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Warum hast du mir deine Todesqualen gezeigt? Warum hast du mich das fühlen lassen? Es war unerträglich!
Wolltest du Trost bei einem liebenden Herzen finden oder geschah es, um mir die Spuren der Leiden zu zeigen, die von meinen Sünden verursacht worden sind? Unglücklicherweise glaube ich, dass es eine Mischung von beidem war.
Angesichts deines tiefen Schmerzes vergaß ich mich ganz. Ich war wie niedergeschmettert durch deine Wunden. Schluss mit der Furcht vor dem Tod und dem Bedauern darüber, dass ich mich nicht von denen verabschieden konnte, die ich liebte. Es gab nur noch dich und mich. Und es gab nur noch dich.
»Warum weinst du, Herr?«, brachte mein fassungsloses Herz hervor.
Ich weine, weil ihr meine geliebten Kinder seid, meine viel geliebten Kleinen. Ich habe mein Leben für euch gegeben. Ich weiß nicht, was ich mehr für euch hätte tun können, und ihr lehnt mich ab. Ich weine, weil mein Herz sich in einer großen Liebe für euch alle verzehrt, wer auch immer ihr seid, und im Austausch erhalte ich nur Kälte, Verachtung und Gleichgültigkeit. Ich weine, weil es nichts Schlimmeres gibt, als von denen, die man liebt, missachtet und zurückgewiesen zu werden.
Deine Passion, Herr, setzt sich heute in deinem von Liebe brennenden Herzen fort, das nicht nur von unseren Sünden, sondern auch von unserer Gleichgültigkeit dir gegenüber gebrochen wird.
Mein Herz verzehrt sich in leidenschaftlicher Liebe für euch alle …
Bei Gott gibt es kein Casting, er liebt uns alle, wie wir sind, und er will uns retten. Seine Barmherzigkeit ist viel größer als unsere Sünden und unsere Verfehlungen. Die grenzenlose Macht seiner Vergebung wird immer stärker sein als unsere Verletzungen. Das ist die Allmacht Gottes: Seine Liebe ist stärker, als wir es sind, und seine Vergebung ist größer als unsere Verfehlungen.
Der Apostel Petrus hat Christus verraten, indem er ihn dreimal verleugnet hatte, aber er hat niemals an der göttlichen Barmherzigkeit gezweifelt. Keinen Augenblick. Im Gegensatz zu Judas, der dachte, seine Sünde sei unverzeihlich und der sich selbst richtete und Selbstmord beging.
Wenn man der Liebe Gottes Grenzen setzt, dann verkennt man Gott. Dann übersieht man ihn und das wahre Glück. Und das wahre Glück besteht darin, sich von ihm lieben zu lassen, so wie wir sind, bis auch wir unser ärmliches Menschsein akzeptieren, das manchmal unerträglich ist. Vielleicht ist das Demut, dass wir es wagen, uns so zu sehen, wie wir sind, und nicht, wie wir gerne sein möchten, unsere eigenen Schwächen und Grenzen zu erkennen, ohne einen einzigen Augenblick an der Liebe unseres Herrn zu zweifeln. Niemand ist Gottes würdig außer Gott selbst. »Wenn du warten willst, bis du heilig bist, um Gott zu lieben, dann wirst du ihn niemals lieben …«, sagt uns der heilige Augustinus. Es ist besser zu erkennen, dass man armselig ist, als sich falsche Verdienste anzudichten. Sich infrage zu stellen, ist grundsätzlich notwendig. Wie soll man seine Fehler korrigieren, wenn man sich weigert, sie zu erkennen?
Die Liebe unseres Herrn übersteigt jedes Verstehen. Sie ist größer als alles, was man sich vorstellen kann. Das Heiligste Herz Jesu ließ mich dies bei unserem »Rendezvous von Herz zu Herz« zwischen Leben und Tod erkennen. Wie einen Luftstrom habe ich diese Liebe mitten in meinem Herzen empfangen. Einen heißen Luftstrom.
