Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...

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Man ist auf mit dem Morgenstrahl,
Wenn die schmetternden Hörner laden
Lustig hinaus in das dampfende Tal,
Über Berge, über Klüfte,
Die ermatteten Glieder zu baden
In den erfrischenden Strömen der Lüfte!
ZWEITER.
Oder wollen wir uns der blauen
Göttin, der ewig bewegten, vertrauen,
Die uns mit freundlicher Spiegelhelle
Ladet in ihren unendlichen Schoß?
Bauen wir auf der tanzenden Welle
Uns ein lustig schwimmendes Schloß?
Wer das grüne, kristallene Feld
Pflügt mit des Schiffes eilendem Kiele,
Der vermählt sich das Glück, dem gehört die Welt,
Ohne die Saat erblüht ihm die Ernte!
Denn das Meer ist der Raum der Hoffnung
Und der Zufälle launisch Reich,
Hier wird der Reiche schnell zum Armen
Und der Ärmste dem Fürsten gleich.
Wie der Wind mit Gedankenschnelle
Läuft um die ganze Windesrose,
Wechseln hier des Geschickes Lose,
Dreht das Glück seine Kugel um,
Auf den Wellen ist alles Welle,
Auf dem Meer ist kein Eigentum.
DRITTER.
Aber nicht bloß im Wellenreiche,
Auf der wogenden Meeresflut,
Auch auf der Erde, so fest sie ruht
Auf den ewigen, alten Säulen,
Wanket das Glück und will nicht weilen.
– Sorge gibt mir dieser neue Frieden,
Und nicht fröhlich mag ich ihm vertrauen,
Auf der Lava, die der Berg geschieden,
Möcht ich nimmer meine Hütte bauen.
Denn zu tief schon hat der Haß gefressen
Und zu schwere Taten sind geschehn,
Die sich nie vergeben und vergessen,
Noch hab ich das Ende nicht gesehn,
Und mich schrecken ahnungsvolle Träume!
Nicht Wahrsagung reden soll mein Mund,
Aber sehr mißfällt mir dies Geheime,
Dieser Ehe segenloser Bund,
Diese lichtscheu krummen Liebespfade,
Dieses Klosterraubs verwegne Tat,
Denn das Gute liebt sich das Gerade,
Böse Früchte trägt die böse Saat.
Auch ein Raub wars, wie wir alle wissen,
Der des alten Fürsten ehliches Gemahl
In ein frevelnd Ehebett gerissen,
Denn sie war des Vaters Wahl.
Und der Ahnherr schüttete im Zorne
Grauenvoller Flüche schrecklichen Samen
Auf das sündige Ehebett aus.
Greueltaten ohne Namen,
Schwarze Verbrechen verbirgt dies Haus.
CHOR.
Ja, es hat nicht gut begonnen,
Glaubt mir, und es endet nicht gut,
Denn gebüßt wird unter der Sonnen
Jede Tat der verblendeten Wut.
Es ist kein Zufall und blindes Los,
Daß die Brüder sich wütend selbst zerstören,
Denn verflucht ward der Mutter Schoß,
Sie sollte den Haß und den Streit gebären.
– Aber ich will es schweigend verhüllen,
Denn die Rachgötter schaffen im stillen,
Zeit ists, die Unfälle zu beweinen,
Wenn sie nahen und wirklich erscheinen.
Der Chor geht ab.
Die Szene verwandelt sich in einen Garten, der die Aussicht auf das Meer eröffnet. Aus einem anstoßenden Gartensaal tritt.
BEATRICE geht unruhig auf und nieder, nach allen Seiten umherspähend. Plötzlich steht sie still und horcht.
Er ist es nicht – Es war der Winde Spiel,
Die durch der Pinie Wipfel sausend streichen,
Schon neigt die Sonne sich zu ihrem Ziel,
Mit trägem Schritt seh ich die Stunden schleichen,
Und mich ergreift ein schauderndes Gefühl,
Es schreckt mich selbst das wesenlose Schweigen.
Nichts zeigt sich mir, wie weit die Blicke tragen,
Er läßt mich hier in meiner Angst verzagen.
