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Christian Schicha
Bildethik
Grundlagen, Anwendungen, Bewertungen

Umschlagabbildung: © iStockphoto ozgurdonmaz
© UVK Verlag 2021
– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de
Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
utb-Nr. 5519
ISBN 978-3-8252-5519-0 (Print)
ISBN 978-3-8463-5519-0 (ePub)
Diese Monografie stellt eine Einführung in das breite Forschungsfeld der Bildethik dar. Sie beschäftigt sich mit Formen, Anwendungen und Bewertungen der Bildkommunikation aus einer normativen Perspektive auf der Basis von Wertvorstellungen über einen angemessenen Umgang mit visuellen Angeboten.
Es werden spezifische Charakteristika von Bildern aufgezeigt, Spannungsfelder zwischen dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit einerseits und dem Schutz von Betroffenen andererseits dargelegt sowie anhand konkreter Beispiele Argumente für und gegen die Veröffentlichungen von Aufnahmen dargelegt.
Es geht dabei nicht um Geschmacks-, sondern um Werturteile, also um die Frage, nach welchen Kriterien zu entscheiden ist, welche Bilder in welchem Kontext unter welchen Bedingungen welchem Personenkreis gezeigt werden dürfen und in welchen Fällen auf Veröffentlichungen von Aufnahmen aufgrund gut begründeter Normen und Werte verzichtet werden sollte.
In diesem Band wird von einem breit angelegten Bildbegriff ausgegangen. So werden unterschiedliche Bildformen (u.a. Foto, Film, Grafik) für die Analyse und ethische Reflexion vorgestellt. Dabei ist zwischen Einzelaufnahmen und Bewegtbildern zu differenzieren. Es ist weiterhin zu unterscheiden, ob es sich um manuell gefertigte Bilder in Form von Malereien oder Zeichnungen handelt oder um technisch erzeugte Aufnahmen in analoger oder digitaler Form. Gleichwohl geht es nachfolgend zunächst darum, grundlegende Themen- und Problemfelder sowie Beispiele für die bildethische Reflexion zu identifizieren und einzuordnen.
I Grundlagen
Nachdem im zweiten Kapitel neben der Relevanz von Bildern zunächst Ansätze der Bildwissenschaft und der Visual Culture Studies skizziert werden, geht es daran anknüpfend um die Wechselverhältnisse zwischen Bild und Text. Es schließen sich Ausführungen zur Reichweite der Bildverwendung an, bevor Dimensionen der individuellen und kollektiven Bildverarbeitung erörtert werden. Danach werden politische und kulturelle Bildikonen exemplarisch vorgestellt. Es folgen Anmerkungen über Funktionen und Typen von Bildern, bevor Wahrnehmungsprozesse und mögliche Wirkungen aufgezeigt werden.
Das Kapitel 3 widmet sich den normativen Grundlagen des Bildrechtes und der Bildethik. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Disziplinen aufgezeigt. Inhaltlich geht es bei dem juristischen Zugang u.a. um das Recht am eigenen Bild und um spezifische Kriterien, die für und gegen die Verbreitung von Aufnahmen sprechen. Der ethische Zugang setzt sich mit normativen Theorienzugängen, Reflexions- und Bewertungsverfahren sowie Normverstößen im Zusammenhang mit dem Bildgebrauch auseinander. Abschließend werden Richtlinien der Medienselbstkontrolle zum angemessenen Umgang mit Bildern am Beispiel des Deutschen Presserates vorgestellt.
II Anwendungen
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit ausgewählten Fotografen1 aus dem dokumentarischen und künstlerischen Kontext, die aufgrund ihrer Arbeiten z.T. kritisiert worden sind. So wird der visuelle Umgang mit provokativer Nacktheit und Sexualität ebenso kontrovers diskutiert, wie die Darstellung von Verbrechens- und Kriegsopfern.
Im Kapitel 5 werden Grundlagen, Themenfelder und Veröffentlichungen des Fotojournalismus skizziert, bevor der Boulevard- und Paparazzijournalismus vorgestellt wird, dem vorgeworfen wird, aus kommerziellen Motiven heraus ethische und juristische Regeln der Bildbeschaffung und -verbreitung zu missachten.
Im sechsten Kapitel geht es um die Rahmenbedingungen, Zwänge und normativen Leitlinien, denen Fotografen im Zusammenhang der Kriegsberichterstattung als eingebettete Reporter ausgesetzt sind. Ihre Aufnahmen zeigen das Leid der am Kriegsgeschehen beteiligten Akteure.
Das Kapitel 7 reflektiert die Terrorberichterstattung am Beispiel der Anschläge vom 11. September 2001 in New York. Dabei werden Mechanismen, Symbole und Bilder reflektiert, die das Verbrechen zum Medienevent gemacht haben. Zudem werden Ausprägungen und Entwicklungen von (Bild-)Berichten über weitere Attentate und Anschläge problematisiert.
