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Mitten in das allgemeine Dösen platzte der Anruf hinein. Louisiana nahm das Gespräch entgegen. Dabei stand sie auf und begann, langsam hin und her zu gehen.
Die jungen Männer richteten sich halb auf, selbst Konstantin war neugierig, obwohl er wußte, daß er an diesem Tag nicht noch einmal zum Einsatz kommen würde. Dann kehrte Lou zu den Vieren zurück.
„Der Großfürst hat Dienst”, verkündete sie und sah den Prinzen aufmunternd an.
„Glückwunsch, Alexander!”
Michael und Damian klopften ihm breit grinsend auf die Schultern. Konstantin hielt ihm den erhobenen Daumen entgegen. Alle waren neugierig, zu wem es wohl ginge. Kurijakin war besonders gespannt, ob er solch ein Glück haben würde, wie Konstantin. Lou ging vor ihm in die Hocke.
„Also, mein schöner Prinz. Du begleitest heute abend eine achtundvierzigjährige Dame in die Oper. Ihr Mann hält sich für längere Zeit in Wien auf − Diplomat. Du verstehst?” Alexander nickte. „Es gibt ‚Eugen Onegin’ in Originalfassung, ein Gastspiel der Russischen Staatsoper. Du kennst diese Oper?”
Alexander sah sie fast empört an − ob er eine der wichtigsten und schönsten Opern Rußlands, ein Werk von Tschaikowsky, wohl kennen würde. Einige Teile könnte er mitsingen.
„Schon gut, schon gut”, beschwichtigte sie ihn, denn sie deutete sein Mienenspiel richtig. „Ich wollte es nur gefragt haben. Also kannst Du schon mal mit Deinen Kenntnissen bei ihr punkten. Sie wird Dich danach zu einem kleinen, späten Essen in ihr Stadthaus mitnehmen und Du sollst Ihr bis morgen früh zur Verfügung stehen.” Sie sah Konstantin an. „Kannst Du ihn einkleiden? Ihr habt wohl ziemlich ein- und dieselbe Konfektionsgröße. Tuxedo wäre vermutlich overdressed. Ich denke, ein dunkler Nadelstreifen genügt in diesem Fall. Es ist keine Premiere. Die war schon.”
„Klar, habe ich alles da, das weißt Du doch.” Konstantin erhob sich und auch Alexander stand auf.
„Und wer ist es?”
„Du wirst Dich bis 19 Uhr vor dem ‚Chez Alexandre’ einfinden und dort wird sie Dich mit einem weinroten Rolls-Royce abholen. Besorge Dir eine gelbe Rose und stecke sie an.”
„Nimm Dir eine aus unserem Garten”, schlug Konstantin vor.
„Danke, das spart einen Weg”, meinte der Prinz.
„Ich weiß nicht, wie sie sich Dir vorstellen wird. Du wirst jedenfalls als ‚Großfürst’ auftreten. Sollte Dich deswegen jemand mit ‚Kaiserliche Hoheit’ ansprechen, genieße es und spiele die Rolle. Mach’ einfach auf Nebenlinie, dann passiert schon nichts, sollte sie jemandem begegnen, der gut informiert ist.
„Komm, mein Lieber”, stieß Konstantin Alexander an. „Jetzt gehst Du erst einmal duschen, richtest Dich und dann suchen wir aus meinem Fundus etwas für Dich aus. Ein Stück Weg hast Du ja, also wollen wir keine Zeit verlieren.” Er drehte sich um. „Bringst Du ihn, Lou, oder soll ich?”
„Nein, ich mach’ das schon.” Sie wollte sichergehen, daß alles glatt ablief.
Konstantin nahm Alexander bei der Hand und zog ihn mit sich. Louisiana grinste.
„Ihr gebt ein hübsches Paar ab”, rief sie beiden hinterher.
„Willst Du baden?”
Konstantin „drohte” mit wackelndem, erhobenen Zeigefinger in die Luft. Sie wollte nicht und sagte nichts mehr.
Es war besser so, denn Augenblicke später ertönte erneut das Klingelzeichen ihres Handys.
