Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...

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Auch in der Wildnis wohnen sanfte Herzen.
Erheitert Euch! Der Sturm hat ausgetobt,
Und friedlich strahlend geht die Sonne nieder.
KÖHLER.
Ich denk, ihr wollt zu unsers Königs Heer,
Weil ihr in Waffen reiset – Seht euch vor!
Die Engelländer stehen nah gelagert,
Und ihre Scharen streifen durch den Wald.
RAIMOND.
Weh uns! Wie ist da zu entkommen?
KÖHLER.
Bleibt,
Bis daß mein Bub zurück ist aus der Stadt.
Der soll euch auf verborgnen Pfaden führen,
Daß ihr nichts zu befürchten habt. Wir kennen
Die Schliche.
RAIMOND zur Johanna.
Legt den Helm ab und die Rüstung,
Sie macht Euch kenntlich und beschützt Euch nicht.
Johanna schüttelt den Kopf.
KÖHLER.
Die Jungfrau ist sehr traurig – Still! Wer kommt da?
Dritter Auftritt
Vorige. Köhlerweib kommt aus der Hütte mit einem Becher. Köhlerbub.
KÖHLERWEIB.
Es ist der Bub, den wir zurückerwarten.
Zur Johanna.
Trinkt, edle Jungfrau! Mögs Euch Gott gesegnen!
KÖHLER zu seinem Sohn.
Kommst du, Anet? Was bringst du?
KÖHLERBUB hat die Jungfrau ins Auge gefaßt, welche eben den Becher an den Mund setzt; er erkennt sie, tritt auf sie zu und reißt ihr den Becher vom Munde.
Mutter! Mutter!
Was macht Ihr? Wen bewirtet Ihr? Das ist die Hexe
Von Orleans!
KÖHLER UND KÖHLERWEIB.
Gott sei uns gnädig!
Bekreuzen sich und entfliehen.
Vierter Auftritt
Raimond. Johanna.
JOHANNA gefaßt und sanft.
Du siehst, mir folgt der Fluch, und alles flieht mich,
Sorg für dich selber und verlaß mich auch.
RAIMOND.
Ich Euch verlassen! Jetzt! Und wer soll Euer
Begleiter sein?
JOHANNA.
Ich bin nicht unbegleitet.
Du hast den Donner über mir gehört.
Mein Schicksal führt mich. Sorge nicht, ich werde
Ans Ziel gelangen, ohne daß ichs suche.
RAIMOND.
Wo wollt Ihr hin? Hier stehn die Engelländer,
Die Euch die grimmig blutge Rache schwuren –
Dort stehn die Unsern, die Euch ausgestoßen,
Verbannt –
JOHANNA.
Mich wird nichts treffen, als was sein muß.
RAIMOND.
Wer soll Euch Nahrung suchen? Wer Euch schützen
Vor wilden Tieren und noch wildern Menschen?
Euch pflegen, wenn Ihr krank und elend werdet?
JOHANNA.
Ich kenne alle Kräuter, alle Wurzeln,
Von meinen Schafen lernt ich das Gesunde
Vom Giftgen unterscheiden – ich verstehe
Den Lauf der Sterne und der Wolken Zug
Und die verborgnen Quellen hör ich rauschen.
Der Mensch braucht wenig und an Leben reich
Ist die Natur.
RAIMOND faßt sie bei der Hand.
Wollt Ihr nicht in Euch gehn?
Euch nicht mit Gott versöhnen – in den Schoß
Der heilgen Kirche reuend wiederkehren?
JOHANNA.
Auch du hältst mich der schweren Sünde schuldig?
RAIMOND.
Muß ich nicht? Euer schweigendes Geständnis –
JOHANNA.
Du, der mir in das Elend nachgefolgt,
Das einzge Wesen, das mir treu geblieben,
Sich an mich kettet, da mich alle Welt
Ausstieß, du hältst mich auch für die Verworfne,
Die ihrem Gott entsagt –
Raimond schweigt.
O das ist hart!
RAIMOND erstaunt.
Ihr wäret wirklich keine Zauberin?
JOHANNA.
Ich eine Zauberin!
