Der Malaiische Archipel

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Ich schoss später noch zwei erwachsene Weibchen und zwei Junge verschiedenen Alters, die ich alle einlegte. Eines der Weibchen fraß mit mehreren Jungen auf einem Durianbaum unreife Früchte; sobald es uns sah, brach es offenbar wütend Zweige und die großen stacheligen Früchte ab und schleuderte einen solchen Regen von Wurfgeschossen auf uns herab, dass wir wirklich dadurch gehindert wurden, uns dem Baum zu nähern. Man hat es angezweifelt, dass diese Tiere im Zorn Zweige herabschleudern, allein ich habe es selbst bei drei verschiedenen Gelegenheiten beobachtet. Aber immer waren es Weibchen, die es taten, und es kann sein, dass das Männchen, auf seine große Kraft und seine Zähne vertrauend, kein anderes Tier fürchtet und gar nicht versucht, es zu vertreiben, während die Weibchen der mütterliche Instinkt auf diese Verteidigungsart für sich und ihre Jungen brachte.
Beim Präparieren der Häute und Skelette dieser Tiere wurde ich sehr von den Dajak-Hunden belästigt, die, stets halb verhungert, nach tierischer Kost sehr gierig sind. Ich hatte eine große eiserne Pfanne, in der ich die Knochen abkochte, und nachts bedeckte ich dieselbe mit Brettern und schweren Steinen; aber die Hunde brachten es fertig, sie zu entfernen und schleppten mir den größeren Teil eines meiner Exemplare fort. Bei einer anderen Gelegenheit nagten sie mir ein gutes Stück des Oberleders meiner starken Stiefel weg und fraßen selbst einen Teil meines Moskitovorhanges, auf den vor einigen Wochen etwas Lampenöl gegossen war.
Bei der Rückfahrt stießen wir auf einen alten männlichen Mias, der auf einem niedrigen im Wasser wachsenden Baum fraß. Das Land war weithin überflutet, aber so voll von Bäumen und Stümpfen, dass das beladene Boot sich nicht Bahn brechen konnte, und wenn es auch möglich gewesen wäre, so hätten wir nur den Mias fortgeschreckt. Ich ging deshalb ins Wasser, das mir fast bis an den Leib reichte, und watete so weit, bis ich zum Schuss nahe genug war. Die Schwierigkeit war dann nur, wie ich meine Büchse wieder laden sollte, denn ich stand so tief im Wasser, dass ich die Büchse nicht schräg genug halten konnte, um das Pulver hineinzuschütten. Ich musste daher einen seichten Platz suchen, und nach mehreren Schüssen unter diesen erschwerenden Umständen hatte ich die Freude, das ungeheure Tier kopfüber ins Wasser stürzen zusehen. Ich zog es nun hinter mir her in den Fluss hinein, aber die Malaien wollten es nicht im Boot dulden und es war so schwer, dass ich es ohne ihre Hilfe nicht hineinbringen konnte. Ich spähte umher nach einem Platz, um es abzuhäuten, aber nicht ein Fleckchen trockenen Bodens war zu sehen, bis ich zuletzt eine Baumgruppe von zwei oder drei alten Bäumen und Stümpfen fand, zwischen denen ein paar Fuß Erde sich über Wasser angesammelt hatte, die gerade genügten, um das Tier darauf zu legen. Zuerst maß ich es und fand, dass es das größte sei von allen, die mir begegnet waren, denn wenn auch die Höhe im Stehen dieselbe war, wie bei den anderen (vier Fuß zwei Zoll), so maßen doch die ausgestreckten Arme sieben Fuß neun Zoll, also sechs Zoll mehr als beim vorhergehenden, und das ungeheuer breite Gesicht maß dreizehn und einen halben Zoll, während das größte, das ich bis jetzt gesehen hatte, nur elf und einen halben Zoll betrug. Der Umfang des Körpers war drei Fuß sieben und einen halben Zoll. Ich bin daher geneigt zu glauben, dass die Länge und Kraft der Arme und die Breite des Gesichtes bis in ein sehr hohes Alter hinein zunehmen, während die Höhe von der Fußsohle bis zum Scheitel selten, wenn je, vier Fuß zwei Zoll überschreitet.