Das achte Kapitel beschäftigt sich mit Bildern von Politikern. Es werden verschiedene Ebenen des Politikvollzuges, der Politikvermittlung und der Politikwahrnehmung aufgezeigt sowie Ausprägungen symbolischer Politikinszenierungen vorgestellt. Darüber hinaus werden Funktionen und Ausprägungen von Wahlkampfbildern thematisiert, bevor Merkmale und Ausprägungen der Bildpropaganda erörtert werden. Danach werden Bildstrategien im Umgang mit deutschen und amerikanischen Politikern anhand von Beispielen skizziert und bewertet.
Im Kapitel 9 werden visuelle Darstellungsformen der Werbung diskutiert. Hierbei werden u.a. frauenfeindliche und provokative Formen der kommerziellen Produktdarstellung aufgezeigt und eingeordnet. Abschließend werden Standards und Bewertungskriterien zur werblichen Bildkommunikation am Beispiel der Medienselbstkontrollinstanz des Deutschen Werberates vorgestellt.
Im zehnten Kapitel werden Körperbilder thematisiert. Dabei geht es zunächst um Modeaufnahmen. Das bisweilen eindimensionale Schönheitsbild der ausgewählten Fotomodelle steht dabei ebenso in der Kritik wie Skandale, die Modeunternehmen zu verantworten haben. Zudem werden die Darstellung von Nacktheit und Sexualität im Spannungsfeld zwischen Kunst, Erotik und Pornografie sowie mögliche negative Bildwirkungen auf die Rezipienten in diesem Zusammenhang erörtert. Abschließend wird das Phänomen von Selfies als digitale Form von Selbstportraits problematisiert.
Das Kapitel 11 beschäftigt sich mit Formen und Ausprägungen der analogen und digitalen Veränderung von Einzelaufnahmen und Bewegtbildern. Hinsichtlich der Bewertung von Aufnahmen wird zwischen der Bearbeitung, der Fälschung und der Manipulation differenziert. Hierzu werden entsprechende Techniken (u.a. Einfügen und Löschen von Bildelementen, Ästhetisierung, Montage, Retusche) aufgezeigt, bevor konkrete Beispiele vorgestellt und eingeordnet werden. Zudem wird diskutiert, inwiefern Bildveränderungen erkannt und gekennzeichnet werden können.
Im zwölften Kapitel werden ausgewählte Satirebilder aus einer normativen Perspektive analysiert. Es geht dabei um Karikaturen und Cartoons, die bildethische Debatten ausgelöst haben. Dabei wird auch der visuelle Umgang mit religiösen Motiven und Akteuren diskutiert.
Das Kapitel 13 thematisiert die Bilddarstellung von prominenten und nichtprominenten Verstorbenen. Das Spektrum der analysierten Fallbeispiele reicht von Politikern über Geflüchtete bis hin zu Opfern von Verbrechen und Katastrophen. Insgesamt stellt sich die Frage, ob und wenn ja, in welcher Form und in welchem Kontext Tote überhaupt abgelichtet und gezeigt werden dürfen.
III Bewertungen
Ein Fazit mit Ausblick schließt sich an. Zudem werden Initiativen vorgestellt, die sich aus bildethischen Perspektiven mit normativen Fragen der visuellen Kommunikation beschäftigen.
Eine kommentierte Auswahlbibliografie zur Bildethik und der Hinweis auf ausgewählte Filmbeiträge zum Thema runden den Band ab.
Zielgruppe
Der Band richtet sich u.a. an Studierende und Lehrende der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Journalistik, Politikwissenschaft, Medienpsychologie, Medienpädagogik, Soziologie, Philosophie und Kulturwissenschaft. Dabei werden Inhalte vermittelt, die auch für Journalisten und Fotoreporter relevant sein können, um die Reflexion und Sensibilität im Umgang mit Bildern zu fördern.
Danksagung
Nachdem ich 2019 in der utb-Reihe bereits die Monografie Medienethik. Grundlagen – Anwendungen – Ressourcen veröffentlichen durfte, möchte ich mich bei Dr. Jürgen Schechler vom UVK-Verlag für die erneut gute Zusammenarbeit bei dem vorliegenden Band bedanken.
Inhaltliche Anregungen und konstruktive Kritik zum Manuskript habe ich von Dr. Cornelia Brantner, Susanna Endres, Christian Gürtler, Prof. Dr. Thomas Zeilinger und Prof. Dr. Oliver Zöllner erhalten. Susanna Endres hat zusätzlich die Erstellung der Abbildungen 1 und 2 in diesem Buch übernommen. Sie entstanden im Rahmen des Online-Seminars Medienethik an der Virtuellen Hochschule Bayern (VHB).
Mein besonderer Dank für die Korrekturen und Unterstützung gilt Lisa Glagow-Schicha.
Erlangen, im März 2021 Christian Schicha
2 Bilder
Bildeindrücke sind nicht zwingend mit realen Aufnahmen verbunden, sondern können auch in der Fantasie entstehen. Mitchell (2008) zufolge lassen sich verschiedene Bildkategorien voneinander unterscheiden. Dazu gehören:
grafische Kategorien (u.a. Gemälde, Zeichnungen, Pläne),
optische Kategorien (u.a. Spiegel, Projektionen),
geistige Kategorien (u.a. Träume, Erinnerungen, Ideen).
Zudem lassen sich unterschiedliche Formen von Bildern voneinander abgrenzen, wie die nachfolgende Abbildung zeigt:

Bildformen in Anlehnung an Leifert 2007
Hinzu kommen Schaubilder, Grafiken und Diagramme, die als Infografiken bezeichnet werden. Sie visualisieren abstrakte Vorgänge, die in der Regel nicht verständlich sind, wenn nur das Abbild eines Gegenstandes vorgelegt wird. Durch sie werden komplexe Sachverhalte und komplizierte Zusammenhänge verdeutlicht,

Als weitere Variante einer Infografik kann auf das Zahlenbild zurückgegriffen werden, bei denen zumeist statistische Informationen visualisiert werden. Dazu gehören u.a. „Stab-, Balken-, Säulen-, Flächen-, Kurven- oder Kreisdiagramme, […] die von den gängigen Computer-Grafikprogrammen produziert werden“ (Mast 2004, S. 338).
Die Rezipienten bauen sich mit Hilfe dieser und weiterer visueller Darstellungen und Erinnerungen daran einen Erfahrungshorizont auf, der ihnen Orientierung ermöglichen kann. Die Bilder können entschlüsselt, verglichen und eingeordnet werden.
Nachfolgend wird darauf eingegangen, warum visuelle Darstellungen überhaupt relevant sind und welche theoretischen Zugänge zum Forschungsfeld existieren. Es wird skizziert, welche Merkmale Bilder im Vergleich zu Texten besitzen, welche Verwendungs- und Verarbeitungszusammenhänge sich aufzeigen lassen, welche Bildtypen unterschieden werden können und welche Bildwahrnehmungen sowie potenziellen Bildwirkungen vorhanden sein können.
2.1 Relevanz

Die Verbreitung von Bildern hat in den letzten Jahren durch die Nutzung sozialer Netzwerke im Internet rasant zugenommen. Auf Facebook werden täglich etwa 350 Millionen Fotos hochgeladen. Dies entspricht 4000 Fotos pro Sekunde. Digitale Anbieter wie Instagram und Snapchat forcieren diesen Trend (vgl. Schankweiler 2019).
In nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen der Menschheit spielen Bilder eine zentrale Rolle. Dies gilt sowohl für die Medien, Wirtschaft, Werbung, Medizin, Politik und Kunst als auch für die Nachrichtenkommunikation.