Als »gute Katholin« hatte ich gedacht, ich würde die Liebe Gottes kennen. Ich war zur Messe gegangen, hatte im Evangelium gelesen und seine Barmherzigkeit besungen. Kurz: »Mir war sie bekannt!« Fehlanzeige. Seine Liebe sprengt alles und beginnt bei uns und unseren menschlich begrenzten Projektionen. Mein Herz wäre beinahe explodiert, so sehr wurde es überflutet, überströmt und umgedreht von seiner Zärtlichkeit! Wir kleinen Wesen können unmöglich die unendliche Weite und Tiefe seiner Zärtlichkeit aufnehmen.
Gott, der Unergründliche.
Zusätzlich zu seiner leidenschaftlichen Liebe zu uns hat mir das Heiligste Herz Jesu offenbart, wie sehr es sich nach uns sehnt, wie sehr es von uns, seinen kleinen Kindern, geliebt werden möchte.
Er, der Einzige, der allein Heilige, der Ewige, Allmächtige, geht so weit, dass er zusätzlich zu dem freien Willen, den er uns schenkt, uns arme Geschöpfe um unsere Liebe anbettelt! Obwohl er uns nicht braucht. Wir dagegen, wir brauchen ihn. Und ob wir wollen oder nicht, werden wir am Tag unserer Begegnung mit dem Sensenmann zur Verantwortung gezogen. Gottes freizügiges Verlangen nach uns zeigt, wie sehr er uns liebt. Seine Größe und seine Majestät offenbaren sich voll und ganz in seiner Erniedrigung uns gegenüber.
Angesichts der leidenschaftlichen Liebe Christi, seines Leidens und seiner Sehnsucht, von uns »auf menschliche Weise« geliebt zu werden, entfuhren meinem ganzen Wesen die Worte: »Wie schade, Herr, dass ich gerade jetzt meine Seele zurückgeben soll. Gerne würde ich auf die Erde zurückkehren und Zeugnis ablegen von deiner Liebe, die jedes Verstehen übersteigt, und von deinem Leiden, verursacht durch unsere Sünden und durch unserer Zurückweisung, um dich zu trösten.«
Kaum hatte ich diesen Wunsch formuliert, hast du mich an einen anderen Ort mitgenommen, auf eine ganz andere Bühne. Und was du mich dort hast sehen und erleben lassen, war etwas ganz anderes. Erst jetzt, nach all den Jahren, verstehe ich den Sinn.
Eine surreale Umgebung, die zugleich voll und leer war. Eine riesige Dimension, die nicht beschrieben werden kann.
Von vornherein bedrückte mich, wie klein ich war. Mein ganzes Sein fühlte sich an wie zusammengedrückt, als würde ich auf die Größe einer Liliputanerin schrumpfen. Über mir war etwas wie ein waagrechter Kreis in der Form eines Halbmondes, der in eine Wolke eingehüllt war. Ich sah nichts, aber ich fühlte alles. Ich sah nichts, aber ich wusste alles. Genau in diesem Augenblick, Herr, hast du mir erlaubt, mit meinem Herzen die volle Wahrheit zu erkennen. Ich war da, ein winziges Etwas, ein winzig kleines menschliches Teilchen, eine Minizelle, ein lebendiges Staubkorn, vor diesem imposanten Halbmondkreis, der majestätisch vor mir thronte.
Ich verstand sofort, dass dies das himmlische Gericht und die Stunde meines persönlichen Gerichts war. Der heilige Paulus spricht davon in einem seiner Briefe, den ich damals noch nicht gelesen hatte. Aber ich wusste es ganz sicher, es gab nicht den geringsten Zweifel daran. Dies war die Stunde meines Gerichts, wie es auch für uns alle diese Stunde des Gerichts geben wird. Ich kann euch nur sagen, dass dies kein Scherz ist. Das Geschöpf muss bis zum letzten Cent Rechenschaft ablegen. Keine Chance, sich zu rechtfertigen oder seine Schuld loszuwerden. Den Spielplatz für die großen Kinder, die wir alle sind, gab es nicht mehr. Ich habe ihr die Zunge herausgestreckt, weil sie mich an den Haaren gezogen hat. Ich habe meine Waffe herausgeholt, weil er als Erster geschossen hat.
Das entblößte Geschöpf steht in seiner ganzen Wahrheit vor seinem Schöpfer. Das ist dermaßen niederschmetternd, dass es unerträglich wird. Das Schlimmste ist die Vorstellung, dass »alles vollendet ist«. Du kannst nichts mehr wegnehmen und nichts mehr hinzufügen, was auch immer du getan hast. Die Würfel sind gefallen, nichts geht mehr.
