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Glitza nennt die Faktoren Unauffälligkeit, Gewissenhaftigkeit, Konspiration und Zielgerichtetheit als wesentliche Merkmale einer Observation, a.a.O., S. 18.
[4]
Detektive üben keine erlaubnispflichtige Bewachungstätigkeit i.S.d. § 34a GewO aus. Sie nehmen keine sog. Obhutstätigkeit wahr. Die gewerbsmäßige Ermittlung und Informationsbeschaffung ist eine Tätigkeit gem. § 38 Abs. 1 Nr. 2 GewO. Umfassend 2004 u.a. in Stober/Olschok/Brauser-Jung E II, Rn. 18 ff.
[5]
Glitza S. 19 f.
[6]
Glitza S. 14.
[7]
Glitza S. 14; Grübler/Howorka/Lammel/Roll/Soinë/Steffen/Stümper S. 403.
[8]
Exemplarisch BGH NJW 2013, 2350 ff.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 8. Kapitel Personenüberwachung durch Observationen › II. Rechtliche Überlegungen
II. Rechtliche Überlegungen
24
Wie bereits dargestellt geht es bei der Observation darum, durch Beobachtungen Erkenntnisse zu erlangen, die genutzt werden können, um vorwerfbares Verhalten zu belegen. Es geht also im Wesentlichen darum, Umstände aus dem persönlichen Lebensumfeld der Zielperson zu gewinnen, die von dieser normalerweise nicht freiwillig offengelegt werden, um hierdurch in einem laufenden Ermittlungs-/Untersuchungsverfahren einen Erkenntnismehrwert zu generieren.
25
Da es bei der Observation um das planmäßige und wissentliche Beschaffen relevanter Informationen geht, liegt regelmäßig eine Erhebung i.S.d. § 3 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vor. Lediglich zufällige Feststellungen im Rahmen der allgemeinen Aufgabenerledigung stellen noch keine datenschutzrechtliche Erhebung dar.[1]
26
Wesentliche Charakteristik dieser Maßnahmen ist es, dass sie nicht offen, sondern in überwiegendem Fall heimlich durchgeführt wird. Die Auffassung, dass heimliche Ermittlungsmaßnahmen generell verboten wären, wird zwar auch in der Literatur vertreten,[2] konnte sich jedoch nicht durchsetzen.
27
Ein derartiges Dogma hätte zur Folge, dass klandestine, konspirative, mit hoher krimineller Energie sowie Täuschungswille durchgeführte Pflichtverletzungen nicht ermittelbar wären. Wie in der Folge noch darzustellen sein wird, verlangt heimliches Ermittlungshandeln jedoch eine strikte und einzelfallbezogene Betrachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.[3]
28
Da durch die Observation regelmäßig in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingegriffen wird, ist vor Entscheidung über die Zulässigkeit einer Observation zu prüfen, ob diese durch die konkrete Observationskonzeption tangiert wird.
1. Recht auf informationelle Selbstbestimmung
29
Der Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung i.S.d. Art. 2 (1) GG i.V.m. Art. 1 (1) GG und Art. 8 (1) EMRK umfasst v.a. das Recht des Grundrechtsträgers über Art, Weise sowie Umfang bestimmen zu können, wie Dritte auf seine individuellen Daten, also v.a. personenbezogene Daten zugreifen können. Dieses Grundrecht ist im Privatrechtsverkehr ebenso zu gewährleisten, wie im Arbeitsverhältnis.[4]
30
§ 3 (1) BDSG definiert personenbezogene Daten als Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Jede Information, ganz gleich ob abgeschlossener Gesamtsachverhalt oder Teilaspekt/-datum, die im Rahmen von internen Ermittlungen gewonnen wird, um diese einer bereits bekannten Person (bestimmten natürlichen Person) bzw. einer bisher nicht individualisierten Person (bestimmbare natürliche Person) zuzuordnen, kann demnach ein personenbezogenes Datum darstellen.
31
Problematischer kann die Einzelfallbetrachtung bei der sog. Zielobservation aussehen. Denkbar sind Anlässe, bei denen sich der Verdacht zunächst nicht gegen eine bestimmbare Person richtet (Beispiel: Durch einen Hinweis ist bekannt geworden, dass entwendetes Firmeneigentum zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem definierten Ort durch einen unbestimmten „Mitarbeiter“ zum Verkauf angeboten werden soll). In Teilen der Literatur wird zutreffend davon ausgegangen, dass die „bloße Beobachtung einer Örtlichkeit“[5] keinen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung indiziert.
