Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...

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DIEGO.
Sie schlägt die Augen auf! Sie regt sich, lebt!
ISABELLA.
Sie lebt! Ihr erster Blick sei auf die Mutter!
DIEGO.
Das Auge schließt sie schaudernd wieder zu.
ISABELLA zum Chor.
Weiche zurück! Sie schreckt der fremde Anblick
CHOR tritt zurück.
Gern meid ichs, ihrem Blicke zu begegnen.
DIEGO.
Mit großen Augen mißt sie staunend dich.
BEATRICE.
Wo bin ich? Diese Züge sollt ich kennen.
ISABELLA.
Langsam kehrt die Besinnung ihr zurück.
DIEGO.
Was macht sie? Auf die Kniee senkt sie sich.
BEATRICE.
O schönes Engelsantlitz meiner Mutter!
ISABELLA.
Kind meines Herzens! Komm in meine Arme!
BEATRICE.
Zu deinen Füßen sieh die Schuldige.
ISABELLA.
Ich habe dich wieder! Alles sei vergessen!
DIEGO.
Betracht auch mich! Erkennst du meine Züge?
BEATRICE.
Des redlichen Diego greises Haupt!
ISABELLA.
Der treue Wächter deiner Kinderjahre.
BEATRICE.
So bin ich wieder in dem Schoß der Meinen?
ISABELLA.
Und nichts soll uns mehr scheiden als der Tod.
BEATRICE.
Du willst mich nicht mehr in die Fremde stoßen?
ISABELLA.
Nichts trennt uns mehr, das Schicksal ist befriedigt.
BEATRICE sinkt an ihre Brust.
Und find ich wirklich mich an deinem Herzen?
Und alles war ein Traum, was ich erlebte?
Ein schwerer, fürchterlicher Traum – O Mutter!
Ich sah ihn tot zu meinen Füßen fallen!
– Wie komm ich aber hieher? Ich besinne
Mich nicht – Ach, wohl mir, wohl, daß ich gerettet
In deinen Armen bin! Sie wollten mich
Zur Fürstin Mutter von Messina bringen.
Eher ins Grab!
ISABELLA.
Komm zu dir, meine Tochter!
Messinas Fürstin –
BEATRICE.
Nenne sie nicht mehr.
Mir gießt sich bei dem unglückselgen Namen
Ein Frost des Todes durch die Glieder.
ISABELLA.
Höre mich.
BEATRICE.
Sie hat zwei Söhne, die sich tödlich hassen,
Don Manuel, Don Cesar nennt man sie.
ISABELLA.
Ich bins ja selbst! Erkenne deine Mutter.
BEATRICE.
Was sagst du? Welches Wort hast du geredet?
ISABELLA.
Ich, deine Mutter, bin Messinas Fürstin.
BEATRICE.
Du bist Don Manuels Mutter und Don Cesars?
ISABELLA.
Und deine Mutter! Deine Brüder nennst du!
BEATRICE.
Weh, weh mir! O entsetzensvolles Licht!
ISABELLA.
Was ist dir? Was erschüttert dich so seltsam?
BEATRICE wild um sich her schauend, erblickt den Chor.
Das sind sie, ja! Jetzt, jetzt erkenn ich sie.
Mich hat kein Traum getäuscht – Die sinds! Die waren
Zugegen – Es ist fürchterliche Wahrheit!
Unglückliche, wo habt ihr ihn verborgen?
Sie geht mit heftigem Schritt auf den Chor zu, der sich von ihr abwendet. Ein Trauermarsch läßt sich in der Ferne hören.
CHOR.
Weh! Wehe!
ISABELLA.
Wen verborgen? Was ist wahr?
Ihr schweigt bestürzt – ihr scheint sie zu verstehn.
Ich les in euren Augen, eurer Stimme
Gebrochnen Tönen etwas Unglückselges,
Das mir zurückgehalten wird – Was ists?
Ich will es wissen. Warum heftet ihr
So schreckenvolle Blicke nach der Türe?
Und was für Töne hör ich da erschallen?
CHOR.
Es naht sich! Es wird sich mit Schrecken erklären.
Sei stark, Gebieterin, stähle dein Herz.
Mit Fassung ertrage, was dich erwartet,
Mit männlicher Seele den tödlichen Schmerz!
