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69
Nach Auffassung des BGH kommt ein derart gravierender Eingriff nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn besonders gewichtige und belastbare Gründe als Ermittlungsinteresse überwiegen. So scheidet das bloße Verlangen kompromittierende Informationen zu erlangen als „illegaler Zweck“[38] ebenso als Rechtfertigung aus, wie das Verlangen im Zusammenhang mit ehelicher Untreue oder Unterhaltsansprüchen Informationen über den jeweiligen Lebenspartner zu gewinnen. Ohne sich im Einzelfall festzulegen hob das Gericht die vorinstanzlichen Urteile in den Fällen auf, in denen der GPS-Einsatz dazu bestimmt war, v.a. Fälle von Wirtschaftskriminalität aufzuklären und damit die „Wahrung finanzieller Interessen“[39] sicherzustellen. Obgleich über den Einsatz im Zusammenhang mit einfachen arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen nicht explizit entschieden wurde, muss davon ausgegangen werden, dass diese als Rechtfertigungsgrundlage in den überwiegenden Fällen nicht ausreichen werden.
70
Für die tägliche Ermittlungspraxis wird der Einsatz von GPS-Modulen die absolute Ausnahme sein. Denkbar sind lediglich wenige Einzelfälle herausragender Wirtschaftskriminalität oder gravierender Vermögensdelikte zu deren Ermittlung keine anderen Mittel zur Verfügung stehen und zu der neben der Qualität des zu erforschenden Delikts, ein hoch kriminelles und konspiratives Vorgehen des Täters tritt. Es empfiehlt sich, die hohen Anforderungen an die Verdachtsgrundlage valide zu erfassen und zu dokumentieren. Hiermit einher sollte eine intensive Befassung der ermittlungsleitenden Stelle mit dem Rechtfertigungsvorsatz, als subjektivem Rechtfertigungselement, gehen.
71
Über den Einsatz weiterer technischer Möglichkeiten wie sog. Spyware, Remote Access Tools[40] etc. nachzudenken verbietet sich vor dem Hintergrund der oben gemachten Ausführungen nahezu von selbst. Da das Installieren derartiger Programme neben den datenschutzrechtlichen Grenzen auch auf erhebliche strafrechtliche Sanktionen trifft (einschlägig sind hier eine Reihe sog. Cyberdelikte) ist eine Rechtfertigung beider Aspekte grds. ausgeschlossen. Letztendlich erfolgt nicht nur eine fragwürdige Erhebung personenbezogener Daten, sondern auch das vorsätzliche Kompromittieren datenverarbeitender Systeme und die Manipulation von Kommunikationsmitteln.
6. Recherchen
72
Grundsätzlich kritisch wird die Recherche des Arbeitgebers über einen Beschäftigten in sozialen Netzwerken oder öffentlich zugänglichen Datenbanken gesehen.[41] Denkbar sind Fälle in denen es darum geht, bereits im Einstellungsverfahren Daten über Bewerber zu erheben, während eines Beschäftigungsverhältnisses anlassunabhängig Daten zu erheben oder im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer Pflichtwidrigkeit Recherchen – auch zur Vorbereitung von Observationen – durchzuführen.
73
Grundlage für die Recherchen personenbezogener Daten sind die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes. Einschlägig ist § 32 BDSG; für den Fall der Recherche durch einen Dritten ggf. § 29 BDSG.
74
Unstreitig sind anlassunabhängige Recherchen durch den Arbeitgeber in sozialen Netzwerken und auch in öffentlichen Datenbank als rechtswidrig anzusehen, da das BDSG in jedem Fall eine Zweckbindung (aus Vertragsverhältnis, zur Erfüllung des Geschäftszwecks, im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis) der Datenerhebung fordert, die in der geschilderten Fallkonstellation nicht gegeben ist.
