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Besonders sensibel und reflektiert sollte der Umgang mit Kinderbildern sein. Schließlich gilt:

Insofern sollte vor der Veröffentlichung von Kinderbildern das Einverständnis der Betroffenen vorhanden sein. Die Privat- und Intimsphäre darf hierbei grundsätzlich nicht verletzt werden.
Es ist weiterhin untersagt, Bilder von Menschen zu publizieren, für die eine Fotoveröffentlichung eine Gefährdung für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Eigentum bedeuten würden. Folgendes Beispiel nach einem Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt fällt in diesen Bereich:

Das Urteil resultiert aus der Befürchtung, dass die Veröffentlichung dieses sogenannten Steckbriefes einen Gewaltakt gegen den Firmenchef zur Folge hätte haben können. Fahndungsfotos dürfen ohnehin nur von Behörden herausgegeben werden. Nur dann dürfen sie über die Medien verbreitet werden.
Gesetzliche Fotografierverbote gelten insgesamt unter folgenden Umständen (vgl. Fricke 2010):
Werbung ohne Einwilligung des Betroffenen,
Diskreditierung durch Herabsetzung, Zurschaustellung, Verächtlichmachung und Anprangerung,
Personengefährdung bei Polizisten, Geheimagenten, Detektiven und Sicherheitskräften,
Verfolgungs- und Belagerungssituationen bei der Observation
und bei Kriegsgefangenen, sofern die Gesichter identifiziert werden können.
Während laufender Gerichtsverfahren darf in Deutschland nicht gefilmt werden. Notizen und Zeichnungen sind jedoch gestattet. Gesetzliche Fotografierverbote betreffen das Ablichten militärischer Anlagen und das Fotografieren aus dem Flugzeug und mit Drohnen, sofern es sich nicht um das eigene Grundstück handelt (vgl. Fricke 2010).
Juristisch relevant können weiterhin staatliche Eingriffe sein, die Bürgerrechte missachten. Das Recht auf Privatheit sowie der Datenschutz und die Datensicherheit werden negativ tangiert, wenn Fotos von Geheimdiensten mit einer Gesichtserkennungssoftware überprüft werden, und dadurch Überwachung ermöglichen (vgl. Grimm/Keber/Zöllner 2019).
Der Tod führt nicht automatisch dazu, dass Persönlichkeitsrechte enden. Aufgrund von postmortalen Persönlichkeitsrechten dürfen Bilder von Verstorbenen nur mit Einwilligung ihrer Angehörigen veröffentlicht werden. Ausnahmen kann es bei Personen der Zeitgeschichte aufgrund des öffentlichen Interesses geben. Identifizierbare Aufnahmen von Trauernden dürfen ebenfalls nur mit dem Einverständnis der Betroffenen publiziert werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Aufnahmen zu verpixeln, um eine Erkennbarkeit zu verhindern (vgl. Gulden 2020).
Im Gegensatz zur Bildethik, auf die nachfolgend eingegangen wird, werden rechtliche Normen im Bildrecht politisch in Kraft gesetzt und bei Missachtung mit Strafen durch die Justiz sanktioniert.
3.2 Bildethik

Die Ethik verfügt im Gegensatz zum Recht nicht über juristische Steuerungs- und Sanktionsmöglichkeiten, sondern setzt auf Reflexion und Sensibilisierung in Fällen der Verletzung gültiger Normen und Werte. Sie beschäftigt sich mit der Begründung von Handlungen und Unterlassungen (vgl. Birnbacher 1995) sowie der Entwicklung von Kriterien für moralisch angemessene Entscheidungen. Sie fordert die Rücksichtnahme auf Andere und kann somit Bedürfnisse und Freiheiten der agierenden Akteure einschränken. Dem Postulat des Universalismus zufolge sind ethische Grundsätze „für alle Menschen gleichermaßen verbindlich, unabhängig von Zeit, Ort oder besonderen Umständen“ (Hepfer 2008, S. 21).
Die angewandte Ethik „hat es mit Konflikten zu tun“ (Knoepffler 2010, S. 261) und besitzt dem Verständnis des Philosophen Manfred Riedel (1979, S. 8) zufolge die Funktion einer „Krisenreflexion“. Es wird davon ausgegangen, dass die ethische Argumentation auf der Erfahrung basiert, „daß er auch immer um das ‚Übel‘ verfehlten Lebens, aber nicht verläßlich um das ‚Gute‘, um Bedingungen gelingender Lebensführung, weiß“ (Riedel 1979, S. 7f.).
