Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...

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JOHANNA.
Wer bist du, den sein böser Engel mir
Entgegen schickt? Gleich eines Fürsten ist
Dein Anstand, auch kein Brite scheinst du mir,
Denn dich bezeichnet die burgundsche Binde,
Vor der sich meines Schwertes Spitze neigt.
RITTER.
Verworfne, du verdientest nicht zu fallen
Von eines Fürsten edler Hand. Das Beil
Des Henkers sollte dein verdammtes Haupt
Vom Rumpfe trennen, nicht der tapfre Degen
Des königlichen Herzogs von Burgund.
JOHANNA.
So bist du dieser edle Herzog selbst?
RITTER schlägt das Visier auf.
Ich bins. Elende, zittre und verzweifle!
Die Satanskünste schützen dich nicht mehr,
Du hast bis jetzt nur Schwächlinge bezwungen,
Ein Mann steht vor dir.
Zehnter Auftritt
Dunois und La Hire zu den Vorigen.
DUNOIS.
Wende dich, Burgund!
Mit Männern kämpfe, nicht mit Jungfrauen.
LA HIRE.
Wir schützen der Prophetin heilig Haupt,
Erst muß dein Degen diese Brust durchbohren –
BURGUND.
Nicht diese buhlerische Circe fürcht ich,
Noch euch, die sie so schmipflich hat verwandelt.
Erröte, Bastard, Schande dir, La Hire,
Daß du die alte Tapferkeit zu Künsten
Der Höll erniedrigst, den verächtlichen
Schildknappen einer Teufelsdirne machst.
Kommt her! Euch allen biet ichs! Der verzweifelt
An Gottes Schutz, der zu dem Teufel flieht.
Sie bereiten sich zum Kampf, Johanna tritt dazwischen.
JOHANNA.
Haltet inne!
BURGUND.
Zitterst du für deinen Buhlen?
Vor deinen Augen soll er –
Dringt auf Dunois ein.
JOHANNA.
Haltet inne!
Trennt sie, La Hire – Kein französisch Blut soll fließen!
Nicht Schwerter sollen diesen Streit entscheiden.
Ein andres ist beschlossen in den Sternen –
Auseinander sag ich – Höret und verehrt
Den Geist, der mich ergreift, der aus mir redet!
DUNOIS.
Was hältst du meinen aufgehobnen Arm,
Und hemmst des Schwertes blutige Entscheidung?
Das Eisen ist gezückt, es fällt der Streich,
Der Frankreich rächen und versöhnen soll.
JOHANNA stellt sich in die Mitte und trennt beide Teile durch einen weiten Zwischenraum, zum Bastard.
Tritt auf die Seite!
Zu La Hire.
Bleib gefesselt stehen!
Ich habe mit dem Herzoge zu reden.
Nachdem alles ruhig ist.
Was willst du tun, Burgund? Wer ist der Feind,
Den deine Blicke mordbegierig suchen?
Dieser edle Prinz ist Frankreichs Sohn wie du
Dieser Tapfre ist dein Waffenfreund und Landsmann,
Ich selbst bin deines Vaterlandes Tochter.
Wir alle, die du zu vertilgen strebst,
Gehören zu den Deinen – unsre Arme
Sind aufgetan dich zu empfangen, unsre Knie
Bereit dich zu verehren – unser Schwert
Hat keine Spitze gegen dich. Ehrwürdig
Ist uns das Antlitz, selbst im Feindeshelm,
Das unsers Königs teure Züge trägt.
BURGUND.
Mit süßer Rede schmeichlerischem Ton
Willst du Sirene! deine Opfer locken.
Arglistge, mich betörst du nicht. Verwahrt
Ist mir das Ohr vor deiner Rede Schlingen
Und deines Auges Feuerpfeile gleiten
Am guten Harnisch meines Busens ab.
Zu den Waffen, Dunois!
Mit Streichen nicht mit Worten laß uns fechten.
DUNOIS.
Erst Worte und dann Streiche. Fürchtest du
Vor Worten dich? Auch das ist Feigheit
Und der Verräter einer bösen Sache.
JOHANNA.
