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a) Generelle Verpflichtung zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen im Konzern
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Die generelle Verpflichtung zur Durchführung konzernweiter unternehmensinterner Untersuchungen ergibt sich wie schon bei Einzelgesellschaften aus der allgemeinen Leitungs- und Compliance-Verantwortung. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass jedes Unternehmen zu gesetzeskonformem Verhalten verpflichtet ist.[255] Da die Verpflichtung zu gesetzeskonformem Verhalten für jede Tätigkeit gilt, hat somit die Muttergesellschaft auch bei der Konzernleitung auf gesetzeskonformes Verhalten zu achten.[256] Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob die Konzernleitung zentral oder dezentral ausgeübt wird, da die Unternehmensleitung die Verantwortung trifft, jegliche Schäden aller Art zu Lasten des eigenen Unternehmens – und damit des gesamten Konzerns – abzuwenden. Neben finanziellen Schäden gehören hierzu auch Reputationsschäden.[257] Verhält sich ein Tochter- oder Enkelunternehmen rechtswidrig, kann das auf die Muttergesellschaft zurückfallen, weswegen aus der originären Compliance-Verantwortung für das herrschende Unternehmen stets auch eine Compliance-Verantwortung für den gesamten Konzern entsteht.[258] Allerdings muss stets die Konzernstruktur beachtet werden. Ein Konzern besteht aus mehreren rechtlich eigenständigen Unternehmen, die jeweils von einer eigenen Unternehmensleitung geführt werden. Jede Unternehmensleitung eines Konzernunternehmens ist deshalb auch innerhalb eines Konzerns mit seinen unterschiedlichen Ebenen zunächst für das eigene Unternehmen zuständig. Insbesondere hat eine Tochter- oder Enkelgesellschaft keine direkten Ansprüche gegen die Unternehmensleitung der Muttergesellschaft, es sei denn, diese ergeben sich aus der besonderen Konzernstruktur und vertraglichen Verpflichtungen. Somit besteht zwar eine grds. Verpflichtung zur Sicherstellung gesetzeskonformen Verhaltens der Unternehmensleitung der Muttergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft selbst. Es besteht hingegen keine unmittelbare Verpflichtung der Unternehmensleitung gegenüber den untergeordneten Tochter- oder Enkelgesellschaften, da die Unternehmensleitung stets nur ihrer eigenen Gesellschaft gegenüber gesellschaftsrechtlich verpflichtet sein kann. Dies bedeutet, dass die Tochtergesellschaften keine Ansprüche gegen die Konzernleitung haben, Verstöße aufzuklären oder dagegen vorzugehen.[259] Die Verpflichtung gegenüber der Muttergesellschaft beinhaltet aber, für eine konzernweite Gesetzeseinhaltung zu sorgen.[260]
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In der Praxis ist eine konzernweite Compliance-Organisation die Regel. So hat eine Umfrage unter DAX-Unternehmen ergeben, dass etwa 95 % der Unternehmen einen zentralen Chief Compliance Officer bestellt haben, der in der überwiegenden Zahl der Fälle gleichzeitig Chefjustiziar des Unternehmens ist. Der Vorstand kann sich dadurch aber selbstverständlich nicht von seiner originären Pflicht zur Wahrnehmung der Compliance in seinem Unternehmen als Teil seiner Unternehmensleitungspflicht befreien.
aa) Konzernspezifische Vorschriften
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Die oben bei der AG dargestellten Begründungsansätze für Compliance-Verpflichtungen der Unternehmensleitung werden grundsätzlich auch für den Konzern vertreten.
