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1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 7. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherungen – Personenbefragungen
7. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherungen – Personenbefragungen
Inhaltsverzeichnis
I. Grundlagen – Rahmenbedingungen für eine Personenbefragung
II. Vernehmungslehre
III. Arbeitsrechtliche Grenzen
Literatur:
Arntzen Vernehmungspsychologie, 3. Aufl. 2008; Bender/Nack/Treuer Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. 2014; du Cann The Art of the Advocate, 1986; Evans Advocacy at the Bar, 1985; Greuel Zeugenvernehmung, in Volbert/Steller, Handbuch der Rechtspsychologie, 2008, Bd. 9, S. 221; Gaul/Schmidt-Lauber Die ordnungsgemäße Anhörung vor Verdachtskündigung, ArbRB 2012; Greuel/Fabian/Stadler Psychologie der Zeugenaussage, 1997; Hermanutz/Litzke Vernehmung in Theorie und Praxis, 2. Aufl. 2009; Jansen Zeuge und Aussagepsychologie, 2. Aufl. 2012; dies. Technik der Zeugenvernehmung, in Widmaier/E.Müller/Schlothauer, MAH Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, S. 1453; Köhnken Psychologische Begutachtung von Aussagen, in Widmaier/E.Müller/Schlothauer, MAH Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, S. 2267; Küttner Personalbuch, 22. Aufl. 2015; Loftus/Palmer Reconstruction of automobile destruction: an example of the interaction between language and memory, Journal of Verbal Learning and Verbal Behaviour, 13 (1974), 585; Milne/Bull Psychologie der Vernehmung, 2003; Mohrbach Methoden der Ermittlungsvernehmung und des aussagepsychologischen Explorationsgesprächs, in Deckers/Köhnken, Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess, 2014, S. 157; Munkman The Technique of Advocacy, 1986; Nack Aussagebeurteilung und Beweiswürdigung, in Ziegert, Grundlagen der Strafverteidigung, 2000, S. 250; Nagler Vernehmungspsychologie: Warum Personen sich bei der Vernehmung nicht an das erinnern können, was sie wissen, StV 1983, 211; Prüfer Sachverhaltsermittlung durch Spurenauswertung und Zeugenbefragung am Beispiel des Schwurgerichtsprozesses – Chancen, Fehler und Versäumnisse der Verteidigung, StV 1993, 602; Püschel Zur Vernehmung der Auskunftsperson in der Hauptverhandlung aus Sicht der Verteidigung, in Deckers/Köhnen, Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess, 2007, S. 223; Roggenwallner/Pröbstl Vernehmungscoaching, 2008; Salditt Der Verteidiger vernimmt Zeugen – was britische Handbücher raten, StV 1988, 451; ders. Die Befragung von Zeugen durch den Verteidiger, StraFo 1992, 51; Staake Die Gestaltung der Vernehmung einer Auskunftsperson in der Hauptverhandlung durch den Tatrichter, in Deckers/Köhnen, Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess, 2007, S. 213; Undeutsch Handbuch der Psychologie, 1967, Bd. 11; Wendler Die Vernehmung der Auskunftsperson in der Hauptverhandlung aus richterlicher Sicht, in Deckers/Köhnen, Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess, 2007, S. 188; Wendler/Hoffmann Technik und Taktik der Befragung im Gerichtsverfahren, 2009.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 7. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherungen – Personenbefragungen › I. Grundlagen – Rahmenbedingungen für eine Personenbefragung
a) Warum ist ein Interview überhaupt erforderlich?
