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Michael konnte nicht glauben, daß er tatsächlich eine Jungfrau vor sich haben sollte, wohlgemerkt eine Jungfrau, keine Sternzeichengeborene. Er wußte plötzlich nicht mehr sicher, wie ihr Status am nächsten Morgen sein würde, aber eines wußte er: sie müßte mehr aus sich machen. Da war eine Menge ungehobenes Potential. Sie müßte andere Klamotten bekommen. Cecilia war offensichtlich nicht geschminkt. Michael mochte allzu deutlich „angemalte” Mädchen und Frauen nicht, aber dezent die Optik zu betonen, das war auch nach seiner Ansicht nie verkehrt.
Da wurden die Cocktails gebracht, und er entschloß sich, den Abstand zwischen ihnen in einem ersten Schritt zu verringern. Er wußte ihren Vornamen und sie sollte seinen wissen. Michael hielt es für zu steif und unromantisch, ein Mädchen entjungfern zu sollen, das ihn selbst in Ekstase nur „Chevalier” nennen könnte. Mit reiferen Frauen würde ihm das vermutlich egal sein, da galt es nicht, eine echte Jungfernschaft zu erobern, aber hier lagen die Dinge anders.
Er erhob sein Glas, stieß mit Cecilia an und stellte sich noch einmal vor.
„Ich heiße Michael. Auf einen schönen Abend für Sie und uns beide.” Dabei sah er ihr fest in die Augen. Sie hielt inne und seinem Blick stand, trank dann aber doch und senkte ihre Augen. Beim Abstellen ihres Glases räusperte sie sich ein wenig. Sie war nervös. Michael gefiel das.
„Was …?” Sie sagten es gleichzeitig, sahen sich an und mußte beide lächeln. Michael empfand es als sehr angenehm, daß sie sich bereits ihr erstes Lächeln schenkten.
„Sie zuerst, Cecilia. Was möchten Sie wissen?”
„Was machen Sie beruflich, Michael?”
Der junge Graf war überrascht. Sie ging offenbar davon aus, daß er kein hauptberuflicher Gigolo war. Michael war plötzlich bereit, mit offenen Karten zu spielen, nur seinen vollständigen Namen würde er ihr nicht sagen. So gab er zu, zu studieren, wobei Cecilias Mimik sich deutlich aufhellte.
Ob er eine Freundin habe und ob er schon mit vielen Frauen geschlafen habe, wollte sie wissen.
Michael hatte Mühe, zu verbergen, wie baff er war. Das hörte sich nicht gerade nach schüchtern an. Die Frage war höchst indiskret, und er wußte von anderen Frauen, daß sie solch eine Frage für ausgesprochen dämlich hielten, aber er fand sie gar nicht so schlimm. Wie sollte sie auch wissen, ob er Erfahrung hätte. Die optische Alterseinschätzung kann da sehr irreführen. Aber was mochte ihre Mutter ihr gesagt haben, was an diesem Abend und der folgenden Nacht stattfinden sollte? Er schmunzelte, verneinte den ersten Teil ihrer Frage und bekannte, er könne es noch überblicken. Michael strich die Vorstellung, sein hübsches Gegenüber sei timide, er vermutete eher, daß sie einmal extrem enttäuscht worden sein müsse und sich daher verschlossen habe. Vielleicht war auch das der Grund, warum sie eher etwas bieder gekleidet war, statt aus ihrem Typ mehr zu machen. Dann erlebte er seine nächste, große Überraschung.
Cecilia nahm einen großen Schluck ihres Cocktails, als wolle sie sich Mut antrinken, und …
„Meine Mutter hat in ihrer großzügigen Fürsorge und Liebe für mich beschlossen, daß ich endlich meine Jungfernschaft verlieren solle und deshalb meine Begegnung mit Ihnen arrangiert. Und ich habe zugestimmt, weil ich neugierig war, wie das ablaufen und wem ich wohl begegnen würde. Die optische und eine erste Manierenprüfung haben Sie bestanden, Michael, und jetzt dürfen Sie mich küssen. Und danach werde ich entscheiden, ob Sie mich im Laufe dieser Nacht entjungfern und darüber hinaus mit mir schlafen dürfen.”