32
In diesen Fällen richten sich die Maßnahmen zunächst gegen einen Ort und nicht gegen eine Person. Es geht unter Umständen in einer derartigen Fallkonstellation zunächst einmal darum, lediglich Zustandsbeobachtungen durchzuführen (Beispiel: Handelt es sich bei den angebotenen Gegenständen tatsächlich um Firmeneigentum der Fa. XY?), Ortsverhältnisse festzustellen oder einen allgemeinen Überblick zu gewinnen.
33
Anders wird dies, wenn der Observant beabsichtigt, durch seine Beobachtungen eine Person zu bestimmen. Dann muss im Zweifelsfall von einer Erhebung personenbezogener Daten ausgegangen werden. Sollte es dem Leiter einer Untersuchung darum gehen, lediglich sachbezogene Informationen zu erheben, so hat er dies v.a. gegenüber dem Observationsteam deutlich herauszustellen und darauf hinzuweisen, dass die Observation abzubrechen ist, sobald personenbezogene Daten ohne ausreichende rechtliche Grundlage erhoben werden. Auch wenn diese Konstellation rechtstheoretisch und wenig praktikabel wirkt, ist sie frühzeitig in die Überlegungen einzubeziehen.
34
Gerade im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen können besonders schutzwürdige Daten gem. § 3 Abs. 9 BDSG eine entscheidende Rolle spielen. Zu diesen gehören u.a. Daten zur Gesundheit des Betroffenen, also auch Krankheitsdaten. Da die Observation eine beliebte Ermittlungsmethode zur Aufklärung von manipulierten Krankschreibungen ist, muss im Detail geprüft werden, welche Informationen durch eine Observation erhoben werden. Wird durch eine Observation zum Beispiel ein krankgeschriebener Mitarbeiter dabei überwacht, wie er am wöchentlichen Fußballtraining teilnimmt, dann werden wohl keine Krankheitsdaten – also besonders schutzwürdige Daten – erfasst. Erfasst wird die Anwesenheit der betroffenen Person an einem bestimmten Ort und zu einer definierbaren Zeit.
2. Rechtliche Erheblichkeit des operativen Vorgehens
35
Entscheidend bei der Frage nach der Zulässigkeit einer Observation ist, wie der konkrete operative/taktische Ansatz hierbei aussieht. Es ist somit der Umstand des konkreten Einzelfalls der Durchführung maßgeblich für die Beantwortung der Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit.
36
Denkbar sind zum Beispiel die nachfolgenden Vorgehensweisen:
– Kurzfristige Observation im öffentlichen Raum bei der lediglich ein Observationsprotokoll durch den Oberservanten erstellt wird. – Längerfristige Observation auch im häuslichen Umfeld der Zielperson bei der Video- und Fotoaufnahmen gefertigt werden. – Recherche im Profil eines sozialen Netzwerkes um in Erfahrung zu bringen, wo sich die Zielperson zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhalten wird und anschließende zielgerichtete Observation an eben diesem Ort. – Standortbestimmungen eines mitgeführten Firmen-Smartphones mittels MDM-Software[6] und anschließender Einsatz eines Observationsteams an einem bestimmten Ort. – Observation eines stationären Zeiterfassungsgeräts auf einem Betriebsgelände mit der Zielrichtung festzustellen, ob ein bestimmter Mitarbeiter selber ausstempelt oder dies von einem Dritten vornehmen lässt.Je intensiver die mit der Observation verbundenen Grundrechtseingriffe sind, desto höher sind die Voraussetzungen an die Erlaubnistatbestände (vgl. 2.4.1) und die Verhältnismäßigkeit (2.4.2). Diese Einschreitkaskade soll im Folgenden näher erläutert werden.
3. Interpretationsrahmen öffentlich rechtlicher Normen
37
Das LG Mannheim[7] hat im Zusammenhang mit dem Einsatz eines GPS-Moduls durch einen Detektiv festgestellt, dass – im Sinne eines Erst-Recht-Schluss – dieser rechtswidrig war, da der Einsatz auch für die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungshelfer unter Würdigung der entsprechenden öffentlich rechtlichen Normen unzulässig gewesen wäre und demzufolge „erst Recht für den Angeklagten, der als Detektiv und damit Privatperson ausschließlich ‚Jedermanns-Rechte‘ innehat und sich ohnehin nicht“ auf öffentlich rechtliche Normen[8] berufen kann. Auch wenn der Bundesgerichtshof zu einer andersdeutenden Betrachtung kam,[9] können die öffentlich rechtlichen Normen zur Interpretation zumindest herangezogen werden.
38
Sowohl das präventive Polizeirecht, als auch die Strafprozessordung kennen Regelungen zur Observation sowie zum Einsatz flankierender Maßnahmen.
