Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...

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Das Seelenamt verwalte und mit heilgem Lied
Zur ewgen Ruh einsegne den Begrabenen?
DON CESAR.
Ihr frommes Lied mag fort und fort an unserm Grab
Auf ewge Zeiten schallen bei der Kerze Schein,
Doch heute nicht bedarf es ihres reinen Amts,
Der blutge Mord verscheucht das Heilige.
CHOR.
Beschließe nichts gewaltsam Blutiges, o Herr,
Wider dich selber wütend mit Verzweiflungstat:
Denn auf der Welt lebt niemand, der dich strafen kann,
Und fromme Büßung kauft den Zorn des Himmels ab.
DON CESAR.
Nicht auf der Welt lebt, wer mich richtend strafen kann,
Drum muß ich selber an mir selber es vollziehn.
Bußfertge Sühne, weiß ich, nimmt der Himmel an,
Doch nur mit Blute büßt sich ab der blutge Mord.
CHOR.
Des Jammers Fluten, die auf dieses Haus gestürmt,
Ziemt dir zu brechen, nicht zu häufen Leid auf Leid.
DON CESAR.
Den alten Fluch des Hauses lös ich sterbend auf,
Der freie Tod nur bricht die Kette des Geschicks.
CHOR.
Zum Herrn bist du dich schuldig dem verwaisten Land,
Weil du des andern Herrscherhauptes uns beraubt.
DON CESAR.
Zuerst den Todesgöttern zahl ich meine Schuld,
Ein andrer Gott mag sorgen für die Lebenden.
CHOR.
Soweit die Sonne leuchtet, ist die Hoffnung auch,
Nur von dem Tod gewinnt sich nichts! Bedenk es wohl.
DON CESAR.
Du selbst bedenke schweigend deine Dienerpflicht,
Mich laß dem Geist gehorchen, der mich furchtbar treibt,
Denn in das Innre kann kein Glücklicher mir schaun.
Und ehrst du fürchtend auch den Herrscher nicht in mir,
Den Verbrecher fürchte, den der Flüche schwerster drückt,
Das Haupt verehre des Unglücklichen,
Das auch den Göttern heilig ist – Wer das erfuhr,
Was ich erleide und im Busen fühle,
Gibt keinem Irdischen mehr Rechenschaft.
Donna Isabella. Don Cesar. Der Chor.
ISABELLA kommt mit zögernden Schritten und wirft unschlüssige Blicke auf Don Cesar. Endlich tritt sie ihm näher und spricht mit gefaßtem Ton.
Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen,
So hatt ich mirs in meinem Schmerz gelobt,
Doch in die Luft verwehen die Entschlüsse,
Die eine Mutter, unnatürlich wütend,
Wider des Herzens Stimme faßt – Mein Sohn!
Mich treibt ein unglückseliges Gerücht
Aus meines Schmerzens öden Wohnungen
Hervor – Soll ich ihm glauben? Ist es wahr,
Daß mir ein Tag zwei Söhne rauben soll?
CHOR.
Entschlossen siehst du ihn, festen Muts,
Hinabzugehen mit freiem Schritte
Zu des Todes traurigen Toren.
Erprobe du jetzt die Kraft des Bluts,
Die Gewalt der rührenden Mutterbitte
Meine Worte hab ich umsonst verloren.
ISABELLA.
Ich rufe die Verwünschungen zurück,
Die ich im blinden Wahnsinn der Verzweiflung
Auf dein geliebtes Haupt herunterrief
Eine Mutter kann des eignen Busens Kind,
Das sie mit Schmerz geboren, nicht verfluchen.
Nicht hört der Himmel solche sündige
Gebete, schwer von Tränen fallen sie
Zurück von seinem leuchtenden Gewölbe.
– Lebe, mein Sohn! Ich will den Mörder lieber sehn
Des einen Kindes, als um beide weinen.
DON CESAR.
Nicht wohl bedenkst du, Mutter, was du wünschest
Dir selbst und mir – Mein Platz kann nicht mehr sein
Bei den Lebendigen – Ja, könntest du
Des Mörders gottverhaßten Anblick auch
Ertragen, Mutter, ich ertrüge nicht
Den stummen Vorwurf deines ewgen Grams.