75
Im Zusammenhang mit dem Einstellungsverfahren in sozialen Medien und öffentlichen Datenbanken zu recherchieren wird teilweise kritisch gesehen. § 32 BDSG zielt zwar grundsätzlich auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ab, bezieht aber auch die Phase der Begründung mit ein (vgl. § 3 Abs. 11 Ziff. 7 BDSG). Die Zweckbindung des § 32 BDSG verlangt hier sorgsam mit einer Recherche umzugehen. Wenn es zum Beispiel darum geht, bei der Neubesetzung einer Risikoposition die vorgelegten Referenzen durch Recherchen zu validieren, dann wird dies durchaus berechtigt sein. Neben der Frage der Zulässigkeit ist auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wesentlich. Informationen aus der Privatsphäre des Kandidaten unterliegen einem größeren Schutz als solche aus der Öffentlichkeitssphäre (vgl. Rn. 63). Thüsing verweist an dieser Stelle auf die h.M., nach der eine Recherche („Google“) bereits durch § 28 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BDSG zulässig ist, da die im Internet verfügbaren Daten öffentlich sind.[42]
76
Einfacher sieht es mit der Recherche im Zusammenhang mit delinquentem Verhalten aus. Thüsing geht in diesem Fall von einer (sonstigen) Veranlassung durch den Betroffenen aus. „Im laufenden Arbeitsverhältnis wird eine Veranlassung der Datenerhebung und -verarbeitung (Anmerkung: in sozialen Medien und öffentlich zugänglichen Datenbanken) vor allem dann nahe liegen, wenn der Betroffene Vertragsverstöße oder gar Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers begangen hat.“[43]
77
Auch wenn von der ganz grundsätzlichen Zulässigkeit – erneut in diesem Fall gemessen am Ermächtigungsrahmen des § 32 BDSG – ausgegangen werden kann, gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Rn. 63) einen ausgewogenen Umgang mit dieser Möglichkeit. Auch hier scheidet ein Recherchieren „ins Blaue hinein“ aus. Der Leiter einer Untersuchung muss sich zu Beginn der Recherche ein Bild darüber machen, welche Informationen er konkret für die Observation benötigt. So kann eine gezielte Recherche im Profil eines sozialen Netzwerkes dazu dienen, eine Observation weniger eingriffsintensiv – da fokussierter – durchzuführen, da die ZP z.B. seine Anwesenheit bei einer Sportveranstaltung während der Krankschreibung vorzeitig postet und in Aussicht stellt.
Anmerkungen
[1]
Stober/Olschok/Peilert F I, Rn. 7.
[2]
Thüsing § 3, Rn. 48 mit Verweis auf Däubler u.a.
[3]
So auch Thüsing a.a.O.
[4]
BAG 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13, Rn. 14.
[5]
Heesen et al. § 28, Rn. 24.
[6]
MDM-Software: Mobile Device Management Software gestattet in größeren Unternehmen das zentrale Management der unternehmenseigenen Endgeräte. Die Programme unterstützen recht regelmäßig auch die Standortbestimmung des jeweiligen Devices.
[7]
LG Mannheim BeckRS 2013, 12634.
[8]
Im konkreten Fall § 100h StPO.
[9]
Der BGH hat in seinem Urteil vom 4.6.2013 – 1 StR 32/13 in gleicher Sache darauf hingewiesen, dass der Maßstab der Zulässigkeit strafprozessualer Maßnahmen nicht alleinige Grundlage sein darf.
[10]
Vgl. § 163f StPO; Gefahrenabwehrrecht des Bundes und der Länder (exempl. § 16a PolG NRW und § 28 BPOLG).
[11]
Heesen et al. § 21 Rn. 20.
[12]
Heesen et al. § 21 Rn. 20.
[13]
§ 20g BKA-Gesetz.
[14]
Kleinknecht/Meyer-Goßner § 163f Rn. 4.
[15]
Gola/Schomerus § 4, Rn. 3.
[16]
BAG 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13.
