ich bin geil genug nach drei Wochen Abstinenz. Und wer ist das und wo? − Und wann? − In drei Stunden schon? Da muß ich mich aber beeilen. Dank‘ Dir, Süße. Wir sprechen uns danach. Tschüs, mach‘s gut. − Ich? Sowieso.” Damit drückte er den Anruf weg. Konstantin atmete tief durch. Der „Rittmeister” hatte seinen ersten Auftrag.
*
Sein Vater war im Ausland, seine Mutter zur Kur in Bad Kissingen, Dauerpersonal hatten sie keines, dafür war sein Vater zu knauserig. So konnte Konstantin sorglos das große Landhaus durchqueren − nackt, wie er war. Er liebte dieses körperliche Gefühl von Freiheit. Wäre sein kleinerer Bruder ihm begegnet, Andreas würde ihn nur schmunzelnd gefragt haben, ob er auf Abenteuer aus sei. Und in der Tat, es würde ein Abenteuer werden.
Zum ersten Mal in seinem Leben würde er für galantes Benehmen, in Wort und Tat, bezahlt werden. War das nun verwerflich? Er war ein Seesenheim. Hatte er das mit seinem Familienhintergrund nötig? Verdammt, er hatte es nötig.
Sein Vater hielt ihn finanziell auf geringster Sparflamme − „Du hast eine gute Ausbildung bekommen, studierst zusätzlich, bist bestens versorgt, hast ein kostenfreies Dach über dem Kopf, Kleidung und genug Nahrungsmittel. Was brauchst Du noch mehr? Ich werde Dir Deine Luxusallüren schon austreiben, Du Lümmel! Suche Dir eine reiche Frau, dann kannst Du meinetwegen deren Geld ausgeben, meines nicht.” − was blieb ihm übrig? Der gelegentliche Zweihundert-€uro-Schein seiner Mutter reichte bestenfalls für einen netten Abend im Monat. Das Budget seines Vaters gab nur Miete, Nebenkosten, Bücher und die Nahrungsmittelgrundversorgung während des Semesters her. Wer konnte damit Staat machen? Niemand. Das war seine Meinung, er empfand das so.
Konstantin stand mit seinen Gedanken derweil unter der Dusche und genoß den Wasserfall einer großen englischen Brause.
Er reinigte seinen Körper so gründlich, wie einst vor jedem Schäferstündchen mit Renata und deren Vorgängerinnen. Monsieur Bouchon reckte und streckte sich dabei so wohlig, daß Konstantin beinahe dem inneren Schrei nach Erfüllung gefolgt wäre, ehe er sich besann und die selbstverliebten Handbewegungen einstellte. Er spülte den dicken Schaum herunter und trat tropfnaß aus der geräumigen Kabine heraus.
Wie aufregend es doch gewesen war, wenn er Renata in dieser Liebeszelle genommen, sie sich dabei stöhnend an ihn geklammert und Monsieur Bouchon seine Hitze, Lust und Wildheit an die Freiin de la Chatte weitergegeben hatte, bis sie alles durchströmte, was sein heißer Körper zu bieten in der Lage war. Und dann die Fortsetzungen im Bett oder auf dem Teppich, auf seinem Schreibtisch, von dem er einfach alles herunterfegte, damit das Tor zum Paradies sich vor ihm öffnen konnte, auf der Chaiselongue − Renata war unersättlich und er mit ihr. Selbst auf der Terrasse vor seinem großen Zimmer hatten sie sich geliebt, bis Andreas einmal hinaufzurufen sich erfrechte, er solle aufpassen, nicht durchs Dach durchzubrechen, ihr Vater würde es kaum begrüßen, wenn sie beide samt Decke beim Decken auf dem Frühstückstisch landeten. Konstantin war danach hinuntergestürmt und hatte seinen Bruder im Pool so lange getaucht, bis der Kleine prustend und lachend versprochen hatte, das nie wieder zu tun.
Konstantin hatte sich inzwischen eingeschäumt und naß zu rasieren begonnen. Er fand es stilvoll, das mit dem immer noch scharfen Rasiermesser seines Großvaters zu tun. Alaun zum Stillen kleiner Blutungen hatte er im Schrank, aber er benötigte es so gut wie nie und auch jetzt ging das Schaben gut. Er spülte sein Gesicht, trocknete es ab und stellte zufrieden fest, daß es sich so schön und glatt anfühlte, wie es sich für ihn gehörte. Den Vergleich mit dem wunderbar glatten Kinderpopo mochte er in diesem Zusammenhang überhaupt nicht. Wer hat schon gern einen Arsch im Gesicht?!