Das Irrwitzigste war, dass Jesus genau in diesem Moment, dem schlimmsten meines Lebens, in der schrecklichsten Stunde meines Gerichts, verschwunden war! Er, der in meinem Leben immer an meiner Seite gewesen ist, hatte sich verflüchtigt! Ein Gefühl von Schrecken, Angst und Seelenqual. Im selben Augenblick wurde mir klar, dass er mich nicht verlassen hatte. Er war Teil des himmlischen Gerichts, das aus Vater, Sohn und dem Heiligen Geist bestand. Alles, was Jesus in meinem Leben hatte tun können, um mich zu retten, hat er getan. »Alles ist vollbracht«, wie am Kreuz. Jetzt war ich allein vor dem unerbittlichen Gericht und befürchtete die schlimmste Strafe.
Eine laute Stimme war zu hören: Ihr werdet nach der Liebe gerichtet, der wahren Liebe zu Gott und zu euren Geschwistern.
Man soll Gott nicht aus Angst lieben, aus Tradition oder aus Gewohnheit, sondern mit seinem Herzen, mit seinem ganzen Inneren! Ihn soll man um seiner selbst willen lieben, unabhängig davon, was er uns gibt und was er uns zuteilt. Ihn soll man lieben wegen seiner liebevollen, schönen Augen und nicht wegen seiner Börse, so reich an Barmherzigkeit. Ihn soll man in aller Einfachheit lieben, in aller Wahrhaftigkeit. Wie jeder Liebende will der Herr um seiner selbst willen geliebt werden. Er gibt uns alles, aber er erwartet auch alles von uns. Die Liebe ist herausfordernd, die Liebe ist kompromisslos, Gott ist die Liebe.
Unser Herr empfindet eine große Liebe für uns! Er liebt uns leidenschaftlich und ging bis zum Äußersten, bis zum Kreuz … so weit, dass er sich uns auch heute noch schenkt trotz des Leids, das man ihm antut, und dies besonders in der Eucharistie. Wenn man es sich überlegt, dann ist es etwas ganz Unglaubliches, dieses Verlangen Gottes nach uns und dieses Vertrauen, das er in uns setzt! Er glaubt an uns. Die Welt glaubt nicht an ihn, aber er glaubt glücklicherweise an uns, denn sonst wären wir alle erledigt! Jede Seele, die verloren geht, ist ein Blutstropfen Christi, der verloren geht.
Und die Liebe zum Nächsten versteht sich von selbst. Der Herr will, dass unser Herz von einer ehrlichen Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern erfüllt ist. Wie der heilige Paulus sagt: Wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts (1 Kor 13,2). Was die Liebe angeht, sind wir alle Autisten. Wir wollen unseren Herrn bitten, dass er uns im Alphabet seines Herzens die richtigen Worte finden lässt, mit denen wir ihm die schönsten Sätze schreiben können im Einklang mit seinem Willen. Der Roman über unser Leben soll eine Liebesgeschichte mit ihm und mit unseren Brüdern und Schwestern werden. Darin besteht der ganze Sinn unserer Existenz. Liebe, Liebe, Liebe, alles andere sind nur literarische Worte.
Und hopp! Zurück zum Absender. Ich bin zurückgeworfen in meinen armen Körper, der sich im Autowrack befindet. Ich erinnere mich, dass ich einen ziemlichen Satz machte. Ich spürte einen Elektroschock von seltener Stärke. Als ob ich aus einem warmen Bad gekommen wäre, hatte ich das Vergnügen, einen Stepptanz auf Hochspannungsdrähten zu vollführen. Und dann das umgekehrte Phänomen: Etwas Heißes stieg meinen ganzen Körper empor von den Füßen bis zu meinem Kopf. Ein Gefühl von intensiver Wärme erfüllte mein ganzes Wesen bis ins Innerste meiner Knochen, meines Blutes, meines Fleisches. Tatsächlich hörte ich auf, Blut zu spucken. Mein eisiger, gelähmter, marmorharter Körper begann, sich wieder zu bewegen. Die kalte Grabplatte, mit der das Böse mich hatte schmücken wollen, verwandelte sich in das Versprechen eines neuen Lebens.