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Personenbefragungen gehören zu dem alltäglichen Handwerkszeug der unternehmensinternen Aufklärung, sie sind notwendiger Bestandteil der Tatsachengrundlage. Ihre sensible Vorbereitung, Durchführung, Dokumentation und die Berichterstattung darüber sind dagegen eine der größten Herausforderungen, die der Untersuchungsführer zu bewältigen hat. Das liegt an gleich mehreren Faktoren:
– am Zwang zum Interview zur Klärung des Sachverhalts; – an der beiderseitig verfügbaren Zeit, den Umständen und dem Verfahren; – an den jeweils unterschiedlichen Persönlichkeiten von Fragesteller und Befragtem; – an den jeweils unterschiedlichen Interessen der Informationsbeschaffung und -verwertung.2
Bereits im klassischen Ablauf von Auditierungen ist innerhalb der vier Phasen (1) self assessment, (2) document review, (3) interviews und (4) testing and analysis[1] eine persönliche Befragung von Verfassern oder Empfängern von Dokumenten einzuplanen, um deren Bedeutung für eine Beweisführung einordnen zu können. Qualifizierte individuelle Befragungen, die über reine Wissensauskünfte hinausgehen, kommen erst in Phase (3) vor, wenn die Vorstellung des Untersuchungsführers von den Interviewthemen bereits relativ weit durch Kenntnisse aus verschriftlichten Informationen und Auskünften des Auftraggebers vorgeprägt worden ist. Dadurch sind auch bereits Arbeitshypothesen entstanden, so dass eine mögliche Bandbreite von Deutungen erheblich eingeschränkt ist.[2] Dieses vielfach erprobte, rationale Vorgehen hat den enormen Vorteil, dass der Untersuchungsführer bereits durch die Vorkenntnisse eine ähnliche Wissensbasis erhält wie der Befragte. Die von dem Befragten geschilderten innerbetrieblichen Vorgänge, die Aufbau-Organisation der Fachabteilungen, die Zuordnung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen im arbeitsteiligen Unternehmen usw. sollten bereits in dieser Phase auch dem Untersuchungsführer bekannt sein. Auch die historischen Zusammenhänge des Untersuchungsthemas können sich aus einer Dokumentenanalyse schneller erschließen lassen als aus einem Interview. Weiter hat der Untersuchungsführer aufgrund des in Phase (1) erlangten Wissens einen groben Überblick darüber, was die auftraggebende Unternehmensleitung über Compliance-Strategien, Richtlinien, Strukturen und Prozesse denkt. Idealerweise ist dies auch dem Interviewpartner bekannt, sonst müsste ein beidseitiges Verständnis durch das Interview aufgebaut werden. Probleme bei einer etwaigen Voreingenommenheit des Fragestellers[3] sind aus der Justizpraxis bei der Vorbefassung von Laienrichtern mit dem Akteninhalt bekannt.[4] Hier muss sich auch jeder Untersuchungsführer klar machen, dass sein bisheriges Wissen ebenfalls nur eingeschränkt und untersuchungszentriert entstanden ist. Wichtige neue Details können erst durch ein objektiv und wertneutral geführtes Interview hinzu gewonnen werden.
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Mitunter bedeutsame externe Vorgaben für das Interview sind die verfügbare Zeit, die Konstitution, die Redegewandtheit des Befragten und des Fragestellers, die aufeinandertreffenden Persönlichkeiten, etwaige Rivalitäten oder Kollegialitäten. In der Vorbereitung des Interviews[5] werden solche Vorbedingungen zu prüfen und rational vom Interviewthema zu trennen sein. Dazu trägt bspw. ein Fragenkatalog bei, der themenbezogen und vorwurfsfrei gestaltet ist. Auch sollte wenn möglich über eine zusammenfassende Information über den Stand der Erkenntnisse zu Beginn des Interviews nachgedacht werden.
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Schließlich ist bei der Frage, ob und in welchem Umfang ein Interview durchgeführt werden soll, stets die Rolle des Informationsträgers und die des Informationsherrn zu bedenken. Hier ist zwischen der Befragung des Unternehmensangehörigen und der Befragung eines Externen (bspw. des bisherigen Rechts- oder Steuerberaters, des Abschlussprüfers oder eines besonderen externen Betriebsbeauftragten, aber auch des auditierten Fremdbetriebs) zu unterscheiden. Der Begriff „extern“ bedeutet hier zweierlei, zum einen ist eine externe Person statusrechtlich nicht Angestellter, also nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers und den spezifischen Treuepflichten des Arbeitsverhältnisses unterworfen. Zum anderen sind aber auch Externe solche Personen, die die innerbetrieblichen Abläufe nur aus der Entfernung, aus punktueller Betrachtung und/oder aus fachlicher Distanz beobachten. Ihnen obliegt in der Regel nicht die betriebliche Verantwortung für einen bestimmten Zustand oder ein bestimmtes untersuchtes Verhalten, es sei denn, es liegen eine einvernehmliche Delegation, eine vertragliche Pflichtenübernahme oder eine Garantie vor. In den zuletzt genannten Fällen wäre der Externe wie ein Interner zu behandeln.