39
Im präventiven Bereich ist eine längerfristige Observation überwiegend nur dann zulässig, wenn es darum geht, Straftaten von erheblicher Bedeutung aufzuklären oder eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zu verhindern.
40
Längerfristig bedeutet i.d.R., dass die planmäßige Beobachtung für einen Zeitraum von mehr als 24 Stunden vorgesehen ist oder über mehr als zwei Tage – mit jeweils kürzeren Observationszeiten – andauert.[10]
41
Wesentlich ist, dass eine Beobachtung erst dann zur Observation wird, wenn sie „eine bestimmte Intensität, einen bestimmten Umfang oder eine bestimmte Dauer“[11] einnimmt. In den Fällen einer kurzfristigen Beobachtung/Observation reicht in der Regel ein Gefahrenverdacht aus.[12]
42
Die meisten Polizeigesetze der Länder und die des Bundes verweisen auf die längerfristige, präventive Observation im Rahmen der Ermächtigungsgrundlagen zur Erhebung personenbezogener Daten. Sie verstehen hierunter überwiegend die planmäßig angelegte Überwachung einer Person, die durchgehend länger als 24 Stunden dauert oder an mehr als zwei Tagen stattfinden soll.[13]
43
Im Strafverfahrensrecht gestattet der Gesetzgeber derartig eingriffsintensive Maßnahmen nur zur Ermittlung besonders schwerwiegender Straftaten. § 163 f StPO gestattet der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungshelfern die längerfristige (>24 Stunden) „planmäßig angelegte Beobachtung“ eines Beschuldigten, bei Fällen erheblicher Bedeutung. Hierunter sind nicht Katalogstraftaten i.S.d. §§ 98a, 100 ff. StPO gemeint, sondern insbesondere Fälle von „Eigentums- und Vermögenskriminalität“.[14]
44
In beiden Fällen wird deutlich, dass es – vor allem bei der längerfristigen Observation – nicht um Bagatelldelikte geht, die hier verhindert oder ermittelt werden sollen. Die Anwendung eben dieses Maßstabs führt dazu, dass man im Rahmen interner Ermittlungen im Unternehmensumfeld dazu kommen muss, dass auch hier ein ähnlich strenger Rahmen anzulegen ist. Zu Recht wird die Observation als derart einschneidende Maßnahme als ultima ratio angesehen.
4. Rechtliche Anforderungen an eine Observation
45
Die gesetzlichen Anforderungen, die an die Erhebung personenbezogener Daten durch Observation gestellt werden, ergeben sich aufgrund des grundsätzlichen Verbots mit Erlaubnisvorbehalt[15] überwiegend aus dem BDSG und der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
46
So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG)[16] eine Observation inklusive Bild- und Videoaufzeichnungen eines Beschäftigten durch einen Detektiv als rechtswidrig eingestuft, da es weder die Erlaubnistatbestände, noch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als ausreichend berücksichtigt ansah. Hierauf soll im Folgenden näher eingegangen werden.
a) Erlaubnistatbestände
47
Als grundsätzliche Ausgangsnorm für Observationen und andere personenbezogene Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit delinquentem oder deviantem Verhalten von Angestellten wird überwiegend § 32 Abs. 1 BDSG (Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses) in Frage kommen.
48
Die Auslegung eben dieser Norm an den Grundsätzen des öffentlichen Rechts (s.o.) hätte zur Folge, dass eine Observation nur dann zulässig wäre, wenn dringende sowie valide Gründe für eine erhebliche Pflichtverletzung (v.a. in Form gravierender Straftaten) vorliegen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit diesen gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte im konkreten Einzelfall gestattet.[17]
49
Von dringenden und validen Gründen ist dann auszugehen, wenn „zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht“[18] einer Pflichtverletzung indizieren. Eine Observation aus bloßem Interesse oder aus einem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit scheiden in jedem Fall aus. Observationen aus unredlichen, „illegaler“[19] Motivation sind evident unzulässig. Gleiches gilt für Observationen mit „Belästigungscharakter“.[20]
50
Es empfiehlt sich, vor der Entscheidung über eine Observation gemeinsam mit Arbeitsrechtlern, Bereichsvorgesetzten und im Idealfall Arbeitnehmervertretern zu prüfen, ob die zugrundeliegenden Verdachtsmomente durch Personal- (dokumentierte und übereinstimmende Aussagen bekannter und zuverlässige Zeugen im Idealfall) oder Sachbeweise (Dokumente, Aufzeichnungen etc.; im Idealfall korrespondierend mit den Personalbeweisen) zu erbringen wären und diese Beurteilung zu dokumentieren.