Es geht darum, moralisch fragwürdige Inhalte und Praktiken in realen sozialen Zusammenhängen zu identifizieren, einzuordnen und zu bewerten. In der Praxis- oder Bereichsethik finden sich zahlreiche Arbeitsfelder, in der normative Fragen reflektiert und diskutiert werden (vgl. Paganini 2020). Das Spektrum reicht von der medizinischen Ethik (vgl. Sass 1989) über die ökologische Ethik (vgl. Birnbacher 1986), Umweltethik (Ott 2010) und Klimaethik (Birnbacher 2016) bis hin zur Wirtschaftsethik (vgl. Lenk/Maring 1992).
Die Bildethik als normative Disziplin der angewandten Moralphilosophie wird in der Regel der Oberkategorie der Medienethik zugeordnet, zu denen u.a. die Informationsethik (vgl. Bendel 2016), die Internetethik (Irrgang 2011) und die Maschinenethik (Misselhorn 2019) gehören. Bei Grimm, Keber und Zöllner (2019) wird die angewandte Ethik im Kontext der Neuen Medien als Digitale Ethik klassifiziert, bei der es um die normative Bewertung beim Einsatz von Algorithmen und Social Bots geht (vgl. Schicha 2018d und 2019b, Stalder 2019).
Da sich die angewandte Ethik auf menschliche Aktivitäten bezieht, ist die Bildethik keine Ethik des Bildes, da es sich bei Bildern um Dinge handelt, die keine moralischen Rechten und Pflichten haben (vgl. Tappe 2016). Die Bildethik ist als Reflexions- und Steuerungsinstanz von den Entscheidungen der menschlichen Akteure abhängig, die Verantwortung tragen (vgl. Schicha/Brosda 2010, Schicha 2019b). Dabei geht es um die Prozesse der Erstellung (Produktion), der Bereitstellung (Distribution) und der Nutzung (Rezeption) von Bildinhalten (vgl. Funiok 2007).
Die Bildethik agiert wie alle Formen der angewandten Ethik im Spannungsfeld zwischen Ideal- und Praxisnormen (vgl. Birnbacher 1988). Zu den Idealnormen gehören u.a.
die Grundprinzipien informierter Einwilligung,
die Freiwilligkeit,
die informationelle Selbstbestimmung,
die Beachtung des Persönlichkeits- und Datenschutzes
sowie die Anonymität und Schadensvermeidung.
Aus diesen Vorgaben sollen konkrete und praktikable Handlungsoptionen für die kommerzielle Medienpraxis abgeleitet werden, um auf gesellschaftlicher, institutioneller und individueller Akteursebene Orientierung zu geben (vgl. Schlütz/Mohring 2016). Es ist zu differenzieren zwischen der
Individualebene der journalistischen Ethik, bei der der einzelne Fotograf ausschließlich für das veröffentlichte Bild verantwortlich ist.
Auf der Professionsebene sollte das berufliche Verhalten durch die Entwicklung eines Berufsethos in Form von Ethikkodizes für den Journalismus berechenbar gestaltet werden.
Die Organisationsebene beruft sich auf die Verantwortung der Medienunternehmen. Hierbei werden neben den Medienschaffenden zusätzlich die Besitzer und Betreiber von Massenmedien in den Verantwortungshorizont mit einbezogen.
Zusätzlich werden die Mediennutzer auf der Publikumsebene im Verständnis einer Publikumsethik dafür verantwortlich gemacht, was sie kaufen, konsumieren und weiterverbreiten. Es geht hierbei um einen mündigen Nutzerkreis, der in der Lage ist, entsprechende Entscheidungen des Medienkonsums gut begründet zu treffen oder abzulehnen. Dabei wird an die Einhaltung ethischer Standards appelliert.
Auf der Metaebene werden Prinzipien der Medien- und Bildethik diskutiert, die sich auf ethische Theorien beziehen und Begründungen für ein angemessenes Verhalten auf der Basis von Werten und Normen aufzeigen (vgl. Friedrichsen/Gertler 2011, Schicha 2019b).