Da dieses der letzte Mias war, den ich geschossen, und der letzte erwachsene, den ich lebend gesehen habe, so will ich hier eine Skizze seines allgemeinen Verhaltens anreihen und einige andere damit zusammenhängende Tatsachen anführen. Man weiß, dass der Orang-Utan Sumatra und Borneo bewohnt, und hat guten Grund zu glauben, dass er auf diese zwei großen Inseln beschränkt ist; auf der ersteren aber scheint er viel seltener zu sein. Auf Borneo hat er weite Verbreitung; er bewohnt viele Distrikte der Südwest-, Südost-, Nordost- und Nordwestküsten, aber hält sich nur in den niedrig gelegenen und sumpfigen Wäldern auf. Es scheint auf den ersten Blick sehr unerklärlich, dass der Mias im Sarawak-Tal unbekannt sein sollte, während er in Sambas im Westen und Sadong im Osten reichlich zu finden ist. Aber wenn wir die Gewohnheiten und die Lebensart des Tieres näher kennenlernen, so sehen wir für diese scheinbare Anomalie in den physikalischen Verhältnissen des Sarawak-Distriktes einen zureichenden Grund. In Sadong, wo ich den Mias beobachtete, findet man ihn nur in niedrigen, sumpfigen und zu gleicher Zeit mit hohem Urwald bedeckten Gegenden. Aus diesen Sümpfen ragen viele isolierte Berge hervor; auf manchen haben sich die Dajaks niedergelassen und sie mit Fruchtbäumen bebaut. Diese bilden für den Mias einen großen Anziehungspunkt; er frisst die unreifen Früchte, aber zieht sich des Nachts stets in den Sumpf zurück. Wo der Boden sich etwas erhebt und trocken ist, lebt der Mias nicht. Z. B. kommt er in Menge in den tieferen Teilen des Sadong-Tales vor, aber sobald wir ansteigen bis über die Grenzen, wo Ebbe und Flut bemerkbar sind und wo also der Boden, wenn er auch flach ist, doch trocknen kann, so finden wir den Mias nicht mehr. Der untere Teil des Sarawak-Tales nun ist sumpfig, doch nicht überall mit hohem Wald bedeckt, sondern meist von der Nipapalme bestanden; und nahe der Stadt Sarawak wird das Land trocken und hügelig und ist bedeckt von kleinen Strecken Urwald und vielem Dschungel an Stellen, die früher von Malaien und Dajaks bebaut wurden.
Ich meine nun, dass eine große Fläche ununterbrochenen und gleichmäßig hohen Urwaldes für das Wohlbefinden dieser Tiere nötig ist. Solche Wälder sind für sie offenes Land, in dem sie nach jeder Richtung hin sich bewegen können, mit derselben Leichtigkeit wie der Indianer über die Prairie oder der Araber durch die Wüste; sie gehen von einem Baumwipfel zum anderen, ohne jemals auf die Erde hinabzusteigen. Die hohen und trockenen Gegenden werden mehr von Menschen besucht, mehr durch Lichtungen und später auf diesen wachsenden niedrigen Dschungel, der nicht passend ist für die eigentümliche Art der Bewegung des Tieres, eingenommen. Hier würde es daher mehr Gefahren ausgesetzt und öfter genötigt sein, auf die Erde hinabzusteigen. Wahrscheinlich findet sich im Mias-Distrikt auch eine größere Mannigfaltigkeit an Früchten, indem die kleinen inselartigen Berge als Gärten oder Anpflanzungen dienen, in denen die Bäume des Hochlandes gedeihen mitten in sumpfigen Ebenen.