130
Eine konzernweite Pflicht zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen wird ausdrücklich durch § 25a KWG im Bankaufsichtsrecht und § 15 des Geldwäschegesetzes (GWG) bejaht, die den gesamten Konzern in die interne Unternehmensüberwachung und Organisationspflicht einschließen.[261] Außerdem wird vertreten, der Gesetzgeber habe mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) klargestellt, dass die interne Unternehmensüberwachung und die Organisationspflicht nach § 91 Abs. 2 AktG den gesamten Konzern umfasse.[262] Ähnlich verhält es sich mit dem Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG, aus welchem teilweise eine konzerndimensionale Compliance-Pflicht abgeleitet wird.[263] Teilweise wird eine Compliance-Verpflichtung auch aus der organschaftlichen Leitungssorgfalt der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG abgeleitet.[264] Durch die Verpflichtung zum pfleglichen Umgang mit dem Beteiligungsbesitz der Konzernmutter ist der Vorstand der Muttergesellschaft verpflichtet Rechtsverstöße bei Tochtergesellschaften zu verhindern, die zu Vermögensschäden und Reputationseinbußen der Muttergesellschaft führen können.[265] Das Gleiche gilt auch für die GmbH.[266] Von einer konzernweiten Compliance-Verantwortung geht schließlich auch der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) aus: „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance).“[267]
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Die Pflicht zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen gilt auch für Enkelgesellschaften, sofern die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Tochtergesellschaft gegeben ist. Hierbei kommt es wiederum auf die Konzernierung und die Gesellschaftsform der Gesellschaft an, ob die Pflicht zur Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung besteht.
bb) § 130 OWiG
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Wie bei der AG dargestellt, wird eine allgemeine Compliance-Verpflichtung für das einzelne Unternehmen auch aus § 130 OWiG abgeleitet. Die gilt auch für die konzernweite Compliance-Verantwortung.[268]
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Zwar handelt es sich bei der Muttergesellschaft nicht um den Inhaber i.S.d. § 130 OWiG der konzernierten Gesellschaften, da der Inhaberbegriff nicht mit der Eigentümerposition gleichzustellen ist. Vielmehr ist Inhaber derjenige, dem die Erfüllung der Pflichten obliegt, die nach § 130 OWiG sanktioniert werden.[269] Im Falle einer juristischen Person ist dies die juristische Person selbst, die durch ihre Organe ihre Pflichten wahrnimmt. Für die Sanktionierung der Organe ist wiederum die Zurechnungsnorm des § 9 OWiG notwendig. An der Inhabereigenschaft ändert auch die Eingliederung in einen Konzern nichts, da die eigene Rechtspersönlichkeit der juristischen Person nicht verändert wird. Es besteht nur entweder ein Beherrschungsvertrag oder die Muttergesellschaft ist beherrschende Gesellschafterin der juristischen Person, wodurch eine faktische Beherrschung besteht. Da aber auch die Gesellschafter einer juristischen Person in einer unverbundenen Gesellschaft nicht als Inhaber i.S.d. § 130 OWiG zu klassifizieren sind, kann auch die herrschende Muttergesellschaft nicht Inhaberin gem. § 130 OWiG sein. Der BGH scheint das ähnlich zu sehen, indem er die Frage zwar offen gelassen hat, aber andeutete, dass die Rechtspersönlichkeit der abhängigen Gesellschaft einer fremden Inhaberschaft entgegenstehen könnte.[270] Eine Verantwortung zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen als Aufsichtspflicht der Geschäftsführung der Muttergesellschaft kann somit nicht darüber begründet werden, dass die Muttergesellschaft Inhaber ihrer Tochtergesellschaft ist.
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Allerdings ist der Unternehmensbegriff des § 130 OWiG weit zu fassen und auch ein Konzern als Ganzes ist unter diesen Begriff zu subsumieren.[271] Wie ein Unternehmen hat ein Konzern eine einheitliche Leitung, auch wenn diese auf einem faktischen oder vertraglichen Durchgriffsrecht basiert. Dass ein Konzern aktienrechtlich nicht unter den Unternehmensbegriff fällt, ist unerheblich, da für eine Aufsichtspflichtverletzung i.S.d. § 130 OWiG insofern eine faktische Betrachtungsweise ausreichend ist.[272] Daraus folgt eine Aufsichtspflicht der Muttergesellschaft über ihre Tochter- und Enkelgesellschaften, so dass die Organe der Muttergesellschaft bei Pflichtverletzungen von Organen der Tochtergesellschaft wegen Verletzung der Aufsichtspflicht zur Verantwortung gezogen werden können.[273] Diese Auffassung vertrat unlängst auch das OLG München. Demnach seien für den Umfang der Aufsichtspflicht i.S.d. § 130 OWiG die tatsächlichen Verhältnisse im Konzern maßgeblich. Eine gesellschaftsrechtliche Aufsichtspflicht der Konzernmutter bestehe jedenfalls dann, wenn der Tochtergesellschaft von der Konzernmutter Weisungen erteilt würden, die das Handeln der Tochtergesellschaft beeinflussten und dadurch die Verletzung betriebsbezogener Pflichten begründeten.[274] Allerdings bestimmt sich der Umfang der Aufsichtspflicht aus § 130 OWiG nach den tatsächlichen Verhältnissen im Konzern. Hierfür sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend.