Innerhalb bildethischer Bewertungen kommen moralische Urteile zur Anwendung. So wird diskutiert, welche Bilder nach welchen Kriterien überhaupt veröffentlicht werden dürfen. Hierbei spielt die Würde des (abgebildeten) Menschen, auf die im Artikel 1 des Deutschen Grundgesetzes explizit verwiesen wird, eine wichtige Rolle. Daran anknüpfend werden ethische Prinzipien berücksichtigt, die u.a. die Wahrheit und Selbstbestimmung tangieren (vgl. Knieper/Müller 2003, Schicha 2003 und 2013b, Godulla 2014, Krämer/Lobinger 2019). Grundsätzlich lässt sich konstatieren,

Den Ansatz einer Prinzipienethik verfolgen die Medizinethiker Beauchamp und Childress (1989). Wesentlicher Bestandteil der Alltagsmoral sind
der Respekt vor der Autonomie des Betroffenen,
die Schadensvermeidung
sowie Fürsorge und Gerechtigkeit.
Derartige Leitlinien sollen in den Prozess der ethischen Begründung und Entscheidungsfindung einbezogen werden. Die Prinzipien sind so gestaltet, dass sie in der konkreten Anwendung einen Freiraum für Abwägungen und Priorisierung einzelner Prinzipien hinsichtlich ihrer Gewichtung bieten. Es ist zu prüfen, ob diese Maßstäbe in einem konkreten Fall in Konflikt zueinanderstehen oder miteinander harmonieren. Sofern dieses Konzept auf den normativ angemessenen Umgang mit Bildern übertragen wird, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Veröffentlichung von Bildern gerechtfertigt werden kann. So ist zu diskutieren, ob eine individuelle Schädigung eines Einzelnen durch eine Abbildung, auf der er zu sehen ist, durch die Fürsorge im Verständnis einer Aufklärungspflicht gegenüber der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein kann. Zentral ist weiterhin die Frage, ob Bilder denjenigen schaden, die abgebildet werden. Es geht darum, Hassbilder (Hornuff 2020) zu verhindern, die oftmals in Kombination mit Hasssprache als Instrument der Denunziation dienen sowie Abwertungs- und Ausgrenzungsmustern sowie Stereotypisierungen folgen.
Deontologische Ansätze einer Pflichtethik können den normativen Diskurs ebenfalls beeinflussen (vgl. Suda 2005). Hier kann z. B. diskutiert werden, ob es eine ethische Verpflichtung gibt, gesellschaftliche Missstände im Bild zu dokumentieren. Utilitaristische Ansätze einer zweckorientierten Ethik, die die Auffassung vertreten, dass der Gesamtnutzen aller Betroffenen maximiert werden soll, können ebenso in die Debatte eingehen, um Kriterien zu entwickeln, nach denen zu entscheiden ist, welche Bilder unter welchen Umständen gemacht werden dürfen und an welche Personen oder Gruppen sie weitergeleitet werden dürfen. Unter Rückgriff auf derartiger Theoriekonzepte kann die Bildethik neben dem Bildrecht einen konstruktiven Beitrag dazu leisten, richtige Entscheidungen nach einer gründlichen Analyse und Abwägung beim Umgang mit Bildern zu treffen.
3.3 Medienselbstkontrolle: Der Deutsche Presserat
Die Medienselbstkontrolle ist Teil der Medienregulierung und „existiert in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Prinzips der Staatsferne und der verfassungsrechtlich garantierten Medienfreiheiten“ (Stapf 2016, S. 96).
Der Deutsche Presserat (2000) ist die Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien, wobei zusätzlich die Inhalte der journalistischen Onlineberichterstattung begutachtet werden. Zu den Trägern gehören gehören Verleger- und Journalistenorganisationen. Die Medienselbstkontrolle kann einen konstruktiven Beitrag leisten, Richtlinien für einen moralisch angemessenen Umgang mit Bildern zu entwickeln.
Ihre Aufgabe besteht darin, das Ansehen der Presse zu wahren und die Pressefreiheit zu schützen. Auf Basis der publizistischen Grundsätze (Pressekodex) werden Presseberichte bewertet und ggf. mit einem Hinweis oder einer Rüge sanktioniert. Hinsichtlich der Verwendung von Bildern sind folgende Ziffern des Pressekodex relevant:

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden. […]
RICHTLINIE 2.2 SYMBOLFOTO
Kann eine Illustration, insbesondere eine Fotografie, beim flüchtigen Lesen als dokumentarische Abbildung aufgefasst werden, obwohl es sich um ein Symbolfoto handelt, so ist eine entsprechende Klarstellung geboten. So sind Ersatz- oder Behelfsillustrationen (gleiches Motiv bei anderer Gelegenheit, anderes Motiv bei gleicher Gelegenheit etc.), symbolische Illustrationen (nachgestellte Szene, künstlich visualisierter Vorgang zum Text etc.), Fotomontagen oder sonstige Veränderung deutlich wahrnehmbar in Bildlegende bzw. Bezugstext als solche erkennbar zu machen. […]
Ziffer 4 GRENZEN DER RECHERCHE
Bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden.