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Alexander stieg unter die englische Brause, ließ aber die Kabinentür offen, damit sie sich besser unterhalten konnten. Konstantin hatte sich auf einen Holzschemel gesetzt. Der Prinz duschte sich erst einmal ab und bat seinen Freund, ihm die Haare zu waschen. Er liebte es, wenn das jemand für ihn übernahm. Da Konstantin nackt war, ging er einfach zu ihm in die große Kabine hinein, zog die Tür zu, hieß Alexander, sich zu ihm umzudrehen und die Augen zu schließen. Dann schäumte er ihn ein erstes Mal ein, massierte dabei gründlich die Kopfhaut und Alexander ließ bald ein leises Brummen des Wohlbefindens vernehmen, was Konstantin schmunzeln ließ. Er spülte ihn ab und wiederholte die Prozedur, nur daß es nun noch stärker schäumte und der Prinz eine dicke weiße Schaumkrone trug. Alexander streckte die Arme zur Seite und stützte sich an den Kabinenwänden ab. Konstantins Sozialverhalten gefiel ihm. Der spülte ihn wieder ab und drückte sich erneut Shampoo in die rechte Hand.
„Deinen Pelz auch”, verkündete er lapidar und schon wurde Alexanders dichte braune Krönung seines „Großfürsten” eingeschäumt und gründlich gereinigt. „Es wäre nicht so gut, wenn Du schon zu Beginn dort verschwitzt riechen würdest, nicht?”
Alexanders gewölbte Brust hob und senkte sich ein wenig deutlicher, als er sagte:
„Nun kannst Du mich auch komplett waschen. Ich wollte schon immer mal einen Badediener haben” und lächelte dabei genießerisch. „En avant!”
Konstantin zögerte einen Moment. Bekamen sie beide unerwartet homoerotische Anwandlungen? Er hatte in der Sauna schon junge Mädchen gesehen, die sich gegenseitig gereinigt hatten. Waren sie deswegen gleich lesbisch? Sicher nicht. Was sollte es also.
„Wenn Du es möchtest”, sagte er lässig. „dann mache ich es gern, wenn Du mir auch mal den Gefallen tust.”
„Sicher, kein Problem”, erwiderte der Prinz, „aber nun mach’ voran, sonst komme ich am Ende zu spät und verpasse alles.” Damit schloß er die Augen und ließ sich einseifen, einschließlich des „Großfürsten”. Daß der sein Wohlbefinden deutlich anzeigte, gehörte für Alexander zum Wohlfühlprogramm dazu. Und Monsieur Bouchon freute sich seinerseits bereits jetzt darauf, so zupackend behandelt zu werden, samt dessen, zu dem er gehörte.
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„Michael, was hältst Du davon, eine junge Dame zu einer Party zu begleiten und anschließend bei ihr zu bleiben, wenn sie es will?”
Louisiana hatte den Anruf einer reiferen Dame erhalten, die aber keinen Galan für sich wollte, jedenfalls an diesem Abend nicht, sondern für ihre zurückhaltende Tochter, ein Mädchen von zweiundzwanzig Jahren. Sie war Lou als sehr hübsch beschrieben worden, mit einer schönen Figur, sehr intelligent, aber ohne Freund, weshalb die Mutter sich Sorgen machte. Ohne festen Begleiter würde ihre Tochter immer weiter ausgegrenzt und bliebe ihr am Ende noch übrig, hatte sie Lou erklärt. Madame de Treville habe so geschwärmt und sie wolle es nun einmal auf diesem Wege versuchen, ihre Tochter ins Leben hinauszuscheuchen.
Michael war sofort Feuer und Flamme. Er würde sich nicht gleich auf Gala herausputzen müssen, seine Gespielin sei jung und sehr gutaussehend, und es reizte ihn, da sie vermutlich schüchtern sei. Eine wilde Katze von der Kette zu lassen, dazu gehöre nicht viel, dachte er sich, aber eine zurückhaltende in Flammen zu setzen, das sei doch mal eine Aufgabe, motivierte er sich und stimmte begeistert zu.
Lou zog ihr Bikinihöschen an, um auf dem Parkplatz vor dem Landhaus ihr „kleines Schwarzes” aus ihrem Wagen holen zu können.
Zurückkommend, zupfte sie es sich zurecht, nahm Michael bei der Hand, und winkte den Zurückbleibenden zu, die Michael ein freches „Mach’s gut, aber nich’ so oft” nachriefen, wofür er ihnen lachend den Stinkefinger in die Luft hielt.