ISABELLA.
Kein Vorwurf soll dich kränken, keine laute
Noch stumme Klage in das Herz dir schneiden.
In milder Wehmut wird der Schmerz sich lösen,
Gemeinsam trauernd wollen wir das Unglück
Beweinen und bedecken das Verbrechen.
DON CESAR faßt ihre Hand, mit sanfter Stimme.
Das wirst du, Mutter. Also wirds geschehn.
In milder Wehmut wird dein Schmerz sich lösen –
Dann, Mutter, wenn ein Totenmal den Mörder
Zugleich mit dem Gemordeten umschließt,
Ein Stein sich wölbet über beider Staube,
Dann wird der Fluch entwaffnet sein – Dann wirst
Du deine Söhne nicht mehr unterscheiden,
Die Tränen, die dein schönes Auge weint,
Sie werden einem wie dem andern gelten,
Ein mächtiger Vermittler ist der Tod.
Da löschen alle Zornesflammen aus,
Der Haß versöhnt sich, und das schöne Mitleid
Neigt sich ein weinend Schwesterbild mit sanft
Anschmiegender Umarmung auf die Urne.
Drum, Mutter, wehre du mir nicht, daß ich
Hinuntersteige und den Fluch versöhne.
ISABELLA.
Reich ist die Christenheit an Gnadenbildern,
Zu denen wallend ein gequältes Herz
Kann Ruhe finden. Manche schwere Bürde
Ward abgeworfen in Loretos Haus,
Und segensvolle Himmelskraft umweht
Das heilge Grab, das alle Welt entsündigt.
Vielkräftig auch ist das Gebet der Frommen,
Sie haben reichen Vorrat an Verdienst,
Und auf der Stelle, wo ein Mord geschah,
Kann sich ein Tempel reinigend erheben.
DON CESAR.
Wohl läßt der Pfeil sich aus dem Herzen ziehn,
Doch nie wird das verletzte mehr gesunden.
Lebe, wers kann, ein Leben der Zerknirschung,
Mit strengen Bußkasteinugen allmählich
Abschöpfend eine ewge Schuld – Ich kann
Nicht leben, Mutter, mit gebrochnem Herzen.
Aufblicken muß ich freudig zu den Frohen,
Und in den Äther greifen über mir,
Mit freiem Geist – Der Neid vergiftete mein Leben,
Da wir noch deine Liebe gleich geteilt.
Denkst du, daß ich den Vorzug werde tragen,
Den ihm dein Schmerz gegeben über mich?
Der Tod hat eine reinigende Kraft,
In seinem unvergänglichen Palaste
Zu echter Tugend reinem Diamant
Das Sterbliche zu läutern und die Flecken
Der mangelhaften Menschheit zu verzehren.
Weit wie die Sterne abstehn von der Erde,
Wird er erhaben stehen über mir,
Und hat der alte Neid uns in dem Leben
Getrennt, da wir noch gleiche Brüder waren,
So wird er rastlos mir das Herz zernagen,
Nun er das Ewige mir abgewann,
Und jenseits alles Wettstreits wie ein Gott
In der Erinnerung der Menschen wandelt.
ISABELLA.
O hab ich euch nur darum nach Messina
Gerufen, um euch beide zu begraben!
Euch zu versöhnen, rief ich euch hieher
Und ein verderblich Schicksal kehret all
Mein Hoffen in sein Gegenteil mir um!
DON CESAR.
Schilt nicht den Ausgang, Mutter! Es erfüllt
Sich alles, was versprochen ward. Wir zogen ein
Mit Friedenshoffnungen in diese Tore,
Und friedlich werden wir zusammen ruhn,
Versöhnt auf ewig in dem Haus des Todes.
ISABELLA.
Lebe, mein Sohn! Laß deine Mutter nicht
Freundlos im Land der Fremdlinge zurück,
Rohherziger Verhöhnung preisgegeben,
Weil sie der Söhne Kraft nicht mehr beschützt.
DON CESAR.
