Der Malaiische Archipel

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Die Insel Singapur besteht aus einer Menge kleiner Hügel von dreihundert bis vierhundert Fuß Höhe, deren Gipfel teilweise noch mit Urwald bedeckt sind. Das Missionshaus zu Bukit Timah war umgeben von mehreren dieser waldgekrönten Hügel, welche viel von Holzschlägern und Sägern besucht wurden, und sie boten mir vortreffliche Gelegenheit zum Sammeln von Insekten. Hier und da waren auch Tigerfallen aufgestellt, sorgfältig überdeckt mit Stöcken und Blättern und so gut versteckt, dass ich mehrere Male kaum dem Hineinfallen entging. Sie sind wie ein Schmelzofen gebaut, unten weiter als oben und vielleicht fünfzehn bis zwanzig Fuß tief, sodass man ohne Hilfe unmöglich wieder herauskann. Früher wurde ein scharf zugespitzter Pfahl auf den Boden gesteckt; aber seitdem ein unglücklicher Reisender durch Hinabfallen umgekommen, wurde dieser Brauch untersagt. Es gibt um Singapur stets einige Tiger, und sie töten durchschnittlich täglich einen Chinesen, besonders jene, welche in den immer in neu gelichtetem Dschungel angelegten Gambir-Pflanzungen arbeiten. Wir hörten einen Tiger ein- oder zweimal des Abends brüllen, und es war immerhin ein etwas nervöses Arbeiten, unter gefallenen Baumstämmen und in alten Sägegruben nach Insekten zu jagen, wenn eines dieser wilden Tiere vielleicht nahebei auf der Lauer lag, auf eine Gelegenheit zum Sprung wartend.
Mehrere Stunden mitten am Tag verbrachte ich auf diesen Waldplätzen, die entzückend kühl und schattig waren im Gegensatz zu dem nackten offenen Land, das man durchwandern musste, um dorthin zu gelangen. Die Vegetation war äußerst üppig und bestand aus enormen Waldbäumen, aus den verschiedenartigsten Farnkräutern, Wasserbrotwurzeln und anderem Unterholz und aus einer Unmasse von kletternden Rotangpalmen. Insekten gab es außerordentlich viele und sehr interessante, und jeder Tag brachte uns eine Unzahl neuer und merkwürdiger Formen. In ungefähr zwei Monaten erhielt ich nicht weniger als siebenhundert Käferarten, von denen ein großer Teil ganz neu; darunter waren hundertunddreißig verschiedene Arten der eleganten von Sammlern so sehr geschätzten Bockkäfer (Cerambycidae). Fast alle diese wurden auf einem Fleck im Dschungel gesammelt, der nicht größer war als eine Quadratmeile, und auf allen meinen folgenden Reisen im Osten traf ich selten, wenn je, einen so ergiebigen Ort wieder. Diese außerordentliche Ergiebigkeit hatte zweifellos teilweise ihren Grund in einigen begünstigenden Bedingungen des Bodens, des Klimas, der Vegetation und der Jahreszeit, die sehr hell und sonnig war mit genügenden Regenschauern, um alles frisch zu erhalten. Aber es war auch nach meiner Überzeugung zum großen Teil abhängig von der Arbeit der chinesischen Holzfäller. Sie hatten hier mehrere Jahre schon gewirtschaftet und während der ganzen Zeit einen beständigen Vorrat an trockenen, toten und zerfallenden Blättern und Rinden mit vielem Holz und Sägespänen aufgehäuft, was eine gute Nahrung für die Insekten und ihre Larven abgibt. Das hatte zur Ansammlung einer großen Menge von verschiedenen Arten auf einem begrenzten Raum Grund gegeben, und ich war der erste Naturforscher, der kam, um die Ernte, welche sie bereitet, einzuheimsen. Auf demselben Platz und auf meinen Wanderungen nach anderen Richtungen hin erhielt ich eine schöne Sammlung von Schmetterlingen und anderen Insektenordnungen, sodass ich im Ganzen sehr befriedigt war von diesen meinen ersten Versuchen, die Naturgeschichte des Malaiischen Archipels kennenzulernen.