Im Haus strebte Lou dem Ausgang zur Vorderseite zu, während Michael sich ins Obergeschoß begab, um in Konstantins Fundus nach etwas Passendem zu suchen. Da er seine Freunde nicht beim Ankleiden fand, sah er im Bad nach und bekam eben noch das Ende der intimen Reinigung mit.
Einen Augenblick blieb er stehen und nahm die Szene in sich auf. Da er Konstantin und Alexander in auf den ersten Blick eindeutig zweideutiger körperlicher Verfassung vorfand, überlegte er, ob die beiden spontan auf die Idee gekommen seien, auch mal etwas anderes auszuprobieren, da Kon Alex aber tatsächlich lediglich wusch, nahm er seine anfänglichen Gedanken sofort zurück. Da reinigten sich nur zwei Freunde. Honi soit qui mal y pense.
„Na, Ihr Zwei! Seid Ihr bald fertig? Ich müßte auch mal unter die Brause. Lou hat einen Auftrag für mich bekommen.”
Die jungen Männer sahen Michael überrascht an, Konstantin trat aus der Kabine heraus; daß Monsieur Bouchon noch etwas aufgeregt wirkte, störte ihn offensichtlich nicht. Alexander spülte sich derweil ab.
„Mach’ Sachen! Du gehst heute abend auch noch hinaus?”
„Hm-hm, und es scheint sehr angenehm werden zu können.” Michael lächelte in Vorfreude.
„Und was steht an?” Konstantin nahm ein Badetuch und trocknete sich ab. Dabei sah er Michael neugierig an.
„Ich soll eine Zweiundzwanzigjährige zu einer Party begleiten und dann bei ihr bleiben, wenn sie es wünscht. Ihre Mutter hat das Ganze arrangiert. Wir sind von Madame de Treville empfohlen worden.”
„Ach nee”, staunte Konstantin. „Die gute Treville! Kriegst Du da am Ende eine späte Jungfrau, hm?”
„Du, ich weiß nicht. Sie soll schüchtern sein. Vielleicht. Dann wäre es nicht nur eine vergnügliche, dann wäre es sogar eine wichtige Aufgabe, nicht wahr?”
„Kann man sagen. Das erste Mal ist verdammt wichtig. Wenn ich da an meine Premiere denke …, oh je.” Konstantin winkte ab, als wolle er sagen, „erinnere mich bloß nicht”, aber da war er bei Michael an den Falschen geraten.
„Na, jetzt nicht so schüchtern, heraus damit! Wie war’s bei Dir?”
Da wurden sie von Alexander unterbrochen. „Das können wir uns ein andermal beichten. Jetzt müssen wir uns auf unsere Einsätze konzentrieren.” Sagte es, während er aus der Kabine kam, nahm sich ein frisches Badetuch und rubbelte sich trocken.
„Er hat recht, Michael”, zuckte Konstantin mit den Schultern. „Willst Du ’nen Bademeister?”
„Nee, laß mal, ich mach’ das selber. Aber Du kannst mir ein paar frische Sachen herauslegen, Party eben. Und jetzt schiebt ab, den ‚Großfürsten’ zu richten. Raus mit Euch.”
„Ich putze mir nur noch die Zähne und rasiere mich”, sagte Alexander an, während Konstantin das Bad verließ und Michael in die Kabine kletterte, deren Milchglastür er sogleich hinter sich schloß.
Michael rieb sich gründlich mit einer milden und gut duftenden Waschlotion ein. Dabei dachte er unwillkürlich an sein erstes gemeinsames Duschen mit Maximilian Branbury in dessen elterlichem Schloß.
Plötzlich hörte er, trotz der rauschenden Brause, das laute Gurgeln Alexanders, der das Zähneputzen beendet hatte.