Michael blieb der Verstand stehen. Er hatte mit allem gerechnet, nur damit nicht. Dieses Mädchen war alles andere als schüchtern, und ein dummes Ding war es auch nicht. Cecilia wußte genau was sie wollte. Das Kommando hatte nicht er, das hatte sie.
Michael sah sie einen Moment durchdringend an, ehe er sich vorbeugte, sie sich ihm zubeugte, sie beide ihre Köpfe gegensätzlich leicht schräglegten, die Augen schlossen und ein erstes Mal ihre Lippen sich berührten. Ein Wärmestrahl durchfuhr seinen Körper, ehe er seinen Mund öffnete und seine Zunge nach ihrer forschte, sie ihre lechzend in seinen Mund vorschob und beide miteinander im Tanz verschmolzen. Ohne sich sonst zu berühren, blieben sie so eine gefühlte Ewigkeit miteinander verbunden. Als sie sich schließlich lösten, hatte Cecilia leicht glasige Augen und mußte sich einen Moment lang „sortieren”. Michael war seinerseits leicht benommen und registrierte deutlich, daß Monsieur Bouchon einsatzbereit war.
„Laß uns gehen”, flüsterte Cecilia ihm zu. „Ich möchte auf der Party tanzen, ehe wir uns …, Du weißt schon.”
„Aber erst küssen wir uns noch einmal … auf einem …”, forderte Michael wie ein Teenager, der weiter üben wollte, doch konnte er im Augenblick nichts weiter sagen, denn Cecilia hatte ihm bereits den Mund verschlossen.
*
Es kostete Alexander seine ganze Kraft, sich zu beherrschen. Berenice machte ihn wahnsinnig. Soweit er überhaupt noch denken konnte, empfand er sie als die wohl schamloseste Person, die ihm je untergekommen war. Untergekommen? Sie war über ihn gekommen.
Es erschien ihm bereits wie eine Ewigkeit, daß sie an ihm saugte und leckte. Er wollte sie schon auffordern, das „Bonboneinsammeln” zu beenden, ehe aus den Nachbarlogen spitze „Anfragen” kommen würden, ob man bei ihnen mitmachen dürfe, aber gleichzeitig fühlte er sich so stimuliert, wie selten zuvor. Es machte vielleicht auch der Reiz des Verbotenen, es in von großer Kunst erfüllter Umgebung zu treiben. Aber große Kunst geschah auch an ihm. Berenice genoß es nicht nur, sie gab ihm ein wundervolles Gefühl, begehrt zu sein.
Er schluckte, sog den Atem tief durch die Nase ein, als er es heranrauschen fühlte, zu zucken begann, sich die rechte Hand auf den eigenen Mund preßte, damit sein Aufstöhnen gedämpft würde, ehe Berenice alles empfing, was er zu geben hatte. Er hielt die Augen geschlossen, atmete befreit auf. So sehr er es genossen hatte, so froh war er, daß es vorbei war. Noch nie hatte eine begabte Frau derart bei ihm abgesahnt. Würde er es seinen Freunden berichten, sie glaubten es ihm vermutlich nicht.
Berenice bewegte sich, wie suchend, zu ihrem Platz zurück.
„Ist es denn die Möglichkeit, wie viele Bonbons allein in einer Tüte sich befinden, und ich ungeschicktes Dummerchen lasse alle fallen. Paß auf, mein Lieber, wo Du hintrittst, sonst dürfen wir noch die Reinigung für in den Teppich eingetretene Süßigkeiten bezahlen. Nicht wahr, Du paßt doch auf, ja?”
„Aber sicher, Liebe, ich werde darauf achten.” Alexander amüsierte sich über ihre Unverfrorenheit.
Berenice richtete kurz ihre Kleidung und setzte sich wieder hin. Der Prinz selbst war mental zurück und nahm Tschaikowskys schöne Musik wieder wahr. Der „Großfürst” verschwand in seinem etwas engen, aber warmen Quartier. Hosenstall zu.
„Hast Du Töne”, zeterte Madame de Treville verhalten. „Sie hat ihn vor unser aller Augen gemolken. Man glaubt es ja nicht.” Damit setzte sie das Opernglas ab und wandte sich flüsternd ihrer Freundin zu, die vor lauter Neid ganz schmale Augen bekommen hatte.