Er nahm ein dezentes Gesichtswasser, sprühte sich nur ganz wenig von einem männlichen Parfüm unter die Achseln und gab sich dezent etwas unter die Kinnpartie. Im übrigen wollte er nach „Konstantin” duften. Er liebte es, wenn weibliche Wesen ihn im Dunkeln an seinem individuellen Geruch erkannten. Und er liebte es, mit seiner Partnerin, eingetaucht in tiefe Schwärze, zu spielen, sie nur an Duft und der Wanderung seiner Küsse erkennen zu lassen, wo er gerade war, wie nahe er dem Zentrum ihrer Lust schon kam, sie nur ahnen zu lassen …
Konstantin hatte plötzlich eine Idee. Er verließ das Bad. In seinem Zimmer suchte er nach dem Handy, fand es erstaunlich schnell und tippte Louisianas Nummer ein. Sie fragte ihn überrascht, was denn los sei. Nachdem er ihr erklärt hatte, was er wollte, war sie begeistert und machte sich nach einem kurzen Anruf sofort auf den Weg.
*
Konstantin traf vor der Stadtvilla ein, deren Adresse Louisiana ihm gegeben hatte. Es gehörte ein großes Grundstück dazu, das von der Straßenseite her sehr gepflegt wirkte und die Handschrift eines Gärtners verriet. In diesem Jugendstilgebäude wohnte Geld. Er würde es bald bestätigt finden, auch die Vermutung mit dem Gärtner, der die weite, parkähnliche Anlage hinter dem beachtlichen Gebäude in perfekter Pflege hielt und, als er im Haus einen Blick hinaus werfen konnte, den fleißigen Menschen beim Rasenmähen mit einem Aufsitzer entdeckte. Der Lärm der Grünpflege würde alle Geräusche im Haus übertönen.
Lou erwartete ihn am Eingang.
„Du siehst einfach perfekt aus”, lobte sie ihn, was er mit einem feinen Lächeln quittierte. „Hast Du etwas anderes erwartet?”
„Sei nicht so eingebildet”, knuffte sie Kon und zog ihn ins Haus. „Sie wartet oben auf Dich. Ich habe sie vorbereitet, so wie Du es Dir gewünscht hast.”
„Ist sie attraktiv?”
„Laß Dich überraschen. Du wirst sie mögen. Und bezahlt hat sie auch schon.”
Lou zog einen Umschlag aus ihrer Gürteltasche und wedelte mit ihm vor Konstantins Nase, die sich kräuselte. Er war nervös, blähte seine Nasenflügel.
„Bist Du aufgeregt”, fragte sie schmunzelnd.
„Ein wenig schon, muß ich zugeben”, wobei er seine Augen weiter öffnete.
„Und Monsieur Bouchon?”
„Oh, er ist einsatzbereit, mache Dir keine Sorgen. Wir werden das Geld nicht zurückgeben müssen.”
„Das ist mein Kon”, klopfte sie ihm strahlend auf die Schulter. „Aber nun komm.”
Sie nahm ihn bei der Hand und fühlte, daß sie trocken war. Lou war zufrieden. Konstantin würde sich so benehmen, wie es zu erwarten war.
In der großen Halle des stilvoll eingerichteten Hauses nahmen sie die links und rechts neben einem fast überdimensionalen Kamin mit davor arrangierter Sitzgruppe hinaufführende Freitreppe, die mit einem geschmiedeten eisernen Geländer versehen war, das aus zahlreichen floralen Elementen bestand. Lou wählte die linke Seite, zog Konstantin vorbei an exquisiten Gemälden, der dafür und das Meisterwerk des Geländers in jener Stunde nicht den wirklich offenen Blick hatte.
Im Obergeschoß strebte sie einem Korridor zu. An dessen Ende befand sich ein großes Fenster, durch das Konstantin einen Blick in den Park werfen konnte. Er sah den Gärtner, der ruhig seiner Arbeit nachging. Dann zupfte Lou an Konstantins Ärmel und deutete auf eine Kirschholztür mit blankgeputztem Messinggriff, als sie seinen Blick hatte.
„Hier ist sie. Hinter dieser Tür. Du wirst sie gleich sehen.”