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Abstrahiert von einer statusrechtlichen Verpflichtung zur Zulassung der Befragung müssen die Interessenkonstellationen der Interviewteilnehmer bedacht werden. Hat der Befragte bspw. sicher eine dringend für die Untersuchung benötigte Information allein, kommt ihm als Informationsträger eine zentrale Stellung in der Untersuchung zu. Eine Blockade könnte dann die gesamte Untersuchung scheitern lassen. Deshalb ist es für den Befragenden wichtig, diese Information in einer für die Untersuchung verwertbaren Form zu erlangen. Für den Informationsträger ist es indessen wichtig, die Information nach Art, Umfang, Zeitpunkt und Platzierung zu kontrollieren, ggf. auch weiter vor dem Zugriff Fremder zu schützen. Dieser Interessengegensatz prägt alle Diskussionen über Mitarbeiterbefragungen im Zuge von Internal Investigations. Dabei wird sowohl die Position des Arbeitgebers als (je nach Standpunkt wünschenswert in großem oder kleinem Umfang) Informationsherr in Frage gestellt, als auch versucht, seine berechtigten Interessen an der Informationserlangung einzugrenzen sowie die angewandten Mittel zur Informationsbeschaffung zu begrenzen.[6] Ebenso prägt dieser Interessengegensatz die Diskussion um Amnestieprogramme und Kronzeugenregelungen. Dort wird im Kern der gleiche Gedanke vorausgesetzt. Allerdings steht am Anfang der dortigen Überlegungen die Erkenntnis, dass Appelle und sogar Druckmittel zur Erlangung der Information versagt haben, lediglich das Angebot einer Vergünstigung oder Besserstellung des Informationsträgers, oft sogar der Sanktionsfreiheit erscheinen als wirksame Mittel, an die Information zu gelangen.[7]
b) Aufgaben und Kompetenz des Interviewenden
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Aufgabe des Untersuchungsführers ist es, die in den vorherigen Phasen der Untersuchung erlangten Erkenntnisse thematisch zu gliedern und auf das oder die Interviewthemen zu konzentrieren, auf die es konkret ankommt. Sowohl aus dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne wie auch dem Gebot der Rücksichtnahme und Schonung von betrieblichen Ressourcen soll die Anzahl und der Umfang von Interviewterminen mit derselben Person begrenzt werden. Das Interview muss zielführend und konzentriert geführt werden, die Ergebnisse sind zu dokumentieren[8] und für die Ergebnisdarstellung aufzubereiten. Professionelle Fragesteller fassen sowohl die aus dem Interview hervorgehende Dokumentation als auch die für das Interview verwendete Dokumentation separat zusammen, wie es (leider allzu selten) auch Ermittlungsbehörden oder Gerichte praktizieren.
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Die Kompetenzen zur Befragung werden durch die Rechtsstellung des Auftraggebers vermittelt und begrenzt, da der Untersuchungsführer in dessen Rechtskreis tätig wird.[9] Da nach den gesellschaftsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Vorgaben eine Berechtigung zur Vertretung des Unternehmens nur im Aufgabenkreis des jeweiligen Organs (Vorstand: §§ 76, 78, 82 AktG; Aufsichtsrat: §§ 111, 112, 170 AktG; Aktionär/Hauptversammlung: §§ 131, 145 AktG) oder eines anderen Unternehmensvertreters möglich ist, wird dadurch auch die Stellung des Untersuchungsführers begrenzt. Die ihm erteilte Vollmacht kann nämlich nur soweit gehen, wie die Vertretungsmacht des auftraggebenden Unternehmensvertreters reicht. Eine Art „verdeckter Ermittler“ für eine parallel ermittelnde Behörde ist der Fragesteller in keinem Fall.[10] Die Annahme „verdeckter Auftragsverhältnisse“ für eine externe Ermittlungsbehörde[11] hat keine Grundlage in den Normen des deutschen Kartell-, Bußgeld- oder Strafverfahrensrechts. Anknüpfungspunkt der Internal Investigation ist das unternehmenseigene Interesse an der Aufklärung zur Schadensverhütung und Selbstreinigung, das mit den öffentlich-rechtlichen Anforderungen an eine staatliche Reaktion auf ein sanktionswürdiges Fehlverhalten nur eine Schnittmenge hat, niemals aber eine gleichgerichtete Zielsetzung.[12] Gerade deshalb ist die Internal Investigation eine Kombination aus unternehmensinternem Wissen und externen Beauftragten, damit im eigenen Pflichtenkreis des Unternehmens Grundlagen für eine geeignete Krisenreaktion geschaffen und die Krisen bewältigt werden können.