Es ist ein seltsamer und sehr interessanter Anblick, einen Mias gemächlich seinen Weg durch den Wald nehmen zu sehen. Er geht umsichtig einen der größeren Äste entlang in halb aufrechter Stellung, zu welcher ihn die bedeutende Länge seiner Arme und die Kürze seiner Beine nötigen; und das Missverhältnis zwischen diesen Gliedmaßen wird noch dadurch verstärkt, dass er auf den Knöcheln, nicht wie wir auf den Sohlen, geht. Er scheint stets solche Bäume zu wählen, deren Äste mit denen des nächststehenden verflochten sind, streckt, wenn er nah ist, seine langen Arme aus, fasst die betreffenden Zweige mit beiden Händen, scheint ihre Stärke zu prüfen und schwingt sich dann bedächtig hinüber auf den nächsten Ast, auf dem er wie vorher weitergeht. Nie hüpft oder springt er oder scheint auch nur zu eilen, und doch kommt er fast ebenso schnell fort, wie jemand unten durch den Wald laufen kann. Die langen mächtigen Arme sind für das Tier von dem größten Nutzen; sie befähigen es, mit Leichtigkeit die höchsten Bäume zu erklimmen, Früchte und junge Blätter von dünnen Zweigen zu ergreifen, die sein Gewicht nicht aushalten würden und Blätter und Äste zu sammeln, um sich ein Nest zu bauen. Ich erzählte schon, wie es sein Lager bereitet, wenn es verwundet ist, aber es benutzt ein ähnliches auch fast jede Nacht zum Schlafen. Jedoch wird dieses niedriger angebracht auf einem kleinen Baum, nicht höher als zwanzig bis fünfzig Fuß vom Boden, wahrscheinlich weil es da wärmer und weniger den Winden ausgesetzt ist als oben. Jeder Mias soll sich jede Nacht ein neues machen; aber ich halte das deshalb kaum für wahrscheinlich, da man sonst die Überreste häufiger finden würde; denn wenn ich auch in der Nähe der Kohlenminen einige gesehen habe, so müssen doch viele Orangs täglich dort gewesen sein, und in einem Jahr schon würden ihre verlassenen Lager sehr zahlreich werden. Die Dajaks sagen, dass sich der Mias, wenn es sehr nass ist, mit Pandang-Blättern oder großen Farnen bedeckt, und das hat vielleicht dazu verleitet zu meinen, er baue sich eine Hütte in den Bäumen.
Der Orang verlässt sein Lager erst, wenn die Sonne ziemlich hoch steht und den Tau auf den Blättern getrocknet hat. Er frisst die ganze mittlere Zeit des Tages hindurch, aber kehrt selten während zweier Tage zu demselben Baum zurück. Die Tiere scheinen sich vor Menschen nicht sehr zu fürchten; sie glotzten häufig Minutenlang auf mich herab und entfernten sich dann nur langsam bis zu einem benachbarten Baum. Wenn ich einen gesehen hatte, musste ich oft eine halbe Meile und weiter um meine Flinte gehen, und fand ihn nach meiner Rückkehr fast stets auf demselben Baum oder innerhalb eines Umkreises von ein paar Hundert Fuß. Ich sah nie zwei ganz erwachsene Tiere zusammen, aber sowohl Männchen als auch Weibchen sind manchmal von halb erwachsenen Jungen begleitet, während auch drei oder vier Junge zusammen allein gesehen werden. Sie nähren sich fast ausschließlich von Obst, gelegentlich auch von Blättern, Knospen und jungen Schösslingen. Unreife Früchte scheinen sie vorzuziehen, von denen einige sehr sauer, andere intensiv bitter waren, hauptsächlich aber schien die große rote fleischige Samendecke einer Frucht ihnen sehr zu schmecken. Manchmal essen sie nur den kleinen Samen einer großen Frucht, und sie verwüsten und zerstören fast immer mehr, als sie essen, sodass unter den Bäumen, auf denen sie gefressen haben, stets eine Menge Reste liegen. Die Durian lieben sie sehr, und Mengen dieser köstlichen Frucht, wo immer im Wald sie wachsen, werden von ihnen zerstört, aber nie kreuzen sie Lichtungen, um sie zu holen. Es scheint wunderbar, wie das Tier diese Frucht öffnen kann, da die Schale so dick, zäh und dicht mit starken konischen Spitzen besetzt ist. Wahrscheinlich beißt es erst einige dieser ab, macht ein kleines Loch und reißt dann die Frucht mit seinen mächtigen Fingern auf.