Konstantin atmete einmal tief durch und nickte Louisiana stumm zu. Seine Augen leuchteten erwartungsvoll.
Lou klopfte an. Eine angenehme Stimme gab den Weg frei.
„Treten Sie bitte ein.”
Lou öffnete, stellte sich innen neben die Tür und machte gegenüber Konstantin eine einladende Handbewegung. Er trat näher.
Ihn umgab augenblicklich die angenehme Atmosphäre des Lebensbereiches einer vornehmen Dame. Der Raum war im Jugendstil eingerichtet. Die Auswahl verriet einen sicheren Geschmack der Bewohnerin, auf jeden Fall der Herrin, die diesen Wohnbereich eingerichtet hatte. Vielleicht hatte das weibliche Wesen, das nun hier lebte, nur den vortrefflichen Gedanken gehabt, an dem schönen Ambiente nichts zu verändern. Er konnte es nicht wissen. Konstantin nahm den angenehmen Duft wahr, der von gepflegten Frauen ausgeht, und es war etwas dabei, das er nie mehr vergessen würde. Es war der ganz persönliche Duft seiner Gastgeberin. In jenem Moment spürte er, daß es ihm über die Bezahlung hinaus größte Freude und Lust bereiten würde, sie mit seinem männlichen Können zu verwöhnen, so wie sie es von ihm begehrte.
Nachdem er den Raum in sich aufgenommen und gesichert hatte, das war der Offizier in ihm, betrachtete er eingehend sein Gegenüber.
Vor ihm stand eine schöne Frau von etwa 45 Jahren. Ihre rotblonde Haarpracht war perfekt als Chignon frisiert. Konstantin hatte so etwas zuletzt bei einem Empfang des Fürsten d’Aubert gesehen, getragen von der Fürstin und ihrer ältesten Tochter, der bildhübschen Prinzessin Chantal Marguerite.
Seine Gastgeberin war seiner Einschätzung nach ungefähr 1,70 m groß, sicher nicht viel mehr, wog 60 bis 62 Kilogramm, was ihn in der Tat erleichterte. Sie hatte einen schönen Teint und schlanke, perfekt manikürte Hände. Ihm war in der Halle ein Flügel aufgefallen. Die Dame des Hauses wüßte sicher ausgezeichnet, ihn zu spielen. Sie trug links den Ehering, rechts funkelten Brillanten. Ihre schönen, kleinen Ohren waren sich selbst Schmuck genug.
Sie war angetan mit einem hellblauen wallenden Chiffonkleid, unter dem sich ihre ohne Zweifel wohlgeformte Büste hob und senkte. Ihre Haut schimmerte blass durch. Die Dame war erwartungsvoll nervös. Durch das für ihn günstig einfallende Licht vermochte Konstantin die Linien ihres Körpers unter dem hauchdünnen Stoff auszumachen. Seine Augen blitzten auf. Ihre schmalen Füße steckten in feinen Seidenpantöffelchen.
Dank Louisianas Vorbereitung konnte nur Konstantin einen optischen Eindruck gewinnen. Sein schönes Gegenüber trug eine breite schwarze Augenbinde, und das würde auch so bleiben. Dadurch fehlte ihm zwar der ohne Zweifel interessante Eindruck ihrer Augen, aber umgekehrt fehlte er auch − und eines war ausgeschaltet: die Gefahr des Verliebens.
„Möchten Sie nicht näher treten?”
Zum ersten Mal hörte er ungedämpft die angenehme Stimme seiner Gastgeberin, und es durchfuhr ihn wie ein Blitz. Seine bereits in Aufruhr befindlichen Sinne speicherten den schönen Mezzosopran für den Rest seines Lebens ab. Über seinen Körper wogte eine Gänsehaut, wie er sie noch nicht erlebt hatte.
Louisiana stupste ihn an, denn Konstantin stand da wie angewurzelt.
„Fürchten Sie sich nicht, mein schöner Kavalier. Ich beiße nicht”, versuchte die Dame ihn zu ermutigen und setzte, gefolgt von einem zauberhaften Lächeln, hinzu: „Noch nicht.”
Konstantin war wie gebannt. Lou schob ihn nun energisch weiter, blieb dabei jedoch stumm. Als aber die Gastgeberin ihm ihre rechte Hand mit graziler Bewegung entgegenstreckte, eilte er zu ihr hin, nahm die zarte Hand und hauchte einen galanten Kuß auf die dezent nach Rosenöl duftende Haut.