Uns treibt nicht die gebieterische Not
Zu deinen Füßen, nicht als Flehende
Erscheinen wir vor dir. – Blick um dich her!
In Asche liegt das engelländsche Lager,
Und eure Toten decken das Gefild.
Du hörst der Franken Kriegstrommete tönen,
Gott hat entschieden, unser ist der Sieg.
Des schönen Lorbeers frisch gebrochnen Zweig
Sind wir bereit, mit unserm Freund zu teilen.
– O komm herüber! Edler Flüchtling komm!
Herüber, wo das Recht ist und der Sieg.
Ich selbst, die Gottgesandte, reiche dir
Die schwesterliche Hand. Ich will dich rettend
Herüberziehn auf unsre reine Seite! –
Der Himmel ist für Frankreich. Seine Engel,
Du siehst sie nicht, sie fechten für den König,
Sie alle sind mit Lilien geschmückt,
Lichtweiß wie diese Fahn ist unsre Sache,
Die reine Jungfrau ist ihr keusches Sinnbild.
BURGUND.
Verstrickend ist der Lüge trüglich Wort,
Doch ihre Rede ist wie eines Kindes.
Wenn böse Geister ihr die Worte leihn,
So ahmen sie die Unschuld siegreich nach.
Ich will nicht weiter hören. Zu den Waffen!
Mein Ohr, ich fühls, ist schwächer als mein Arm.
JOHANNA.
Du nennst mich eine Zauberin, gibst mir Künste
Der Hölle schuld – Ist Frieden stiften, Haß
Versöhnen ein Geschäft der Hölle? Kommt
Die Eintracht aus dem ewgen Pfuhl hervor?
Was ist unschuldig, heilig, menschlich gut,
Wenn es der Kampf nicht ist ums Vaterland?
Seit wann ist die Natur so mit sich selbst
Im Streite, daß der Himmel die gerechte Sache
Verläßt, und daß die Teufel sie beschützen?
Ist aber das, was ich dir sage, gut,
Wo anders als von oben konnt ichs schöpfen?
Wer hätte sich auf meiner Schäfertrift
Zu mir gesellt, das kindsche Hirtenmädchen
In königlichen Dingen einzuweihn?
Ich bin vor hohen Fürsten nie gestanden,
Die Kunst der Rede ist dem Munde fremd.
Doch jetzt, da ichs bedarf dich zu bewegen,
Besitz ich Einsicht, hoher Dinge Kunde,
Der Länder und der Könige Geschick
Liegt sonnenhell vor meinem Kindesblick,
Und einen Donnerkeil führ ich im Munde.
BURGUND lebhaft bewegt, schlägt die Augen zu ihr auf und betrachtet sie mit Erstaunen und Rührung.
Wie wird mir? Wie geschieht mir? Ists ein Gott,
Der mir das Herz im tiefsten Busen wendet!
– Sie trügt nicht, diese rührende Gestalt!
Nein! Nein! Bin ich durch Zaubers Macht geblendet,
So ists durch eine himmlische Gewalt,
Mir sagts das Herz, sie ist von Gott gesendet.
JOHANNA.
Er ist gerührt, er ists! Ich habe nicht
Umsonst gefleht, des Zornes Donnerwolke schmilzt
Von seiner Stirne tränentauend hin,
Und aus den Augen, Friede strahlend, bricht
Die goldne Sonne des Gefühls hervor.
– Weg mit den Waffen – drücket Herz an Herz –
Er weint, er ist bezwungen, er ist unser!
Schwert und Fahne entsinken ihr, sie eilt auf ihn zu mit ausgebreiteten Armen und umschlingt ihn mit leidenschaftlichem Ungestüm. La Hire und Dunois lassen die Schwerter fallen und eilen ihn zu umarmen.
Dritter Aufzug
Hoflager des Königs zu Chalons an der Marne.
Erster Auftritt
Dunois und La Hire.
DUNOIS.
Wir waren Herzensfreunde, Waffenbrüder,
Für eine Sache hoben wir den Arm
Und hielten fest in Not und Tod zusammen.
Laßt Weiberliebe nicht das Band zertrennen,
Das jeden Schicksalswechsel ausgehalten.