Der Mias steigt selten auf die Erde herab, nur dann, wenn er vom Hunger getrieben saftige Schösslinge am Ufer sucht; oder wenn er bei sehr trockenem Wetter nach Wasser geht, von dem er für gewöhnlich genug in den Höhlungen der Blätter findet. Nur einmal sah ich zwei halb erwachsene Orangs auf der Erde in einem trockenen Loch am Fuß der Simunjon-Hügel. Sie spielten zusammen, standen aufrecht und fassten sich gegenseitig an den Armen an. Es ist übrigens ganz sicher gestellt, dass der Orang nie aufrecht geht, außer wenn er sich mit den Händen an höheren Zweigen festhält oder wenn er angegriffen wird. Abbildungen, auf denen er mit einem Stock geht, sind ganz aus der Luft gegriffen.
Die Dajaks sagen, dass der Mias nie von Tieren im Wald angefallen wird, mit zwei seltenen Ausnahmen; und die Erzählungen davon sind so merkwürdig, dass ich sie möglichst mit den Worten meiner Berichterstatter, alter Dajak-Häuptlinge, welche ihr ganzes Leben an Orten, wo das Tier sehr viel vorkommt, zugebracht haben, geben will. Der erste, den ich danach fragte, sagte: »Kein Tier ist stark genug, um den Mias zu verletzen, und das einzige Geschöpf, mit dem er überhaupt kämpft, ist das Krokodil. Wenn er kein Obst im Dschungel findet, so geht er an die Flussufer, wo es viele junge Schösslinge gibt, die er gern frisst, und Früchte, die dicht am Wasser wachsen. Dann versucht das Krokodil oft ihn zu packen, aber der Mias springt auf dasselbe, schlägt es mit Händen und Füßen, zerfleischt und tötet es.« Er fügte hinzu, dass er einmal solchem Kampf zugeschaut habe, und dass der Mias stets Sieger bliebe.
Mein zweiter Berichterstatter war der Orang Kaya oder Häuptling der Balow-Dajaks am Simunjon-Fluss. Er sagte: »Der Mias hat keine Feinde; kein Tier wagt es, ihn anzugreifen, bis auf das Krokodil und die Tigerschlange. Er tötet das Krokodil stets nur durch seine Kraft, indem er auf demselben steht, seine Kiefern aufreißt und die Kehle aufschlitzt. Wenn eine Tigerschlange einen Mias angreift, packt er sie mit seinen Händen, beißt sie und tötet sie bald. Der Mias ist sehr stark; kein Tier im Dschungel ist so stark wie er.«
Es ist sehr bemerkenswert, dass ein so großes, so eigentümliches und so hochorganisiertes Tier wie der Orang-Utan auf so begrenzte Distrikte beschränkt ist – auf zwei Inseln, die fast am wenigsten von höheren Säugetieren bewohnt werden; denn östlich von Borneo und Java vermindern sich die Vierhänder, Wiederkäuer und Raubtiere rapide und werden bald ganz verschwunden sein. Wenn wir weiter bedenken, dass fast alle anderen Tiere in früheren Zeitaltern durch verwandte, wenn auch distinkte Formen repräsentiert waren – dass in der letzten Zeit der Tertiärperiode Europa von Bären, Hirschen, Wölfen, Katzen bevölkert war; Australien von Kängurus und anderen Beuteltieren; Südamerika von gigantischen Faultieren und Ameisenfressern; alle verschieden von irgendwelchen jetzt existierenden, wenn auch sehr nahe mit ihnen verwandten – so haben wir guten Grund zu glauben, dass der Orang-Utan, der Schimpanse und der Gorilla auch ihre Vorgänger gehabt haben. Mit welchem Interesse muss jeder Naturforscher an die Zeit denken, in der die Höhlen und Tertiärablagerungen der Tropen durchsucht sind, und man die frühe Geschichte und das erste Erscheinen der großen menschenähnlichen Affen endlich kennenlernen wird.