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Der Umfang der Aufsichtspflicht ist abhängig davon, welchen Spielraum zu eigener Willensbildung die einzelnen Unternehmen haben, beziehungsweise in welchem Umfang die Konzernspitze von ihren Durchgriffsmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht.[275] Eine Begrenzung findet die Aufsichtspflicht dabei vor allem durch den Vertrauensgrundsatz, nach welchem die Unternehmensleitung des herrschenden Unternehmens grundsätzlich der Unternehmensleitung des Tochterunternehmens vertrauen darf.[276] Kommt es zu Rechtsverstößen innerhalb einer Konzerngesellschaft, so ist somit auch die Muttergesellschaft zur Aufklärung durch unternehmensinterne Untersuchungen verpflichtet. Diese Auffassung scheinen zwei aktuelle Urteile zu unterstützen.[277] In der ETEX-Entscheidung[278] vom 9.2.2009 hat das Bundeskartellamt ein gesondertes Bußgeld wegen einer Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG gegen die Etex Holding GmbH als Muttergesellschaft verhängt, da ein für das Europageschäft verantwortlicher leitender Manager des Etex-Konzerns konkrete Anhaltspunkte für kartellrechtswidrige Absprachen hatte und nichts unternahm, um die Absprachen seiner Tochterunternehmen zu verhindern.[279] Die konzernweiten Organisationspflichten zur Verhinderung von Kartellabsprachen wurden sogar bejaht, obwohl die Muttergesellschaft sich auf die Finanzierung der Tochtergesellschaften beschränkt hatte und eine dezentrale Konzernstruktur bestand.[280] In eine ähnliche Richtung geht eine Entscheidung des EuGH.[281] Nach der „Akzo-Entscheidung“ sei das herrschende Unternehmen verpflichtet, dafür zu sorgen, dass bei den Tochtergesellschaften keine Kartellabsprachen getroffen werden. Dies gelte insbesondere, wenn die Muttergesellschaft 100 % des Gesellschaftskapitals der Tochtergesellschaft halte.[282] Die Höhe des Bußgeldes wurde deshalb auch nach dem Konzernumsatz bemessen.[283]
cc) Gesamtschau der Normen
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Wie schon bei der Einzelgesellschaft ergibt sich aus der Gesamtbetrachtung der Normen §§ 76 Abs. 1, 91 Abs. 2, 93 Abs. 1 S. 1 AktG und § 130 OWiG auch eine konzernweite Compliance-Verantwortung für die Unternehmensleitung der Muttergesellschaft. Unter Berücksichtigung der Compliance-Verantwortung erwächst die Pflicht zur Durchführung von konzernweiten unternehmensinternen Untersuchungen. Zwar liegt es grundsätzlich in dem unternehmerischen Ermessen der Unternehmensleitung der Muttergesellschaft, wie intensiv sie von ihren Weisungsrechten und Eingriffsmöglichkeiten Gebrauch macht und Compliance-Maßnahmen selbst durchführt, da es ihre eigene unternehmerische Entscheidung ist, ob eine zentrale oder dezentrale Konzernleitung angestrebt wird.[284] Bestünde in einer vergleichbaren Situation in einer unverbundenen Gesellschaft aber die Pflicht zur Durchführung einer unternehmensinterne Untersuchung, so folgt aus der Pflicht zur Sicherstellung gesetzeskonformen Verhaltens die Pflicht, auf die Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung innerhalb der Tochtergesellschaft im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten hinzuwirken.[285]
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Zu den Pflichten der Konzernleitung der Muttergesellschaft gehört eine angemessene Compliance-Organisation des gesamten Konzerns und soweit möglich, der Eingriff bei Verdacht von schweren Rechts- und Regelverstößen.[286] Die Muttergesellschaft trifft insofern die Pflicht, darauf hin zu wirken, dass die Rechts- und Regelverletzungen abgestellt werden.[287] Für die Verhinderung von Rechts- und Regelverstößen innerhalb einer so komplexen Konstruktion wie einem Konzern bedeutet dies aber insbesondere eine saubere Aufarbeitung des Sachverhaltes durch eine unternehmensinterne Untersuchung. Die Konzernleitung muss insofern auch überprüfen, ob nur eine Tochter- oder Enkelgesellschaft betroffen ist oder ob es sich möglicherweise um ein konzernweites Problem handelt. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Schadensabwendungsgebot gegenüber der Muttergesellschaft, weshalb auch nur die Muttergesellschaft einen Anspruch auf die Durchführung einer internen Untersuchung durch ihre Unternehmensleitung hat.[288] Die Tochter- und Enkelgesellschaften müssen sich wiederum an ihre eigene Unternehmensleitung halten, welche auch eine Pflicht zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen trifft.[289]
b) Konkrete Pflicht zur Durchführung konzernweiter unternehmensinterner Untersuchungen
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Es besteht somit grundsätzlich eine allgemeine Pflicht zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen zur Sachverhaltsaufklärung bei Bekanntwerden von Rechtsverstößen innerhalb eines Konzerns. Wie weit diese Pflicht im Einzelfall geht, hängt jedoch entscheidend von den Einflussmöglichkeiten der Konzernmutter auf die Unternehmen innerhalb des Konzerns ab. Die konkrete Pflicht der Unternehmensleitung zur Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung kann naturgemäß nicht weiter gehen, als die jeweiligen Befugnisse gegenüber den Tochtergesellschaften reichen.
Die konkrete Eingriffsmöglichkeit auf die konzernierten Unternehmen hängt entscheidend davon ab, ob es sich um einen Vertragskonzern oder einen faktischen Konzern handelt.
aa) Vertragskonzern
139
Besteht ein Vertragskonzern, so ist das herrschende Unternehmen aufgrund des Beherrschungsvertrages berechtigt, dem Tochterunternehmen Weisungen zu erteilen.[290] Nach § 308 Abs. 1 AktG schließt das Weisungsrecht sogar nachteilige Weisungen mit ein.[291] Bei einem GmbH-Vertragskonzern geht die Weisungskompetenz mit der Geschäftsführungszuständigkeit auf das herrschende Unternehmen gem. § 308 Abs. 1 AktG analog über.[292] In einem Vertragskonzern kann die Unternehmensleitung somit ihren Tochter- und Enkelgesellschaften die Weisung erteilen, bei konkreten Anlässen eine unternehmensinterne Untersuchung durchzuführen. Die Unternehmensleitung ist verpflichtet, beim Verdacht von Rechtsverstößen innerhalb ihres Konzernes die Weisung zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen zu geben, wenn die Unternehmensleitung des konzernierten Unternehmens selbst keine Untersuchung durchführt.
bb) Faktischer Konzern
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Bei einem faktischen Konzern muss hingegen zwischen den unterschiedlichen Rechtsformen differenziert werden.[293]
141
Handelt es sich bei der Tochtergesellschaft um eine AG, dann leitet der Vorstand der Tochtergesellschaft diese gem. § 76 Abs. 1 AktG in eigener Verantwortung. Eine Einflussnahme der Muttergesellschaft durch die Hauptversammlung ist damit nicht ohne weiteres möglich, da die Hauptversammlung den Vorstand weder anweisen, noch an Beschlüsse binden kann.[294] Zwar kann die Hauptversammlung Beschlüsse fassen, die der Vorstand nach § 83 Abs. 2 AktG umzusetzen hat, die Beschlussfassung muss aber vom Vorstand gem. § 83 Abs. 1 AktG herbeigeführt oder gem. § 119 Abs. 2 AktG verlangt werden.[295]
142
Auch eine Kontrolle und Beschränkung der Vorstandstätigkeit durch den Aufsichtsrat ist nur im Rahmen der oben dargestellten, allgemeinen Befugnisse des Aufsichtsrats möglich.[296] Die Muttergesellschaft als Aktionärin hat ebenfalls grds. kein Recht, eine unternehmensinterne Untersuchung anzuordnen oder gar selbst durchzuführen. Eine Ausnahme gilt lediglich im Rahmen des Sonderprüfungsrechts gem. § 142 Abs. 1 AktG. Die Rechte der Muttergesellschaft als Aktionärin unterscheiden sich dabei nicht von den Rechten einer natürlichen Person als Aktionär.