51
In dem bereits zitierten Urteil des BAG ging dieses davon aus, dass ein ausreichender dringender Verdacht nicht gegeben war, da im konkreten Fall der hohe Beweiswert der vorliegenden ärztlichen Atteste nicht durch „begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser ärztlichen Bescheinigung“[21] aufgehoben werden konnten.
52
Von einer erheblichen Pflichtverletzung wird in der Regel dann auszugehen sein, wenn die Straftat derer der Beschäftigte verdächtigt wird, während des Beschäftigungsverhältnisses begangen wurde und tatbestandsmäßig in der Nähe der Bewertungsmaßstäbe der StPO angesiedelt ist. Überwiegend wird es darum gehen, dass der Geschädigte der Arbeitgeber ist, wenngleich auch durchaus andere Fallkonstellationen denkbar sind. Maßgeblich sind neben dem Strafmaß auch Kriterien wie der verursachte Schaden, kollusives Handeln oder andere qualifizierende Merkmale.
53
Observationen, die sich gegen andere als Beschäftigte richten, werden i.d.R. durch § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zu rechtfertigen sein.
54
Danach kann zur Erfüllung berechtigter Interessen eine Erhebung personenbezogener Daten dann erfolgen, wenn die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen nicht überwiegen. Von berechtigten Interessen ist dann auszugehen, wenn es sich um einen Grund handelt, „dessen Verfolgung vom gesunden Rechtsempfinden gebilligt wird“.[22] Da sich hierunter auch die Geltendmachung gesetzlich zugestandener Rechte verbirgt, kann ein berechtigtes Interesse auch in der Ermittlung krimineller Handlungen und dem Anspruch auf Schadensersatz liegen.
55
§ 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG wird in jedem Fall dann einschlägig sein, wenn ein Unternehmen mit eigenem Personal (Konzernsicherheit, Innenrevision etc.) die Datenerhebung und –verarbeitung durchführt. Ob bei der Beauftragung einer Detektei zur Observation eines Nicht-Beschäftigten § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG einschlägig ist, wird in der Literatur[23] und in der Rechtsprechung[24] diskutiert. Hierbei ist eine Präferenz zu Gunsten einer Zulässigkeit ebenfalls nach § 28 Abs. 1 BDSG zu erkennen, da es sich bei der Datenerfassung einer Detektei im Rahmen einer Observation weniger um „Geschäftsmäßigkeit“ als um „Gewerbsmäßigkeit“ handelt.[25]
b) Verhältnismäßigkeit
56
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, dass die Maßnahmen
– objektiv zwecktauglich sind, den Erkenntnisgewinn zu erzielen, – andere ebenso geeignete Ermittlungsmaßnahmen nicht zur Verfügung stehen und – „das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung“[26] seiner personenbezogenen Daten im Rahmen einer Observation und etwaiger flankierender Maßnahmen nicht überwiegt.57
Die Auslegung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn orientiert sich v.a. an der Sphärentheorie des Bundesverfassungsgerichts.
58
Im Rahmen der Observationsplanung sollte intensiv darüber nachgedacht werden, ob die Observation geeignet, also objektiv zwecktauglich ist, die erforderlichen Informationen zu erheben. Sollte z.B. im Rahmen der Vorermittlungen der Verdacht aufkommen, dass Absprachen über kriminelle Handlungen per Mail erfolgen und ein persönlicher Kontakt zwischen Tatbeteiligten nicht zu erwarten ist, kann durch die Observation zunächst kein Erkenntnismehrwert erreicht werden.
59
Erforderlich kann eine Observation v.a. dann werden, wenn andere, mildere Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen, mit denen ebenso wirksam das Erkenntnisdefizit ausgeglichen werden kann.
60
Bei der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne kommt es darauf an, dass das „Beweisführungsinteresse“[27] den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des zu Observierenden als angemessen erscheinen lässt. Diese Abwägung ist auf Basis der Sphärentheorie des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmen, je nachdem in welchen Bereich persönlicher Lebensführung eingegriffen werden soll.