6Eine mit Bambusrohr und kleinen Bäumen bestandene Fläche. A. d. Übers.
DRITTES KAPITEL
MALAKKA UND DER BERG OPHIR
(Juli bis September 1854)
Da Vögel und die meisten anderen Tierarten auf Singapur selten waren, so verließ ich es im Juli und ging nach Malakka, wo ich mehr als zwei Monate im Inneren zubrachte und einen Ausflug nach dem Berg Ophir machte. Die alte und pittoreske Stadt Malakka zieht sich längs dem Ufer eines schmalen Flusses hin und hat enge Straßen mit Läden und Häusern, bewohnt von den Abkommen der Portugiesen und von Chinesen. In den Vorstädten sind die Häuser der englischen Offizianten und einiger portugiesischer Kaufleute, versteckt in Hainen von Palmen und Fruchtbäumen, deren verschiedenartiges und schönes Laubwerk dem Auge wohltut und erquickenden Schatten spendet.
Das alte Fort, das große Regierungsgebäude und die Ruinen einer Kathedrale zeugen von dem früheren Reichtum und der Bedeutung des Ortes, der einst ebenso der Mittelpunkt des östlichen Handels war, wie es jetzt Singapur ist. Die folgende Beschreibung von Linschott von vor 270 Jahren gibt ein schlagendes Bild der Veränderung, die hier Platz gegriffen.
»Malakka ist von den Portugiesen und von Eingeborenen, Malaien genannt, bewohnt. Die Portugiesen haben hier eine Festung wie in Mosambik und es gibt in ganz Indien nächst denen von Mosambik und Hormus keine Festung, in welcher die Befehlshaber ihrer Pflicht mehr nachkommen, als in dieser. Dieser Ort ist der Markt von ganz Indien, China, den Molukken und anderen Inseln im Umkreis und sowohl von allen diesen Gegenden als auch von Banda, Java, Sumatra, Siam, Pegu, Bengalen, Koromandel und Indien kommen mit allen möglichen Waren beladene Schiffe an, welche beständig ein- und auslaufen. Es würde hier eine größere Anzahl Portugiesen leben, wenn nicht die schädliche und ungesunde Luft sowohl Fremde als auch Eingeborene zugrunde richtete. Daher zahlen alle, die in diesem Land wohnen, einen Tribut mit ihrer Gesundheit; sie leiden an einer gewissen Krankheit, infolge welcher sie entweder Haut oder Haar verlieren. Und diejenigen, welche dem entgehen, betrachten es als ein Wunder, das viele veranlasst, das Land zu meiden, während andere die verzehrende Sucht nach Gewinn dazu verleitet, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen und den Versuch zu wagen, eine solche Atmosphäre zu ertragen. Nach der Erzählung der Eingeborenen war der Ursprung der Stadt sehr klein; sie wurde anfangs wegen der Ungesundheit der Luft nur von sechs oder sieben Fischern bewohnt. Aber die Zahl vergrößerte sich durch das Zusammentreffen von Fischern aus Siam, Pegu und Bengalen, die dann eine Stadt bauten und eine besondere Sprache sich aneigneten, die gebildet wurde aus den elegantesten Sprechweisen anderer Völker, sodass jetzt in der Tat die Sprache der Malaien die feinste, ausgebildetste und berühmteste Sprache des ganzen Ostens ist. Dieser Stadt wurde der Name Malakka gegeben und sie wuchs vermöge ihrer günstigen Lage in kurzer Zeit zu solchem Reichtum an, dass sie den mächtigsten Städten und Gegenden rundherum nicht nachsteht. Die Eingeborenen, Männer und Frauen, sind sehr wohlgesittet; sie werden zu den im Komplimentemachen Geschicktesten der Welt gezählt und beeifern sich sehr, Verse und Liebeslieder zu dichten und zu zitieren. Ihre Sprache ist durch ganz Indien so guter Ton wie die französische hier.«
Heutzutage läuft kaum je ein Schiff über hundert Tonnen in den Hafen, und der Handel beschränkt sich gänzlich auf wenige unbedeutende Produkte der Wälder und auf die Früchte, welche die von den alten Portugiesen gepflanzten Bäume jetzt geben zum Entzücken der Einwohner von Singapur. Obgleich noch immer den Fiebern zugänglich, wird es doch jetzt nicht für sehr ungesund gehalten.