„Das hätte ich von Berenice nicht gedacht.”
„Natürlich haben wir das von ihr nicht gedacht, obwohl wir stillschweigend alle genau das von ihr gedacht haben, so wie sie vernachlässigt wird. Daß sie aber die Chuzpe aufbringt, gleich hier ihre Lust auszuleben, das ist ein starkes Stück. Und gib zu, Du hättest es auch gern getan. Trau Dich, es abzustreiten.”
„Natürlich hätte ich, aber der schöne Bursche sitzt nun mal drüben bei Berenice und nicht bei uns zwei unbeachteten Chaisen. Verdammt, sie ist schon ein Satansweib.”
„Aber Dagmar, Süße, was sind denn das für Reden?”
„Ach hör auf! Dir läuft der Sabber doch auch schon aus den Mundwinkeln!”
„Mir läuft der Saft ganz woanders, Schätzchen, und achte mal lieber auf Dich selbst, nicht wahr.”
„Und wir wären ganz zufrieden, wenn die Damen nebenan dazu übergehen könnten, wieder auf die schöne Vorstellung zu achten, statt erotische Volksreden zu halten”, ertönte eine ungehaltene Männerstimme aus der Loge rechts von ihnen.
„Ups!”
„Meine Güte auch”, und das unterstrichen die beiden Vernachlässigten mit einem leisen Kichern.
Alexander bemerkte erst etwas später, daß ihn sein rechter Zeigefinger schmerzte. In der nächsten Pause betrachtete er ihn. Er hatte sich im Höhepunkt selbst quer gebissen.
„Oh!”
*
Cecilia war mit Michael auf der Party ihres Cousins York Heygenrath sofort aufgefallen. Niemand konnte sich erinnern, sie je in männlicher Begleitung gesehen zu haben, wenn man von ihrem Vater und ihren Brüdern einmal absah. Entsprechend wurde sie bestaunt und Michael eingehend gemustert.
York feierte seinen 25. Geburtstag und zugleich sein bestandenes Physikum. Er war Medizinstudent. Ein großer, gutgewachsener und blendend aussehender Mensch, braungebrannt, mit streng, ohne Scheitel zurückgekämmten goldblonden Haaren. Für sein Alter eher ungewöhnlich, trug er einen ebenso goldblonden Schnurrbart.
Er hatte die Nichte seiner Mutter sehr herzlich mit zwei Wangenküssen begrüßt, sich artig für das mitgebrachte Buchgeschenk bedankt und mit nur kurz aufblitzendem Staunen, dann aber sehr freundlich Michael willkommen geheißen. Der entschuldigte sich ein wenig verlegen, ohne Präsent gekommen zu sein, wurde aber formvollendet beruhigt, daß seine Anwesenheit Geschenk genug sei. York fragte ihn sogleich, ob er Lateinamerikanisch tanzen könne, was Michael mit einem kessen Lächeln bestätigte. Das sei gut, denn gleich gehe das Tanzen los, und als erstes wäre Lambada aufs Parkett zu legen.
Cecilia wollte erst abwehren, aber Michael ließ es nicht zu, sie solle einfach locker mitmachen, er führe sie schon. Im Obergeschoß des Hauses war ein großer Salon bis auf Sitzmöbel am Rande ausgeräumt worden und als York das Signal für die Musik gab, legten zehn Paare, die sich aufgestellt hatten, schwungvoll los. Die meisten Mädchen trugen kurze Röcke und waren mit knappen, bunten Oberteilen bauchfrei bekleidet. Sie waren allesamt gertenschlank und sahen toll aus. Ihre Tanzpartner waren durch die Bank durchtrainierte junge Männer in körperbetonter Kleidung.