[17]
So auch BAG 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13, Rn. 19.
[18]
BAG 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13.
[19]
BGH NJW 2013, 2537.
[20]
OLG Köln 20.7.2010 – 3 U 94/09; BeckRS 2013, 18727.
[21]
BAG 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13, Rn. 25.
[22]
Gola/Schomerus § 28.
[23]
U.a. Balzer/Nugel NJW, 2013, 3398.
[24]
BGH NJW 2013, 2534.
[25]
Gola/Schomerus § 29, Rn. 6 f.
[26]
BAG 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13, Rn. 19.
[27]
BGH NJW 2013, 2536.
[28]
BVerfGE 3.3.2004 zur Akustischen Wohnraumüberwachung 1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99, MMR 2004, 302 ff.
[29]
Balzer/Nugel NJW 2013, 3400.
[30]
BVerfGE 3.3.2004 zur Akustischen Wohnraumüberwachung 1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99, MMR 2004, 305.
[31]
BVerfGE MMR 2004, 305.
[32]
Balzer/Nugel NJW 2013, 3400.
[33]
Notzon Arbeitsrecht meets Facebook, 2013, S. 183.
[34]
BGH NJW 2013, 2530 ff.
[35]
A.a.O. (Leitsatz 3 der Redaktion NJW).
[36]
BGH NJW 2013, 2530 ff.
[37]
BGH NJW 2013, 2530 ff.
[38]
BGH NJW 2013, 2537.
[39]
BGH NJW 2013, 2537.
[40]
Bei Spyware handelt es sich um Software die v.a. auf Smartphone installiert werden kann, um neben einer lückenlosen Überwachung sämtlicher Kommunikationsdaten auch ein Bewegungsprofil erstellen zu können. Remote Access Tools sind Schadprogramme, die einen PC fernmanipulieren können und zur Überwachung eingesetzt werden könnten. Beide Systeme verlangen, dass Software ohne Wissen des zu Überwachenden und ggf. unter Überwindung von Sicherheitseinstellungen auf einem fremden Datenverarbeitungssystem installiert werden.
[41]
Umfassend dazu Thüsing § 14.
[42]
Thüsing § 14 Rn. 7.
[43]
Thüsing § 14, Rn. 23.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 8. Kapitel Personenüberwachung durch Observationen › III. Planung der Observation
III. Planung der Observation
78
Aufgrund der Erheblichkeit des Eingriffs ist jede Observation gewissenhaft und penibel vorzubereiten und durchzuführen. Zur Vorbereitung gehören in der Regel die Definition des Observationsziels, die Sichtung und Bewertung der bereits vorhandenen Unterlagen/Informationen, die sog. Umfeldrecherche sowie eine Skizzierung des tatsächlichen Observationsansatzes.
1. Definition des Observationszieles
79
Zu Beginn jeder Observation sollte durch den Leiter der Ermittlungen definiert werden, welches Ziel mit der Observation erreicht werden soll. Da eine Observation ohne konkreten Bedarf und ohne eindeutig umrissenes Ziel bereits schon rechtlich ausscheidet, ist klar zu definieren, was mit der planmäßigen Beobachtung erreicht werden soll. Die Definition eben dieses Ziels hat einen großen Einfluss auf die zu wählende Observationsart und die Art und Weise der Durchführung.
80
Beispiel:
Durch Aussagen von Kollegen und Feststellungen hat sich gegen einen Beschäftigten der konkrete Verdacht des Arbeitszeitbetrugs ergeben. Der Beschäftigte soll während der Arbeitszeit seinen Arbeitsplatz verlassen, wegfahren und erst in den Abendstunden zurückkehren, um dann auszustempeln. Was er in der Zwischenzeit tut, ist nicht geklärt.