LA HIRE.
Prinz, hört mich an!
DUNOIS.
Ihr liebt das wunderbare Mädchen,
Und mir ist wohl bekannt, worauf Ihr sinnt.
Zum König denkt Ihr stehnden Fußes jetzt
Zu gehen, und die Jungfrau zum Geschenk
Euch zu erbitten – Eurer Tapferkeit
Kann er den wohlverdienten Preis nicht weigern.
Doch wißt – eh ich in eines andern Arm
Sie sehe –
LA HIRE.
Hört mich, Prinz!
DUNOIS.
Es zieht mich nicht
Der Augen flüchtig schnelle Lust zu ihr.
Den unbezwungnen Sinn hat nie ein Weib
Gerührt, bis ich die Wunderbare sah,
Die eines Gottes Schickung diesem Reich
Zur Retterin bestimmt und mir zum Weibe,
Und in dem Augenblick gelobt ich mir
Mit heilgem Schwur als Braut sie heimzuführen.
Denn nur die Starke kann die Freundin sein
Des starken Mannes, und dies glühnde Herz
Sehnt sich an einer gleichen Brust zu ruhn,
Die seine Kraft kann fassen und ertragen.
LA HIRE.
Wie könnt ichs wagen, Prinz, mein schwach Verdienst
Mit Eures Namens Heldenruhm zu messen!
Wo sich Graf Dunois in die Schranken stellt,
Muß jeder andre Mitbewerber weichen.
Doch eine niedre Schäferin kann nicht
Als Gattin würdig Euch zur Seite stehn,
Das königliche Blut, das Eure Adern
Durchrinnt, verschmäht so niedrige Vermischung.
DUNOIS.
Sie ist das Götterkind der heiligen
Natur, wie ich, und ist mir ebenbürtig.
Sie sollte eines Fürsten Hand entehren,
Die eine Braut der reinen Engel ist,
Die sich das Haupt mit einem Götterschein
Umgibt, der heller strahlt als irdsche Kronen,
Die jedes Größte, Höchste dieser Erden
Klein unter ihren Füßen liegen sieht;
Denn alle Fürstenthronen aufeinander
Gestellt, bis zu den Sternen fortgebaut,
Erreichten nicht die Höhe, wo sie steht,
In ihrer Engelsmajestät!
LA HIRE.
Der König mag entscheiden.
DUNOIS.
Nein, sie selbst
Entscheide! Sie hat Frankreich frei gemacht
Und selber frei muß sie ihr Herz verschenken.
LA HIRE.
Da kommt der König!
Zweiter Auftritt
Karl. Agnes Sorel. Du Chatel, der Erzbischof und Chatillon zu den Vorigen.
KARL zu Chatillon.
Er kommt! Er will als seinen König mich
Erkennen, sagt Ihr, und mir huldigen?
CHATILLON.
Hier, Sire, in deiner königlichen Stadt
Chalons will sich der Herzog, mein Gebieter,
Zu deinen Füßen werfen. – Mir befahl er,
Als meinen Herrn und König dich zu grüßen,
Er folgt mir auf dem Fuß, gleich naht er selbst.
SOREL.
Er kommt! O schöne Sonne dieses Tags,
Der Freude bringt und Frieden und Versöhnung!
CHATILLON.
Mein Herr wird kommen mit zweihundert Rittern,
Er wird zu deinen Füßen niederknien,
Doch er erwartet, daß du es nicht duldest,
Als deinen Vetter freundlich ihn umarmest.
KARL.
Mein Herz glüht, an dem seinigen zu schlagen.
CHATILLON.
Der Herzog bittet, daß des alten Streits
Beim ersten Wiedersehn mit keinem Worte
Meldung gescheh!
KARL.
Versenkt im Lethe sei
Auf ewig das Vergangene. Wir wollen
Nur in der Zukunft heitre Tage sehn.
CHATILLON.
Die für Burgund gefochten, alle sollen
In die Versöhnung aufgenommen sein.
KARL.
Ich werde so mein Königreich verdoppeln!
CHATILLON.