All das geschah, als wir im Auto eingeklemmt waren, in dem Augenblick, als die Feuerwehrleute die Windschutzscheibe aufbrachen, um uns aus unserem Gefängnis zu befreien.
Wie lange hatte diese »mystische Reise«, »diese Erfahrung einer anderen Welt« gedauert? Ich habe keine Ahnung. Vielleicht nur einige Sekunden, vielleicht länger. Bin ich wirklich im Jenseits gewesen? Habe ich das Bewusstsein verloren? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich eine leidenschaftliche Begegnung mit dem Heiligsten Herzen Jesu hatte, eine echte Begegnung von Herz zu Herz, in der Worte keinen Platz mehr hatten, so intensiv und intim war sie. Dasselbe gilt für das himmlische Gericht. Sicher ist, dass unser Gott ein Gott der Liebe und Barmherzigkeit ist, trotzdem auch ein Gott der Gerechtigkeit bleibt, dessen Gerichtsurteil unerbittlich ist. Zu diesem Zeitpunkt erschienen mir diese beiden »Erscheinungen, Begegnungen, Erfahrungen« – ich weiß noch immer nicht, welche Bezeichnung richtig ist – als nicht zusammenpassend, sogar als widersprüchlich. Wie kann unser Gott zugleich ein Gott der Barmherzigkeit sein, der sich in Liebe um seine Kinder verzehrt, und gleichzeitig ein unerbittlicher Richter, der keine Kompromisse macht? Weil Gott gerecht ist. Er ist genauso unendlich in seiner Barmherzigkeit wie in seiner vollkommenen Gerechtigkeit.
Den Feuerwehrleuten gelang es endlich, uns aus der Klapperkiste zu befreien. In weiter Ferne sah ich flüchtig das Blaulicht des Krankenwagens am »Ufer der Lebenden«, das uns einlud, wieder festes Land zu betreten. Noah, gerettet vor den Fluten. Diese Ruhepause hat nur einen kurzen Augenblick gedauert. Alle Krankenhäuser waren belegt und wir steckten nun im Krankenwagen und warteten auf dem Standstreifen der Autobahn. Dabei handelte es sich um einen Notfall … Diese unglaubliche und surreale Situation zog sich lange hin. Diese weitere Wartezeit diente den Plänen des Widersachers bestens, um mich sterben zu lassen aufgrund meiner inneren Blutungen. Je mehr Zeit verging, desto weniger Chancen hatte ich davonzukommen. Ich war die Gans, die ihr Schlachter mästete.
Das Weitere im Krankenhaus war das Übliche: jede Menge Untersuchungen, Röntgenaufnahmen, Ultraschalluntersuchungen des Herzens usw. bis ins letzte Detail mit einem kleinen Unterschied: Man fand weder die geringste Spur einer inneren Blutung noch einer Verletzung noch eines Bruchs.
Aber wie kann man dann meinen todesnahen Zustand und all das Blut, das ich gespuckt hatte, erklären? Nur Gott weiß es.
Das Pflegepersonal wollte mich vierundzwanzig Stunden lang zur Beobachtung behalten. Nach der Heftigkeit eines solchen Aufpralls und meinen klinischen Symptomen kann man niemals sicher sein: Ein kleiner tödlicher Spielverderber könnte doch noch seine Nasenspitze zeigen. Aber ich rief ein Taxi und fuhr weg. Zwar etwas durcheinander – ich hatte schreckliche Schmerzen –, aber ich war unbeschwert. Nichts konnte mir geschehen, der Herr hatte mich wieder ins Lot gebracht und nun lag es an mir, den richtigen Weg einzuschlagen.
2RoboCop ist ein amerikanischer Science-Fiction-Film, in dem der Polizist Alex Murphy bei einem Einsatz brutal ermordet wird und im Körper eines Roboters zu neuem Leben erwacht (Anm. d. V.).