Wenn alle Welt dich herzlos kalt verhöhnt,
So flüchte du dich hin zu unserm Grabe,
Und rufe deiner Söhne Gottheit an,
Denn Götter sind wir dann, wir hören dich,
Und wie des Himmels Zwillinge dem Schiffer
Ein leuchtend Sternbild, wollen wir mit Trost
Dir nahe sein und deine Seele stärken.
ISABELLA.
Lebe, mein Sohn! Für deine Mutter lebe!
Ich kanns nicht tragen, alles zu verlieren!
Sie schlingt ihre Arme mit leidenschaftlicher Heftigkeit um ihn, er macht sich sanft von ihr los und reicht ihr die Hand mit abgewandtem Gesicht.
DON CESAR.
Leb wohl!
ISABELLA.
Ach, wohl erfahr ichs schmerzlich fühlend nun,
Daß nichts die Mutter über dich vermag!
Gibts keine andre Stimme, welche dir
Zum Herzen mächtger als die meine dringt?
Sie geht nach dem Eingang der Szene.
Komm, meine Tochter! Wenn der tote Bruder
Ihn so gewaltig nachzieht in die Gruft,
So mag vielleicht die Schwester, die geliebte,
Mit schöner Lebenshoffnung Zauberschein
Zurück ihn locken in das Licht der Sonne.
Beatrice erscheint am Eingange der Szene. Donna Isabella. Don Cesar und der Chor.
DON CESAR bei ihrem Anblick heftig bewegt sich verhüllend.
O Mutter! Mutter! Was ersannest du?
ISABELLA führt sie vorwärts.
Die Mutter hat umsonst zu ihm gefleht,
Beschwöre du, erfleh ihn, daß er lebe.
DON CESAR.
Arglistge Mutter! Also prüfst du mich!
In neuen Kampf willst du zurück mich stürzen?
Das Licht der Sonne mir noch teuer machen
Auf meinem Wege zu der ewgen Nacht?
– Da steht der holde Lebensengel mächtig
Vor mir und tausend Blumen schüttet er
Und tausend goldne Früchte lebenduftend
Aus reichem Füllhorn strömend vor mir aus,
Das Herz geht auf im warmen Strahl der Sonne,
Und neu erwacht in der erstorbnen Brust
Die Hoffnung wieder und die Lebenslust.
ISABELLA.
Fleh ihn, dich oder niemand wird er hören,
Daß er den Stab nicht raube dir und mir.
BEATRICE.
Ein Opfer fodert der geliebte Tote,
Es soll ihm werden, Mutter – Aber mich
Laß dieses Opfer sein! Dem Tode war ich
Geweiht, eh ich das Leben sah. Mich fodert
Der Fluch, der dieses Haus verfolgt, und Raub
Am Himmel ist das Leben, das ich lebe.
Ich bins, die ihn gemordet, eures Streits
Entschlafne Furien gewecket – Mir
Gebührt es, seine Manen zu versöhnen!
CHOR.
O jammervolle Mutter! Hin zum Tod
Drängen sich eifernd alle deine Kinder,
Und lassen dich allein, verlassen, stehen
Im freudlos öden, liebeleeren Leben.
BEATRICE.
Du, Bruder, rette dein geliebtes Haupt,
Für deine Mutter lebe! Sie bedarf
Des Sohns, erst heute fand sie eine Tochter,
Und leicht entbehrt sie, was sie nie besaß.
DON CESAR mit tief verwundeter Seele.
Wir mögen leben, Mutter, oder sterben,
Wenn sie nur dem Geliebten sich vereinigt!
BEATRICE.
Beneidest du des Bruders toten Staub?
DON CESAR.
Er lebt in deinem Schmerz ein selig Leben,
Ich werde ewig tot sein bei den Toten.
BEATRICE.
O Bruder!
DON CESAR mit dem Ausdruck der heftigsten Leidenschaft.
Schwester, weinest du um mich?
BEATRICE.
Lebe für unsre Mutter!
DON CESAR läßt ihre Hand los, zurücktretend.
Für die Mutter?
BEATRICE neigt sich an seine Brust.
Lebe für sie und tröste deine Schwester.