81
Ziel der angedachten Observation ist es, den Arbeitszeitbetrug durch die Abweichungen der tatsächlichen von der angegebenen Anwesenheitszeit nachzuweisen. Dies geschieht auf der einen Seite dadurch, dass das Verlassen des Büros und des Betriebsgeländes ohne Zeitaufschreibung dokumentiert ist. Zudem muss die Rückkehr an die Betriebsstätte mit anschließender Arbeitszeiterfassung dokumentiert sein. Aus dem Unterschied zwischen den beiden Daten ergibt sich der Betrugsvorwurf.
82
Weniger entscheidend ist, was der Beschäftigte während seiner Abwesenheit unternommen hat. Ihn dabei zu observieren wie er sich mit seiner Geliebten trifft, tangiert in jedem Fall seine Privatsphäre. Spätere Einlassungen, er habe sich mit einem Geschäftspartner getroffen, können anders überprüft werden. Der Hinweis, dass es sich um eine einmalige Angelegenheit handelte kann durch eine regelmäßige Standobservation am Arbeitszeiterfassungsgerät widerlegt werden. Der Abgleich der tatsächlichen mit der erfassten Anwesenheit lässt sich rein technisch an einem Zeiterfassungssystem vornehmen. Im konkreten Fall zu einer tagelangen Beobachtung inkl. Bild- und Videoaufzeichnungen zu tendieren, müsste u.U. als über das Ziel hinausgeschossen angesehen werden.
83
Entscheidend für die Wahl der rechtlich zulässigen und zielgerichteten Konzeptionierung der Observationsmaßnahmen ist vor allem die oben beschriebene Definition des Observationsziels.
2. Observationsauftrag
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Im Observationsauftrag konkretisiert der Auftraggeber einer Observation gegenüber den Observanten das Ziel und den Umfang einer Observation. In den Observationsauftrag fließen die Ergebnisse der Zielbildung ebenso ein wie die rechtliche Beurteilung.
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Durch einen präzisen Observationsauftrag kann der Auftraggeber die Intensität des Eingriffs steuern. Er kann bewusst Einfluss darauf nehmen, ob bestimmte Bereiche bewusst von der Observation ausgenommen werden. Bei Observationen durch Dritte konkretisiert er die vertraglichen Absprachen.
3. Identifizierung potentieller operativer Risiken und Einflussfaktoren
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Bereits vor der Entscheidung, ob eine Observation erfolgen soll, muss das Risiko des kompletten Scheiterns der Observation analysiert werden. Was passiert, wenn die Zielperson die Observation bereits in einem frühen Stadium bemerkt und eindeutig als gegen sich gerichtete Maßnahme seines Arbeitgebers identifiziert? Wie wird die Zielperson in einem solchen Fall reagieren und welche Konsequenzen juristischer, arbeitsrechtlicher und auch sonstiger Art sind zu erwarten?
87
Sofern die Beantwortung dieser Fragen dazu führt, dass der Eintritt dieses größten anzunehmenden Schadensfalles die gesamte bisherige interne Ermittlung gefährdet oder unbrauchbar macht, sollte von einer Observation Abstand genommen werden. Hierbei darf allerdings auch nicht überzogen argumentiert werden. Ein normal agierender Mensch rechnet nicht ständig damit, observiert zu werden.
88
Hinzu kommt, dass ein qualifizierter Observant durchaus in der Lage sein muss, das eigene Entdeckungsrisiko zu minimieren und auch zu erkennen, ob die Zielperson bereits Verdacht geschöpft haben könnte. In diesem Fall ist der Abbruch der Observation möglich, ohne dass die Zielperson Klarheit über Ausmaß und Urheber seiner verdachtsbegründenden Wahrnehmung erhält. Das diffuse Gefühl einer Zielperson, sie werde beschattet, ist nicht automatisch das Ende jeder Observation. Hier kommt eine zeitliche Unterbrechung infrage oder auch ein Tausch der Observanten. Im Extremfall muss auf das Mittel der Observation zunächst verzichtet werden.