Ich will nun einiges anführen in Betreff der vermeinten Existenz eines borneonischen Orangs von der Größe des Gorillas. Ich selbst habe die Körper von siebzehn frisch getöteten Orangs untersucht und habe alle sorgfältig gemessen; von sieben bewahrte ich das Skelett auf. Ich erhielt ferner zwei Skelette von Tieren, die andere töteten. Von dieser großen Reihe waren sechzehn ganz ausgewachsen, neun Männchen und sieben Weibchen. Die erwachsenen Männchen des großen Orangs variierten in der Höhe nur zwischen vier Fuß ein Zoll und vier Fuß zwei Zoll, bis zu den Hacken gemessen, sodass es sich hier um die Höhe des aufrecht stehenden Tieres handelt; die Breite der ausgestreckten Arme variierte von sieben Fuß zwei Zoll bis sieben Fuß acht Zoll und die Breite der Gesichter von zehn bis dreizehneinhalb Zoll. Die von anderen Naturforschern beigebrachten Maße stimmen genau mit den meinigen. Der größte von Temminck gemessene Orang war vier Fuß hoch. Von fünfundzwanzig von Schlegel und Müller gemessenen Exemplaren war das größte alte Männchen vier Fuß ein Zoll; und das größte Skelett im Kalkuttaer Museum betrug, nach Herrn Blyths Angabe, vier Fuß anderthalb Zoll. Meine Exemplare waren alle von der Nordwestküste Borneos; die der Holländer von den West- und Südküsten; und kein Exemplar ist bis jetzt nach Europa gekommen, das diese Maße überschreitet, obschon die Gesamtzahl von Häuten und Skeletten wohl mehr als hundert beträgt.
Dennoch aber behaupten sonderbarerweise einige Menschen, dass sie Orangs von viel bedeutenderer Größe gemessen haben. Temminck erzählt in seiner Monographie des Orangs, er habe gerade Nachricht erhalten, dass ein Exemplar von fünf Fuß drei Zoll Höhe gefangen sei. Unglücklicherweise scheint es Holland nie erreicht zu haben, denn nichts verlautete seitdem von diesem Tier. Herr St. John, in seinem »Life in the Forests of the Far East«, Bd. II, S. 237, erzählt uns von einem Orang, den ein Freund von ihm geschossen und der fünf Fuß zwei Zoll von der Ferse bis zum Scheitel gemessen habe; der Arm war siebzehn Zoll im Umfang und das Handgelenk zwölf Zoll! Nur der Kopf wurde nach Sarawak gebracht, und Herr St. John erzählt uns, dass er dabei war, als er gemessen wurde, und dass er fünfzehn Zoll breit und vierzehn lang gewesen. Unglücklicherweise scheint auch dieser Schädel nicht aufbewahrt worden zu sein, denn nie hat ein Exemplar, das diesen Maßen entspräche, England erreicht.
In einem Brief von Sir James Brooke vom Oktober 1857, in welchem er mir den Empfang meiner Abhandlung über den Orang, die in den »Annals and Magazine of Natural History« publiziert ist, anzeigt, schickt er mir die Maße eines von seinem Neffen getöteten Exemplars, und ich will es genauso wiedergeben, wie er mir schrieb: »September 3, 1867, weiblichen Orang-Utan getötet. Höhe vom Kopf zur Ferse vier Fuß sechs Zoll. Ausdehnung von Finger- zu Fingerspitze über den Körper sechs Fuß ein Zoll. Breite des Gesichtes, die Schwielen eingerechnet, elf Zoll.« Nun ist in diesen Maßen ein handgreiflicher Irrtum; denn in jedem bis jetzt von Naturforschern gemessenen Orang entspricht eine Ausdehnung der Arme von sechs Fuß ein Zoll einer Höhe von ungefähr drei Fuß sechs Zoll, während die größten Exemplare von vier Fuß bis vier Fuß zwei Zoll Höhe immer sieben Fuß drei Zoll bis sieben Fuß acht Zoll an den ausgebreiteten Armen messen. Es ist in der Tat ein genereller Charakter, dass die Arme so lang sind, dass ein fast aufrecht stehendes Tier mit den Fingern auf dem Boden ruhen kann. Eine Höhe von vier Fuß sechs Zoll würde demnach eine Armbreite von wenigstens acht Fuß erfordern! Wenn es nur sechs Fuß wären bei jener Höhe, wie sie in den betreffenden Maßen angegeben, so würde das Tier überhaupt kein Orang sein, sondern eine neue Affenart, die wesentlich in ihren Gewohnheiten und der Manier der Fortbewegung differiert. Aber Herr Johnson, der dieses Tier schoss und der Orangs wohl kennt, sprach es für einen an; wir haben daher zu entscheiden, ob es wahrscheinlicher ist, dass er einen Fehler von zwei Fuß beim Messen der Armlänge oder einen von einem Fuß beim Messen der Höhe beging. Das Letztere ist sicherlich leichter möglich, und dann kommt sein Tier, was Proportion und Größe betrifft, in Übereinstimmung mit allen in Europa existierenden. Wie leicht man sich in der Höhe dieser Tiere täuschen kann, zeigt der Fall des sumatranischen Orangs, dessen Haut von Dr. Clarke Abel beschrieben ist. Der Kapitän und die Leute, welche dieses Tier töteten, erklärten, dass es lebend größer gewesen sei als der größte Mann und so riesenhaft ausgesehen habe, dass sie es für sieben Fuß hoch gehalten hätten; aber sie fanden, als es getötet war und auf dem Boden lag, dass es nur ungefähr sechs Fuß lang war. Nun wird man kaum glauben, dass die Haut dieses selben Tieres in dem Kalkuttaer Museum existiert und Herr Blyth, der frühere Kurator, konstatiert hat, »dass es keineswegs zu den größten gehört«, was sagen will, dass es ungefähr vier Fuß hoch war!