ISABELLA.
Was naht sich? Was erwartet mich? – Ich höre
Der Totenklage fürchterlichen Ton
Das Haus durchdringen – Wo sind meine Söhne?
Der erste Halbchor bringt den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre getragen, die er auf der leergelassenen Seite der Szene niedersetzt. Ein schwarzes Tuch ist darübergebreitet.
Isabella. Beatrice. Diego. Beide Chöre.
ERSTER CHOR.
Durch die Straßen der Städte,
Vom Jammer gefolget,
Schreitet das Unglück –
Laurend umschleicht es
Die Häuser der Menschen,
Heute an dieser
Pforte pocht es,
Morgen an jener,
Aber noch keinen hat es verschont.
Die unerwünschte
Schmerzliche Botschaft
Früher oder später
Bestellt es an jeder
Schwelle, wo ein Lebendiger wohnt.
Wenn die Blätter fallen
In des Jahres Kreise,
Wenn zum Grabe wallen
Entnervte Greise,
Da gehorcht die Natur
Ruhig nur
Ihrem alten Gesetze,
Ihrem ewigen Brauch,
Da ist nichts, was den Menschen entsetze!
Aber das Ungeheure auch
Lerne erwarten im irdischen Leben!
Mit gewaltsamer Hand
Löset der Mord auch das heiligste Band,
In sein stygisches Boot
Raffet der Tod
Auch der Jugend blühendes Leben!
Wenn die Wolken getürmt den Himmel schwärzen,
Wenn dumpftosend der Donner hallt,
Da, da fühlen sich alle Herzen
In des furchtbaren Schicksals Gewalt.
Aber auch aus entwölkter Höhe
Kann der zündende Donner schlagen,
Darum in deinen fröhlichen Tagen
Fürchte des Unglücks tückische Nähe.
Nicht an die Güter hänge dein Herz,
Die das Leben vergänglich zieren,
Wer besitzt, der lerne verlieren,
Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz.
ISABELLA.
Was soll ich hören? Was verhüllt dies Tuch?
Sie macht einen Schritt gegen die Bahre, bleibt aber unschlüssig zaudernd stehen.
Es zieht mich grausend hin und zieht mich schaudernd
Mit dunkler, kalter Schreckenshand zurück.
Zu Beatricen, welche sich zwischen sie und die Bahre geworfen.
Laß mich! Was es auch sei, ich wills enthüllen!
Sie hebt das Tuch auf und entdeckt Don Manuels Leichnam.
O himmlische Mächte, es ist mein Sohn!
Sie bleibt mit starrem Entsetzen stehen – Beatrice sinkt mit einem Schrei des Schmerzens neben der Bahre nieder.
CHOR.
Unglückliche Mutter! Es ist dein Sohn!
Du hast es gesprochen, das Wort des Jammers,
Nicht meinen Lippen ist es entflohn.
ISABELLA.
Mein Sohn! Mein Manuel! – O ewige
Erbarmung – So muß ich dich wiederfinden!
Mit deinem Leben mußtest du die Schwester
Erkaufen aus des Räubers Hand! – Wo war
Dein Bruder, daß sein Arm dich nicht beschützte?
– O Fluch der Hand, die diese Wunde grub!
Fluch ihr, die den Verderblichen geboren,
Der mir den Sohn erschlug! Fluch seinem ganzen
Geschlecht!
CHOR.
Weh! Wehe! Wehe! Wehe!
ISABELLA.
So haltet ihr mir Wort, ihr Himmelsmächte?
Das, das ist eure Wahrheit? Wehe dem,
Der euch vertraut mit redlichem Gemüt!
Worauf hab ich gehofft, wovor gezittert,
Wenn dies der Ausgang ist – O die ihr hier
Mich schreckenvoll umsteht, an meinem Schmerz
Die Blicke weidend, lernt die Lügen kennen,
Womit die Träume uns, die Seher täuschen!
Glaube noch einer an der Götter Mund!
– Als ich mich Mutter fühlte dieser Tochter,
Da träumte ihrem Vater eines Tags,
Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette
Zwei Lorbeerbäume wachsen – Zwischen ihnen
Wuchs eine Lilie empor, sie ward
Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig ergriff,
Und um sich wütend schnell das ganze Haus
In ungeheurer Feuerflut verschlang.
Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte
Befrug der Vater einen Vogelschauer
Und schwarzen Magier um die Bedeutung.
Der Magier erklärte: wenn mein Schoß
Von einer Tochter sich entbinden würde,
So würde sie die beiden Söhne ihm
Ermorden und vertilgen seinen Stamm!
CHOR.
Gebieterin, was sagst du? Wehe! Wehe!
ISABELLA.
Darum befahl der Vater, sie zu töten,
Doch ich entrückte sie dem Jammerschicksal!
– Die arme Unglückselige! Verstoßen
Ward sie als Kind aus ihrer Mutter Schoß,
Daß sie, erwachsen, nicht die Brüder morde!
Und jetzt durch Räubershände fällt der Bruder,
Nicht die Unschuldige hat ihn getötet!
CHOR.
Weh! Wehe! Wehe! Wehe!
ISABELLA.
Keinen Glauben
Verdiente mir des Götzendieners Spruch,
Ein beßres Hoffen stärkte meine Seele.
Denn mir verkündigte ein andrer Mund,
Den ich für wahrhaft hielt, von dieser Tochter
»In heißer Liebe würde sie dereinst
Der Söhne Herzen mir vereinigen.«
– So widersprachen die Orakel sich,
Den Fluch zugleich und Segen auf das Haupt
Der Tochter legend – Nicht den Fluch hat sie
Verschuldet, die Unglückliche! Nicht Zeit
Ward ihr gegönnt, den Segen zu vollziehen.
Ein Mund hat wie der andere gelogen!
Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts,
Betrüger sind sie, oder sind betrogen.
Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen,
Du schöpfest drunten an der Hölle Flüssen,
Du schöpfest droben an dem Quell des Lichts.
ERSTER CHOR.
Weh! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein!
Bezähme der Zunge verwegenes Toben!
Die Orakel sehen und treffen ein,
Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben!
ISABELLA.
Nicht zähmen will ich meine Zunge, laut
Wie mir das Herz gebietet, will ich reden.
Warum besuchen wir die heilgen Häuser,
Und heben zu dem Himmel fromme Hände?
Gutmütge Toren, was gewinnen wir
Mit unserm Glauben? So unmöglich ists,
Die Götter, die hochwohnenden, zu treffen,
Als in den Mond mit einem Pfeil zu schießen.
Vermauert ist dem Sterblichen die Zukunft,
Und kein Gebet durchbohrt den ehrnen Himmel.
Ob rechts die Vögel fliegen oder links,
Die Sterne so sich oder anders fügen,
Nicht Sinn ist in dem Buche der Natur,
Die Traumkunst träumt und alle Zeichen trügen.
ZWEITER CHOR.
Halt ein, Unglückliche! Wehe! Wehe!
Du leugnest der Sonne leuchtendes Licht
Mit blinden Augen! Die Götter leben,
Erkenne sie, die dich furchtbar umgeben!
BEATRICE.
O Mutter! Mutter! Warum hast du mich
Gerettet! Warum warfst du mich nicht hin
Dem Fluch, der, eh ich war, mich schon verfolgte?
Blödsichtge Mutter! Warum dünktest du
Dich weiser, als die alles Schauenden,
Die Nah und Fernes aneinander knüpfen,
Und in der Zukunft späte Saaten sehn?
Dir selbst und mir, uns allen zum Verderben
Hast du den Todesgöttern ihren Raub,
Den sie gefodert, frevelnd vorenthalten!
Jetzt nehmen sie ihn zweifach, dreifach selbst.
Nicht dank ich dir das traurige Geschenk,
Dem Schmerz, dem Jammer hast du mich erhalten!
ERSTER CHOR in heftiger Bewegung nach der Türe sehend.
Brechet auf, ihr Wunden,
Fließet, fließet!
In schwarzen Güssen
Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts.
Eherner Füße
Rauschen vernehm ich,
Höllischer Schlangen
Zischendes Tönen,
Ich erkenne der Furien Schritt!
Stürzet ein, ihr Wände,
Versink, o Schwelle,
Unter der schrecklichen Füße Tritt!
Schwarze Dämpfe, entsteiget, entsteiget
Qualmend dem Abgrund! Verschlinget des Tages
Lieblichen Schein!
Schützende Götter des Hauses, entweichet,
Lasset die rächenden Göttinnen ein!