Rückblende: ein Jahr vor der Begegnung
Sacré-Cœur auf dem Montmartre, da gibt es keinen Einwand, ist top! Das heilige Altarsakrament wird rund um die Uhr ausgesetzt für alle, die es anbeten möchten – zu denen ich gehöre – und für die armen Sünder – zu denen ich auch gehöre. Die Möglichkeit der Beichte und der Teilnahme an der heiligen Messe, die eine nach der anderen gefeiert werden, gibt es bis spätabends, was ausgesprochen praktisch ist.
Es war ein Montagmorgen – ich war sehr früh aufgestanden, oder war es nach einer schlaflosen Nacht?, wobei ich eher von der zweiten Hypothese ausgehe – und ich ging eher zufällig zur Beichte, als ob es bei Gott einen Zufall gäbe! Einstein hat gesagt, dass »der Zufall sich dann ereignet, wenn Gott inkognito bleiben möchte«. Es war sonst niemand da außer mir. So hatte ich nicht einmal Zeit, darüber nachzudenken, ob ich nicht doch noch umkehren sollte.
Eine Glastür geht langsam auf und lässt einen schwachen Lichtschein sichtbar werden. Ich gehe innerlich auf Zehenspitzen bis zum Beichtstuhl und verwandle mich bei jedem Schritt mehr an eine dicke, schwere Hundertjährige mit Bleigewichten an den Schuhen. Je mehr ich dem Beichtstuhl näher komme, desto mehr wächst meine Angst und desto mehr weiche ich innerlich zurück. Ein Priester in einer weißen Albe wartet. Er sitzt gebeugt da und vergräbt den Kopf in seinen Händen. Etwas scheint ihn zu bedrücken. Meine Güte, eben vorher hat er wohl eine schwere Beichte abgenommen, und das alles wird auf mich zurückfallen! Ich schlängele mich wie ein Aal in einem Glasgefäß, um mich von diesem Piranha Gottes verschlingen zu lassen.
»Machen Sie die Tür zu«, flüstert er, ohne den Kopf zu heben.
»Mist!« Ob ich da wieder lebend herauskomme? Nun war ich von diesem Gottesmann mit den Netzen der göttlichen Vorsehung gefangen worden! Ich weiß nicht, ob sich dies zu einem wunderbaren Fischfang entwickeln wird, aber eines ist sicher, er wird sehr mühsam sein! Dann spucke ich meine Sünden aus. Aber anstatt mich mit moralisierenden, vorgefertigten Sätzen aufzuspießen, lächelt der Priester mich an.
»Sie tauchen zusammen mit den anderen in die Tiefe ein, um diese mit an die Oberfläche zu bringen. Durch Ihre Verletzungen gibt der Herr Ihnen die Gnade, sein Kreuz mit ihm zu tragen. Freuen Sie sich!«
Das Kreuz mit ihm tragen, ich gestehe, dass mich das ein wenig erschreckt hat. Aber nachdem der Priester mir die Absolution erteilt hatte, habe ich mich nicht nur sehr leicht, sondern auch glücklich und befreit gefühlt. »Slim Fast« wurde von »Slim Beichte« übertroffen! Welch eine überwältigende Freude, sich von der Liebe Gottes in diesem unvergleichlichen Sakrament ergreifen zu lassen!
Als Buße gab mir dieser Kronprinz des »Großen Königs« auf, jeden Tag ein Gebet zum Heiligsten Herzen Jesu zu sprechen. Sofort verwandelte sich der süße Balsam in eine Falle. Wie bei vielen armen Sündern genügt es auch bei mir, dass ich, wenn ich mich zu einer Aufgabe verpflichtet fühle, keine Lust mehr dazu habe! Ein Gebet für das ganze Leben, Angst. Fünfzehnmal täglich vergesse ich meine Schlüssel, mein Handy usw., und nun »soll« ich mich täglich an ein Gebet erinnern! Ich bin aus dem Beichtstuhl gekommen – mein Herz ist mir in die Hose gerutscht – mit einem Gebet in der Hand. Schlussendlich habe ich dieses Gebet nie gebetet, nicht aus bösem Willen, sondern weil ich es verlegt und ganz vergessen hatte.