Maxi. Wie schön er war. Trotz seiner Größe fast noch knabenhaft wirkend, und doch schon deutliche männliche Züge. Schöne Züge. Er roch so gut, auch ohne Duschgels, und er hatte ihn plötzlich wieder in der Nase. Michaels Nasenflügel wölbten sich, er … da wurden seine sinnlichen Erinnerungen nicht minder schön unterbrochen. Alexander begann, à capella zu singen. Er tat das immer, wenn er besonders guter Laune war. Michael kannte das Stück. Es war die Arie des Fürsten Gremin aus „Eugen Onegin” … „Wer nie gekannt die Lieb auf Erden” … und er erlebte ein Nackenrieseln schönster Art. Und plötzlich freute er sich wie nicht gescheit, einem Mädchen, das darüber offenbar, außer vom Hörensagen, nichts wußte, zeigen zu dürfen, wie schön nicht nur seelische, sondern auch die körperliche Liebe sein kann. Er würde es dazu bringen, sich ganz vertrauensvoll fallenzulassen, um es wirklich genießen zu können. Es würde kein Vergleich sein zu dem, was er mit knapp Sechzehn erlebt hatte, was ihm nur als schale Erinnerung geblieben war. Michael empfand einen Moment der Scham, daß er ein so derart dummer Junge gewesen war. In der Sekunde hörte er ein lautes „Auh, Scheiße!” Alexander hatte sich beim Rasieren geschnitten und blutete ein wenig.
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Gegen 19.45 Uhr saß Alexander Nikolaijewitsch Kurijakin in der Opernloge neben Berenice von Wildenbruch, der Diplomatengattin.
Sie war eine schöne Frau, was sie durch eine gelungen gewählte Abendgarderobe unterstrich. Ihre schulterlangen, schwarzen, gewellten Haare trug sie offen. Von ihrer Stirn schlängelte sich eine hellgraue Strähne über ihren schönen Kopf. Es war nicht auszumachen, ob sie echt oder eingefärbt war, aber es verlieh ihr das sinnliche Signalement einer reifen, erfahrenen Frau.
Ihr Satinkleid war silbrig-weiß, gerade so dekolletiert, daß ihre festen, offensichtlich wundervoll geformten Brüste, betupft mit einigen wenigen, ganz hellen Sommersprossen, ein eleganter Augenfänger für jeden Mann und ein Anlaß zu Stutenneid für jede Frau waren; über ihre linke Schulter hing, vom einzigen größeren Schmuckstück, einer weißgoldenen Blattnadel gehalten, die mit Brillanten übersät war, ein schwarzes Seidentuch. Ihr schlanker Hals war straff und glatt, eine sinnliche Versuchung für sich, ihn mit Küssen zu bedecken. Ihre schlanken Hände, mit rundgefeilten, klarlackierten Fingernägeln wurden einzig links vom Ehering und am kleinen Finger von einem weißgoldenen, brillantenbesetzten Ring verziert. Ihre feinen, kleinen Ohren, die sie zeigte, wenn sie sich wie gedankenverloren die Haare zurückstrich, genügten sich in ihrer Schönheit selbst. Alexander fragte sich, wer denn so abgrundtief blöd sein könne, eine solche Frau nicht zu beachten und allein zu lassen.
Ihr Mann, nur wenige Jahre älter als sie, aber mehr mit seinem anspruchsvollen Beruf verheiratet, denn mit ihr, befand sich auf einer Konferenz in Wien, bei der ihre Anwesenheit nicht notwendig war. Sie diente ihm kaum mehr als ein exquisites Accessoire, wenn er seine eigene Attraktivität optisch gestärkt sehen wollte.
Berenice machte das gesellschaftliche Spielchen mit, weil sie nicht ins Abseits gestellt werden wollte. Zudem hatte sie eine sechzehnjährige Tochter, das Küken ihrer drei Kinder, von der sie alle Beeinträchtigungen fernzuhalten fest entschlossen war. Randolph, der Älteste, war bereits aus dem Haus, Ernest, ihr „Sandwich”, stand kurz davor, doch Aledaide brauchte ihr Elternhaus noch und das intakt, zumindest nach außen.
Dennoch war ihre Mutter nicht gewillt, sich jede Lebensfreude zu versagen. Sie hatte nicht nur das Geld ihres Mannes zur Verfügung, sondern auch ihr eigenes, denn sie stammte aus einer wohlhabenden Hamburger Kaufmannsfamilie mit erheblichen Einkünften aus ihren diversen Anteilen − und die gab sie aus, gerade wie es ihr gefiel. Es scherte sie auch nicht, wenn sie etwas vom Konto ihres Mannes nehmen mußte.
An diesem Abend gefiel es ihr, sich einen attraktiven jungen Mann gekauft zu haben. Ihre teure Freundin Clarissa Schastikow hatte sie, kaum halbwegs von dem Abenteuer im Golfclub erholt, auf diesen neuen Quell frischer und erheblicher Freuden hingewiesen. Begeistert hatte sie registriert, wer ihr geschickt worden war.