RAIMOND.
Und diese Wunder,
Ihr hättet sie vollbracht mit Gottes Kraft
Und seiner Heiligen?
JOHANNA.
Mit welcher sonst!
RAIMOND.
Und Ihr verstummtet auf die gräßliche
Beschuldigung? – Ihr redet jetzt, und vor dem König,
Wo es zu reden galt, verstummtet Ihr!
JOHANNA.
Ich unterwarf mich schweigend dem Geschick,
Das Gott, mein Meister, über mich verhängte.
RAIMOND.
Ihr konntet Eurem Vater nichts erwidern!
JOHANNA.
Weil es vom Vater kam, so kams von Gott,
Und väterlich wird auch die Prüfung sein.
RAIMOND.
Der Himmel selbst bezeugte Eure Schuld!
JOHANNA.
Der Himmel sprach, drum schwieg ich.
RAIMOND.
Wie? Ihr konntet
Mit einem Wort Euch reinigen, und ließt
Die Welt in diesem unglückselgen Irrtum?
JOHANNA.
Es war kein Irrtum, eine Schickung wars.
RAIMOND.
Ihr littet alle diese Schmach unschuldig,
Und keine Klage kam von Euren Lippen!
– Ich staune über Euch, ich steh erschüttert,
Im tiefsten Busen kehrt sich mir das Herz!
O gerne nehm ich Euer Wort für Wahrheit,
Denn schwer ward mirs, an Eure Schuld zu glauben.
Doch konnt ich träumen, daß ein menschlich Herz
Das Ungeheure schweigend würde tragen!
JOHANNA.
Verdient ichs, die Gesendete zu sein,
Wenn ich nicht blind des Meisters Willen ehrte!
Und ich bin nicht so elend, als du glaubst.
Ich leide Mangel, doch das ist kein Unglück
Für meinen Stand, ich bin verbannt und flüchtig,
Doch in der Öde lernt ich mich erkennen.
Da, als der Ehre Schimmer mich umgab,
Da war der Streit in meiner Brust, ich war
Die Unglückseligste, da ich der Welt
Am meisten zu beneiden schien – Jetzt bin ich
Geheilt, und dieser Sturm in der Natur,
Der ihr das Ende drohte, war mein Freund,
Er hat die Welt gereinigt und auch mich.
In mir ist Friede – Komme, was da will,
Ich bin mir keiner Schwachheit mehr bewußt!
RAIMOND.
O kommt, kommt, laßt uns eilen, Eure Unschuld
Laut, laut vor aller Welt zu offenbaren!
JOHANNA.
Der die Verwirrung sandte, wird sie lösen!
Nur wenn sie reif ist, fällt des Schicksals Frucht!
Ein Tag wird kommen, der mich reiniget.
Und die mich jetzt verworfen und verdammt,
Sie werden ihres Wahnes inne werden,
Und Tränen werden meinem Schicksal fließen.
RAIMOND.
Ich sollte schweigend dulden, bis der Zufall –
JOHANNA ihn sanft bei der Hand fassend.
Du siehst nur das Natürliche der Dinge,
Denn deinen Blick umhüllt das irdsche Band.
Ich habe das Unsterbliche mit Augen
Gesehen – ohne Götter fällt kein Haar
Vom Haupt des Menschen – Siehst du dort die Sonne
Am Himmel niedergehen – So gewiß
Sie morgen wiederkehrt in ihrer Klarheit,
So unausbleiblich kommt der Tag der Wahrheit!
Fünfter Auftritt
Die Vorigen. Königin Isabeau mit Soldaten erscheint im Hintergrund.
ISABEAU noch hinter der Szene.
Dies ist der Weg ins engelländsche Lager!
RAIMOND.
Weh uns! die Feinde!
Soldaten treten auf, bemerken im Hervorkommen die Johanna, und taumeln erschrocken zurück.
ISABEAU.
Nun! was hält der Zug!
SOLDATEN.
Gott steh uns bei!
ISABEAU.
Erschreckt euch ein Gespenst!
Seid ihr Soldaten? Memmen seid ihr! – Wie?