143
Will die Konzernleitung im faktischen Konzern umfassende Weisungs- und Eingriffsbefugnisse zur Sicherung eines einheitlichen Compliance-Systems wahrnehmen, müssen mit den Konzerntöchtern entsprechende schuldrechtliche konzerninterne Verträge abgeschlossen werden. In diesen schuldrechtlichen Verträgen müssen dann die Tochtergesellschaften das Recht zur Wahrnehmung von Compliance-Maßnahmen auf die Muttergesellschaft übertragen.[297] Die jeweiligen Weisungs- und Eingriffsbefugnisse müssen dann in den schuldrechtlichen Verträgen im Einzelnen geregelt werden.
144
Grundsätzlich kann die Muttergesellschaft im faktischen Konzern damit nur bedingt eine unternehmensinterne Untersuchung gegen den Willen des Vorstandes der Tochtergesellschaft durchführen, wenn diese eine AG ist. Für die Muttergesellschaft sollte es aber von bedeutendem Interesse sein, über die meisten Vorgänge innerhalb ihrer untergeordneten Unternehmen informiert zu sein. Auch wenn die Muttergesellschaft im faktischen Konzern somit keine Pflicht zur Durchführung trifft, da sie gesellschaftsrechtlich kein Recht dazu hat, wird sie aus wirtschaftlichem Interesse auch eine Sanktionierung ihrer Tochterunternehmen sowie die direkten und indirekten Folgen für die eigene Reputation verhindern wollen. Deshalb sollte sich die Muttergesellschaft von den Vorständen ihrer konzernierten AGs jedenfalls durch einen schuldrechtlichen Vertrag das Recht zur Durchführung von unternehmensinternen Untersuchungen erteilen lassen.
145
Handelt es sich bei der Tochtergesellschaft nicht um eine AG, sondern um eine GmbH,[298] kann die Muttergesellschaft als Mehrheits- oder Alleingesellschafterin auch in einem faktischen Konzern über einen Beschluss der Gesellschaftsversammlung Weisungen erteilen.[299] Dies stellt schon das Weisungsrecht aus § 37 GmbHG sicher. Für einen Gesellschafterbeschluss ist die einfache Mehrheit ausreichend, soweit der jeweilige Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes vorsieht.[300]
c) Die Rolle des Aufsichtsrats im Konzern
146
Der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft hat kein Recht zur Durchführung konzernweiter unternehmensinterner Untersuchungen. Zwar ist er zur Überwachung der Geschäftsführung der Konzernmutter verpflichtet und damit grds. auch zur Überwachung der Leitung des Konzernes durch den Vorstand zuständig. Allerdings folgen daraus keine Eingriffsmöglichkeiten in konzernierte Unternehmen.
147
Innerhalb des Konzerns gibt es keinen Konzernaufsichtsrat, sondern nur die Aufsichtsräte der jeweiligen Gesellschaften. Ein Konzern ist nur eine wirtschaftliche Einheit und nicht eine eigenständige juristische Person, der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft bleibt damit auf Pflichten gegenüber der Muttergesellschaft beschränkt, es gibt insofern keinen Konzernaufsichtsrat.[301]
Anmerkungen
[1]
Www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,550548,00.html; Gehrmann Prozess der Selbstreinigung in DIE ZEIT, 13.3.2008, Nr. 12; www.stern.de/wirtschaft/news/unternehmen/siemens-affaere-korruption-fast-im-gesamten-konzern-618858.html; www.sueddeutsche.de/wirtschaft/siemens-skandal-mehr-als-eine-milliarde-euro-fuer-dunkle-geschaefte-1.773317.
[2]
Www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,434963,00.html; www.welt.de/wirtschaft/article6903317/US-Regierung-klagt-Daimler-der-Korruption-an.html; www.taz.de/1/archiv/archiv-start/?ressort=wu&dig=2005%2F08%2F29%2Fa0129&cHash=23f8a2c1fb; wap.stern.de/op/stern/de/ct/-X/detail/wirtschaft/Schmiergeldzahlungen-USA-Daimler-Bestechung/1553233/.
[3]
Www.spiegel.de/auto/aktuell/manipulationsverdacht-gegen-volkswagen-die-fakten-a-1053825.html.
[4]
So auch Deutscher Corporate Governance Codex, 4.1.3.