Die Bevölkerung Malakkas ist aus verschiedenen Rassen zusammengesetzt. Die überall zu findenden Chinesen sind vielleicht am zahlreichsten vertreten oder bewahren ihre Sitten, Manieren und ihre Sprache; die eingeborenen Malaien stehen ihnen an Zahl am nächsten, und ihre Sprache ist die Lingua franca des Ortes. Dann folgen die Abkömmlinge der Portugiesen – eine gemischte und heruntergekommene Rasse, welche aber den Gebrauch ihrer Muttersprache bewahren, wenn auch jämmerlich in der Grammatik verstümmelt; schließlich die englischen Herrscher und die Abkommen der Holländer, welche alle englisch sprechen. Das in Malakka gesprochene Portugiesisch ist ein wertvolles philologisches Phänomen. Die Zeitwörter haben meist ihre Beugungen verloren und eine Form dient für alle Modi, Zeiten, Numeri und Personen. Eu vai bedeutet »ich gehe«, »ich ging«, oder »ich werde gehen.« Eigenschaftswörter ferner haben ihre weiblichen und Pluralendungen verloren, sodass die Sprache auf eine merkwürdige Einfachheit zurückgeführt ist und durch die Beimischung einiger malaiischer Wörter denjenigen, der nur das reine Lusitanische gehört hat, etwas in Verlegenheit setzt.
In ihren Sitten sind diese verschiedenen Völker so verschieden wie in ihrer Rede. Die Engländer bewahren den knapp anliegenden Rock, die Weste, die Hosen, den abscheulichen Hut und die Krawatte; die Portugiesen lieben eine leichte Jacke oder mehr noch nur Hemd und Hosen; die Malaien tragen ihre Nationaljacke und Sarong (eine Art Schürze) mit weiten Unterhosen; während die Chinesen nie im Geringsten von ihrem Nationalkostüm abgehen, das man in der Tat für ein tropisches Klima weder bequemer noch hübscher erdenken könnte. Die weit herabhängenden Hosen und das nette weiße Ding, halb Hemd, halb Jacke, sind genau das, was eine Bekleidung in diesen Breitengraden sein sollte.
Ich engagierte zwei Portugiesen zur Begleitung ins Innere; einen als Koch, den anderen, um Vögel zu schießen und abzubalgen, was in Malakka schon zu einem Geschäft geworden ist. Ich blieb erst vierzehn Tage in einem Dorf mit Namen Gading, wo ich es mir in dem Haus einiger chinesischer Konvertiten bequem machte, denen ich von den Jesuitenmissionaren empfohlen worden war. Das Haus war eigentlich nur ein Schuppen, aber es wurde rein gehalten und ich machte es mir ganz behaglich. Meine Wirte legten gerade eine Pfeffer- und Gambir-Pflanzung an und in unmittelbarer Nachbarschaft waren ausgedehnte Zinnwäschen, die über tausend Chinesen beschäftigten. Man gewinnt das Zinn in Form von schwarzen Körnern aus Flussbetten mit quarzhaltigem Sand und schmilzt es zu Klumpen in rohen Tonöfen. Der Boden schien arm, der Wald war sehr dicht mit Unterholz bestanden und an Insekten durchaus nicht ergiebig, aber andererseits waren Vögel sehr reichlich vorhanden und ich wurde mit einem Male in die reichen ornithologischen Schätze der malaiischen Region eingeführt.
