- -
- 100%
- +
Der Fund in dem alten Raum des Katharinenklosters verfügt über ausreichend Sprengkraft, um den ganzen Mythos des Codex Sinaiticus auf den Kopf zu stellen. Der bekannten Erzählung zufolge waren die Mönche 1844 drauf und dran, das Manuskript zu verbrennen. Ein großer Korb mit alten Manuskriptbögen habe bereits neben dem Ofen gestanden. Da sei Tischendorf gekommen und habe einige der alten Manuskriptbögen gerettet. Er kam also wie gerufen; nach Aussage der Mönche hatten sie bereits zwei Körbe voll davon verbrannt. Deshalb habe Tischendorf alles darangesetzt, das Manuskript aus dem Kloster zu holen, um es für die Nachwelt zu bewahren.
Das Problematische an dieser Erzählung ist, dass sie einzig und allein auf einer Quelle beruht: dem Tagebuch Tischendorfs. Niemand anderes kommt zu Wort, am wenigsten die Mönche, die 1844 in dem Kloster lebten und Tischendorf empfingen. Daher stellt sich die Frage, ob Tischendorf das Ganze erfunden hat? Oder hat er die Geschehnisse irgendwie missverstanden? Ging beim Anblick eines Korbes voller Manuskriptbögen in einem Kloster die Fantasie mit ihm durch? Hatte er in der Bibliothek Körbe gesehen, die jenen ähneln, die man in der Küche für frisch gebackenes Brot verwendete? Glaubte er deshalb, die leeren Körbe neben dem glühend heißen Backofen kämen aus der Bibliothek, voll gepackt mit alten Manuskriptbögen? Der Fund von Arkimandritt Sofronius kann auf einen Trugschluss Tischendorfs hindeuten.
Welche Konsequenzen hat der Fund vom 25.Juni 1975? Welche Schlussfolgerungen ziehen die Forscher daraus, dass Sofronius einen ganzen Bogen des Codex Sinaiticus aus dem Staub zieht – einen Bogen aus dem 4.Buch Mose, dem Teil des Manuskripts, der laut Tischendorf längst verbrannt worden war? Und es ist nicht nur dieser eine Bogen. Insgesamt liegen zwölf Bögen des Codex Sinaiticus in dem Raum, ebenso Fragmente weiterer Bögen von anderen Manuskripten. Keines der in dem Raum gefundenen Manuskripte stammt aus der Zeit vor dem 18.Jahrhundert. Der Raum muss also irgendwann vor Beginn des 19.Jahrhunderts verschlossen worden sein – und zu diesem Zeitpunkt befanden sich in ihm bereits 26 Bögen des Codex Sinaiticus. Entweder berichtet Tischendorf in seinem Tagebuch also nicht die Wahrheit, oder er hat missverstanden, wofür die Mönche die geflochtenen Körbe nutzten. Was ist wahr, was ist falsch?
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.