Sie drängt sich durch die andern, tritt hervor und fährt zurück, weil sie die Jungfrau erblickt.
Was seh ich! Ha!
Schnell faßt sie sich und tritt ihr entgegen.
Ergib dich! Du bist meine
Gefangene.
JOHANNA.
Ich bins.
Raimond entflieht mit Zeichen der Verzweiflung.
ISABEAU zu den Soldaten.
Legt sie in Ketten!
Die Soldaten nahen sich der Jungfrau schüchtern, sie reicht den Arm hin und wird gefesselt.
Ist das die Mächtige, Gefürchtete,
Die eure Scharen wie die Lämmer scheuchte,
Die jetzt sich selber nicht beschützen kann?
Tut sie nur Wunder, wo man Glauben hat,
Und wird zum Weib, wenn ihr ein Mann begegnet?
Zur Jungfrau.
Warum verließest du dein Heer? Wo bleibt
Graf Dunois, dein Ritter und Beschützer?
JOHANNA.
Ich bin verbannt.
ISABEAU erstaunt zurücktretend.
Was? Wie? Du bist verbannt?
Verbannt vom Dauphin!
JOHANNA.
Frage nicht! Ich bin
In deiner Macht, bestimme mein Geschick.
ISABEAU.
Verbannt, weil du vom Abgrund ihn gerettet,
Die Krone ihm hast aufgesetzt zu Reims,
Zum König über Frankreich ihn gemacht?
Verbannt! Daran erkenn ich meinen Sohn!
– Führt sie ins Lager. Zeiget der Armee
Das Furchtgespenst, vor dem sie so gezittert!
Sie eine Zauberin! Ihr ganzer Zauber
Ist euer Wahn und euer feiges Herz!
Eine Närrin ist sie, die für ihren König
Sich opferte, und jetzt den Königslohn
Dafür empfängt- Bringt sie zu Lionel –
Das Glück der Franken send ich ihm gebunden,
Gleich folg ich selbst.
JOHANNA.
Zu Lionel! Ermorde mich
Gleich hier, eh du zu Lionel mich sendest.
ISABEAU zu den Soldaten.
Gehorchet dem Befehle. Fort mit ihr!
Geht ab.
Sechster Auftritt
Johanna. Soldaten.
JOHANNA zu den Soldaten.
Engländer, duldet nicht, daß ich lebendig
Aus eurer Hand entkomme! Rächet euch!
Zieht eure Schwerter, taucht sie mir ins Herz,
Reißt mich entseelt zu eures Feldherrn Füßen!
Denkt, daß ichs war, die eure Trefflichsten
Getötet, die kein Mitleid mit euch trug,
Die ganze Ströme engelländschen Bluts
Vergossen, euren tapfern Heldensöhnen
Den Tag der frohen Wiederkehr geraubt!
Nehmt eine blutge Rache! Tötet mich!
Ihr habt mich jetzt, nicht immer möchtet ihr
So schwach mich sehn –
ANFÜHRER DER SOLDATEN.
Tut, was die Königin befahl!
JOHANNA.
Sollt ich
Noch unglückselger werden als ich war!
Furchtbare Heilge! deine Hand ist schwer!
Hast du mich ganz aus deiner Huld verstoßen?
Kein Gott erscheint, kein Engel zeigt sich mehr,
Die Wunder ruhn, der Himmel ist verschlossen.
Sie folgt den Soldaten. Das französische Lager.
Siebenter Auftritt
Dunois zwischen dem Erzbischof und Du Chatel.
ERZBISCHOF.
Bezwinget Euern finstern Unmut, Prinz!
Kommt mit uns! Kehrt zurück zu Euerm König!
Verlasset nicht die allgemeine Sache
In diesem Augenblick, da wir aufs neu
Bedränget, Eures Heldenarms bedürfen.
DUNOIS.
Warum sind wir bedrängt? Warum erhebt
Der Feind sich wieder? Alles war getan,
Frankreich war siegend und der Krieg geendigt.
Die Retterin habt ihr verbannt, nun rettet
Euch selbst! Ich aber will das Lager
Nicht wieder sehen, wo sie nicht mehr ist.
DU CHATEL.