Michael fiel sofort aus dem Rahmen, denn er legte seine Oberbekleidung ab und tanzte als Einziger mit nacktem Oberkörper. Cecilia wurde rot, aber es gefiel ihr. Sie bekam einen weiteren optischen Vorschuß auf das, was sie nach der Party erwartete, denn sie hatte sich längst entschlossen, mit Michael die Nacht zu verbringen − und er offenbar auch, Auftrag ihrer Mutter hin oder her, denn bei dem körperengen Tanzen bemerkte sie schnell, wie erregt er war, sie zu spüren. Die Musik packte sie beide und bald tanzten sie in der Mitte der sich lasziv miteinander bewegenden Körper. Cecilia verlor alle Scheu, verlor alle Angst, sie könnte vielleicht nicht mithalten. Michael führte sie so mitreißend, daß sie in einen innerlichen Schwebezustand geriet. Für sie war es bereits Sex, was sie mit ihm erlebte, was sie fühlte. Und so nah bei ihm, sein schönes Gesicht vor sich, seinen herrlichen Oberkörper, seinen Schoß, der sich im Rhythmus der Musik an ihrem rieb, seine Erektion − in Wellen durchströmte sie das wachsende Verlangen mit ihm allein zu sein, ganz allein, sich ihm hinzugeben, seine Haut, seine Wärme, seine erotische Hitze zu spüren und seinen angenehmen Körperduft in sich aufzunehmen, sich mit ihm zu vermischen. Sie konnte nicht mehr verstehen, warum sie als erste Reaktion auf den Vorschlag ihrer Mutter ungehalten, ja böse reagiert hatte. Nun war sie dankbar, daß sie die mit Siebzehn gemachte, schlechte, ja böse Erfahrung hinter sich zu lassen bereit war. Ihre Neugier und ihr Wille, endlich ein gerade auch erotisch erfülltes weibliches Leben zu leben, hatten gesiegt.
Da wirbelte Michael sie noch einmal herum und die Musik war zu Ende. Aufjauchzend umarmte Cecilia ihren Tanzpartner und küßte ihn vor aller Augen − und sie küßte ihn intensiv. Ihr Cousin sah es und staunte nicht schlecht, welche Wandlung sie durchmachte.
Nachdem die mittlerweile aufgewühlten Paare sich gesammelt hatten, wurde die Samba als nächster Tanz aufgerufen. Cecilia sah Michael kurz fragend an, sein Blick sagte ihr „kein Problem” − und schon ging es los.
Michael hatte es total drauf. Er führte sich auf, als wären sie beim Straßenkarneval in Rio. Kurz sah Cecilia ihm zu, staunte einfach nur − und dann riß er sie wieder mit.
Nach einigen Minuten heißer Rhythmen und wilden Tanzfiguren drehte Michael sie so, daß sie mit dem letzten Wirbeln genau in seinen Armen landete. Im allgemeinen Jubeln hatte er sie fest im Griff und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuß auf den Hals. Er roch ihren Schweiß, spürte ihre Hitze und wäre mit ihr am liebsten in einem leeren Zimmer verschwunden. Sie sah ihn an. Er las in ihren Augen, daß sie ihm widerstandslos folgen würde, doch dann rief York zum Tango auf. Die Bandonion-Musik hob an, und nun zeigte Michael seiner Gespielin, was er unter erotischem Tanzen verstand. Schon bald hörten die anderen Paare auf und sahen den beiden nur zu.
Cecilia gab sich vollständig Michaels Führungskraft hin, dabei zog sie mit, als hätte sie es zuvor trainiert. Ihre eigene Musikalität half ihr vortrefflich dabei.
Als das Bandonion-Playback verklang und Cecilia tief atmend, an Michaels Körper gepreßt, in seine Augen sah, war es um sie geschehen. Ihr Kopf wollte ihn, ihr Schoß wollte ihn. Seine fühlbare Erregung übertrug sich auf sie − und im nächsten Augenblick küßte sie ihn so wild und leidenschaftlich, daß ein Raunen durch die Anwesenden ging. York begann Beifall zu klatschen, in den alle einstimmten und ihn mit lautem Jubel begleiteten.
Lachend sah sich das neue Paar an und herzte sich gleich darauf Wange an Wange, ehe alle Mittänzer auf es zutraten und mit Schulterklopfen beglückwünschten.
„Cilly, ich wußte gar nicht, daß Du so phantastisch tanzen kannst”, kommentierte ihr Cousin, wessen er gerade Zeuge geworden war.