Das allererste Mal, als ich meine Flinte abschoss, fiel einer der merkwürdigsten und schönsten Malakkavögel herab, der blauschnäblige Schnapper (Cymbirhynchus macrorhynchus), von den Malaien »Regenvogel« genannt. Er ist ungefähr von der Größe eines Stars, schwarz und reich claretrot gefärbt mit weißen Schulterstreifen und hat einen sehr großen und breiten Schnabel vom reinsten Kobaltblau oben und orange unten, während die Iris smaragdgrün ist. Wenn der Balg trocknet, wird der Schnabel ganz schwarz, aber auch dann noch ist der Vogel hübsch. Frisch getötet ist der Gegensatz zwischen dem lebhaften Blau mit den reichen Farben des Gefieders besonders auffallend und schön. Die lieblichen östlichen Trogone mit ihrem reichbraunen Rücken, schönstrahligen Flügeln und hochroter Brust erhielt ich auch bald, wie auch die großen grünen Bartvögel (Megalaema versicolor) – fruchtessende Vögel, manchmal wie kleine Tukane, mit einem kurzen, borstigen Schnabel, deren Kopf und Nacken sehr lebhaft blau und hochrot gefleckt ist. Ein oder zwei Tage später brachte mir mein Jäger eine Art des grünen Schnappers (Calyptomena viridis), der einem kleinen Auerhahn ähnlich, aber von dem lebhaftesten Grün übergossen und an den Flügeln mit schwarzen Streifen fein gezeichnet ist. Hübsche Spechte und buntfarbige Königsfischer, grüne und braune Kuckucke mit samtweichen roten Köpfen und grünen Schnäbeln, rotbrüstige Tauben und metallisch glänzende Honigsauger wurden mir Tag für Tag zugetragen und erhielten mich in einem ununterbrochenen Zustand freudiger Erregung. Nach vierzehn Tagen wurde einer meiner Diener vom Fieber ergriffen, und bei der Rückkehr nach Malakka befiel dieselbe Krankheit den anderen und auch mich selbst. Durch einen reichlichen Gebrauch von Chinin genas ich bald, und als ich andere Leute engagiert hatte, machte ich mich auf nach dem Regierungssommerhaus von Ayer Panas in der Begleitung eines jungen Mannes, eines Eingeborenen von dort, der an der Naturforschung Gefallen fand.
In Ayer Panas hatten wir ein bequemes Wohnhaus und viel Platz, um unsere Tiere zu trocknen und einzulegen; aber weil dort keine unternehmenden Chinesen waren, die Bäume fällten, so kamen verhältnismäßig wenig Insekten vor, mit Ausnahme von Schmetterlingen, von denen ich eine vortreffliche Sammlung anlegte. Die Art und Weise, wie ich ein sehr schönes Insekt erhielt, war merkwürdig und dient als Beleg dafür, wie fragmentarisch und unvollkommen die Sammlung eines Reisenden notwendigerweise sein muss. Ich spazierte eines Nachmittags einen Lieblingsweg entlang durch den Wald mit meiner Flinte, als ich einen Schmetterling am Boden sitzen sah. Er war groß, schön und mir ganz neu und ich kam nahe heran, ehe er fortflog. Ich sah dann, dass er auf dem Dung irgendeines fleischfressenden Tieres gesessen hatte. Da ich mir dachte, dass er an denselben Ort zurückkehren würde, so nahm ich am anderen Tag nach dem Frühstück mein Netz, und als ich dem Platz mich näherte, sah ich zu meiner Freude denselben Schmetterling auf demselben Dunghaufen sitzen, und es gelang mir auch, ihn zu fangen. Es war eine ganz neue Art von großer Schönheit; sie wurde von Herrn Hewitson Nymphalis calydonia genannt. Ich habe nie ein zweites Exemplar davon gesehen, und nur zwölf Jahre später kam ein zweites Individuum hierher aus dem Nordwesten Borneos.