[5]
MK-AktG/Spindler § 76 Rn. 15; Spindler/Stilz/Fleischer § 76 Rn. 10; Potinecke/Gottschalk CB 2015, 444.
[6]
Wagner CCZ 2009, 8, 12; Fleischer AG 2003, 291, 294; Fleischer NZG 2014, 321, 322.
[7]
Fleischer AG 2003, 291, 294; ders. § 8 Rn. 35; BGH GmbHR 1985, 143; Reichert/Ott NZG 2014, 241, 246.
[8]
Fleischer § 8 Rn. 35.
[9]
BGHZ 135, 244, 253 – ARAG/Garmenbeck = NJW 1997, 1926, 1927 ff.
[10]
MK-AktG/Spindler § 93 Rn. 47.
[11]
Wagner CCZ 2009, 8, 16; Lutter ZIP 2007, 841, 844.
[12]
BGHZ 135, 244, 253 ff. = NJW 1997, 1926, 1927 f; Reichert/Ott NZG 2014, 241, 243.
[13]
Wagner CCZ 2009, 8, 16 unter Verweis auf BGHZ 135, 244, 254 = NJW 1997, 1926, 1928.
[14]
Wagner CCZ 2009, 8, 16 unter Verweis auf BT-Drucks. 15/5092, 12.
[15]
Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack § 43 Rn. 22b.
[16]
Bürkle/Fecker NZA 2007, 589.
[17]
Potinecke/Gottschalk CB 2015, 444, 446; Reichert/Ott NZG 2014, 241, 243; Arnold ZGR 2014, 76, 79.
[18]
Wagner CCZ 2009, 8, 12; Hüffer § 76 Rn. 8.
[19]
Wagner CCZ 2009, 8, 12; Potinecke/Gottschalk CB 2015, 444, 446.
[20]
Wagner CCZ 2009, 8, 12; Potinecke/Gottschalk CB 2015, 444, 446.
[21]
Wagner CCZ 2009, 8, 14; MK-AktG/Spindler § 93 Rn. 83; Arnold ZGR 2014, 76, 86.
[22]
Z.B. Deutsche Bahn-Datenskandal, vgl. Deutsche Bahn AG Zwischenbericht „Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit von Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung in den Jahren 1998–2007“ oder die Telekom-„Spitzelaffäre“.
[23]
KK-OWiG/Rogall § 130 Rn. 40; Göhler/Gürtler § 130 Rn. 10; Römermann/Theusinger/Jung § 24 Rn. 75.
[24]
Wagner CCZ 2009, 8, 13; Moosmayer S. 5; BGH GmbHR 1985, 143, 144; Römermann/Theusinger/Jung § 24 Rn. 75; Potinecke/Gottschalk CB 2015, 444, 447.
[25]
Wagner CCZ 2009, 8, 13.
[26]
So Wagner CCZ 2009, 8, 12.
[27]
Hölters/Müller-Michaels § 91 Rn. 6.
[28]
Hölters/Müller-Michaels § 91 Rn. 94; Schneider NZG 2009, 1321, 1323.
[29]
Siehe auch: Hamann/Sigle/Werwigk § 17 Rn. 12 ff.; LG München NZG 2014, 345, 342.
[30]
MK-GmbHG/Fleischer § 43 Rn. 143; Spindler/Stilz/Fleischer § 91 Rn. 48 51.
[31]
MK-GmbHG/Fleischer § 43 Rn. 143; Spindler/Stilz/Fleischer § 91 Rn. 47; MK-AktG/Spindler § 91 Rn. 35; KöKo-AktG/Mertens § 91 Rn. 34.
[32]
Schneider ZIP 2003, 645, 646; Fleischer AG 2003, 291, 299; vgl. insgesamt: Hamann/Sigle/Werwigk § 17 Rn. 1 ff. m.w.N; Reichert/Ott NZG 2014, 241.
[33]
Deutscher Corporate Governance Kodex, geltende Fassung v. 5.5.2015 abrufbar unter: www.corporate-governance-code.de/ger/kodex/index.html.
[34]
Bürkle BB 2007, 1797, 1799.
[35]
Spindler/Stilz/Fleischer § 91 Rn. 58 63; Fleischer CCZ 2008, 1, 3; Hüffer § 76 Rn. 9a; Lösler WM 2007, 676, 679 f.; Schneider ZIP 2003, 647; Spindler WM 2008, 905, 908.