Nehmt bessern Rat an, Prinz. Entlaßt uns nicht
Mit einer solchen Antwort!
DUNOIS.
Schweigt, Du Chatel!
Ich hasse Euch, von Euch will ich nichts hören.
Ihr seid es, der zuerst an ihr gezweifelt.
ERZBISCHOF.
Wer ward nicht irr an ihr und hätte nicht
Gewankt an diesem unglückselgen Tage,
Da alle Zeichen gegen sie bewiesen!
Wir waren überrascht, betäubt, der Schlag
Traf zu erschütternd unser Herz – Wer konnte
In dieser Schreckensstunde prüfend wägen?
Jetzt kehrt uns die Besonnenheit zurück,
Wir sehn sie, wie sie unter uns gewandelt,
Und keinen Tadel finden wir an ihr.
Wir sind verwirrt – wir fürchten schweres Unrecht
Getan zu haben. – Reue fühlt der König,
Der Herzog klagt sich an, La Hire ist trostlos,
Und jedes Herz hüllt sich in Trauer ein.
DUNOIS.
Sie eine Lügnerin! Wenn sich die Wahrheit
Verkörpern will in sichtbarer Gestalt,
So muß sie ihre Züge an sich tragen!
Wenn Unschuld, Treue, Herzensreinigkeit
Auf Erden irgend wohnt – auf ihren Lippen,
In ihren klaren Augen muß sie wohnen!
ERZBISCHOF.
Der Himmel schlage durch ein Wunder sich
Ins Mittel, und erleuchte dies Geheimnis,
Das unser sterblich Auge nicht durchdringt –
Doch wie sichs auch entwirren mag und lösen,
Eins von den beiden haben wir verschuldet!
Wir haben uns mit höllschen Zauberwaffen
Verteidigt oder eine Heilige verbannt!
Und beides ruft des Himmels Zorn und Strafen
Herab auf dieses unglückselge Land!
Achter Auftritt
Ein Edelmann zu den Vorigen, hernach Raimond.
EDELMANN.
Ein junger Schäfer fragt nach deiner Hoheit,
Er fodert dringend, mit dir selbst zu reden,
Er komme, sagt er, von der Jungfrau –
DUNOIS.
Eile!
Bring ihn herein! Er kommt von ihr!
Edelmann öffnet dem Raimond die Türe, Dunois eilt ihm entgegen.
Wo ist sie?
Wo ist die Jungfrau?
RAIMOND.
Heil Euch, edler Prinz,
Und Heil mir, daß ich diesen frommen Bischof,
Den heilgen Mann, den Schirm der Unterdrückten,
Den Vater der Verlaßnen bei Euch finde!
DUNOIS.
Wo ist die Jungfrau?
ERZBISCHOF.
Sag es uns, mein Sohn!
RAIMOND.
Herr, sie ist keine schwarze Zauberin!
Bei Gott und allen Heiligen bezeug ichs.
Im Irrtum ist das Volk. Ihr habt die Unschuld
Verbannt, die Gottgesendete verstoßen!
DUNOIS.
Wo ist sie? Sage!
RAIMOND.
Ihr Gefährte war ich
Auf ihrer Flucht in dem Ardennerwald,
Mir hat sie dort ihr Innerstes gebeichtet.
In Martern will ich sterben, meine Seele
Hab keinen Anteil an dem ewgen Heil,
Wenn sie nicht rein ist, Herr, von aller Schuld!
DUNOIS.
Die Sonne selbst am Himmel ist nicht reiner!
Wo ist sie, sprich!
RAIMOND.
O wenn Euch Gott das Herz
Gewendet hat – So eilt! So rettet sie!
Sie ist gefangen bei den Engelländern.
DUNOIS.
Gefangen! Was!
ERZBISCHOF.
Die Unglückselige!
RAIMOND.
In den Ardennen, wo wir Obdach suchten,
Ward sie ergriffen von der Königin,
Und in der Engelländer Hand geliefert.
O rettet sie, die euch gerettet hat,
Von einem grausenvollen Tode!
DUNOIS.
Zu den Waffen! Auf! Schlagt Lärmen! Rührt die Trommeln!