CHOR.
Sie hat gesiegt! Dem rührenden Flehen
Der Schwester konnt er nicht widerstehen.
Trostlose Mutter! Gib Raum der Hoffnung,
Er erwählt das Leben, dir bleibt dein Sohn!
In diesem Augenblick läßt sich ein Chorgesang hören, die Flügeltüre wird geöffnet, man sieht in der Kirche den Katafalk aufgerichtet und den Sarg von Kandelabern umgeben.
DON CESAR gegen den Sarg gewendet.
Nein, Bruder! Nicht dein Opfer will ich dir
Entziehen – deine Stimme aus dem Sarg
Ruft mächtger dringend als der Mutter Tränen
Und mächtger als der Liebe Flehn – Ich halte
In meinen Armen, was das irdsche Leben
Zu einem Los der Götter machen kann –
Doch ich, der Mörder, sollte glücklich sein,
Und deine heilge Unschuld ungerächet
Im tiefen Grabe liegen – das verhüte
Der allgerechte Lenker unsrer Tage,
Daß solche Teilung sei in seiner Welt –
– Die Tränen sah ich, die auch mir geflossen,
Befriedigt ist mein Herz, ich folge dir.
Er durchsticht sich mit einem Dolch und gleitet sterbend an seiner Schwester nieder, die sich der Mutter in die Arme wirft.
CHOR nach einem tiefen Schweigen.
Erschüttert steh ich, weiß nicht, ob ich ihn
Bejammern oder preisen soll sein Los.
Dies eine fühl ich und erkenn es klar,
Das Leben ist der Güter höchstes nicht,
Der Übel größtes aber ist die Schuld.
Personen.
Karl der Siebente, König von Frankreich.
Königin Isabeau, seine Mutter.
Agnes Sorel, seine Geliebte.
Philipp der Gute, Herzog von Burgund.
Graf Dunois, Bastard von Orleans.
La Hire,
Du Chatel, königliche Offiziere.
Erzbischof von Reims.
Chatillon, ein burgundischer Ritter.
Raoul, ein lothringischer Ritter.
Talbot, Feldherr der Engelländer.
Lionel,
Fastolf, englische Anführer.
Montgomery, ein Walliser.
Ratsherren von Orleans.
Ein englischer Herold.
Thibaut d'Arc, ein reicher Landmann.
Margot,
Louison,
Johanna, seine Töchter.
Etienne,
Claude Marie,
Raimond, ihre Freier.
Bertrand, ein anderer Landmann.
Die Erscheinung eines schwarzen Ritters.
Köhler und Köhlerweib.
Soldaten und Volk, königliche Kronbediente, Bischöfe, Mönche, Marschälle, Magistratspersonen, Hofleute und andere stumme Personen im Gefolge des Krönungszuges.
Prolog
Eine ländliche Gegend. Vorn zur Rechten ein Heiligenbild in einer Kapelle; zur Linken eine hohe Eiche.
Erster Auftritt
Thibaut d'Arc. Seine drei Töchter. Drei junge Schäfer, ihre Freier.
THIBAUT.
Ja, liebe Nachbarn! Heute sind wir noch
Franzosen, freie Bürger noch und Herren
Des alten Bodens, den die Väter pflügten;
Wer weiß, wer morgen über uns befiehlt!
Denn aller Orten läßt der Engelländer
Sein sieghaft Banner fliegen, seine Rosse
Zerstampfen Frankreichs blühende Gefilde.
Paris hat ihn als Sieger schon empfangen,
Und mit der alten Krone Dagoberts
Schmückt es den Sprößling eines fremden Stamms.
Der Enkel unsrer Könige muß irren
Enterbt und flüchtig durch sein eignes Reich,
Und wider ihn im Heer der Feinde kämpft
Sein nächster Vetter und sein erster Pair,
Ja seine Rabenmutter führt es an.
Rings brennen Dörfer, Städte. Näher stets
Und näher wälzt sich der Verheerung Rauch
An diese Täler, die noch friedlich ruhn.