Und nahe hör ich, wie ein rauschend Wehr,
Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertosen,
Ich höre fern das ungeheure Meer
An seine Ufer dumpferbrandend stoßen,
Es stürmen alle Schrecken auf mich her,
Klein fühl ich mich in diesem Furchtbargroßen
Und fortgeschleudert, wie das Blatt vom Baume,
Verlier ich mich im grenzenlosen Raume.
Warum verließ ich meine stille Zelle,
Da lebt ich ohne Sehnsucht, ohne Harm!
Das Herz war ruhig, wie die Wiesenquelle,
An Wünschen leer, doch nicht an Freuden arm.
Ergriffen jetzt hat mich des Lebens Welle,
Mich faßt die Welt in ihren Riesenarm,
Zerrissen hab ich alle frühern Bande,
Vertrauend eines Schwures leichtem Pfande.
Wo waren die Sinne?
Was hab ich getan?
Ergriff mich betörend
Ein rasender Wahn?
Den Schleier zerriß ich
Jungfräulicher Zucht,
Die Pforten durchbrach ich der heiligen Zelle,
Umstrickte mich blendend ein Zauber der Hölle?
Dem Manne folgt ich,
Dem kühnen Entführer in sträflicher Flucht.
O komm, mein Geliebter!
Wo bleibst du und säumest? Befreie, befreie
Die kämpfende Seele! Mich naget die Reue,
Es faßt mich der Schmerz.
Mit liebender Nähe versichre mein Herz.
Und sollt ich mich dem Manne nicht ergeben,
Der in der Welt allein sich an mich schloß?
Denn ausgesetzt ward ich ins fremde Leben,
Und frühe schon hat mich ein strenges Los
(Ich darf den dunkeln Schleier nicht erheben)
Gerissen von dem mütterlichen Schoß.
Nur einmal sah ich sie, die mich geboren,
Doch wie ein Traum ging mir das Bild verloren.
Und so erwuchs ich still am stillen Orte,
In Lebens Glut den Schatten beigesellt,
– Da stand er plötzlich an des Klosters Pforte,
Schön wie ein Gott und männlich wie ein Held.
O mein Empfinden nennen keine Worte!
Fremd kam er mir aus einer fremden Welt,
Und schnell, als wär es ewig so gewesen,
Schloß sich der Bund, den keine Menschen lösen.
Vergib du Herrliche, die mich geboren,
Daß ich, vorgreifend den verhängten Stunden,
Mir eigenmächtig mein Geschick erkoren.
Nicht frei erwählt ichs, es hat mich gebunden,
Eindringt der Gott auch zu verschloßnen Toren,
Zu Perseus' Turm hat er den Weg gefunden,
Dem Dämon ist sein Opfer unverloren.
Wär es an öde Klippen angebunden
Und an des Atlas himmeltragende Säulen,
So wird ein Flügelroß es dort ereilen.
Nicht hinter mich begehr ich mehr zu schauen,
In keine Heimat sehn ich mich zurück,
Der Liebe will ich liebend mich vertrauen,
Gibt es ein schönres als der Liebe Glück?
Mit meinem Los will ich mich gern bescheiden,
Ich kenne nicht des Lebens andre Freuden.
Nicht kenn ich sie und will sie nimmer kennen,
Die sich die Stifter meiner Tage nennen,
Wenn sie von dir mich, mein Geliebter, trennen.
Ein ewig Rätsel bleiben will ich mir,
Ich weiß genug, ich lebe dir!
Aufmerkend.
Horch, der lieben Stimme Schall!
– Nein, es war der Widerhall
Und des Meeres dumpfes Brausen,
Das sich an den Ufern bricht,
Der Geliebte ist es nicht!
Weh mir! Weh mir! Wo er weilet?
Mich umschlingt ein kaltes Grausen!
Immer tiefer
Sinkt die Sonne! Immer öder
Wird die Öde! Immer schwerer
Wird das Herz – Wo zögert er?
Sie geht unruhig umher.
Aus des Gartens sichern Mauren
Wag ich meinen Schritt nicht mehr.
Kalt ergriff mich das Entsetzen,
Als ich in die nahe Kirche
Wagte meinen Fuß zu setzen,
Denn mich triebs mit mächtgem Drang,
Aus der Seele tiefsten Tiefen,
Als sie zu der Hora riefen,
Hinzuknien an heilger Stätte,
Zu der Göttlichen zu flehn,
Nimmer konnt ich widerstehn.