Don Cesar. Isabella. Beatrice. Der Chor.
Beim Eintritt des Don Cesar zerteilt sich der Chor in fliehender Bewegung vor ihm, er bleibt allein in der Mitte der Szene stehen.
BEATRICE.
Weh mir, er ists!
ISABELLA tritt ihm entgegen.
O mein Sohn Cesar! Muß ich so
Dich wiedersehen – O blick her und sieh
Den Frevel einer gottverfluchten Hand!
Führt ihn zu dem Leichnam.
DON CESAR tritt mit Entsetzen zurück, das Gesicht verhüllend.
ERSTER CHOR.
Brechet auf, ihr Wunden!
Fließet, fließet!
In schwarzen Güssen
Strömet hervor, ihr Bäche des Bluts!
ISABELLA.
Du schauderst und erstarrst! – Ja, das ist alles,
Was dir noch übrig ist von deinem Bruder!
Da liegen meine Hoffnungen – Sie stirbt
Im Keim, die junge Blume eures Friedens,
Und keine schöne Früchte sollt ich schauen.
DON CESAR.
Tröste dich, Mutter. Redlich wollten wir
Den Frieden, aber Blut beschloß der Himmel.
ISABELLA.
O ich weiß, du liebtest ihn, ich sah entzückt
Die schönen Bande zwischen euch sich flechten!
An deinem Herzen wolltest du ihn tragen,
Ihm reich ersetzen die verlornen Jahre.
Der blutge Mord kam deiner schönen Liebe
Zuvor – jetzt kannst du nichts mehr als ihn rächen.
DON CESAR.
Komm, Mutter, komm! hier ist kein Ort für dich,
Entreiß dich diesem unglückselgen Anblick!
Er will sie fortziehen.
ISABELLA fällt ihm um den Hals.
Du lebst mir noch! Du jetzt mein Einziger!
BEATRICE.
Weh, Mutter! Was beginnst du?
DON CESAR.
Weine dich aus
An diesem treuen Busen. Unverloren
Ist dir der Sohn, denn seine Liebe lebt
Unsterblich fort in deines Cesars Brust.
ERSTER CHOR.
Brechet auf, ihr Wunden!
Redet, ihr stummen!
In schwarzen Fluren
Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts.
ISABELLA beider Hände fassend.
O meine Kinder!
DON CESAR.
Wie entzückt es mich,
In deinen Armen sie zu sehen, Mutter!
Ja, laß sie deine Tochter sein! Die Schwester –
ISABELLA unterbricht ihn.
Dir dank ich die Gerettete, mein Sohn!
Du hieltest Wort, du hast sie mir gesendet.
DON CESAR erstaunt.
Wen, Mutter, sagst du, hab ich dir gesendet?
ISABELLA.
Sie mein ich, die du vor dir siehst, die Schwester.
DON CESAR.
Sie meine Schwester!
ISABELLA.
Welche andre sonst?
DON CESAR.
Meine Schwester?
ISABELLA.
Die du selber mir gesendet.
DON CESAR.
Und seine Schwester!
CHOR.
Wehe! Wehe! Wehe!
BEATRICE.
O meine Mutter!
ISABELLA.
Ich erstaune – Redet!
DON CESAR.
So sei der Tag verflucht, der mich geboren!
ISABELLA.
Was ist dir? Gott!
DON CESAR.
Verflucht der Schoß, der mich
Getragen! – Und verflucht sei deine Heimlichkeit,
Die all dies Gräßliche verschuldet! Falle
Der Donner nieder, der dein Herz zerschmettert,
Nicht länger halt ich schonend ihn zurück –
Ich selber, wiß es, ich erschlug den Bruder,
In ihren Armen überrascht ich ihn,
Sie ist es, die ich liebe, die zur Braut
Ich mir gewählt – den Bruder aber fand ich
In ihren Armen – alles weißt du nun!
– Ist sie wahrhaftig seine, meine Schwester,
So bin ich schuldig einer Greueltat,
Die keine Reu und Büßung kann versöhnen!
CHOR.
Es ist gesprochen, du hast es vernommen,
Das Schlimmste weißt du, nichts ist mehr zurück!
Wie die Seher verkündet, so ist es gekommen,
Denn noch niemand entfloh dem verhängten Geschick.