Da wir entschlossen waren, den Berg Ophir zu besuchen, der in der Mitte der Halbinsel ungefähr fünfzig Meilen von Malakka östlich liegt, so engagierten wir sechs Malaien zu unserer Begleitung und als Gepäckträger. In der Absicht, dort mindestens eine Woche uns aufzuhalten, nahmen wir einen guten Vorrat von Reis mit uns, ein wenig Zwieback, Butter und Kaffee, einige getrocknete Fische, etwas Branntwein, wollene Decken, Kleider zum Wechseln, Insekten- und Vögelbehälter, Netze, Flinten und Munition. Die Entfernung von Ayer Panas sollte ungefähr dreißig Meilen sein. Unser erster Tagesmarsch ging durch Waldstrecken, Lichtungen und malaiische Dörfer und war sehr angenehm. Die Nacht schliefen wir in dem Haus eines malaiischen Häuptlings, der uns eine Veranda anwies und uns etwas Geflügel und Eier gab. Anderntags wurde das Land wilder und hügeliger. Wir gingen durch ausgedehnte Wälder, oft bis an die Knie im Morast, und wurden sehr belästigt durch die in dieser Gegend berüchtigten Blutegel. Diese kleinen Dinger machen die Blätter und das Gesträuch an den Seiten der Wege unsicher; sobald jemand vorübergeht, strecken sie sich in voller Länge aus, und wenn sie irgendeinen Teil seines Kleides oder Körpers berühren, so verlassen sie ihr Blatt und setzen sich da fest. Dann kriechen sie weiter an seinen Fuß, seine Beine oder irgendeinen anderen Körperteil und saugen sich voll; bei der Erregung des Marsches fühlt man den ersten Stich selten. Abends beim Baden fanden wir gewöhnlich ein halbes Dutzend oder ein Dutzend an uns, meist an den Beinen, aber auch oft an unserem Körper, und ich hatte einmal einen, der es sich an der Seite meines Halses gut schmecken ließ, aber glücklicherweise die Jugularvene verfehlt hatte. Es gibt viele Arten dieser Waldblutegel. Sie sind alle klein, aber einige sind schön mit hellgelben Streifen gezeichnet. Wahrscheinlich heften sie sich dem Wild oder anderen Tieren an, welche die Waldwege benutzen, und haben so die sonderbare Gewohnheit erlangt, sich auszustrecken, wenn sie einen Fußtritt oder das Laubwerkrascheln hören. Früh am Nachmittag erreichten wir den Fuß des Berges und lagerten an einem schönen Fluss, dessen felsige Ufer von Farnkräutern überwachsen waren. Unser ältester Malaie war es gewohnt, in dieser Gegend für die Malakka-Händler Vögel zu schießen und war schon auf dem Gipfel des Berges gewesen; während wir uns mit Schießen und Insektenjagen unterhielten, ging er mit zwei anderen voraus, um den Weg für unser Ersteigen am anderen Morgen zu bahnen.
Früh am Morgen nach dem Frühstück machten wir uns auf, versehen mit wollenen Decken und Provision, da wir auf dem Berg zu schlafen beabsichtigten. Nach einem Marsch durch einen kleinen verwilderten Dschungel und ein morastiges Dickicht, durch das unsere Leute einen Weg gebahnt hatten, kamen wir in einen schönen, luftigen Wald, rein von Unterholz, in dem wir frei gehen konnten. Wir stiegen mehrere Meilen rüstig eine mäßige Abdachung hinan, zur Linken einen tiefen Bergstrom. Dann hatten wir ein ebenes Plateau zu passieren, worauf der Berg steiler und der Wald dichter wurde, bis wir an dem »Padang Batu« oder Steinfeld herauskamen, ein Ort, von dem wir viel gehört, aber den uns niemand verständlich hatte beschreiben können. Wir fanden einen steilen Abhang von platten Felsen, der sich längs des Berges weiter, als wir sehen konnten, hinstreckte. Teilweise war derselbe ganz kahl, aber wo er geborsten und zerspalten war, gedieh ein üppiger Pflanzenwuchs, in welchem die Kannenpflanzen am auffallendsten waren. Diese wunderbaren Pflanzen scheinen nie gut in unseren Gewächshäusern zu gedeihen und kommen darin nicht weit fort. Hier wuchsen sie auf zu halben Kletterstauden, ihre merkwürdigen Krüge von verschiedener Größe und Form hingen im Überfluss von ihren Blättern herab und erregten beständig unsere Bewunderung wegen ihres Umfangs und ihrer Schönheit. Hier erschienen zuerst einige Koniferen der Gattung Dacrydium, und in dem Dickicht gerade über der felsigen Oberfläche gingen wir durch Haine jener prachtvollen Farnkräuter Dipteris horsfieldii und Matonia pectinata, die große ausgebreitete, handförmige Wedel an schlanken sechs oder acht Fuß hohen Stämmen tragen. Die Matonia ist die größte und eleganteste, man kennt sie nur auf diesem Berg, und keine derselben ist bis jetzt in unsere Gewächshäuser eingeführt.