„Du weißt so manches nicht, Yo”, erwiderte sie keck mit einem gewissen Stolz in der Stimme und lächelte ihn mit neuem Selbstbewußtsein an.
„Und Du, mein Lieber”, wandte er sich an Michael, „Du bist wirklich ein Teufelskerl auf dem Parkett. Alle Achtung!”
„Ach, nicht so wild”, wehrte Michael bescheiden ab, „das gehört zur gesellschaftlichen Ausbildung dazu. Aber es hat mir Spaß gemacht, hier mal wieder aufdrehen zu dürfen.”
„Das hat man wahrlich gesehen, und Deine Ausbildung muß vom Feinsten gewesen sein, denke ich mir.”
„Ja, es war ganz gut”, stapelte Michael tief.
„Und was hast Du sonst noch so zu bieten, ich meine tanzmäßig?”
Michael räusperte sich, um sich nicht zu versprechen und meinte …
„Wenn Du zwei Säbel und einen Kilt samt Dudelsackspieler im Haus hättest, dann zum Beispiel auch den schottischen Säbeltanz, aber jetzt würde ich mich gern ein wenig frisch machen, sonst wischte ich meinen Schweiß nur in den Polstern ab.”
„Oder an mir”, dachte Cecilia, und es gefiel ihr, daß sie das dachte.
„Aber natürlich, mein Lieber. Folge mir bitte zum Bad.” Mit einem frechen Augenzwinkern verabschiedete Michael sich kurz von der überwältigten Cecilia, die sich mit beiden Händen Kühlung zufächelte, und ging York hinterher.
„Sag’ mal, wo hast Du denn dieses Prachtexemplar her?” wollten gleich zwei Tänzerinnen von Cecilia wissen.
„Ach, er ist mir zugelaufen”, schmunzelte sie und beendete mit einem „Wo gibt’s denn ‘was zu trinken?” jeden Ansatz zu einer Nachfrage, aber das alles hörte Michael nicht mehr.
*
York öffnete eine Tür und schaltete das Licht an. „So, hier kannst Du Dich frisch machen.”
Er betrat ein großes, sehr geschmackvoll eingerichtetes Bad. Ein Tageslichtbad mit Milchglasfenstern, aber die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Michael folgte ihm und sah sich um.
„Dort findest Du verschiedene Seifen, wohlriechende Körperöle, Lotionen und Parfüms. Bediene Dich nach Belieben. Und dort”, er zeigte auf einen Schrank, „findest Du frische Handtücher. Du kannst auch duschen, wenn Du möchtest. Fühle Dich wie zu Hause.”
„Ich danke Dir, das ist sehr liebenswürdig”, lächelte Michael ihn an. York erwiderte es, klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich um, den Baderaum zu verlassen, als er sich an der Tür noch einmal umdrehte.
„Du machst meine Cousine sehr glücklich. Ich sehe das. Und da ich sie sehr gern habe, mag ich auch Dich. Es ist schön, daß Du ihr so gut tust. Betrachte Dich als Ehrengast dieses Hauses.”
York sah den überraschten Michael einen intensiven Moment lang an, ehe er hinausging und die Tür leise schloß.
Michael stützte sich auf dem Rand des hellgrünen Waschbeckens ab und sah in den Spiegel. Was würde dieser Abend, diese Nacht noch bringen? Einen wilden Fick mit einem kleinen Blutfleck auf dem Laken und einem ausgiebigen Après−Schmusen, ein Arm-in-Arm-Einschlafen und ein leises, verstohlenes Hinausschleichen, ehe Cecilia aufwachen würde und ihn vielleicht mit dem süßesten „Guten Morgen, Liebling” an sich fesseln könnte? Michael war plötzlich unsicher geworden. Und wieder erinnerte er sich an den kleinen, aber nachhaltigen Vortrag Maximilians über die Hure. War er eine männliche Hure? Ein Gigolo, der dabei war, sich zu verlieben? Gleich beim ersten Einsatz! Würfe ihn das nicht sofort aus dem Geschäft? Könnte er zärtliche Gefühle völlig ausschalten, wenn er andere Frauen bediente? Er spürte, daß sein Unterbewußtsein anheben wollte, ihm Vorhaltungen zu machen, aber …
Seine Blase unterbrach seine schweren Gedanken. Sie drückte. Michael schlüpfte aus seinem Schuhwerk, zog seine Socken aus, stieg aus seiner Hose und setzte sich zum Urinieren nieder. Nach dem Spülen begann er, sich zu waschen. Er nahm dazu zunächst nur kaltes Wasser. Michael war abgehärtet, es machte ihm nicht aus. Er warf sich einige Handvoll ins Gesicht und über dem Waschbecken gegen den Oberkörper. Da hörte er plötzlich eine sanfte, weibliche Stimme.