Vermutlich würde dieser „Großfürst” kein echter Großfürst sein, das war ihr schon klar, aber sie hatte einen Blick für die Einschätzung gesellschaftlichen Ranges und war sich gewiß, daß sie einen schönen Vertreter einer Familie gehobenen Adels vor sich hatte. Warum eigentlich nicht, hatte sie sich gesagt. Seinen Titel und Namen wollte sie gar nicht wissen. Sie wollte seine Gesellschaft und sie wollte seinen Körper. Den Umschlag mit fünf Zweihundert-€uro-Scheinen hatte sie der Kleinen im kleinen Schwarzen dezent übergeben, die sich mit einem lächelnden „Er gehört ganz Ihnen, Gnädigste” verabschiedet hatte.
Ihr Großfürst erwies sich schnell als ein geübter Partner im unverbindlichen Kleingespräch. Sie empfand ihn als charmant, und verboten, ja beunruhigend gutaussehend. Berenice vermutete ihn unter seiner noblen Abendgarderobe als sehr gut gewachsen und gestand sich mit einem feinen Lächeln ein, daß sie die Opernvorstellung am liebsten gestrichen hätte, um ihn gleich … Nun ja, man lasse doch schon mal die Suppe weg und gönnte sich den Hauptgang ohne Umwege. Dann wäre mehr Platz im Magen, irgendwie so, nicht?
Adelaide hatte sie, schneller als sonst, erlaubt, auf die Pyjamaparty einer Freundin zu gehen und bis zum nächsten Tag fortzubleiben, ihr gar das Geld gegeben, ihre Freundinnen zu einem ganzen Tag in einer Sauna- und Badelandschaft einzuladen. Sie solle sich mal richtig amüsieren und keineswegs an hübschen, nackten Burschen vorbeischauen. „Aber Mama!” war die gespielt „empörte” Reaktion ihrer schönen Tochter, aber nach einem leichten Erröten hatte sie dann doch gelacht und sich überschwenglich bedankt.
Ernest war mit einem Freund für die Dauer der Ferien auf die Balearen abgeflogen und würde sich dort heftig die Hörner abstoßen, dessen war seine Mutter sich gewiß. Er war ein schöner Junge und hatte „schwer Schlag” bei den Mädels.
Nun, da Adelaide „versorgt” war, hatte Berenice sich seit langem einmal wieder die ersehnte „sturmfreie Bude” geschaffen, nur daß es keine Bude war, sondern eine große Stadtvilla, in der sie sich von einem jungen Galan auch „jagen” lassen konnte. Mal wieder kreischend wie ein junges Mädchen vor einem wilden Hengst davonzulaufen, nur um sich einfangen zu lassen − darauf freute sie sich wie ein Teenager, der aufgeregt etwas Verbotenes tut, von dem die Eltern nichts wissen dürfen. Nur, daß es bei ihr die Kinder waren, vor allem ihre Kleine. Ihr Ehemann war ihr diesbezüglich eher gleichgültig. Wer konnte schon wissen, was er so alles im Dienst des Vaterlandes außerhalb der deutschen Grenze triebe, würde es ihm nach Dienstschluß langweilig.
„Der Kongreß tanzt”, hatte es schon 1814 in Wien geheißen und beim bloßen Tanzen war es damals ganz sicher nicht geblieben. Gerade Allerhöchste Personen waren dafür bekannt, ihre Gene fleißig verstreut zu haben. Was ihr Gatte innerhalb der deutschen Grenzen trieb, davon hatte sie eine gewisse Vorstellung.
Alexander genoß die einzigartige Atmosphäre, die von einem großen Vorstellungsraum voller Menschen und einem sich mit Instrumentenstimmung vorbereitenden Orchester kurz vor dem Einsetzen der Ouvertüre und dem Heben des Vorhangs ausgeht. Dieses Summen und Brummen, verursacht durch die letzten Unterhaltungen, bevor es ganz still wird und der Begrüßungsapplaus für den ans Pult tretenden Maestro aufbrandet, empfand er als zutiefst anregend und die wohlige Erwartung des Kunstgenusses steigernd. An diesem Abend war es für ihn zugleich die Erwartung nicht nur finanziell beglückender erotischer Stunden.