„Sie sind also der Herr Rittmeister”, hob die schöne Dame an. Konstantin rieselte es fortwährend den Nacken herunter.
„Ehrerbietigst zu Ihren Diensten, Madame.” Dabei verneigte er sich, obschon ihm klar war, daß sie ihn nicht sehen konnte. Er legte dabei die rechte Hand auf sein Herz.
„Oh, wie höflich, wie chevaleresk, sich zu verbeugen, obgleich ich es nicht sehen kann”, bedankte sie sich und lächelte charmant dabei.
Konstantins Baritonstimme schien ihr gefallen zu haben, mehr noch, sie reagierte körperlich darauf. Er bemerkte, daß sich ihre feine Armbehaarung aufgerichtet hatte.
„Aber ich fühle, daß Sie sich fragen, wie ich es denn wissen konnte, nicht wahr? Nun ja, Sie werden eine exquisite Erziehung genossen haben, und so wäre es normal, daß Sie sich auch gegenüber einer Nichtsehenden so verhalten, als könnten ihre Blicke auf Ihnen ruhen und sie Sie bei Nichtbeachtung der Courtoisie nonverbal tadeln. Ich weiß, daß Sie sich durch die streng erhobene Augenbraue einer Frau ebenso bestraft fühlten, als zöge sie Ihnen eine Reitgerte quer über das Gesicht. Aber durch Ihre Verbeugung wehte mir Ihr gut gewähltes Parfüm ein wenig stärker entgegen. So einfach ist das.”
Konstantin war verblüfft über die feine Sinneswahrnehmung dieser Frau, die er verwöhnen sollte. Was würde sie noch alles bemerken, ohne daß sie es sehen konnte? Am Ende verwöhnte sie ihn? Seine Selbstsicherheit begann für einen Moment zu wanken.
„Haben Sie ein schönes Gesicht?”
Konstantin wandte sich zu Louisiana um, wobei er fragend mit den Achseln zuckte. Sie formte stumm mit den Lippen „Sag es ihr”.
„Wenden Sie sich nicht von mir ab, mein Kavalier. Ihre Herrin soll die Frage nicht beantworten. Sagen Sie mir, wie Sie sich sehen.”
Konstantin schluckte, machte sich straff und antwortete ihr.
„Ja, ich habe ein männlich schönes Gesicht, so wie es meinem Alter entspricht.”
Die Dame lächelte. Konstantins stolzes Selbstbewußtsein gefiel ihr offensichtlich.
„Treten Sie näher. Ich möchte es prüfen.”
Konstantin blieb gut vierzig Zentimeter vor ihr stehen. Die Dame erhob beide Hände, die zärtlich forschend Konstantins Gesicht abtasteten. Zuletzt strich sie mit ihrem rechten Zeigefinger fast liebevoll über seine Lippen.
„Wahrhaftig. Sie haben nicht übertrieben.” Sie unterstrich ihre Feststellung mit einem feinen Lächeln.
Konstantin betrachtete die Dame. Er konnte nun deutlich erkennen, daß sie unter dem Chiffon nackt war. Ihre Brustwarzen zeichneten sich ab. Er war begeistert.
„Gefällt Ihnen, was Sie sehen und das, was Sie ahnen, Herr Rittmeister?”
„Mir gefällt, was ich sehe, und ich bin zutiefst berührt von dem, was ich ahne, Madame. Ich hoffte, Sie beschenken zu dürfen, aber Sie beschämen mich, denn ich bin bereits der Beschenkte.”
„Sie sind ein flinker Charmeur, mein Lieber, aber ich glaube Ihnen, was Sie sagen. Es gibt übrigens keinen Grund für Sie, zu erröten, doch finde ich es schön, daß Sie es noch können.”
Konstantin sah sich zu Lou um, die nur schmunzelte. Er war rot geworden, bis unter die Haarwurzeln.
„Haben Sie einen schönen Körper?”
„Ich trainiere ihn gut und regelmäßig.” Er antwortete dieses Mal, ohne zu zögern.
„Danach habe ich nicht gefragt, Herr Rittmeister.” Ihre Stimme klang in jenem Moment ein wenig strenger.
Konstantin sah sein Gegenüber intensiv an. Es verursachte der Dame ein mildes Lächeln, denn sie spürte es. Dann sprach er unumwunden und ohne falsche Bescheidenheit.