Ziffer 8 SCHUTZ DER PERSÖNLICHKEIT […]
RICHTLINIE 8.2 OPFERSCHUTZ
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.
Ziffer 9 SCHUTZ DER EHRE
Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.
Ziffer 11 SENSATIONSBERICHTERSTATTUNG, JUGENDSCHUTZ
Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.
RICHTLINIE 11.1 UNANGEMESSENE DARSTELLUNG
Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird. Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.
In einer Pressemitteilung vom 11. Juni 2020 hat der Deutsche Presserat in einer Pressemitteilung drei Fälle mit einer Rüge sanktioniert, in der der Umgang mit Bildern von Gewalt und Tot eine zentrale Rolle gespielt haben (Deutscher Presserat 2020):

Eine Verletzung der Ziffer 1 des Pressekodex sah der Presserat in der Veröffentlichung eines Fotos eines in Syrien erfrorenen 18 Monate alten Mädchens. Unter der Überschrift „Laila (1) erfror auf der Flucht vor dem Krieg“ hatte BILD.DE über den Krieg in Syrien berichtet und da-bei ein Porträtbild des toten Kindes mit offenen Augen gezeigt. Diese Art der Darstellung ist nach Ansicht des Presserats nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt und verletzt die Menschenwürde des toten Mädchens. Der Presserat hielt den Verstoß gegen den Pressekodex für so schwerwiegend, dass er hier eine Rüge aussprach.
Opferfotos ohne Einwilligung der Angehörigen veröffentlicht
Eine Rüge erhielt SHZ.DE wegen mehrerer Berichte aus den Jahren 2008 und 2009 u.a. mit der Schlagzeile „Es war blanker Hass“. Es ging darin um einen Prozess gegen einen 19-Jährigen, der 2008 wegen Mordes an seiner Schwester verurteilt worden war. Die Redaktion hatte seinerzeit mehrere Artikel mit Fotos und Informationen veröffentlicht, die das Mordopfer identifizierbar machten. Das Vorhalten dieser Alt-Berichterstattung verstößt insoweit gegen den redaktionellen Datenschutz, als dass nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex die Identität von Opfern besonders geschützt werden muss ‒ auch in Online-Archiven. Dagegen waren Informationen, die Rückschlüsse auf die Identität des Täters und der Familie zuließen durch ein überwiegendes Informationsinteresse gedeckt.
Zwei Rügen wegen Verstößen gegen den Opferschutz
Zwei Rügen wegen Verletzungen des Opferschutzes wurden gegen BILD.DE ausgesprochen. Im ersten Fall hatte die Redaktion unter der Überschrift ‚Diese Liebe endete im Blutbad‘ über eine Beziehungstat berichtet, bei der ein junger Mann seine Freundin umgebracht und dann sich selbst das Leben genommen hatte. Im zweiten Fall wurde unter dem Titel ‚Vater erstickte Kinder mit Bauschaum‘ über den Vorwurf gegen einen Mann informiert, seine beiden Kinder getötet zu haben. In beiden Artikeln wurden die Opfer mit Fotos identifizierend dargestellt. Ein öffentliches Interesse daran sah der Presserat nicht und stellte einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8 Richtlinie 8.2 fest.“
Hierbei wird die Ziffer 1 des Pressekodex mit der grundlegenden Wahrung der Menschenwürde herangezogen. Die Ziffer 8.2 bezieht sich auf den Opferschutz. Eine Identifizierung durch ein Foto in der Berichterstattung sollte nur dann stattfinden, wenn das Opfer oder die Angehörigen dem zustimmen oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.
Der Großteil der Presseverlage in Deutschland hat sich verpflichtet, öffentliche Rügen des Presserates publik zu machen. 2020 sind von 53 ausgesprochenen Rügen 19 nicht von den betreffenden Presseorganen abgedruckt worden. Somit sind etwa ein Drittel aller Rügen unveröffentlicht geblieben (vgl. Deutscher Presserat 2021).
Auf weitere Beurteilungen des Deutschen Presserates hinsichtlich der Angemessenheit von Bildveröffentlichungen wird anhand konkreter Beispiele im Verlauf des Bandes noch eingegangen. Darüber hinaus werden nachfolgend auch Richtlinien und Beurteilungskriterien der Medienselbstkontrollinstanz des Deutschen Werberates skizziert.