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Die Kompetenzen des Fragestellers folgen dem Rechtskreis seines Auftraggebers. Ein Arbeitgeber darf grundsätzlich alle ihm arbeits- und betriebsverfassungsrechtlich erlaubten Mittel anwenden. Lediglich verfassungsrechtlich garantierte Schutzrechte des Arbeitnehmers (bspw. das Folterverbot oder andere elementare Menschenrechte) begrenzen die Mittelauswahl dafür.[13] Ein gesellschaftsrechtlich handelndes Organ muss auf schützende Grenzen des Arbeitsrechts nicht unbedingt Rücksicht nehmen, hat aber dafür eine grundsätzlich schwächere Position bei der Durchsetzung arbeitsrechtlicher Konsequenzen. Wiederum stehen einem Fragesteller aber keinesfalls Ermittlungskompetenzen der Ermittlungsbehörden zu. Das gilt selbst dann, wenn mit einer in- oder ausländischen Behörde eine „Kooperation“ oder eine „Monitoring-Vereinbarung“ mit einer Aufsichtsbehörde (förmlich) geschlossen worden sein sollte. Solche Vereinbarungen binden nur die jeweiligen Vertragspartner, nicht den oder die zu befragenden Informationsträger im Rahmen der Investigation.
c) Verantwortung des Interviewenden
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Mit anderen Menschen in Investigationen Befragungen durchzuführen, ist eine Ehre, eine Herausforderung und eine Verpflichtung. Der Untersuchungsführer und sein Team haben die Ehre, die Erfahrung und die Kenntnisse des Befragten in ihr Untersuchungswissen zu integrieren. Bei allem Vorwissen schuldet der Fragesteller den nötigen Respekt vor der Würde und Persönlichkeit des Anderen. Die Herausforderungen liegen daher vor allen Dingen in der oben geschilderten Rollen- und Interessenverteilung. Durch die Befragung soll die erforderliche professionelle Distanz zu den Ereignissen der Vergangenheit zum Ausdruck kommen. Eine demonstrative Parteinahme für die eine oder andere Arbeitshypothese disqualifiziert den Fragesteller und macht – besonders die Befragung von „Verdächtigen“ – zu einer psychologisch unerträglichen intellektuellen „Vergewaltigung“. Weil es zu der zentralen Verpflichtung des Fragestellers gehört, eine Beweislage wertneutral und klar darzustellen, ist die Vergiftung einer Befragungsatmosphäre durch unsachliche Angriffe gegen die Person oder die Integrität des Befragten oder der ihm nahestehenden Personen nicht hinzunehmen und zwingt zum Abbruch einer Befragung.
a) Legalität
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Die Durchführung von Personenbefragungen durch unternehmensinterne Compliance-Beauftragte, Revisoren oder auch durch unternehmensexterne forensisch erfahrene Beauftragte ist legal. Grundsätzlich können Personen zu jedem Thema befragt werden, solange sie diese Befragung zulassen und Auskunft erteilen. Das einwilligende Verhalten des Befragten kann auch darin bestehen, dass dem Untersuchungsführer Zutritt zu einem bestimmten Ort gewährt wird, dass ihm Gegenstände, elektronische Daten oder Bild-/Tonaufzeichnungen übergeben werden oder dass ihm erlaubt wird, Aufnahmen oder Kopien anzufertigen. Eine Unverwertbarkeit aufgrund eines verfassungsrechtlichen Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG oder gegen höchstpersönliche Menschenrechte wird nur ausnahmsweise angenommen.[14] Etwaige Belehrungsmängel bei der Einholung einer Schweigepflichtentbindung oder bei der Personenbefragung von Arbeitnehmern haben bislang nicht zur Unverwertbarkeit solcher Aussagen geführt.[15]
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Jenseits der vernehmungspsychologischen Verantwortung des Fragestellers hat die Rechtsprechung der parallel zu einem Ermittlungsverfahren durchgeführten Befragung in Einzelfällen Grenzen gesetzt. Die Grenzen unerlaubter Erhebung liegen in der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und der individuell geschützten Rechtsgüter, namentlich das Recht am Bild, Recht am Wort, Recht an der Privatsphäre, Recht der informationellen Selbstbestimmung und an der Integrität und Vertraulichkeit datenführender Systeme.