Nach diesen zweifellosen Beispielen von Irrtümern in den Maßen der Orangs geht man nicht zu weit, wenn man schließt, dass Herrn St. Johns Freund einen ähnlichen Irrtum beim Messen beging oder, besser, vielleicht einen Gedächtnisfehler machte; denn es wird nicht gesagt, dass die Maße notiert wurden zur Zeit, als man sie nahm. Die einzigen Angaben des Herrn St. John, auf seine eigene Autorität hin, sind, dass »der Kopf fünfzehn Zoll breit und vierzehn Zoll lang war.« Da mein größtes Männchen dreizehn und einen halben Zoll über dem Gesicht maß gleich nach dem Tod, so verstehe ich sehr wohl, wie der Kopf, als er von Batang Lupar nach Sarawak kam, nach zwei, wenn nicht drei Tagereisen, so durch Verwesung angeschwollen war, dass er einen Zoll mehr maß als im frischen Zustand. Nach all diesem aber glaube ich, ist es erlaubt zu sagen, dass wir bis jetzt nicht die geringsten zuverlässigen Beweise von der Existenz eines Orang auf Borneo von mehr als vier Fuß zwei Zoll Höhe besitzen.
8Man müsste im Deutschen vielleicht Meias schreiben, um denselben Laut hervorzubringen, allein es wurde die englische Schreibart beibehalten. A. d. Übers.
9Charles Allen, ein sechzehnjähriger junger Engländer, begleitete mich als Gehilfe.
FÜNFTES KAPITEL
BORNEO – REISE INS INNERE
(November 1855 bis Januar 1856)
Als die nasse Jahreszeit nahte, beschloss ich, nach Sarawak zurückzukehren; ich schickte alle meine Sammlungen mit Charles Allen zur See hin, während ich selbst bis zu den Quellen des Sadong-Flusses hinaufgehen wollte, und von da wieder herab durch das Sarawak-Tal. Da die Tour etwas beschwerlich war, so nahm ich so wenig Gepäck wie nur irgend möglich und nur einen Diener mit, einen malaiischen Burschen, namens Bujon, der die Sprache der Sadong-Dajaks kannte, mit denen er früher in Handelsverbindung gestanden hatte. Wir verließen am 27. November die Minen und erreichten tags darauf das malaiische Dorf Gudong, wo ich mich kurze Zeit aufhielt, um Früchte und Eier zu kaufen, und bei dem Datu Bandar oder malaiischen Gouverneur des Ortes vorsprach. Er wohnte in einem großen und gut gebauten Haus, das von außen und innen sehr schmutzig war, und verfuhr sehr inquisitorisch in Betreff meines Geschäftes und besonders in Betreff der Kohlenminen. Diese machen den Eingeborenen viel Kopfzerbrechen, da sie die ausgedehnten und kostspieligen Vorbereitungen, um nach Kohlen zu graben, nicht verstehen und nicht glauben können, dass man sie nur als Brennmaterial benutzt, wo Holz so im Überfluss vorhanden und so leicht zubekommen ist. Augenscheinlich kamen Europäer selten hierher, denn eine Menge Frauen nahmen Reißaus, als ich durch das Dorf ging, und ein Mädchen von etwa zehn oder zwölf Jahren, die gerade ein Bambusgefäß voll Wasser aus dem Fluss geholt hatte, warf es im Moment, als sie mich sah, mit einem Schrei des Entsetzens und der Angst nieder, kehrte sich um und sprang in den Strom. Sie schwamm sehr schön, sah sich fortwährend um, als ob sie erwartete, dass ich folgen würde, und schrie die ganze Zeit heftig; während eine Anzahl Männer und Knaben über ihr unwissendes Erschrecken lachten.