Ein Jahr vergeht. Es ist der Tag nach dem Unfall und nach meiner Begegnung mit Jesus. Ich bin zu Hause, wache auf und bin wie gelähmt vor Schmerzen. Ich öffne die Augen und genieße aus ganzem Herzen die Gnade, immer noch am Leben zu sein und das mit mehr »Lebenslust« denn je. Vorsichtig bewege ich meinen Kopf – es ist, als ob die Halsschlagadern platzen würden –, ein kleiner Schlag in den Nacken, wie man Hasen tötet –, beinahe wäre ich querschnittgelähmt gewesen. Rechts neben meinem Bett auf dem Nachttisch liegt das Gebet zum Heiligsten Herzen Jesu, das ich vergessen und verlegt hatte. Jetzt war es plötzlich da und lehnte an meiner Wasserflasche. Was macht dieser verrückte Zettel hier? Ordnung und Aufräumen gehören zwar nicht zu meinen Prioritäten, aber in meiner organisierten Unordnung, anders will ich sie nicht nennen, weiß ich doch, wo die Sachen sind.
Was macht dieses Gebet hier?
War die faule Schülerin jetzt bereit, die göttliche Algebra zu entziffern?
Von diesem Moment an bis heute erfüllt dieses tägliche Gebet mein Leben. Jeden Morgen verkoste und genieße ich es und lasse es in der tiefsten Tiefe meines Herzens zergehen. Wenn der Herr uns nachgeht, kann man ihm nicht leicht widerstehen. Das Heiligste Herz Jesu hatte demnach schon lange vor unserer Begegnung versucht, mich zu gewinnen, nur dass ich es nicht bemerkt hatte. Ich war nicht nur eine faule Schülerin, sondern sah auch noch schlecht.
Einige Zeit nach der »wunderbaren Fischfang-Beichte« auf dem Montmartre – immer noch vor dem Unfall – fuhr ich in die Haute-Savoie. Ich mag die Berge und die endlosen Weiten. Die Natur bringt uns dem Wesentlichen näher. Ich war mit Lucy, meiner »Lieblingsatheistin«, unterwegs. Wir hatten eine Berghütte in der Pampa gemietet, weit oben mit Blick auf die Gipfel, der perfekte Rückzugsort, den ich dringend brauchte. Es war ein Samstagabend. Auf keinen Fall wollte ich die Vorabendmesse zum Sonntag verpassen, diese fand in der Abenddämmerung statt … Wie eine verlorene Seele irrte ich durch die Straßen von Thonon und hofften darauf, einen frommen Menschen zu treffen, der mir Auskunft geben könnte, wann und wo eine Messe gefeiert würde. Dieses Luder von Lucy schaute mich amüsiert an. Dieser Eurasierin kam ich plötzlich »chinesisch« vor: »Wem renne ich hinterher und vor allem warum? Gott existiert nicht, das ist klar!« Arme Lucy, »süße Meerjungfrau des Atheismus«, du wirst nichts verpassen, wenn du einfach nur wartest. Auch dich hat er erwählt. Die Läden machten nacheinander zu, die Cafés leerten sich. Nichts und niemand war da, um mir Auskunft zu geben, in welcher Kirche an diesem Samstagabend die Messe gefeiert würde.
Loslassen, sich ihm überlassen, ihm vertrauen.
Wie ein Zombie, der den unsichtbaren Gott sucht und sich dabei auf eine übernatürliche Auferstehung gefasst macht, bin ich losgegangen, immer der Nase nach, und wurde von einem sonderbaren sechsten Sinn geführt.
Lucy folgte mir wie ein böser Schatten, der nur darauf wartete, sich an meinem Misserfolg zu ergötzen. Geführt vom GPS der göttlichen Liebe stand ich plötzlich vor der Kirchentür! Ich drehte mich um, nicht ohne eine gewisse Genugtuung, warf meiner asiatischen Freundin mit der ganz anderen Einstellung ein breites Lächeln zu.
»Kommst du mit?«, schleuderte ich ihr entgegen. Mein Sieg stand mir ins Gesicht geschrieben.
»Nein danke«, gab sie etwas verärgert zurück.
»Ich gehe in das Café dort drüben«, fügte sie hinzu.
»Wenn du wieder herauskommst, findest du mich dort.«
Und dann verschluckte mich das Gotteshaus zur einzigen »Friedensparty«, der einzigen Messe in der ganzen Gegend. Es war brechend voll. Am Eingang stürzte sich ein junger Priester mit ausgestreckter Hand auf mich:
»Willkommen in der Kirche zum Heiligsten Herzen Jesu«! Welch ein Zufall.