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Daneben kommen als Straftatbestände, die Befragungen begrenzen können, das unerlaubte Eindringen in befriedetes Besitztum (§ 123 StGB), in fremde Datenbestände (§ 202a StGB), in fremde Geheimnisse (§§ 201, 202 StGB), die unerlaubte Telefonüberwachung (bspw. der Mitschnitt von Mobiltelefonen, Internetübertragungen usw. gem. § 206 StGB) und Eigentumsverletzungen in Betracht. Ein Verstoß gegen diese Gesetze kann auch nicht mit einem „Beweisnotstand“ gerechtfertigt werden.
b) Objektivität
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Die Befragung gegen Bezahlung oder gegen Gewährung anderer Vorteile ist nicht per se unlauter, wirft aber einen negativen Schatten auf die Motivation des Fragestellers, die die Objektivität der Interviewergebnisse infrage stellen kann. Neben der allgemein für zulässig und gerichtsverwertbar gehaltenen Informationsbeschaffung durch Detektive, bei Auskunfteien, Registern und andern Informationsquellen kommt es nicht selten vor, dass ein offen oder anonym auftretender Informant für angebotene Informationen, die von entscheidender Bedeutung in einem Fall sein können, Geld verlangt. Entscheidend ist die Vollständigkeit, Echtheit und Aussagekraft der Information.[16] Wenn Ermittlungsbehörden Anreize und Belohnungen[17] aussetzen können, darf auch der Untersuchungsführer oder sein Auftraggeber solche Belohnungen aussetzen (§ 657 BGB – Auslobung, § 971 BGB – Finderlohn), um Quellen aufzudecken. Der Einsatz von Geld und anderen Vorteilen für die Beschaffung von Beweismaterial hat aber Grenzen. Zwar können Zahlungen zur Erlangung von Beweisen („Schmieren“, „Beschleunigungszahlung“) nicht nach §§ 299 ff. StGB beurteilt werden, weil der Erlangung von Informationen in der Internal Investigation keine Wettbewerbsabsicht zugrunde liegt. Aber die Grenzen zivilrechtlicher Besitz- und Eigentumsrechte sowie die des privatrechtlichen Geheimnisschutzes müssen beachtet werden. Die Verwertung eines derart beschafften objektiven Beweises ist grundsätzlich zulässig. Bei der Vereinbarung eines Erfolgshonorars für den Fall, dass der Befragte auf eine Verfahrenssituation einwirkt, sind allerdings Grenzen schnell erreicht.[18]
c) Neutralität
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Die Befragung muss unbedingt wertneutral erfolgen. Untersuchungsergebnisse und deren Würdigung sind mit dem Befragten nicht zu diskutieren. Ebenso sind unlautere Einwirkungen auf die befragte Person, deren berufliches oder privates Umfeld unbedingt zu unterlassen. Kündigt der Fragesteller deshalb bspw. an, den Befragten vor Gericht zu bringen, ihn zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft „mitzunehmen“ oder sein Aussageverhalten dort vorzutragen, um ihn in der Folge einer peinlichen Befragung durch Behörden auszusetzen, sind die Grenzen einer lauteren Befragung überschritten. Hier handelt schon der Fragesteller außerhalb seiner eigenen Kompetenz und begibt sich auf das Feld einer Nötigung (§ 240 StGB). Die spezifische tatbestandsauslösende Situation liegt dabei nicht in der Ankündigung eines für sich gesehen prozessual zulässigen Handelns, sondern aus der für den Befragten überraschenden Ankündigung in der unternehmensinternen Befragung, noch lange bevor der Auftraggeber des Fragestellers sich für einen derartigen Schritt unter Abwägung aller Argumente entscheiden hat. Indem der Befragte solchen Ankündigungen ohne Abwehr- oder Beendigungsmöglichkeit ausgesetzt ist, erarbeitet sich der Fragesteller einen unlauteren Vorteil.