Die Königin Isabeau soll in dem Frieden
Mit eingeschlossen sein, wenn sie ihn annimmt.
KARL.
Sie führet Krieg mit mir, nicht ich mit ihr.
Unser Streit ist aus, sobald sie selbst ihn endigt.
CHATILLON.
Zwölf Ritter sollen bürgen für dein Wort.
KARL.
Mein Wort ist heilig.
CHATILLON.
Und der Erzbischof
Soll eine Hostie teilen zwischen dir und ihm,
Zum Pfand und Siegel redlicher Versöhnung.
KARL.
So sei mein Anteil an dem ewgen Heil,
Als Herz und Handschlag bei mir einig sind.
Welch andres Pfand verlangt der Herzog noch?
CHATILLON mit einem Blick auf Du Chatel.
Hier seh ich einen, dessen Gegenwart
Den ersten Gruß vergiften könnte.
Du Chatel geht schweigend.
KARL.
Geh,
Du Chatel! Bis der Herzog deinen Anblick
Ertragen kann, magst du verborgen bleiben!
Er folgt ihm mit den Augen, dann eilt er ihm nach und umarmt ihn.
Rechtschaffner Freund! Du wolltest mehr als dies
Für meine Ruhe tun!
Du Chatel geht ab.
CHATILLON.
Die andern Punkte nennt dies Instrument.
KARL zum Erzbischof.
Bringt es in Ordnung. Wir genehmgen alles,
Für einen Freund ist uns kein Preis zu hoch.
Geht, Dunois! Nehmt hundert edle Ritter
Mit Euch und holt den Herzog freundlich ein.
Die Truppen alle sollen sich mit Zweigen
Bekränzen, ihre Brüder zu empfangen.
Zum Feste schmücke sich die ganze Stadt,
Und alle Glocken sollen es verkünden,
Daß Frankreich und Burgund sich neu verbünden.
Ein Edelknecht kommt. Man hört Trompeten.
Horch! Was bedeutet der Trompeten Ruf?
EDELKNECHT.
Der Herzog von Burgund hält seinen Einzug.
Geht ab.
DUNOIS geht mit La Hire und Chatillon.
Auf! Ihm entgegen!
KARL zur Sorel.
Agnes, du weinst? Beinah gebricht auch mir
Die Stärke, diesen Auftritt zu ertragen.
Wie viele Todesopfer mußten fallen,
Bis wir uns friedlich konnten wiedersehn.
Doch endlich legt sich jedes Sturmes Wut,
Tag wird es auf die dickste Nacht, und kommt
Die Zeit, so reifen auch die spätsten Früchte!
ERZBISCHOF am Fenster.
Der Herzog kann sich des Gedränges kaum
Erledigen. Sie heben ihn vom Pferd,
Sie küssen seinen Mantel, seine Sporen.
KARL.
Es ist ein gutes Volk, in seiner Liebe
Raschlodernd wie in seinem Zorn. – Wie schnell
Vergessen ists, daß eben dieser Herzog
Die Väter ihnen und die Söhne schlug,
Der Augenblick verschlingt ein ganzes Leben!
– Faß dich, Sorel! Auch deine heftge Freude
Möcht ihm ein Stachel in die Seele sein,
Nichts soll ihn hier beschämen, noch betrüben.
Dritter Auftritt
Die Vorigen. Herzog von Burgund. Dunois. La Hire. Chatillon und noch zwei andere Ritter von des Herzogs Gefolge. Der Herzog bleibt am Eingang stehen, der König bewegt sich gegen ihn, sogleich nähert sich Burgund und in dem Augenblick, wo er sich auf ein Knie will niederlassen, empfängt ihn der König in seinen Armen.
KARL.
Ihr habt uns überrascht – Euch einzuholen
Gedachten wir – Doch Ihr habt schnelle Pferde.
BURGUND.
Sie trugen mich zu meiner Pflicht.
Er umarmt die Sorel, und küßt sie auf die Stirne.
Mit Eurer
Erlaubnis, Base. Das ist unser Herrenrecht
Zu Arras und kein schönes Weib darf sich
Der Sitte weigern.
KARL.