4 Dokumentar- und Kunstfotografie
Seit fast 200 Jahren suchen Fotografen nach neuen Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten ihres Schaffens (vgl. Heine 2012). Auf Basis ihrer Ideen und Interessen widmen sie sich unterschiedlichen Stilformen und Themenfeldern. Dazu gehören u.a. die Porträt-, Körper-, Straßen- und Landschaftsfotografie (vgl. Kroth 1977, Roberts 2001, Rocholl 2002, Vorsteher/Quermann 2005, Rankin 2012, Bailey 2014, Haydn Smith 2019).
In Kooperation mit Kameraherstellern liegen Bücher vor, die Amateuren technische Hinweise zur Erstellung von Aufnahmen u.a. im Bereich der Astro,- Architektur-, Reportage-, Sport-, Reise-, Pflanzen- und Tierfotografie geben (vgl. Kaeppeler 1979).
Fotografen arbeiten freiberuflich oder fest für Magazine und Tageszeitungen, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, für Parteien und neue soziale Bewegungen sowie kommerzielle Wirtschaftsunternehmen. Sie können Handwerker und Künstler sein, gesellschaftliche Missstände im Bild dokumentieren oder Auftragsarbeiten aus der Werbung oder dem Journalismus bearbeiten.
Geschmacksurteile werden in Büchern vorgenommen, die Fotos so genannter Bausünden zeigen, da sie die Existenz ästhetisch misslungener Bauvorhaben dokumentieren. Die Architekturhistorikerin Turit Fröbe (2020 und 2021) hat individuell gestaltete Eigenheime mit Steingärten und öffentliche Betonbauten fotografiert, die als besonders hässlich wahrgenommen werden.
Positive Beispiele für ästhetisch gelungene Aufnahmen von Prominenten finden sich hingegen in Fotobänden, die von Künstlern aus dem Kulturbereich gemacht worden sind, zu denen die Abgelichteten ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben.
Der Musiker Bryan Adams hat großförmige Porträts von Prominenten aus dem Mode-, Show- und Kunstbereich gemacht. Dazu gehörten u.a. Mick Jagger, Julianne Moore, Amy Winehouse und die englische Königin. Er hat sich aber nicht nur auf Berühmtheiten fokussiert, sondern auch Bilder von Obdachlosen publiziert (vgl. Adams 2012 und 2019).
Der Jazzmusiker Till Brönner hat u.a. die Künstler Markus Lüpertz, Armin Müller-Stahl, Karoline Herfurth, Lenny Kravitz und Gregory Porter abgelichtet, aber auch eigene Aufnahmen aus dem Ruhrgebiet vorgelegt (vgl. Müller-Remmert u.a. 2019).
Der Fotograf Jim Rakete war Musikmanager von Bands wie Spliff und hat zahlreiche Schwarz-Weiß-Porträts von prominenten Schauspielern (u.a. Til Schweiger, Meret Becker, Otto Sander, Helen Mirren) und Musikern (u.a. Deep Purple, Reinhard Mey, Nina Hagen) aufgenommen, aber auch Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen fotografiert (vgl. Rakete 2008, 2011 und 2015, Meixner 2020).
Die Fotografin Linda McCartney hat nicht nur ihren Ehemann Paul von den Beatles und die gemeinsame Familie aufgenommen, sondern auch Rockstars wie Janis Joplin, Jimi Hendrix, Aretha Franklin, Bob Dylan und die Rolling Stones abgelichtet (vgl. Castle u.a. 2015).
Aus einer normativen Perspektive sind primär die Aufnahmen relevant, die in einem journalistischen oder künstlerischen Zusammenhang entstanden sind und kontroverse Diskurse ausgelöst haben. Darauf wird im weiteren Verlauf des Textes noch eingegangen. Die meisten Bilder verfügen jedoch über einen dokumentarischen Charakter und sind aus einer bildethischen Perspektive nur teilweise relevant.
In dem Band von Stepan (2008) sind 50 Fotografen, die man kennen sollte, versammelt worden. Sie haben den amerikanischen Bürgerkrieg in Bildern festgehalten (Mathew Brady 1823-1896), menschliches Elend im Gefolge des New Yorker Börsenkrachs dokumentiert (Dorothea Lange 1895-1965), als Modefotografen gearbeitet (Diane Arbus 1923-1971), Prominente ins Bild gerückt (Richard Avedon 1923-2004) und die Industriekultur in verschiedenen Ländern abgelichtet (Hilla Becher 1931-2007, Bernd Becher 1931-2015).