Wenn ein Lauscher mich erspähte?
Voll von Feinden ist die Welt,
Arglist hat auf allen Pfaden,
Fromme Unschuld zu verraten,
Ihr betrüglich Netz gestellt.
Grauend hab ichs schon erfahren,
Als ich aus des Klosters Hut
In die fremden Menschenscharen
Mich gewagt mit frevelm Mut.
Dort bei jenes Festes Feier,
Da der Fürst begraben ward,
Mein Erkühnen büßt ich teuer,
Nur ein Gott hat mich bewahrt –
Da der Jüngling mir, der fremde,
Nahte, mit dem Flammenauge,
Und mit Blicken, die mich schreckten,
Mir das Innerste durchzuckten,
In das tiefste Herz mir schaute –
Noch durchschauert kaltes Grauen,
Da ichs denke, mir die Brust!
Nimmer, nimmer, kann ich schauen
In die Augen des Geliebten,
Dieser stillen Schuld bewußt!
Aufhorchend.
Stimmen im Garten!
Er ists, der Geliebte!
Er selber! Jetzt täuschte
Kein Blendwerk mein Ohr.
Es naht, es vermehrt sich!
In seine Arme!
An seine Brust!
Sie eilt mit ausgebreiteten Armen nach der Tiefe des Gartens, Don Cesar tritt ihr entgegen.
Don Cesar. Beatrice. Der Chor.
BEATRICE mit Schrecken zurückfliehend.
Weh mir! Was seh ich!
In demselben Augenblick tritt auch der Chor ein.
DON CESAR.
Holde Schönheit, fürchte nichts!
Zu dem Chor.
Der rauhe Anblick eurer Waffen schreckt
Die zarte Jungfrau – Weicht zurück und bleibt
In ehrerbietger Ferne!
Zu Beatricen.
Fürchte nichts!
Die holde Scham, die Schönheit ist mir heilig.
Der Chor hat sich zurückgezogen. Er tritt ihr näher und ergreift ihre Hand.
Wo warst du? Welches Gottes Macht entrückte,
Verbarg dich diese lange Zeit? Dich hab ich
Gesucht, nach dir geforschet, wachend, träumend
Warst du des Herzens einziges Gefühl,
Seit ich bei jenem Leichenfest des Fürsten
Wie eines Engels Lichterscheinung dich
Zum erstenmal erblickte – Nicht verborgen
Blieb dir die Macht, mit der du mich bezwangst.
Der Blicke Feuer und der Lippe Stammeln,
Die Hand, die in der deinen zitternd lag,
Verriet sie dir – ein kühneres Geständnis
Verbot des Ortes ernste Majestät.
– Der Messe Hochamt rief mich zum Gebet,
Und da ich von den Knieen jetzt erstanden,
Die ersten Blicke schnell auf dich sich heften,
Warst du aus meinen Augen weggerückt,
Doch nachgezogen mit allmächtgen Zaubers Banden
Hast du mein Herz mit allen seinen Kräften.
Seit diesem Tage such ich rastlos dich,
An aller Kirchen und Paläste Pforten,
An allen offnen und verborgnen Orten,
Wo sich die schöne Unschuld zeigen kann,
Hab ich das Netz der Späher ausgebreitet,
Doch meiner Mühe sah ich keine Frucht,
Bis endlich heut, von einem Gott geleitet,
Des Spähers glückbekrönte Wachsamkeit
In dieser nächsten Kirche dich entdeckte.
Hier macht Beatrice, welche in dieser ganzen Zeit zitternd und abgewandt gestanden, eine Bewegung des Schreckens.
Ich habe dich wieder, und der Geist verlasse
Eher die Glieder, eh ich von dir scheide!
Und daß ich fest sogleich den Zufall fasse,
Und mich verwahre vor des Dämons Neide,
So red ich dich vor diesen Zeugen allen
Als meine Gattin an und reiche dir
Zum Pfande des die ritterliche Rechte.
Er stellt sie dem Chor dar.
Nicht forschen will ich, wer du bist – Ich will
Nur dich von dir, nichts frag ich nach dem andern.