»Danke, Herr Pfarrer.«
Ich schaute ihn genauer an und bemerkte, dass er wie ein Greis aussah. In Wirklichkeit ähnelte er den Menschen hier, dieser ungewöhnlichen Versammlung, die die Kirche füllte. Das Kirchenschiff war brechend voll mit älteren Leuten. Je weiter ich auf der Suche nach einem Platz nach vorn ging, desto mehr solcher Menschen, die zur Herde gehörten und bereits am Lebensende angekommen waren, entdeckte ich. Gott hat kein Alter und sein Haus ist für alle da. Aber ich war überrascht, dass junge Leute aus dieser merkwürdigen Gemeinde verbannt zu sein schienen. Ich flüchtete mich auf den letzten freien Platz vorn vor dem Altar. An diesem Tag reichte es mir, ich war völlig am Ende. Ich kniete nieder, betete und vergrub dabei mein Gesicht in beiden Händen. Die Älteste von allen war in Wirklichkeit ich selbst.
Ich sah diese Kirche voller Omas und Opas, und bald trat mein persönlicher Schmerz in den Hintergrund: »Herr … Mein armer Herr, was wird denn geschehen, wenn diese Leute einmal sterben? Wird deine Kirche dann leer sein? Vielleicht wird sie sogar zerstört oder in eine topmoderne Diskothek umgebaut werden. Wie traurig! Du, der du dein Leben aus Liebe für uns hingegeben hast, um uns zu retten.« Und ich fing an, bitterlich zu weinen. Plötzlich spürte ich, wie jemand mich eindringlich anschaute. Wie durch einen Magneten angezogen, blieb mir keine andere Wahl, als den Kopf zu heben und die Augen zu öffnen. Über mir prangte ein riesiges Fresko, auf dem Christus mit geöffneten Armen und seinem Heiligsten Herzen, umschlungen von einem Dornenkranz, abgebildet war.
Jesus wandte sich an mein müdes Herz:
Wenn dich dein Leben nicht mehr interessiert, dann gib es mir. Dein Leben gehört mir, aber ich möchte, dass du es mir aus freien Stücken übergibst.
Er wartete, er, der große Gott, auf meine Antwort. Ich war völlig gelähmt, aber mein Herz war es nicht.
»Aber ja, mein Herr, natürlich übergebe ich es dir!«
Und ich löste mich in Tränen auf.
Du liebst mich, ich weiß es, fuhr er fort, deshalb rechne ich mit dir, dass du dafür sorgst, dass sich meine Kirche wieder füllt. Ich habe wenige echte Freunde.
Angesichts seiner Erwartung an mich und seines Wunsches verdoppelten sich meine Tränen. Wie konnte der Herr nur irgendetwas erwarten von einer totalen Loserin wie mir? Ich liebte ihn, aber so schlecht! Gnaden und Sünden wechselten sich ab: Sex, »Gott« und Rock ’n’ Roll. Es war völlig unmöglich, die Spreu meiner Verletzungen loszuwerden! Obwohl ich dagegen ankämpfte, unterlag ich. Immer wieder. Das Schlimmste war, dass ich an ihn dachte, selbst wenn ich versagte, und das brach mir das Herz! Dann war ich wütend auf mich, manchmal bis zu dem Punkt, dass ich mich nicht mehr ertragen konnte. Wie oft ich mich auf mein Motorrad – ein 600 ccm Rennmotorrad – gestürzt und an meinem offenen Grab vorbeigefahren bin, das weiß nur noch mein Führerschein, nicht wegen der Strafpunkte, sondern wegen seiner Löcher. Du sagst, du liebst den Herrn, schau doch, wie oft du ihn in den Schmutz ziehst wegen deiner Sünden! Das soll Liebe sein?! Zwar wiederholte ich den Satz des heiligen Paulus: Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, doch es änderte sich nichts. Je mehr ich mich für völlig wertlos hielt, desto tiefer geriet ich in die Sünde hinein wie eine Frau, die sich auf die Waage stellt und merkt, dass sie zugenommen hat, und sich dann tröstet, indem sie den Kühlschrank leert!