– Drum, liebe Nachbarn, hab ich mich mit Gott
Entschlossen, weil ichs heute noch vermag,
Die Töchter zu versorgen; denn das Weib
Bedarf in Kriegesnöten des Beschützers,
Und treue Lieb hilft alle Lasten heben.
Zu dem ersten Schäfer.
– Kommt, Etienne! Ihr werbt um meine Margot.
Die Äcker grenzen nachbarlich zusammen,
Die Herzen stimmen überein – das stiftet
Ein gutes Ehband!
Zu dem zweiten.
Claude Marie! Ihr schweigt,
Und meine Louison schlägt die Augen nieder?
Werd ich zwei Herzen trennen, die sich fanden,
Weil Ihr nicht Schätze mir zu bieten habt?
Wer hat jetzt Schätze? Haus und Scheune sind
Des nächsten Feindes oder Feuers Raub –
Die treue Brust des braven Manns allein
Ist ein sturmfestes Dach in diesen Zeiten.
LOUISON.
Mein Vater!
CLAUDE MARIE.
Meine Louison!
LOUISON Johanna umarmend.
Liebe Schwester!
THIBAUT.
Ich gebe jeder dreißig Acker Landes
Und Stall und Hof und eine Herde – Gott
Hat mich gesegnet und so segn er euch!
MARGOT Johanna umarmend.
Erfreue unsern Vater. Nimm ein Beispiel!
Laß diesen Tag drei frohe Bande schließen.
THIBAUT.
Geht! Machet Anstalt. Morgen ist die Hochzeit,
Ich will, das ganze Dorf soll sie mitfeiern.
Die zwei Paare gehen Arm in Arm geschlungen ab.
Zweiter Auftritt
Thibaut. Raimond. Johanna.
THIBAUT.
Jeanette, deine Schwestern machen Hochzeit,
Ich seh sie glücklich, sie erfreun mein Alter,
Du, meine Jüngste, machst mir Gram und Schmerz.
RAIMOND.
Was fällt Euch ein! Was scheltet Ihr die Tochter?
THIBAUT.
Hier dieser wackre Jüngling, dem sich keiner
Vergleicht im ganzen Dorf, der Treffliche,
Er hat dir seine Neigung zugewendet,
Und wirbt um dich, schon ists der dritte Herbst,
Mit stillem Wunsch, mit herzlichem Bemühn,
Du stößest ihn verschlossen, kalt, zurück,
Noch sonst ein andrer von den Hirten allen
Mag dir ein gütig Lächeln abgewinnen.
– Ich sehe dich in Jugendfülle prangen,
Dein Lenz ist da, es ist die Zeit der Hoffnung,
Entfaltet ist die Blume deines Leibes,
Doch stets vergebens harr ich, daß die Blume
Der zarten Lieb aus ihrer Knospe breche,
Und freudig reife zu der goldnen Frucht!
O das gefällt mir nimmermehr und deutet
Auf eine schwere Irrung der Natur!
Das Herz gefällt mir nicht, das streng und kalt
Sich zuschließt in den Jahren des Gefühls.
RAIMOND.
Laßts gut sein, Vater Arc! Laßt sie gewähren!
Die Liebe meiner trefflichen Johanna
Ist eine edle zarte Himmelsfrucht,
Und still allmählich reift das Köstliche!
Jetzt liebt sie noch, zu wohnen auf den Bergen,
Und von der freien Heide fürchtet sie
Herabzusteigen in das niedre Dach
Der Menschen, wo die engen Sorgen wohnen.
Oft seh ich ihr aus tiefem Tal mit stillem
Erstaunen zu, wenn sie auf hoher Trift
In Mitte ihrer Herde ragend steht,
Mit edelm Leibe, und den ernsten Blick
Herabsenkt auf der Erde kleine Länder.
Da scheint sie mir was Höhres zu bedeuten,
Und dünkt mirs oft, sie stamm aus andern Zeiten.
THIBAUT.
Das ist es, was mir nicht gefallen will!