Daß deine Seele wie dein Ursprung rein,
Hat mir dein erster Blick verbürget und beschworen,
Und wärst du selbst die Niedrigste geboren,
Du müßtest dennoch meine Liebe sein,
Die Freiheit hab ich und die Wahl verloren.
Und daß du wissen mögest, ob ich auch
Herr meiner Taten sei, und hoch genug
Gestellt auf dieser Welt, auch das Geliebte
Mit starkem Arm zu mir emporzuheben,
Bedarfs nur, meinen Namen dir zu nennen.
– Ich bin Don Cesar und in dieser Stadt
Messina ist kein Größrer über mir.
Beatrice schaudert zurück, er bemerkt es und fährt nach einer kleinen Weile fort.
Dein Staunen lob ich und dein sittsam Schweigen,
Schamhafte Demut ist der Reize Krone,
Denn ein Verborgenes ist sich das Schöne,
Und es erschrickt vor seiner eignen Macht.
– Ich geh und überlasse dich dir selbst,
Daß sich dein Geist von seinem Schrecken löse,
Denn jedes Neue, auch das Glück, erschreckt.
Zu dem Chor.
Gebt ihr – sie ists von diesem Augenblick!
Die Ehre meiner Braut und eurer Fürstin,
Belehret sie von ihres Standes Größe.
Bald kehr ich selbst zurück, sie heimzuführen,
Wies meiner würdig ist und ihr gebührt.
Er geht ab.
Beatrice und der Chor.
CHOR.
Heil dir, o Jungfrau,
Liebliche Herrscherin!
Dein ist die Krone,
Dein ist der Sieg!
Als die Erhalterin
Dieses Geschlechtes,
Künftiger Helden
Blühende Mutter begrüß ich dich!
Dreifaches Heil dir!
Mit glücklichen Zeichen,
Glückliche, trittst du
In ein götterbegünstigtes, glückliches Haus,
Wo die Kränze des Ruhmes hängen,
Und das goldene Szepter in stetiger Reihe
Wandert vom Ahnherrn zum Enkel hinab.
Deines lieblichen Eintritts
Werden sich freuen
Die Penaten des Hauses,
Die hohen, die ernsten
Verehrten Alten.
An der Schwelle empfangen
Wird dich die immer blühende Hebe
Und die goldne Viktoria,
Die geflügelte Göttin,
Die auf der Hand schwebt des ewigen Vaters,
Ewig die Schwingen zum Siege gespannt:
Nimmer entweicht
Die Krone der Schönheit
Aus diesem Geschlechte,
Scheidend reicht
Eine Fürstin der andern
Den Gürtel der Anmut
Und den Schleier der züchtigen Scham.
Aber das Schönste
Erlebt mein Auge,
Denn ich sehe die Blume der Tochter,
Ehe die Blume der Mutter verblüht.
BEATRICE aus ihrem Schrecken erwachend.
Wehe mir! In welche Hand
Hat das Unglück mich gegeben!
Unter allen,
Welche leben,
Nicht in diese sollt ich fallen!
Jetzt versteh ich das Entsetzen,
Das geheimnisvolle Grauen,
Das mich schaudernd stets gefaßt,
Wenn man mir den Namen nannte
Dieses furchtbaren Geschlechtes,
Das sich selbst vertilgend haßt,
Gegen seine eignen Glieder
Wütend mit Erbittrung rast!
Schaudernd hört ich oft und wieder
Von dem Schlangenhaß der Brüder,
Und jetzt reißt mein Schreckenschicksal
Mich, die Arme, Rettungslose,
In den Strudel dieses Hasses,
Dieses Unglücks mich hinein!
Sie flieht in den Gartensaal.
CHOR.
Den begünstigten Sohn der Götter beneid ich,
Den beglückten Besitzer der Macht!
Immer das Köstlichste ist sein Anteil,
Und von allem, was hoch und herrlich
Von den Sterblichen wird gepriesen,
Bricht er die Blume sich ab.
Von den Perlen, welche der tauchende Fischer
Auffängt, wählt er die reinsten für sich.
Für den Herrscher legt man zurück das Beste,
Was gewonnen ward mit gemeinsamer Arbeit,
Wenn sich die Diener durchs Los vergleichen,
Ihm ist das Schönste gewiß.