In Jahi, dem nächsten Dorf, wurde der Strom so reißend infolge einer Überschwemmung, dass mein schweres Boot nicht aus der Stelle kam, und ich sah mich daher genötigt, es zurückzuschicken und in einem sehr kleinen und offenen weiterzufahren. Bis hierher war der Fluss sehr monoton gewesen; die Ufer bestanden aus Reisfeldern, und nur kleine mit Stroh bedachte Hütten unterbrachen die wenig malerischen Umrisse des sumpfigen Gestades, das von hohen Gräsern besetzt und hinter dem kultivierten Land von dem Waldessaum begrenzt war. Einige Stunden jenseits Jahi überschritten wir die Grenze der Kulturen und sahen den herrlichen Urwald bis an den Rand des Wassers treten, mit seinen Palmen und Schlinggewächsen, seinen hohen Bäumen, seinen Farnkräutern und Schmarotzerpflanzen. Die Flussufer waren jedoch meist noch überschwemmt, und wir fanden nur schwierig eine trockene Schlafstelle. Früh morgens erreichten wir Empungan, ein kleines malaiisches, an dem Fuß eines alleinstehenden Berges gelegenes Dorf, der schon von der Mündung des Simunjon-Flusses an sichtbar gewesen war. Höher hinauf werden Ebbe und Flut nicht mehr gespürt, und wir betraten nun einen Hochwalddistrikt mit einer schöneren Vegetation. Große Bäume strecken ihre Zweige quer über den Fluss, und die abschüssigen, erdigen Ufer sind mit Farnen und Zingiberaceen bekleidet.
Früh am Nachmittag kamen wir in Tabokan an, dem ersten Dorf der Hügel-Dajaks. Auf einem offenen Platz nahe dem Fluss spielten etwa zwanzig Knaben ein Spiel, etwa gleich dem, was die unseren »Bar-Laufen« (»prisoner’s base«) nennen würden; ihr Schmuck von Perlen und Metalldraht und ihre hellfarbigen Kopftücher und Leibbinden standen ihnen sehr gut und brachten einen wirklich hübschen Anblick hervor. Von Bujon gerufen, ließen sie sofort ihr Spiel, um meine Sachen in das Hauptgebäude zu tragen – ein rundes Haus in fast allen Dajak-Dörfern, das als Logierhaus für Fremde dient, als Börse, als Schlafstätte für die unverheiratete Jugend und als allgemeines Versammlungslokal. Es ist an hoch gelegenen Punkten aufgebaut, hat einen großen Feuerraum in der Mitte, Fenster im Dach rundherum und bietet einen sehr angenehmen und bequemen Aufenthaltsort. Am Abend war es voll von jungen Männern und Knaben, die mich sehen wollten. Es waren meist schöne junge Burschen und ich konnte nicht umhin, die Einfachheit und Eleganz ihres Kostüms zu bewundern. Ihre einzige Bekleidung ist das lange »Chawat« oder Leibtuch, welches vorn und hinten herabhängt. Es ist gewöhnlich von blauer Baumwolle mit drei breiten Streifen von rot, blau und weiß endend. Diejenigen, welche es bestreiten können, tragen ein Tuch um den Kopf, welches entweder rot ist mit einem schmalen Streifen von Goldborte, oder dreifarbig wie der »Chawat«. Die großen glatten mondförmigen metallenen Ohrringe, die schwere Halsschnur von weißen oder schwarzen Perlen, Reihen von Metallringen an Armen und Beinen und Armringe von weißen Muscheln, alles das dient dazu, die rein rotbraune Haut und das kohlschwarze Haar abzuheben und ins rechte Licht zu setzen. Dazu der kleine Beutel mit Material zum Betelkauen, und ein langes schlankes Messer, beides unabänderlich an der Seite hängend – und man hat das tägliche Gewand des jungen Dajak.