Technische Neuerungen wie die digitale Fotografie bieten Hobbyfotografen die Möglichkeit, mit dem eigenen mobilen Endgerät kostengünstig hochwertige Aufnahmen zu machen und zu verbreiten. Durch die Nutzung von Smartphones mit eingebauter Kamera erfährt der Amateurfilm im Rahmen der fortschreiten Digitalisierung eine zusätzliche Bedeutung. Private Aufnahmen werden ohne großen technischen oder finanziellen Aufwand als Handyfoto oder Film verschickt und mit anderen geteilt. Banale Alltagsaufnahmen werden ebenso publiziert wie Bilder von Unglücken und Katastrophen (vgl. Holfelder/Schönberger 2017). Sogar Kinder sind in der Lage, Kurzfilme zu produzieren und über einschlägige Kanäle im Internet zu verbreiten. Medienkonsumenten avancieren als sogenannte Prosumer zusätzlich zu Produzenten von Medieninhalten. Dieser User-Generated-Content ist „zu einem fixen Bestandteil der Alltagskommunikation geworden […], bei dem die Grenzen zwischen Bildkonsum und Bildproduktionen zunehmend verschwimmen“ (Bernhardt/Liebhart 2020, S. 19). Durch diese Entwicklung verschiebt sich die Verantwortung von den professionellen Bildfotografen zusätzlich auf die Fotoamateure.
2.2 Bildwissenschaft und Visual Culture Studies

Um einen ersten Eindruck über das Forschungsfeld der visuellen Kommunikation zu erhalten, wird zunächst auf bildwissenschaftliche und kulturelle Zugänge zurückgegriffen, wobei die daran anknüpfende ethische Bewertung von Bildern in unterschiedlichen Ausprägungen und Zusammenhängen aus einer normativen Perspektive für die vorliegende Publikation zentral ist.
Die Bildwissenschaft wird als eine übergreifende und heterogene Wissenschaftsdisziplin verstanden, die unterschiedliche Fachrichtungen umfasst (vgl. Sachs-Hombach 2003 und 2005). Ihre Aufgaben werden Frank und Lange (2010, S. 11) zufolge wie folgt interpretiert:

Dazu gehören u.a. die Kunsttheorie und Kunstwissenschaft, die Politikwissenschaft, die Kulturwissenschaft, die Soziologie, die Philosophie, die Psychologie, die Semiotik, die Ästhetik, die Theologie, die Pädagogik sowie die Medien- und Kommunikationswissenschaft (vgl. Pichler/Ubl 2014). Die Bildwissenschaft beschäftigt sich weniger mit ethischen, sondern vorwiegend mit theoretischen und historischen Aspekten. Dabei geht es um Bildpraktiken in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, wobei ein grundlegendes Verständnis für alle Bildmedien entwickelt wird (vgl. Lobinger 2012).
Die Visual Culture Studies hingegen verfolgen einen anderen Zugang. Sie

Insofern werden hierbei bereits Kritik- und Machtaspekte aus einer normativen Perspektive erörtert. Dabei wird das Forschungsfeld der Populär- und Alltagskultur berücksichtigt, das die Konzeption der Cultural Studies (Machart 2008) aufgreift. Danach kann Kultur als ein Feld von politischen Machtbeziehungen interpretiert werden, das soziale Identitäten wie Klasse, Geschlecht oder sexuelle Orientierung in die Analyse einschließt.
Die Visual Culture Studies lassen sich in das „Verhältnis zur kulturellen Ebene von Gesellschaften setzen“ (Astheimer 2016, S. 58), da sie die entsprechenden Sinngehalte u.a. über Privatbilder, Werbeanzeigen und Illustrationen transportieren. Darüber hinaus sind kulturübergreifende Vergleiche in visueller Form über die Kanäle der Neuen Medien möglich. Seitz, Graneß und Stenger (2018, S. 1) zufolge