Eure Hofstatt ist
Der Sitz der Minne, sagt man, und der Markt,
Wo alles Schöne muß den Stapel halten.
BURGUND.
Wir sind ein handeltreibend Volk, mein König.
Was köstlich wächst in allen Himmelstrichen,
Wird ausgestellt zur Schau und zum Genuß
Auf unserm Markt zu Brügg, das höchste aber
Von allen Gütern ist der Frauen Schönheit.
SOREL.
Der Frauen Treue gilt noch höhern Preis,
Doch auf dem Markte wird sie nicht gesehn.
KARL.
Ihr steht in bösem Ruf und Leumund, Vetter,
Daß Ihr der Frauen schönste Tugend schmäht.
BURGUND.
Die Ketzerei straft sich am schwersten selbst.
Wohl Euch, mein König! Früh hat Euch das Herz,
Was mich ein wildes Leben spät, gelehrt!
Er bemerkt den Erzbischof und reicht ihm die Hand.
Ehrwürdger Mann Gottes! Euren Segen!
Euch trifft man immer auf dem rechten Platz,
Wer Euch will finden, muß im Guten wandeln.
ERZBISCHOF.
Mein Meister rufe, wenn er will, dies Herz
Ist freudensatt und ich kann fröhlich scheiden,
Da meine Augen diesen Tag gesehn!
BURGUND zur Sorel.
Man spricht, Ihr habt Euch Eurer edeln Steine
Beraubt, um Waffen gegen mich daraus
Zu schmieden? Wie? Seid Ihr so kriegerisch
Gesinnt? Wars Euch so ernst mich zu verderben?
Doch unser Streit ist nun vorbei, es findet
Sich alles wieder, was verloren war,
Auch Euer Schmuck hat sich zurückgefunden,
Zum Kriege wider mich war er bestimmt,
Nehmt ihn aus meiner Hand zum Friedenszeichen.
Er empfängt von einem seiner Begleiter das Schmuckkästchen und überreicht es ihr geöffnet. Agnes Sorel sieht den König betroffen an.
KARL.
Nimm das Geschenk, es ist ein zweifach teures Pfand
Der schönen Liebe mir und der Versöhnung.
BURGUND indem er eine brillantne Rose in ihre Haare steckt.
Warum ist es nicht Frankreichs Königskrone?
Ich würde sie mit gleich geneigtem Herzen
Auf diesem schönen Haupt befestigen.
Ihre Hand bedeutend fassend.
Und – zählt auf mich, wenn Ihr dereinst des Freundes
Bedürfen solltet!
Agnes Sorel in Tränen ausbrechend tritt auf die Seite, auch der König bekämpft eine große Bewegung, alle Umstehende blicken gerührt auf
beide Fürsten.
BURGUND nachdem er alle der Reihe nach angesehen, wirft er sich in die Arme des Königs.
O mein König!
In demselben Augenblick eilen die drei burgundischen Ritter auf Dunois, La Hire und den Erzbischof zu und umarmen einander. Beide Fürsten liegen eine Zeitlang einander sprachlos in den Armen.
Euch konnt ich hassen! Euch konnt ich entsagen!
KARL.
Still! Still! Nicht weiter!
BURGUND.
Diesen Engelländer
Konnt ich krönen! Diesem Fremdling Treue schwören!
Euch meinen König ins Verderben stürzen!
KARL.
Vergeßt es! Alles ist verziehen. Alles
Tilgt dieser einzge Augenblick. Es war
Ein Schicksal, ein unglückliches Gestirn!
BURGUND faßt seine Hand.
Ich will gutmachen! Glaubet mir, ich wills.
Alle Leiden sollen Euch erstattet werden,
Euer ganzes Königreich sollt Ihr zurück
Empfangen – nicht ein Dorf soll daran fehlen!
KARL.
Wir sind vereint. Ich fürchte keinen Feind mehr.
BURGUND.
Glaubt mir, ich führte nicht mit frohem Herzen
Die Waffen wider Euch. O wüßtet Ihr –
Warum habt Ihr mir diese nicht geschickt?
Auf die Sorel zeigend.
Nicht widerstanden hätt ich ihren Tränen!