Da erklangen die letzten Gongtöne als Aufforderung die Plätze einzunehmen, bevor die Zugänge geschlossen und erst zur Pause wieder geöffnet würden, die Beleuchtung wurde zügig heruntergefahren. Es schimmerte nur noch schwach das Licht aus dem Orchestergraben, der Dirigent, ein Italiener, kam herein, verneigte sich, der Applaus verstummte, der Maestro hob den Taktstock − und es begann.
Alexander und Berenice waren allein in der Loge, offenbar eine Dauerloge der Wildenbruchs, wie der Prinz annahm, weshalb es allein an ihnen lag, ob man alle vier Plätze belegte oder nicht. So bemerkte außer Alexander niemand, was während der musikalischen Ouvertüre geschah. Die erotische hob ebenfalls an.
Berenice hielt ihren Blick fest auf die Bühne gerichtet, doch ihre rechte Hand begann, Alexanders Schoß zu erkunden. Zärtlich strich sie über die deutlich tastbare Wölbung. Alexander rutschte ein wenig nach vorn, öffnete seine Beine und lehnte sich wieder zurück. Er spürte, wie sein Blut dorthin strömte, wo Berenice es haben wollte und es ihm selbst sehr willkommen war. Als er ihre Hand nahm und führen wollte, entzog sie sich ihm und klopfte ihm mit einem stummen „Na, na!” auf die Finger. Sein Schwanz hatte sich bald zur vollen Größe gestreckt. Als sie es fühlte, ging sie einen Schritt weiter und knöpfte langsam seinen Schritt auf, ehe sie hineinfaßte und den „Großfürsten” ergriff. Alexander atmete unwillkürlich tief ein und zitternd wieder aus. Dabei schloß er die Augen. Berenice hatte es bereits geschafft, ihn von der schönen Musik und dem Gesang abzulenken. Er hatte nicht damit gerechnet, daß sie, wenn auch im Dunklen sitzend, schon während der Vorstellung die Initiative ergreifen würde − und wie sie sie ergriff − buchstäblich. Und sie ergriff sie nicht nur, indem sie „ihn” ergriff, sie stimulierte ihn durch sanfte Bewegungen, übte Druck mit ihrem Daumen aus, daß es Alexander bald schwerfiel, nicht hörbar aufzustöhnen.
In der Loge genau gegenüber wurde ein Opernglas nicht auf die Bühne gerichtet, um die Kostüme zu studieren, sondern dazu benutzt, aus dem Halbdunkel heraus die Vorgänge in der Wildenbruch-Loge zu beobachten.
Madame de Treville hatte ihre Busenfreundin Müller-Gantermann in ihre Familienloge eingeladen und ihr eine interessant-anregende Extravorstellung versprochen. Dagmar-Schätzchen konnte dem nicht widerstehen.
„Sieh nur, wie gelassen sie tut und zur Bühne schaut, dabei hat sie den jungen Hengst bereits im Griff, wenn Du verstehst, was ich meine.”
„Ob ich verstehe, was Du meinst, Du schlimmes Geschöpf! Genau da, wo sie ihre Hand hat, hätte ich meine jetzt auch gern.”
Die Freundinnen kicherten leise auf.
„Der Junge hat schon die Augen geschlossen − kannst Du es sehen?”
Eleonore de Treville leckte sich die Lippen. Sie wußte, was kommen würde, denn sie hatte par distance den gleichen lustvollen Gedanken.
„Berenice wird bald etwas fallenlassen, und dann abtauchen, um ihn …”
„Sprich es nicht aus, ich bitte Dich, sonst kann ich mich nicht mehr beherrschen.”
„Oh, wie ungeschickt von mir“, schalt Berenice sich mit unterdrückter Stimme. „Jetzt sind mir doch tatsächlich die Bonbons heruntergefallen. … Bemüh’ Dich nicht, mein Lieber, ich mach’ das schon.”
Sie erhob sich, um sich im nächsten Moment zur Seite zu bücken und im Halbdunkel der Loge zu verschwinden. Einen Augenblick später seufzte Alexander leise auf, sog scharf seinen Atem ein, atmete durch die Nase aus und biß sich auf die Unterlippe. Berenice hatte gefunden, wonach es sie gelüstete.
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Michael hatte sich fesch zurechtgemacht. Er wußte noch nicht, wie seine Partnerin für die nächsten Stunden aussah, wie sie auf ihn wirken würde. Er hoffte insgeheim, sie möge ihm auch privat gefallen, denn als rein mechanisch abarbeitender Jungfernheld war er sich in dem Moment doch etwas zu schade.