Es war sehr überraschend, aus dem dunklen, kühlen und schattigen Wald, in welchem wir seit unserem Aufbruch aufgestiegen waren, auf diesen heißen, offenen Felsabhang herauszutreten, wo wir mit einem Schritt aus einer Tiefland Vegetation in eine alpine übergetreten zu sein schienen. Die Höhe, mit einem Sympiëzometer gemessen, betrug ungefähr 2800 Fuß. Man hatte uns gesagt, dass wir auf Padang Batu Wasser finden würden, aber wir sahen uns sehr durstig vergebens danach um; zuletzt gingen wir zu den Kannenstauden, aber das Wasser, das in den Kannen enthalten war (ungefähr eine halbe Pinte7 in jeder), war voll von Insekten und durchaus nicht einladend. Aber als wir es versuchten, fanden wir es, wenn auch ziemlich warm, doch sehr schmackhaft, und wir löschten alle unseren Durst aus diesen natürlichen Krügen. Weiterhin kamen wir wieder an Wald, der aber einen mehr zwerghaften und verkrüppelten Charakter hatte als unten; und auf einem Weg, der abwechselnd an Bergrücken vorbeiführte und in Täler hinabstieg, erreichten wir eine Spitze, die von dem wahren Gipfel des Berges durch eine bedeutende Kluft getrennt war. Hier erklärten unsere Träger, dass sie ihre Last nicht weiter tragen könnten; und es war in der Tat der Weg zu der höchsten Spitze sehr steil. Aber auf dem Fleck, auf dem wir uns befanden, war kein Wasser, hingegen war es wohlbekannt, dass sich dicht am Gipfel eine Quelle befand, und so beschlossen wir denn, ohne sie weiterzugehen und nur das unumgänglich Notwendige mitzunehmen. Wir trugen also jeder eine wollene Decke, verteilten unsere Nahrungsmittel und die anderen Gegenstände unter uns, und gingen nun mit dem alten Malaien und seinem Sohn vorwärts.

Seltene Farne auf dem Berg Ophir (nach der Natur; Fitsch)
Nachdem wir in den Sattel zwischen den beiden Spitzen hinabgestiegen waren, fanden wir das Hinaufsteigen sehr beschwerlich; der Abhang war so steil, dass wir oft genötigt waren, beim Klettern unsere Hände zu Hilfe zu nehmen. Außer einer Vegetation von Sträuchern war der Boden knietief mit Moos bedeckt auf einem Grund von verwesten Blättern und bröckligen Felsen, und wir mussten eine starke Stunde klettern bis zu der kleinen Anhöhe dicht unter dem Gipfel, wo ein überhängender Fels angemessenen Schutz gewährt und ein kleines Bassin das herabtröpfelnde Wasser sammelt. Hier setzten wir unsere Lasten nieder, und nach wenigen Minuten standen wir auf dem Gipfel des Berges Ophir, viertausend Fuß über dem Meer. Der Gipfel ist eine kleine felsige Plattform mit Rhododendron und anderem Strauchwerk bedeckt. Der Nachmittag war klar und die Aussicht in ihrer Art schön – Hügelreihen und Täler überall mit endlosem Wald bedeckt, mit glitzernden sich zwischen ihnen durchwindenden Flüssen. Von der Ferne sieht eine Waldlandschaft sehr monoton aus, und ich habe nie einen Berg in den Tropen bestiegen, der ein Panorama bietet wie das von Snowdon, und die Fernsichten in der Schweiz sind unendlich viel schöner. Während wir unseren Kaffee kochten, machte ich Beobachtungen mit einem guten Siedepunkt-Thermometer und mit dem Sympiëzometer, und dann genossen wir unsere Abendmahlzeit und die schöne Aussicht vor uns. Die Nacht war ruhig und sehr milde, und da wir uns ein Bett aus Ästen und Zweigen gemacht hatten, über welche wir unsere Decken legten, so verbrachten wir sie sehr angenehm. Unsere Träger waren uns nach kurzer Rast gefolgt; sie brachten nur ihren Reis zum Kochen mit, und glücklicherweise bedurften wir des Gepäcks, das sie zurückgelassen, nicht. Am Morgen fing ich einige Schmetterlinge und Käfer, und mein Freund fand einige Landkonchylien; wir stiegen dann hinab und nahmen noch mehrere Exemplare von Farn- und Kannenpflanzen von Padang Batu mit.