15
Die o.g. Vorgehensweise in verschiedenen Arbeitsphasen birgt auch Gefahren für die Neutralität der Befragung. Die vor dem Interview stattfindende Vorstellungsbildung des Untersuchungsführers konnte bislang nicht von dem Interviewpartner beeinflusst werden, er kennt daher die Versionen und Deutungen nicht, die der Fragesteller mit in das Interview bringt. Beide Interviewteilnehmer „sprechen dann aneinander vorbei“. Die Versionsbildung bei dem Fragesteller kann zudem in eine Voreingenommenheit des Fragestellers umschlagen. Dadurch können Anlass, Gang und Thematik des Interviews in ganz erheblichem Umfang bestimmt sein. Die dem Befragten vor und während des Interviews zur Verfügung gestellten Informationen aus der bisherigen Investigation werden in der Regel gefiltert, um das Aussageverhalten zu fördern oder bestimmte Aussagen zu erhalten. Das Vorgehen ist – wie es häufig von Strafverteidigern zu polizeilichen Vernehmungsprotokollen berichtet wird – einseitig. Derartige Interviews werden auf keiner Seite zu zufriedenstellenden Ergebnissen führen, weil sich der Befragte regelmäßig fragt, ob er „vorgeführt“, „überführt“ oder „an die Wand gestellt“ werden soll, der Fragesteller aber dem Befragten insgeheim oder ausgesprochen vorwirft, „zu mauern“ oder „die Unwahrheit“ zu sagen. Daher ist bei qualifizierten Interviews in der Vorbereitung der Befragung sehr klar zu trennen zwischen Vorverständnis, Fragerichtung und objektivem Erkenntnishorizont. Der Fragesteller muss sich selbst und seine Arbeitshypothesen in Frage stellen.
3. Aufklärung auf unsicherer Erkenntnisgrundlage
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An der Arbeitshypothese des Untersuchungsführers orientiert sich die Erhebung und Verwertung von Informationen, die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Mandanten und die Darstellung der Ergebnisse. Der Untersuchungsführer arbeitet wie der Strafverfolger auch nach einer kriminalistischen Arbeitshypothese[19], die dazu dient, Täter von Nichttäter zu trennen, den Hergang der Tat, Tatmotive, die Beteiligung des Opfers, sowie die weiteren Umstände aufzuklären. Der Untersuchungsführer darf seinen Arbeitshypothesen alle Informationen zugrunde legen, die für ihn und seinen Auftraggeber erreichbar sind. Er darf dieser Information prinzipiell vertrauen[20]. Er muss – anders als der Verteidiger – eine Überprüfung anstreben, um eine nicht nur für den Auftraggeber, sondern auch für etwaige behördliche Empfänger nötige Überzeugungskraft zu schaffen. Dabei hat er sich auch mit Widersprüchen zu den Erkenntnissen der Kartell-, Verwaltungs- oder Strafverfolgungsbehörden auseinander zu setzen.
17
Arbeitshypothesen der Untersuchung haben den jeweiligen Verständnishorizont der Ermittlungsbehörden und eines Gerichts zu bedenken. So kann sich auch gegenüber dem Untersuchungsführer Misstrauen ergeben, das sich den Ergebnissen entgegen stellt. Auch diese Stellen arbeiten mit Hypothesenbildungen[21], die gerade durch den Erkenntnisprozess zu validieren sind. Daher empfiehlt es sich aus Sicht des Praktikers, Ergebnisse der Befragungen stets neutral und möglichst wortgetreu zu schildern.
18
Die größte Unsicherheit bei Befragungen vor Abschluss der Informationssammlung des Untersuchungsführers geht von der Beweisrichtung aus. Eine Information kann sowohl belastender als auch entlastender Natur sein, es können Erhebungs- und Verwertungsverbote oder Verfahrenshindernisse eingreifen. Die Befragung darf keine dieser Deutungsmöglichkeiten verdecken oder – trotz naheliegender entgegen gesetzter Hinweise – ausschließen. Für verschiedene Beweisrichtungen sind Handlungsgrundsätze, Methodik und Grenzen durch zivilrechtliche und strafrechtliche Normen zu bestimmen. Die Erkenntnis des Untersuchungsführers über Nutzen oder Nachteil eines Beweismittels (sowohl Personen- wie auch Sachbeweis) für die Untersuchungsergebnisse in Bezug auf das Aufklärungsziel ist Gegenstand der Aufklärung, darf aber nicht bereits in den ersten Phasen der Untersuchung als abgeschlossen betrachtet werden. Solange der Erkenntnisfortschritt anhält, kann die Grundlage der Tatsachenfeststellungen – und damit auch der Ergebnisdarstellung – einem Wandel unterliegen.