Auch die beiden sollten sich vor dem „Chez Alexandre” treffen. Michael bezog gerade Position, als er sie kommen sah. Er hatte nur eine vage Beschreibung erhalten, aber er wußte augenblicklich, daß sie es sein mußte.
Cecilia.
Sie stach unter all den Menschen, die den Platz vor dem großen Bistro belebten oder einfach nur vorbeiliefen, wie ein leuchtendes Signal hervor. Das Mädchen fiel auf, obwohl es das, von seiner Aufmachung her, selbst wohl eher verbergen wollte. Es hätte nur noch gefehlt, daß sie eine altmodische Hornbrille getragen haben würde. Sie kam näher und hatte Michael offenbar als ihr Rendezvous erkannt.
„Verzeihen Sie, sind Sie der Chevalier?” Sie sah ihn mit offenem Blick an, aber Michael bemerkte ihre Zurückhaltung dennoch. Ihr schien nicht wirklich wohl zu sein bei dieser Begegnung. Wer weiß, dachte Michael sich, was ihre Mutter ihr zur Einstimmung auf den Abend und eventuell gar die ganze Nacht an Instruktionen mitgegeben hatte. Er ahnte es nicht. Daß er bereits bezahlt worden war, erfuhr er sogleich.
„Ihre Agentin hat Sie uns vorhin so beschrieben, als Sie bei uns war.”
Die geschäftstüchtige Lou! Sie hatte nichts dem Zufall überlassen und die Peinlichkeit, daß das Mädchen das Geld hätte übergeben müssen, bereits ausgeschaltet.
„Zu Ihren Diensten, mein Fräulein”, verneigte sich Michael und nahm Cecilias Hand. Beider Händedruck war fest. Daß ihrer es war, überraschte ihn ein wenig. Er hatte mit einer gewissen Laschheit gerechnet. Den Handkuß vermied er in der Öffentlichkeit.
„Ich freue mich, daß wir uns gleich erkannt haben”, lächelte er sie an. „Wollen wir uns bei einem kleinen Aperitif im Bistro ein wenig unterhalten?”
Sie nickte, sagte aber nichts. Michael nahm sie bei der Hand und zog sie sanft mit sich.
Im Alexandre fand er zu dieser Stunde noch ein Plätzchen, das ihnen ein gewisses Maß an Intimität beim ersten Kennenlernen bot. Er rückte ihr einen Stuhl zurecht und nahm an dem kleinen Tisch genau ihr gegenüber Platz. Die Bedienung kam schnell, und er bestellte zwei Fruchtsaftcocktails mit etwas Armagnac, wenn es ihr recht sei. Cecilia nickte wieder − stumm.
Michael betrachtete sie. Nicht aufdringlich, aber ein freundliches Interesse signalisierend, das über oberflächliches Kennenlernen hinausging. Er wollte wissen, wen er vor sich hatte.
Cecilia war schwarzhaarig. Sie trug ihre rückenlangen, glatten Haare offen, in der Mitte gescheitelt. Er schätzte ihre Körpergröße auf nicht mehr als 1,74 m. Sie mochte 53, höchstens 54 kg wiegen. Ihre Haltung im Sitzen war gerade und nicht zusammengesunken. Sie hatte eine schöne Büste, aber sie war verhüllt. Cecilia trug ein kurzärmeliges buntes Sommerkleid, mit einem weißen Gürtel um ihre schmale Taille. Ihre schlanken nackten Füße steckten in weißen Pumps. Ihre Hände waren feingliedrig, sehr gepflegt, mit leicht spitz zugefeilten, klarlackierten Fingernägeln. Cecilia hatte schöne, schlanke Arme. Ihr Gesicht war entzückend hübsch, mit einer schmalen, schönen Nase, die sich immer wieder ein wenig kräuselte. Es war wohl ein Zeichen ihrer Nervosität. Ihre leuchteten Augen waren dunkelbraun und hatten einen leichten Schimmer von Traurigkeit. Michael hielt im Moment alle Männer, die dieses Mädchen bisher unbeachtet gelassen hatten, für ausgemachte Esel. Cecilia war zauberhaft. Und sie musterte Michael nicht weniger aufmerksam, als er sie.