Führt alle Völker ins Gefecht! Ganz Frankreich
Bewaffne sich! Die Ehre ist verpfändet
Die Krone, das Palladium entwendet,
Setzt alles Blut! setzt euer Leben ein!
Frei muß sie sein, noch eh der Tag sich endet!
Gehen ab.
Ein Wartturm, oben eine Öffnung.
Neunter Auftritt
Johanna und Lionel. Fastolf. Isabeau.
FASTOLF eilig hereintretend.
Das Volk ist länger nicht zu bändigen.
Sie fodern wütend, daß die Jungfrau sterbe.
Ihr widersteht vergebens. Tötet sie,
Und werft ihr Haupt von dieses Turmes Zinnen,
Ihr fließend Blut allein versöhnt das Heer.
ISABEAU kommt.
Sie setzen Leitern an, sie laufen Sturm!
Befriediget das Volk. Wollt Ihr erwarten,
Bis sie den ganzen Turm in blinder Wut
Umkehren und wir alle mit verderben?
Ihr könnt sie nicht beschützen, gebt sie hin.
LIONEL.
Laßt sie anstürmen! Laßt sie wütend toben!
Dies Schloß ist fest, und unter seinen Trümmern
Begrab ich mich, eh mich ihr Wille zwingt.
– Antworte mir, Johanna! Sei die Meine,
Und gegen eine Welt beschütz ich dich.
ISABEAU.
Seid Ihr ein Mann?
LIONEL.
Verstoßen haben dich
Die Deinen, aller Pflichten bist du ledig
Für dein unwürdig Vaterland. Die Feigen,
Die um dich warben, sie verließen dich,
Sie wagten nicht den Kampf um deine Ehre.
Ich aber, gegen mein Volk und das deine
Behaupt ich dich. – Einst ließest du mich glauben,
Daß dir mein Leben teuer sei! Und damals
Stand ich im Kampf als Feind dir gegenüber,
Jetzt hast du keinen Freund als mich!
JOHANNA.
Du bist
Der Feind mir, der verhaßte, meines Volks.
Nichts kann gemein sein zwischen dir und mir.
Nicht lieben kann ich dich, doch wenn dein Herz
Sich zu mir neigt, so laß es Segen bringen
Für unsre Völker. – Führe deine Heere
Hinweg von meines Vaterlandes Boden,
Die Schlüssel aller Städte gib heraus,
Die ihr bezwungen, allen Raub vergüte,
Gib die Gefangnen ledig, sende Geiseln
Des heiligen Vertrags, so biet ich dir
Den Frieden an in meines Königs Namen.
ISABEAU.
Willst du in Banden uns Gesetze geben?
JOHANNA.
Tu es bei Zeiten, denn du mußt es doch.
Frankreich wird nimmer Englands Fesseln tragen.
Nie, nie wird das geschehen! Eher wird es
Ein weites Grab für eure Heere sein.
Gefallen sind euch eure Besten, denkt
Auf eine sichre Rückkehr, euer Ruhm
Ist doch verloren, eure Macht ist hin.
ISABEAU.
Könnt Ihr den Trotz der Rasenden ertragen?
Zehnter Auftritt
Die Vorigen. Ein Hauptmann kommt eilig.
HAUPTMANN.
Eilt, Feldherr, eilt, das Heer zur Schlacht zu stellen,
Die Franken rücken an mit fliegenden Fahnen,
Von ihren Waffen blitzt das ganze Tal.
JOHANNA begeistert.
Die Franken rücken an! Jetzt, stolzes England,
Heraus ins Feld, jetzt gilt es, frisch zu fechten!
FASTOLF.
Unsinnige, bezähme deine Freude!
Du wirst das Ende dieses Tags nicht sehn.
JOHANNA.
Mein Volk wird siegen und ich werde sterben,
Die Tapfern brauchen meines Arms nicht mehr.
LIONEL.
Ich spotte dieser Weichlinge! Wir haben
Sie vor uns her gescheucht in zwanzig Schlachten,
Eh dieses Heldenmädchen für sie stritt!