89
Eine Observation unterliegt engen rechtlichen Grenzen, auch wenn sie eine probate und zulässige Maßnahme zur Beweiserhebung im Verdachtsfall ist. Die Ergebnisse einer erfolgreichen Observation sollen als Teilbeitrag in die Gesamtbewertung einer internen Ermittlung einfließen. Aus diesem Grunde wird die Zielperson in der überwiegenden Anzahl der Fälle irgendwann ohnehin erfahren, dass sie observiert wurde. Insoweit ist auch eine gescheiterte Observation im Prinzip durchaus kommunizierbar und darf nicht als persönliche Niederlage des Auftraggebers empfunden werden. Gerade in der täglichen Praxis wird man allzu häufig mit einem übersteigerten Aufklärungswillen der Auftraggeber konfrontiert, der die sachliche und emotional distanzierte Sachaufklärung mitunter gefährdet. Erfahrene Observanten wissen ihre Auftraggeber hierauf hinzuweisen.
90
Von einer Observation sollte auch dann abgesehen werden, wenn der Einsatz der erforderlichen Ressourcen außer Verhältnis zum Mehrwert der Observation steht. Die beeinflussenden Faktoren, die bei einer Einschätzung zu berücksichtigen sind:
– Zeit, – Geld, – Personal, – sonstige Ressourcenbindung.91
Es sollte also bei der Entscheidung für oder gegen eine Observation genau der Kosten-Nutzen-Faktor in Betracht gezogen werden.
92
Auch aus Kostengründen kann Open-Source-Recherche oder z.B. eine Befragung eine valide Alternative zur Observation darstellen.
93
Entscheidungserheblich sind zudem die Risiken, die sich durch eine Observation auf die betrieblichen Abläufe, die Mitarbeiter, die Unternehmensreputation oder die Geschäftspartner ergeben können.
94
Eine Entscheidungsmatrix Pro und Contra könnte sich an folgenden Kriterien orientieren:
Kriterium Pro Contra Ressourcen – Ausgewogene Kosten-Nutzen-Relation – Unverhältnismäßig hoher Ressourceneinsatz Welche Auswirkung könnte die Observation auf das vertragliche Verhältnis zum Mitarbeiter haben – Hohe Wahrscheinlichkeit, durch die Ergebnisse der Observation auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen zu können – Geringe Wahrscheinlichkeit, zu einer außerordentlichen Kündigung zu kommen Indikation einer misslungenen Observation – Keine negativen Auswirkungen auf den bisherigen Verlauf der Ermittlungen – Andere Beweismittel können beschädigt werden – Spurenvernichtung/Zeugenbeeinflussung durch ZP wahrscheinlich Innerbetriebliche Auswirkungen – Die Mitarbeiter dürften die Observation als gerechtfertigt ansehen – Observation wird als „Nachschnüffeln“ empfunden Öffentliche Wirkung – Aufklärungswille des Unternehmens wird positiv bewertet – Reputationsschaden ist zu erwarten4. Vorbereitende Recherche
95
Eine umfassende Recherche im Vorfeld einer Observation ist nicht nur eine notwendige Maßnahme zur Gewährleistung des Observationserfolgs, sondern kann im großen Maße dazu beitragen, Zeit und Kosten des Einsatzes zu minimieren sowie die Intensität des mit der Observation verbundenen Eingriffs zu minimieren (vgl. Rn. 60).
96
In vielen Fällen können im Vorfeld einer Observation bereits grundlegende Informationen erhoben werden. Soll beispielsweise ein Mitarbeiter observiert werden, so verfügt der Arbeitgeber obligatorisch über Informationen zur Wohnaschrift, Telefonnummer, genauen Arbeitszeiten, etc. Weitere Informationen wie familiäre Situation, Freundeskreis oder Freizeitaktivitäten (politische Aktivitäten, soziales Engagement) verlangen in der Regel weitere Recherchen und unterliegen den o.g. einzelfallbezogenen Grenzen der Verhältnismäßigkeit.