– Nun soll uns keine Macht der Hölle mehr
Entzweien, da wir Brust an Brust geschlossen!
Jetzt hab ich meinen wahren Ort gefunden,
An diesem Herzen endet meine Irrfahrt.
ERZBISCHOF tritt zwischen beide.
Ihr seid vereinigt, Fürsten! Frankreich steigt
Ein neu verjüngter Phönix aus der Asche,
Uns lächelt eine schöne Zukunft an.
Des Landes tiefe Wunden werden heilen,
Die Dörfer, die verwüsteten, die Städte
Aus ihrem Schutt sich prangender erheben,
Die Felder decken sich mit neuem Grün –
Doch, die das Opfer eures Zwists gefallen,
Die Toten stehen nicht mehr auf, die Tränen,
Die eurem Streit geflossen, sind. und bleiben.
Geweint! Das kommende Geschlecht wird blühen,
Doch das vergangne war des Elends Raub,
Der Enkel Glück erweckt nicht mehr die Väter.
Das sind die Früchte eures Bruderzwists!
Laßts euch zur Lehre dienen! Fürchtet die Gottheit
Des Schwerts, eh ihrs der Scheid entreißt. Loslassen
Kann der Gewaltige den Krieg, doch nicht
Gelehrig wie der Falk sich aus den Lüften
Zurückschwingt auf des Jägers Hand, gehorcht
Der wilde Gott dem Ruf der Menschenstimme.
Nicht zweimal kommt im rechten Augenblick
Wie heut die Hand des Retters aus den Wolken.
BURGUND.
O Sire! Euch wohnt ein Engel an der Seite.
– Wo ist sie? Warum seh ich sie nicht hier?
KARL.
Wo ist Johanna? Warum fehlt sie uns
In diesem festlich schönen Augenblick,
Den sie uns schenkte?
ERZBISCHOF.
Sire! Das heilge Mädchen
Liebt nicht die Ruhe eines müßgen Hofs,
Und ruft sie nicht der göttliche Befehl
Ans Licht der Welt hervor, so meidet sie
Verschämt den eitlen Blick gemeiner Augen!
Gewiß bespricht sie sich mit Gott, wenn sie
Für Frankreichs Wohlfahrt nicht geschäftig ist,
Denn allen ihren Schritten folgt der Segen.
Vierter Auftritt
Johanna zu den Vorigen. Sie ist im Harnisch, aber ohne Helm, und trägt einen Kranz in den Haaren.
KARL.
Du kommst als Priesterin geschmückt, Johanna,
Den Bund, den du gestiftet, einzuweihn?
BURGUND.
Wie schrecklich war die Jungfrau in der Schlacht,
Und wie umstrahlt mit Anmut sie der Friede!
– Hab ich mein Wort gelöst, Johanna? Bist du
Befriedigt und verdien ich deinen Beifall?
JOHANNA.
Dir selbst hast du die größte Gunst erzeigt.
Jetzt schimmerst du in segenvollem Licht,
Da du vorhin in blutrotdüsterm Schein
Ein Schreckensmond an diesem Himmel hingst.
Sich umschauend.
Viel edle Ritter find ich hier versammelt
Und alle Augen glänzen freudenhell,
Nur einem Traurigen hab ich begegnet,
Der sich verbergen muß, wo alles jauchzt.
BURGUND.
Und wer ist sich so schwerer Schuld bewußt,
Daß er an unsrer Huld verzweifeln müßte?
JOHANNA.
Darf er sich nahn? O sage, daß ers darf?
Mach dein Verdienst vollkommen. Eine Versöhnung
Ist keine, die das Herz nicht ganz befreit.
Ein Tropfe Haß, der in dem Freudenbecher
Zurückbleibt, macht den Segenstrank zum Gift.
– Kein Unrecht sei so blutig, daß Burgund
An diesem Freudentag es nicht vergebe!
BURGUND.
Ha, ich verstehe dich!
JOHANNA.
Und willst verzeihn?
Du willst es, Herzog? – Komm herein, Du Chatel!
Sie öffnet die Tür und führt Du Chatel herein, dieser bleibt in der Entfernung stehen.