„Darf ich Dir helfen?”
Erschrocken drehte er sich um, tropfnaß wie er war. Cecilia stand vor ihm. Sie war so leise hereingekommen, daß er sie nicht wahrgenommen hatte. Er ärgerte sich einen kurzen Moment, daß sie das geschafft hatte, denn einem Offizier hätte solch ein lautloses Angeschlichenwerden nicht passieren dürfen. Im Einsatz wäre das sein sicherer Tod gewesen. Aber er war nicht im Feld, nicht unter Waffen. Wirklich nicht? Blitzschnell entschuldigte er seine arglose Unaufmerksamkeit vor sich selbst. Er fand es schön, daß Cecilia vor ihm stand, obschon sie noch bekleidet und er nackt war.
Ihre Augen wanderten über Michaels Körper. Offensichtlich gefiel ihr, was sie sah, und als sie Monsieur Bouchon betrachtete, blitzten ihre Augen auf, wurden ein wenig größer.
„Er sieht so phantastisch aus, und was für einen Schwanz er hat. Christian und Robert sehen schon irre aus, aber er … Himmel … wenn er damit umgehen kann, wird das die Nacht der Nächte.”
Michael bemerkte, daß sie ihn einschätzte. Das war für ihn in Ordnung. Er nahm das bereitgelegte Handtuch und trocknete sich ab.
Cecilia betrachtete ihn weiter mit einer liebenswürdigen Unverschämtheit, daß es ihm Bewunderung und ein leises Schmunzeln abnötigte. Und doch schlug er für einen Augenblick verlegen die Augen nieder, ehe er sie fest ansah. Plötzlich schämte er sich, was er gleich wieder verwarf. Es gab keinen wirklichen Grund dafür. Er war bezahlt worden, als ein Liebesdienstleister. Im Moment gehörte er ihr, und sie betrachtete, was sie gekauft hatte, beziehungsweise ihre Mutter.
Ihre Blicke gingen ineinander über. Cecilias Nasenflügel blähten sich, und sie taten es immer wieder. Hinter ihrem Rücken griff ihre rechte Hand nach der Türklinke, drückte sie herunter. Mit ihrem zarten Körpergewicht schob sie die Tür zu, ließ die Klinke los und drehte den Schlüssel herum. Sie machte das so geschmeidig, als wäre es ihre zigste Verführungsszene. Michael sah nichts, was auf eine Anfängerin hätte hindeuten können, wenn sie sich nicht auf die Unterlippe gebissen hätte − und sie glühte.
Er sah sich um. Im Moment entdeckte er, was er suchte, nahm es und trat auf Cecilia zu. Sie wollte rückwärts ausweichen, aber da war die Tür − verschlossen. Ihr Atem ging ein wenig schneller. Schon stand Michael vor ihr, zum Greifen nahe. Und da war so viel, was sie hätte greifen können, greifen wollen. Sie drückte sich an die Tür, ihr Kopf verursachte dabei ein leises Klopfgeräusch, sie schloß unter tiefem Einatmen die Augen, als sie Michaels schönen Bariton hörte.
„Wenn Du möchtest … sehr gern.”
Als wollte sie damit „Anlauf” nehmen, holte sie tief Luft und öffnete ihre Augen. Seine waren direkt vor ihr. Ihre Nasen berührten sich. Mit seiner linken Hand stützte er sich über ihrem Kopf an der Tür ab, in seiner rechten hielt er, leicht damit wedelnd, einen hellroten Waschlappen. Sein warmer Atem verursachte ihr eine wohlige Gänsehaut nach der anderen.