Aber eines doch ist sein köstlichstes Kleinod,
Jeder andre Vorzug sei ihm gegönnt,
Dieses beneid ich ihm unter allem,
Daß er heimführt die Blume der Frauen,
Die das Entzücken ist aller Augen,
Daß er sie eigen besitzt.
Mit dem Schwerte springt der Korsar an die Küste,
In dem nächtlich ergreifenden Überfall,
Männer führt er davon und Frauen,
Und ersättigt die wilde Begierde,
Nur die schönste Gestalt darf er nicht berühren,
Die ist des Königes Gut.
Aber jetzt folgt mir, zu bewachen den Eingang
Und die Schwelle des heiligen Raums,
Daß kein Ungeweihter in dieses Geheimnis
Dringe und der Herrscher uns lobe,
Der das Köstlichste, was er besitzet,
Unsrer Bewahrung vertraut.
Der Chor entfernt sich nach dem Hintergrunde.
Die Szene verwandelt sich in ein Zimmer im Innern des Palastes Donna Isabella steht zwischen Don Manuel und Don Cesar.
ISABELLA.
Nun endlich ist mir der erwünschte Tag,
Der lang ersehnte, festliche erschienen –
Vereint seh ich die Herzen meiner Kinder,
Wie ich die Hände leicht zusammenfüge,
Und im vertrauten Kreis zum erstenmal
Kann sich das Herz der Mutter freudig öffnen.
Fern ist der fremden Zeugen rohe Schar,
Die zwischen uns sich kampfgerüstet stellte –
Der Waffen Klang erschreckt mein Ohr nicht mehr,
Und wie der Eulen nachtgewohnte Brut
Von der zerstörten Brandstatt, wo sie lang
Mit altverjährtem Eigentum genistet,
Auffliegt in düsterm Schwarm, den Tag verdunkelnd,
Wenn sich die lang vertriebenen Bewohner
Heimkehrend nahen mit der Freude Schall,
Den neuen Bau lebendig zu beginnen,
So flieht der alte Haß mit seinem nächtlichen
Gefolge, dem hohläugigten Verdacht,
Der scheelen Mißgunst und dem bleichen Neide,
Aus diesen Toren murrend zu der Hölle,
Und mit dem Frieden zieht geselliges
Vertraun und holde Eintracht lächelnd ein.
Sie hält inne.
– Doch nicht genug, daß dieser heutge Tag
Jedem von beiden einen Bruder schenkt,
Auch eine Schwester hat er euch geboren.
– Ihr staunt? Ihr seht mich mit Verwundrung an?
Ja, meine Söhne! Es ist Zeit, daß ich
Mein Schweigen breche, und das Siegel löse
Von einem lang verschlossenen Geheimnis.
– Auch eine Tochter hab ich eurem Vater
Geboren – eine jüngre Schwester lebt
Euch noch – Ihr sollt noch heute sie umarmen.
DON CESAR.
Was sagst du, Mutter? Eine Schwester lebt uns,
Und nie vernahmen wir von dieser Schwester!
DON MANUEL.
Wohl hörten wir in früher Kinderzeit,
Daß eine Schwester uns geboren worden,
Doch in der Wiege schon, so ging die Sage,
Nahm sie der Tod hinweg.
ISABELLA.
Die Sage lügt!
Sie lebt!
DON CESAR.
Sie lebt und du verschwiegest uns?
ISABELLA.
Von meinem Schweigen geb ich Rechenschaft.
Hört, was gesäet ward in frührer Zeit,
Und jetzt zur frohen Ernte reifen soll.
– Ihr wart noch zarte Knaben, aber schon
Entzweite euch der jammervolle Zwist,
Der ewig nie mehr wiederkehren möge,
Und häufte Gram auf eurer Eltern Herz.
Da wurde eurem Vater eines Tages
Ein seltsam wunderbarer Traum. Ihm deuchte,
Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette
Zwei Lorbeerbäume wachsen, ihr Gezweig
Dicht ineinander flechtend – zwischen beiden
Wuchs eine Lilie empor – Sie ward
Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig
Und das Gebälk ergreifend prasselnd aufschlug,
Und um sich wütend, schnell, das ganze Haus
In ungeheurer Feuerflut verschlang.
Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte
Befragt der Vater einen sternekundigen
Arabier, der sein Orakel war,
An dem sein Herz mehr hing, als mir gefiel,
Um die Bedeutung. Der Arabier
Erklärte: wenn mein Schoß von einer Tochter
Entbunden würde, töten würde sie ihm
Die beiden Söhne und sein ganzer Stamm
Durch sie vergehn – Und ich ward Mutter einer Tochter,
Der Vater aber gab den grausamen
Befehl, die Neugeborene alsbald
Ins Meer zu werfen. Ich vereitelte
Den blutgen Vorsatz und erhielt die Tochter
Durch eines treuen Knechts verschwiegnen Dienst.
DON CESAR.
Gesegnet sei er, der dir hülfreich war,
O nicht an Rat gebrichts der Mutterliebe!
ISABELLA.
Der Mutterliebe mächtge Stimme nicht
Allein trieb mich, das Kindlein zu verschonen.
Auch mir ward eines Traumes seltsames
Orakel, als mein Schoß mit dieser Tochter
Gesegnet war: Ein Kind wie Liebesgötter schön
Sah ich im Grase spielen, und ein Löwe
Kam aus dem Wald, der in dem blutgen Rachen
Die frisch gejagte Beute trug, und ließ
Sie schmeichelnd in den Schoß des Kindes fallen.
Und aus den Lüften schwang ein Adler sich
Herab, ein zitternd Reh in seinen Fängen,
Und legt es schmeichelnd in den Schoß des Kindes,
Und beide, Löw und Adler, legen fromm
Gepaart sich zu des Kindes Füßen nieder.
– Des Traums Verständnis löste mir ein Mönch,
Ein gottgeliebter Mann, bei dem das Herz
Rat fand und Trost in jeder irdschen Not.
Der sprach: »Genesen würd ich einer Tochter,
Die mir der Söhne streitende Gemüter
In heißer Liebesglut vereinen würde.«
– Im Innersten bewahrt ich mir dies Wort,
Dem Gott der Wahrheit mehr als dem der Lüge
Vertrauend, rettet ich die Gottverheißne,
Des Segens Tochter, meiner Hoffnung Pfand,
Die mir des Friedens Werkzeug sollte sein,
Als euer Haß sich wachsend stets vermehrte.
DON MANUEL seinen Bruder umarmend.
Nicht mehr der Schwester brauchts, der Liebe Band
Zu flechten, aber fester soll sies knüpfen.
ISABELLA.
So ließ ich an verborgner Stätte sie,
Von meinen Augen fern, geheimnisvoll,
Durch fremde Hand erziehn – den Anblick selbst
Des lieben Angesichts, den heißerflehten,
Versagt ich mir, den strengen Vater scheuend,
Der von des Argwohns ruheloser Pein
Und finster grübelndem Verdacht genagt,
Auf allen Schritten mir die Späher pflanzte.
DON CESAR.
Drei Monde aber deckt den Vater schon
Das stille Grab – Was wehrte dir, o Mutter,
Die lang Verborgne an das Licht hervor
Zu ziehn und unsre Herzen zu erfreuen?
ISABELLA.
Was sonst als euer unglückselger Streit,
Der, unauslöschlich wütend, auf dem Grab
Des kaum entseelten Vaters sich entflammte,
Nicht Raum noch Stätte der Versöhnung gab?
Konnt ich die Schwester zwischen eure wild
Entblößten Schwerter stellen? Konntet ihr
In diesem Sturm die Mutterstimme hören?
Und sollt ich sie, des Friedens teures Pfand,
Den letzten heilgen Anker meiner Hoffnung,
An eures Hasses Wut unzeitig wagen?
– Erst mußtet ihrs ertragen, euch als Brüder
Zu sehn, eh ich die Schwester zwischen euch
Als einen Friedensengel stellen konnte.
Jetzt kann ichs und ich führe sie euch zu.
Den alten Diener hab ich ausgesendet,
Und stündlich harr ich seiner Wiederkehr,
Der ihrer stillen Zuflucht sie entreißend,
Zurück an meine mütterliche Brust
Sie führt und in die brüderlichen Arme.
DON MANUEL.
Und sie ist nicht die einzge, die du heut
In deine Mutterarme schließen wirst.
Es zieht die Freude ein durch alle Pforten,
Es füllt sich der verödete Palast,
Und wird der Sitz der blühnden Anmut werden.