61
Unbestritten sind Eingriffe in die Intimsphäre, also den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensführung unverhältnismäßig.[28]
62
Weniger geschützt sind Eingriffe in die Privatsphäre. Diese umfasst den Kernbereich „privater Lebensgestaltung, welcher der Öffentlichkeit abgewandt ist“.[29] Der Privatsphäre zuzurechnen ist unter anderem die Wohnung und das häusliche Umfeld des Betroffenen. Zum unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung gehören Gespräche, die Angaben über begangene Straftaten enthalten i.Ü. nicht.[30]
63
Jedwede Form der Lebensgestaltung, die zumindest einem Teil der Öffentlichkeit zugänglich ist, kann der Sozialsphäre zugeordnet werden. Das BVerfG ordnet diesem Bereich auch Betriebs- und Geschäftsräume zu, in denen Gespräche mit überwiegend geschäftlichem Charakter geführt werden[31] und in dem der Betroffene „denknotwendigerweise auch Bereiche seiner Persönlichkeit preisgibt“.[32] Beobachtungen, die am Arbeitsplatz durchgeführt werden, müssen überwiegend diesem Sphärenkreis zugerechnet werden. Eine Observation, die den Bereich der Sozialsphäre tangiert, unterliegt einem geringeren Eingriffshindernis, als Eingriffe in die Privatsphäre. Zu beachten ist, dass es sich nicht um eine ausschließlich raumbezogene Betrachtung handelt: wesentlich ist, zu prüfen, ob die zu erhebenden personenbezogenen Daten der Sphäre zuzurechnen sind.
64
Den weitesten Zugriff auf personenbezogene Daten gestattet die Öffentlichkeitssphäre. Hier muss der Betroffene davon ausgehen, dass sein Handeln unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet. Dies gilt insbesondere dann, wenn den Betroffene die Öffentlichkeit sucht, bzw. diese selber herstellt. Ein Beschäftigter, der während seiner Krankschreibung ein Interview gibt, in dem er ankündigt in der kommenden Woche seiner nebenberuflichen Tätigkeit als Künstler nachzugehen, wird sich nicht auf den Schutz seiner Privatsphäre berufen können. Eine Observation am Veranstaltungstag und –ort sollte problemlos möglich sein, da er die Öffentlichkeit eingeladen hat. Problematischer könnten Erkenntnisse sein, die sich aus sozialen Medien ergeben. Sofern diese über eine allgemeine Suchmaschine recherchierbar sind, gelten die Informationen grds. als solche aus einer öffentlichen Datenbank.[33]
65
Die vorausgegangenen rechtlichen Überlegungen zeigen deutlich auf, dass der Verantwortliche für die internen Ermittlungen aufgrund der tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls abwägen muss, welche Observationsziele (vgl. Rn. 8) mit welcher Observationsart (vgl. Rn. 8 f.) und unter Einbeziehung welcher flankierender Maßnahmen im jeweiligen Fall erreicht werden sollen.
5. Einsatz technischer Mittel
66
Der Einsatz technischer Mittel zur Unterstützung einer Observation muss sich an denselben Maßstäben messen lassen, wie die eigentliche planmäßige Beobachtung auch. Im Fall des Nachforschens im Zusammenhang mit dem kriminellen Verhalten eines Beschäftigten ist für die Erhebung personenbezogener Daten § 32 BDSG einschlägig. In allen anderen Fällen kann der Einsatz dieser Mittel durch das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes gerechtfertigt sein (vgl. Rn. 54).
67
Besonders kontrovers wird der Einsatz sog. Global Positioning Systems (GPS) diskutiert. Der BGH hat in seiner Entscheidung über das GPS-gestützte Erstellen persönlicher Bewegungsprofile durch Detektive[34] festgestellt, dass die „heimliche Überwachung einer ‚Zielperson‘ mittels GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar“[35] ist und nur bei „Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an der Datenerhebung“[36] ausnahmsweise zulässig sein kann.
68
Neben der unstreitig zu bejahenden Frage, ob es sich bei GPS-Daten eines eindeutig einem Fahrer zuzuordnenden Fahrzeuges um personenbezogenen Daten handelt, kommt es bei der fortlaufenden technischen Standortbestimmung darauf an, wie die konkrete „Art und Weise der Datenerhebung und –verarbeitung“ ausgestaltet ist[37]. Da der Einsatz von GPS-Sendern regelmäßig heimlich und konspirativ erfolgt, sind die Anforderungen an eine Güterabwägung mit den Rechten des Überwachten umso höher. Der technisch Observierte wird regelmäßig nicht wahrnehmen, dass eine technische Installation am Fahrzeug vorgenommen wurde. Operativ lässt sich kaum ausschließen, dass bei einer technischen Observation auch Daten von Mitfahrern, also u.U. unbeteiligten Dritten, miterfasst werden. Das Gericht geht in seiner Würdigung zudem davon aus, dass mit dem Einsatz eines GPS-Senders auch andere fragwürdige Eingriffe verbunden sein können (exempl.: Der Empfänger wird nach dem Eindringen in ein befriedetes Besitztum des zu Observierenden angebracht).