„Nimm den”, hauchte er und dabei brummte seine Stimme, daß sie glaubte, ihr müßten die Sinne schwinden. „Er ist so schön rot, wie unser brennendes Blut.”
„Oh Gott, ich werde wahnsinnig”, seufzte es in ihr. „Was mache ich eigentlich hier? Was macht er mit mir? Ich bin schon so naß, daß es gleich tropft. Ich will ihn … wäre doch nur der Stoff schon weg … da unten … damit er … freie Bahn. … Warum küßt er mich nicht? … Seine Zunge … so wunderbar …Verdammt, er ist so schön … was für ein Verlangen. … Michael … jetzt mach’ doch ‘was! … Ich bin so feucht, so heiß … ich dreh’ gleich durch …”
„Sie bekommt gleich ihren ersten Orgasmus, nur weil sie daran denkt. Was für ein wundervoll weibliches Wesen. Gleich koste ich sie, aber erst …”
„Du mußt ihn vorher befeuchten, es ist kein Staublappen, Kätzchen.”
Wie in Trance hatte Cecilia sich an beiden Händen fassen und zum Waschbecken führen lassen, wobei Michael langsam rückwärts gegangen war. Als er mit seinen Pobacken den Rand berührte und stehenblieb, hatte Cecilia den roten Lappen genommen und wie abwesend begonnen, Michaels Oberkörper abzuwischen.
„Wie?”
Es war, als hätte sie sich leicht erschrocken. Ein wenig Verwirrung lag in ihrem Blick, als sie ihn ansah.
„Selbst …”
„Ihr Schoß ist bereit, sie ist bereit, aber jetzt noch nicht.”
„Anfeuchten!” Er nahm ihr den Lappen ab, drehte sich in der Hüfte zum Wasserhahn um und ließ warmes Wasser über den Stoff laufen, stellte es wieder ab, drückte ihn leicht aus und hielt ihn ihr wieder hin.
„Jetzt wäre es richtig.” Dabei lächelte er sie an.
„Oh ja … natürlich … jetzt wäre es richtig, nicht?”
Damit begann sie erneut, seine Brust langsam abzuwischen.
„Genau. Du wolltest mich eben abstauben, als hätte ich hundert Jahre in einer Wunderkammer herumgestanden.”
Cecilia hielt inne, sah ihn an und mußte breit lächeln. „Das hatte ich wohl vor. Wie dumm von mir.”
Sie fühlte, daß der feuchte Stoff wieder abkühlte und tränkte ihn nun selbst erneut mit fast heißem Wasser. Michael stützte sich mit beiden Händen am Beckenrand ab und genoß das Verwöhnen. Es fühlte sich so gut an. Maxi war ein guter Verwöhner gewesen, damals, vor gefühlten hundert Jahren, in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt, die nicht wiederkommen würde.
Jetzt war er bei ihr, bei Cecilia, und er war unendlich dankbar, daß Lou ihn zu ihr geschickt hatte und keinen der anderen. Er würde jetzt bei keinem anderen Menschen sein wollen. Michael spürte, daß sie ein außergewöhnliches Mädchen war. Sie tat ihm gut. Er würde ihr die schönste Nacht ihres Lebens schenken und sich selbst daran berauschen, sie unvergeßlich zu machen.
Da legte Cecilia den roten Waschlappen beiseite und begann, an den ausgelegten Seifen zu schnuppern. Schließlich wählte sie eine aus, hielt sie unter den Wasserstrahl, bewegte sie in ihren zarten Händen hin und her bis sie schäumte, wobei Michael ihr zusah, legte sie in die Wandschale und begann, seinen Oberkörper zu reinigen.
Beide blieben während dieser, einen sehr angenehmen Duft verbreitenden, zärtlichen Handlung stumm. Doch sie sahen sich immer wieder an und lächelten dabei. Ihre Augen sagten mehr, als ihre Lippen hätten formulieren können. Wozu die stille Zweisamkeit durch unnötiges Reden stören? So drehte Michael sich ohne Worte einfach um, als Cecilia ihn abgespült und halbwegs trockengewischt hatte.