Da der Platz, auf dem wir zuerst am Fuß des Berges gelagert hatten, sehr düster war, wählten wir einen anderen auf einer Art von Moor, nahe einem von Zingiberaceen überwachsenen Strom, auf dem eine Lichtung schnell gemacht war. Hier bauten unsere Leute zwei kleine Hütten ohne Seitenwände, die uns eben vor dem Regen schützten; wir wohnten eine Woche lang darin, schossen, jagten Insekten und durchstreiften die Wälder am Fuß des Berges. Hier war die Heimat des großen Argusfasans, und wir hörten beständig sein Geschrei. Als ich den alten Malaien bat, er solle es versuchen, einen für mich zu schießen, sagte er mir, obgleich er seit zwanzig Jahren in diesen Wäldern auf Vögel Jagd mache, habe er doch noch nie einen geschossen und auch noch nie einen gesehen, außer in der Gefangenschaft. Der Vogel ist so außerordentlich scheu und listig, und läuft so schnell über den Boden in den dichtesten Teilen des Waldes, dass es unmöglich ist, ihm nahezukommen; seine dunklen Farben und glänzenden augenartigen Flecke, welche ihn so zieren, wenn man ihn in einem Museum sieht, müssen gut mit den toten Blättern, zwischen denen er wohnt, harmonieren und machen ihn wenig bemerkbar. Alle Exemplare, die in Malakka verkauft werden, sind in Fallen gefangen, und mein Mann hatte, wenn auch keinen geschossen, so doch viele gefangen.
Tiger und Rhinozeros werden hier noch gefunden, und noch vor ein paar Jahren gab es viele Elefanten, aber sie sind jetzt alle verschwunden. Wir fanden einige Dunghaufen, welche von Elefanten herzurühren schienen, und einige Spuren vom Rhinozeros, aber sahen keines von den Tieren. Dennoch unterhielten wir während der Nächte ein Feuer für den Fall, dass irgendeins dieser Geschöpfe uns besuchen sollte, und zwei unserer Leute behaupteten eines Tages, ein Rhinozeros gesehen zu haben. Als unser Reis zu Ende war und unsere Büchsen gefüllt, kehrten wir nach Ayer Panas zurück, und gingen ein paar Tage darauf nach Malakka und von da weiter nach Singapur. Der Berg Ophir hat den Ruf einer Fiebergegend, und alle unsere Freunde waren erstaunt über die Tollkühnheit, dass wir uns so lange an seinem Fuß aufgehalten; aber keiner von uns litt im Geringsten, und ich werde immer mit Vergnügen an diesen Ausflug zurückdenken als an meine erste Einführung in die Bergszenerie der östlichen Tropen.
Die Dürftigkeit und Kürze der Skizze, welche ich hier von meinem Besuch auf Singapur und der Malaiischen Halbinsel gegeben habe, rührt daher, dass ich hauptsächlich auf einige Privatbriefe und ein Notizbuch vertraute, die verloren gegangen sind, ferner auf eine Abhandlung über Malakka und den Berg Ophir, die ich der Royal Geographic Society schickte, die aber weder gelesen noch gedruckt wurde, da gerade am Ende einer Sitzung sehr viel Material vorlag; jetzt kann das Manuskript nicht mehr aufgefunden werden. Ich bedaure es aber um so weniger, als so viele Bücher über diese Gegenden geschrieben worden sind; und ich beabsichtigte immer, schnell über meine Reisen in den westlichen und besser bekannten Teilen des Archipels hinwegzugehen, um den entfernteren Distrikten, über die in englischer Sprache fast nichts geschrieben worden ist, mehr Raum geben zu können.