Das ganze Volk veracht ich bis auf eine,
Und diese haben sie verbannt. – Kommt, Fastolf!
Wir wollen ihnen einen zweiten Tag
Bei Crequi und Poitiers bereiten.
Ihr, Königin, bleibt in diesem Turm, bewacht
Die Jungfrau, bis das Treffen sich entschieden,
Ich laß Euch funfzig Ritter zur Bedeckung.
FASTOLF.
Was? Sollen wir dem Feind entgegengehn,
Und diese Wütende im Rücken lassen?
JOHANNA.
Erschreckt dich ein gefesselt Weib?
LIONEL.
Gib mir
Dein Wort, Johanna, dich nicht zu befreien!
JOHANNA.
Mich zu befreien ist mein einzger Wunsch.
ISABEAU.
Legt ihr dreifache Fesseln an. Mein Leben
Verbürg ich, daß sie nicht entkommen soll.
Sie wird mit schweren Ketten um den Leib und um die Arme gefesselt.
LIONEL zur Johanna.
Du willst es so! Du zwingst uns! Noch stehts bei dir!
Entsage Frankreich! Trage Englands Fahne,
Und du bist frei, und diese Wütenden,
Die jetzt dein Blut verlangen, dienen dir!
FASTOLF dringend.
Fort, fort, mein Feldherr!
JOHANNA.
Spare deine Worte!
Die Franken rücken an, verteidge dich!
Trompeten ertönen, Lionel eilt fort.
FASTOLF.
Ihr wißt, was Ihr zu tun habt, Königin!
Erklärt das Glück sich gegen uns, seht Ihr,
Daß unsre Völker fliehen –
ISABEAU einen Dolch ziehend.
Sorget nicht!
Sie soll nicht leben, unsern Fall zu sehn.
FASTOLF zur Johanna.
Du weißt, was dich erwartet. Jetzt erflehe
Glück für die Waffen deines Volks!
Er geht ab.
Eilfter Auftritt
Isabeau. Johanna. Soldaten.
JOHANNA.
Das will ich!
Daran soll niemand mich verhindern. – Horch!
Das ist der Kriegsmarsch meines Volks! Wie mutig
Er in das Herz mir schallt und siegverkündend!
Verderben über England! Sieg den Franken!
Auf, meine Tapfern! Auf! Die Jungfrau ist
Euch nah, sie kann nicht vor euch her wie sonst
Die Fahne tragen – schwere Bande fesseln sie,
Doch frei aus ihrem Kerker schwingt die Seele
Sich auf den Flügeln eures Kriegsgesangs.
ISABEAU zu einem Soldaten.
Steig auf die Warte dort, die nach dem Feld
Hin sieht, und sag uns, wie die Schlacht sich wendet.
Soldat steigt hinauf.
JOHANNA.
Mut, Mut, mein Volk! Es ist der letzte Kampf!
Den einen Sieg noch, und der Feind liegt nieder.
ISABEAU.
Was siehest du?
SOLDAT.
Schon sind sie aneinander.
Ein Wütender auf einem Barberroß,
Im Tigerfell, sprengt vor mit den Gendarmen.
JOHANNA.
Das ist Graf Dunois! Frisch, wackrer Streiter!
Der Sieg ist mit dir!
SOLDAT.
Der Burgunder greift
Die Brücke an.
ISABEAU.
Daß zehen Lanzen ihm
Ins falsche Herz eindrängen, dem Verräter!
SOLDAT.
Lord Fastolf tut ihm mannhaft Widerstand.
Sie sitzen ab, sie kämpfen Mann für Mann,
Des Herzogs Leute und die unsrigen.
ISABEAU.
Siehst du den Dauphin nicht? Erkennst du nicht
Die königlichen Zeichen?
SOLDAT.
Alles ist
In Staub vermengt. Ich kann nichts unterscheiden.
JOHANNA.
Hätt er mein Auge oder stünd ich oben,
Das Kleinste nicht entginge meinem Blick!
Das wilde Huhn kann ich im Fluge zählen,
Den Falk erkenn ich in den höchsten Lüften.
SOLDAT.
Am Graben ist ein fürchterlich Gedräng,