97
Auch in Fällen, in denen die Erhebung von weiteren Informationen auf den ersten Blick als nicht notwendig erscheinen mag, können sich kurz vor oder während einer Observation unvorhersehbare Situationen ergeben, die nach zusätzlichen Informationen verlangen. Kann die Zielperson zu Beginn der Observation etwa beim Verlassen des Wohnortes nicht eindeutig identifiziert werden, wäre es beispielsweise vorteilhaft zu wissen, ob die Zielperson auf verschiedene PKW Zugriff hat oder sich auch an einer anderen, als der bekannten, Wohnanschrift aufhalten kann.
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Eine intensive und präzise Recherche kann nicht nur den Erfolg einer Observation steigern, sondern auch zusätzliche Informationen liefern, die eventuelle Vorstrafen oder andere kriminelle Verhaltensmuster der Zielperson (Gerichtsverfahren, Streitigkeiten, andere Vorwürfe) aufdecken. Hierdurch lässt sich der Aufwand der Observation eingrenzen bzw. weitere Ermittlungsmöglichkeiten eröffnen. Ein weiterer Aspekt ist die hiermit verbundene Minimierung des Risikopotentials, beispielsweise indem die Verwechslungen einer Person ausgeschlossen oder der geeignete Zeitpunkt für eine erfolgreiche Observation genau bestimmt wird.
99
Auch eine Aufhellung der Vermögenssituation der Zielperson kann für eine Observation erfolgsentscheidend sein: Besitzt die Zielperson Immobilien? Wenn ja, nutzt sie diese selber? Ist die Zielperson im Besitz hoher Sachwerte (Boote, Flugzeuge, Fahrzeuge)? Wo befinden sich diese? Gibt es verschiedene PKW, auf die die Zielperson Zugriff hat? Die Beantwortung dieser Fragen hilft dabei, frühzeitig mögliche Aufenthaltsorte der Zielperson zu identifizieren.
100
Ein Hinweis auf zu erwartende Aufenthaltsorte lässt sich möglicherweise ebenfalls anhand der zu recherchierenden Aktivitäten der Zielperson erstellen. Hierunter fallen beispielsweise die Mitgliedschaft in Sportvereinen, bevorzugte Restaurants, persönliches Engagement, etc.
101
Neben den grundsätzlichen Fragen, wo sich die Zielperson aufhält und mit wem sie Beziehungen unterhält, ist vor allem die Frage zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort sie dies tut für die erfolgreiche Durchführung einer Observation entscheidend. Anhand dieser Information können Zeitcluster erstellt und der ideale Zeitpunkt für Observationsmaßnahmen identifiziert werden. Sofern es gelingt, beispielsweise mit Hilfe der in sozialen Medien veröffentlichten Informationen und diskreten Befragung der Arbeitskollegen zu erfahren, dass die Zielperson Mitglied in einem Tennisclub ist und diesen regelmäßig nach der Arbeit aufsucht und die Wochenenden an einem Zweitwohnsitz verbringt, so lässt sich bereits im Vorfeld der Observation für bestimmte Zeiträume ein grobes Verhaltensmuster der Zielperson erstellen. Dies erleichtert die zielgenaue Durchführung der Observation.
102
Eine Überprüfung des persönlichen Netzwerkes liefert ggf. ein weiteres Bild über die Zielperson und eröffnet unter Umständen neue Recherchestränge. Hierzu zählen etwa die Fragen, wer zu ihrem professionellen Netzwerk gehört, mit wem sie privat befreundet ist, mit wem sie in den Urlaub fährt etc. Fotos und Adressen von relevanten Personen und eine kartographische Darstellung der Anschriften und Anlaufpunkte können bei der späteren Observation idealerweise die Identifizierung von Personen erleichtern und Bewegungsmuster vervollständigen.