Und wer sich vermißt, es klüglich zu wenden,
Der muß es selber erbauend vollenden.
ISABELLA.
Was kümmerts mich noch, ob die Götter sich
Als Lügner zeigen, oder sich als wahr
Bestätigen? Mir haben sie das Ärgste
Getan – Trotz biet ich ihnen, mich noch härter
Zu treffen, als sie trafen – Wer für nichts mehr
Zu zittern hat, der fürchtet sie nicht mehr.
Ermordet liegt mir der geliebte Sohn,
Und von dem lebenden scheid ich mich selbst.
Er ist mein Sohn nicht – Einen Basilisken
Hab ich erzeugt, genährt an meiner Brust,
Der mir den bessern Sohn zu Tode stach.
– Komm, meine Tochter! Hier ist unsers Bleibens
Nicht mehr – den Rachegeistern überlaß ich
Dies Haus – Ein Frevel führte mich herein,
Ein Frevel treibt mich aus – Mit Widerwillen
Hab ichs betreten, und mit Furcht bewohnt,
Und in Verzweiflung räum ichs – Alles dies
Erleid ich schuldlos, doch bei Ehren bleiben
Die Orakel und gerettet sind die Götter.
Sie geht ab. Diego folgt ihr.
Beatrice. Don Cesar. Der Chor.
DON CESAR Beatrice zurückhaltend.
Bleib, Schwester! Scheide du nicht so von mir!
Mag mir die Mutter fluchen, mag dies Blut
Anklagend gegen mich zum Himmel rufen,
Mich alle Welt verdammen! Aber du
Fluche mir nicht! Von dir kann ichs nicht tragen.
BEATRICE zeigt mit abgewandtem Gesicht auf den Leichnam.
DON CESAR.
Nicht den Geliebten hab ich dir getötet!
Den Bruder hab ich dir und hab ihn mir
Gemordet – dir gehört der Abgeschiedne jetzt
Nicht näher an, als ich der Lebende,
Und ich bin mitleidswüdiger als er,
Denn er schied rein hinweg und ich bin schuldig.
BEATRICE bricht in heftige Tränen aus.
DON CESAR.
Weine um den Bruder, ich will mit dir weinen,
Und mehr noch – rächen will ich ihn! Doch nicht
Um den Geliebten weine! Diesen Vorzug,
Den du dem Toten gibst, ertrag ich nicht.
Den einzgen Trost, den letzten, laß mich schöpfen
Aus unsers Jammers bodenloser Tiefe,
Daß er dir näher nicht gehört als ich –
Denn unser furchtbar aufgelöstes Schicksal
Macht unsre Rechte gleich, wie unser Unglück.
In einen Fall verstrickt, drei liebende
Geschwister, gehen wir vereinigt unter,
Und teilen gleich der Tränen traurig Recht.
Doch wenn ich denken muß, daß deine Trauer
Mehr dem Geliebten als dem Bruder gilt,
Dann mischt sich Wut und Neid in meinen Schmerz,
Und mich verläßt der Wehmut letzter Trost.
Nicht freudig, wie ich gerne will, kann ich
Das letzte Opfer seinen Manen bringen,
Doch sanft nachsenden will ich ihm die Seele,
Weiß ich nur, daß du meinen Staub mit seinem
In einem Aschenkruge sammeln wirst.
Den Arm um sie schlingend, mit einer leidenschaftlich zärtlichen Heftigkeit.
Dich liebt ich, wie ich nichts zuvor geliebt,
Da du noch eine Fremde für mich warst.
Weil ich dich liebte über alle Grenzen,
Trag ich den schweren Fluch des Brudermords,
Liebe zu dir war meine ganze Schuld.
– Jetzt bist du meine Schwester und dein Mitleid
Fodr ich von dir als einen heilgen Zoll.
Er sieht sie mit ausforschenden Blicken und schmerzlicher Erwartung an, dann wendet er sich mit Heftigkeit von ihr.
Nein, nein, nicht sehen kann ich diese Tränen –
In dieses Toten Gegenwart verläßt
Der Mut mich und die Brust zerreißt der Zweifel –
– Laß mich im Irrtum! Weine im Verborgnen!