Insofern werden Aufnahmen hier in einen weitergehenden kulturellen Zusammenhang gerückt. Wirkungen und Bedeutungen von Bildern und Praktiken des Bildes „sind eingebettet in gesellschaftliche Symbolsysteme, Normen, Praktiken und Machtkonstellationen etc.“ (Rimmele/Stiegler 2012, S. 9). Es wird untersucht, auf welche Weise Bilder Bedeutungen produzieren, etablieren und in Frage stellen. Zudem wird analysiert, in welchen unterschiedlichen Bereichen Bilder entstehen, wie sie rezipiert werden und welche Funktionen sie erfüllen (vgl. Helbig/Russegger/Winter 2014 a und b).
2.3 Bild und Text
‚Bild schlägt Wort‘ ist die prägnante Bezeichnung einer These, die behauptet, dass die visuellen Eindrücke das gesprochene Wort dominieren und die Erinnerungsleistung von Medieninhalten stärker durch das Bild als durch den Text geprägt wird. Die Metapher der sogenannten Text-Bild-Schere besagt, dass die Aufnahmen z. B. beim Fernsehkonsum einen stärkeren Eindruck hinterlassen als der gesprochene Text. Ursprünglich sollten die Bilder nur unterstützend dazu beitragen, dass der Text besser verstanden wird. In empirischen Experimenten, bei denen TV-Magazinbeiträge rezipiert wurden, hat sich herausgestellt, dass sich die Aufmerksamkeit der Rezipienten stärker auf die gezeigten Bewegtbilder gerichtet haben als auf die Worte im Film. Die bildlichen Eindrücke konnten besser behalten werden als die Wortbeiträge. Dies galt besonders dann, wenn es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Wort und Bild gab. Dann erinnerten sich die Zuschauer häufig kaum an den Text, während der Inhalt der Bilder gut behalten wurde. Dennoch fühlte sich das Publikum subjektiv gut informiert. Insofern war hier auch eine Schere in Bezug auf die Wahrnehmung zu konstatieren (vgl. Wember 1991).
In der Entwicklung des Menschen ist vor der Sprache zunächst die visuelle Wahrnehmung ausgeprägt. Berger (1996, S. 7) formuliert diese Tatsache wie folgt: „Sehen kommt vor Sprechen. Kinder sehen und erkennen, bevor sie sprechen können.“ Dabei folgt die Informationsaufnahme unmittelbar: „Bilder sind schnelle Medien, viel schneller als Worte. Denn sie können uns einen komplexen Sachverhalt sehr direkt vermitteln, ohne wirklich viel erklären zu müssen.“ (Doswald 2002, S. 7)
Visuelle Kommunikation ist für die effektive Verarbeitung von Informationen zentral. Bilder lassen sich schneller wahrnehmen als verbale Botschaften. Sie erfordern eine geringere kognitive Anstrengung und können gut erinnert werden. In diesem Kontext wird von einem „Bildüberlegenheitseffekt (Picture Superiority Effect)“ (Bernhardt/Liebhardt 2020, S. 20) ausgegangen.
Die Präsentation mit Bildern ist deshalb eingängiger als sprachliche Kommunikation, weil die in ihr enthaltene Interpretation des Geschehens nicht ohne weiteres widerspruchsfähig ist. Bilder erwecken hingegen den Eindruck einer unmittelbaren Wirklichkeitswiedergabe.
Die Logik der Texte unterscheidet sich von der Logik der Bilder, da die Textlogik argumentativ und die Bildlogik assoziativ verläuft. Bild und Text sind deshalb aber nicht zwingend konkurrierende menschliche Ausdrucksformen, da sie sich wechselseitig aufeinander beziehen können und demzufolge für die Erfassung des Gesamtzusammenhangs voneinander abhängig sind (vgl. Müller/Geise 2003, Schicha/Vaih-Bauer 2015). Im Bild werden sämtliche visuellen Elemente gleichzeitig erfasst, während die sprachliche Schilderung „Handlungsakte und Ereignisse einer Geschichte nacheinander erzählt“ (vgl. Pandel 2008, S. 15).
Bilder besitzen den weiteren Vorteil, dass sie unmittelbar verständlich sind, nicht in Fremdsprachen übersetzt werden müssen und somit einen konstruktiven Beitrag zur globalen Verständigung leisten können (vgl. Tappe 2016). Dennoch sind für die Entschlüsselung und Bewertung von Bildern weitere visuelle und ethische Kompetenzen erforderlich.
2.4 Bildverwendung
Mit Hilfe von Bildern lassen sich Sachverhalte auf vielfältige Weise präsentieren. Es können Dinge dargestellt werden, die den Blickwinkel des menschlichen Auges in Form von Luftaufnahmen, Fotomontagen und Rundsichten überschreiten. Der Einsatz von Bildtechniken ermöglicht neue Perspektiven durch Transformationen, Verzerrungen, Vergrößerungen und Verkleinerungen. Bilder über das „Werden des menschlichen Lebens im Mutterleib“ (Koetzle 2017, S. 434) durch Ultraschallaufnahmen schaffen Möglichkeiten für die Diagnostik zu medizinischen Zwecken (vgl. Geise/Brückmann 2015). Neben Röntgenaufnahmen können bildgebende Verfahren der Magnetresonanztomographie Aufnahmen aus Körpern des Menschen zeigen, die die Basis bei der Entscheidung ärztlicher Behandlungen schaffen.