Sieh nie mich wieder – niemals mehr – Nicht dich,
Nicht deine Mutter will ich wiedersehen,
Sie hat mich nie geliebt! Verraten endlich
Hat sich ihr Herz, der Schmerz hat es geöffnet.
Sie nannt ihn ihren bessern Sohn! – So hat sie
Verstellung ausgeübt ihr ganzes Leben!
– Und du bist falsch wie sie! Zwinge dich nicht!
Zeig deinen Abscheu! Mein verhaßtes Antlitz
Sollst du nicht wiedersehn! Geh hin auf ewig!
Er geht ab. Sie steht unschlüssig, im Kampf widersprechender Gefühle, dann reißt sie sich los und geht.
CHOR.
– – – – – – –
Wohl dem! Selig muß ich ihn preisen,
Der in der Stille der ländlichen Flur,
Fern von des Lebens verworrenen Kreisen,
Kindlich liegt an der Brust der Natur.
Denn das Herz wird mir schwer in der Fürsten Palästen,
Wenn ich herab vom Gipfel des Glücks
Stürzen sehe die Höchsten, die Besten
In der Schnelle des Augenblicks!
Und auch der hat sich wohl gebettet,
Der aus der stürmischen Lebenswelle
Zeitig gewarnt sich herausgerettet
In des Klosters friedliche Zelle.
Der die stachelnde Sucht der Ehren
Von sich warf und die eitle Lust,
Und die Wünsche, die ewig begehren,
Eingeschläfert in ruhiger Brust,
Ihn ergeift in dem Lebensgewühle
Nicht der Leidenschaft wilde Gewalt,
Nimmer in seinem stillen Asyle
Sieht er der Menschheit traurge Gestalt.
Nur in bestimmter Höhe ziehet
Das Verbrechen hin und das Ungemach,
Wie die Pest die erhabenen Orte fliehet,
Dem Qualm der Städte wälzt es sich nach,
Auf den Bergen ist die Freiheit! Der Hauch der Grüfte
Steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte,
Die Welt ist vollkommen überall,
Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual.
Don Cesar. Der Chor.
DON CESAR gefaßter.
Das Recht des Herrschers üb ich aus zum letztenmal,
Dem Grab zu übergeben diesen teuren Leib,
Denn dieses ist der Toten letzte Herrlichkeit.
Vernehmt denn meines Willens ernstlichen Beschluß,
Und wie ichs euch gebiete, also übt es aus
Genau – Euch ist in frischem Angedenken noch
Das ernste Amt, denn nicht von langen Zeiten ists,
Daß ihr zur Gruft begleitet eures Fürsten Leib.
Die Totenklage ist in diesen Mauren kaum
Verhallt und eine Leiche drängt die andre fort
Ins Grab, daß eine Fackel an der andern sich
Anzünden, auf der Treppe Stufen sich der Zug
Der Klagemänner fast begegnen mag.
So ordnet denn ein feierlich Begräbnisfest
In dieses Schlosses Kirche, die des Vaters Staub
Verwahrt, geräuschlos bei verschloßnen Pforten an,
Und alles werde, wie es damals war, vollbracht.
CHOR.
Mit schnellen Händen soll dies Werk bereitet sein,
O Herr – denn aufgerichtet steht der Katafalk
Ein Denkmal jener ernsten Festlichkeit noch da,
Und an den Bau des Todes rührte keine Hand.
DON CESAR.
Das war kein glücklich Zeichen, daß des Grabes Mund
Geöffnet blieb im Hause der Lebendigen.
Wie kams, daß man das unglückselige Gerüst
Nicht nach vollbrachtem Dienste alsobald zerbrach?
CHOR.
Die Not der Zeiten und der jammervolle Zwist,
Der gleich nachher, Messina feindlich teilend, sich
Entflammt, zog unsre Augen von den Toten ab,
Und öde blieb, verschlossen, dieses Heiligtum.
DON CESAR.
Ans Werk denn eilet ungesäumt! Noch diese Nacht
Vollende sich das mitternächtliche Geschäft!
Die nächste Sonne finde von Verbrechen rein
Das Haus, und leuchte einem fröhlichern Geschlecht.
Der zweite Chor entfernt sich mit Don Manuels Leichnam.
ERSTER CHOR.
Soll ich der Mönche fromme Brüderschaft hieher
Berufen, daß sie nach der Kirche altem Brauch