Sie flieht der Schwestern fröhliche Gemeinschaft,
Die öden Berge sucht sie auf, verlässet
Ihr nächtlich Lager vor dem Hahnenruf,
Und in der Schreckensstunde, wo der Mensch
Sich gern vertraulich an den Menschen schließt,
Schleicht sie, gleich dem einsiedlerischen Vogel,
Heraus ins graulich düstre Geisterreich
Der Nacht, tritt auf den Kreuzweg hin und pflegt
Geheime Zweisprach mit der Luft des Berges.
Warum erwählt sie immer diesen Ort
Und treibt gerade hieher ihre Herde?
Ich sehe sie zu ganzen Stunden sinnend
Dort unter dem Druidenbaume sitzen,
Den alle glückliche Geschöpfe fliehn.
Denn nicht geheur ists hier, ein böses Wesen
Hat seinen Wohnsitz unter diesem Baum
Schon seit der alten grauen Heidenzeit.
Die Ältesten im Dorf erzählen sich
Von diesem Baume schauerhafte Mären,
Seltsamer Stimmen wundersamen Klang
Vernimmt man oft aus seinen düstern Zweigen.
Ich selbst, als mich in später Dämmrung einst
Der Weg an diesem Baum vorüberführte,
Hab ein gespenstisch Weib hier sitzen sehn.
Das streckte mir aus weitgefaltetem
Gewande langsam eine dürre Hand
Entgegen, gleich als winkt' es, doch ich eilte
Fürbaß und Gott befahl ich meine Seele.
RAIMOND auf das Heiligenbild in der Kapelle zeigend.
Des Gnadenbildes segenreiche Näh,
Das hier des Himmels Frieden um sich streut,
Nicht Satans Werk führt Eure Tochter her.
THIBAUT.
O nein! nein! Nicht vergebens zeigt sichs mir
In Träumen an und ängstlichen Gesichten.
Zu dreien Malen hab ich sie gesehn
Zu Reims auf unsrer Könige Stuhle sitzen,
Ein funkelnd Diadem von sieben Sternen
Auf ihrem Haupt, das Szepter in der Hand,
Aus dem drei weiße Lilien entsprangen,
Und ich, ihr Vater, ihre beiden Schwestern
Und alle Fürsten, Grafen, Erzbischöfe,
Der König selber, neigten sich vor ihr.
Wie kommt mir solcher Glanz in meine Hütte?
O das bedeutet einen tiefen Fall!
Sinnbildlich stellt mir dieser Warnungstraum
Das eitle Trachten ihres Herzens dar.
Sie schämt sich ihrer Niedrigkeit – weil Gott
Mit reicher Schönheit ihren Leib geschmückt,
Mit hohen Wundergaben sie gesegnet,
Vor allen Hirtenmädchen dieses Tals,
So nährt sie sündgen Hochmut in dem Herzen,
Und Hochmut ists, wodurch die Engel fielen,
Woran der Höllengeist den Menschen faßt.
RAIMOND.
Wer hegt bescheidnern tugendlichern Sinn
Als Eure fromme Tochter? Ist sies nicht,
Die ihren ältern Schwestern freudig dient?
Sie ist die hochbegabteste von allen,
Doch seht Ihr sie wie eine niedre Magd
Die schwersten Pflichten still gehorsam üben,
Und unter ihren Händen wunderbar
Gedeihen Euch die Herden und die Saaten;
Um alles was sie schafft, ergießet sich
Ein unbegreiflich überschwenglich Glück.
THIBAUT.
Jawohl! Ein unbegreiflich Glück. – Mir kommt
Ein eigen Grauen an bei diesem Segen!
– Nichts mehr davon. Ich schweige. Ich will schweigen;
Soll ich mein eigen teures Kind anklagen?
Ich kann nichts tun als warnen, für sie beten!
Doch warnen muß ich – Fliehe diesen Baum,
Bleib nicht allein, und grabe keine Wurzeln
Um Mitternacht, bereite keine Tränke,
Und schreibe keine Zeichen in den Sand –
Leicht aufzuritzen ist das Reich der Geister,
Sie liegen wartend unter dünner Decke,
Und leise hörend stürmen sie herauf.
Bleib nicht allein, denn in der Wüste trat
Der Satansengel selbst zum Herrn des Himmels.
Dritter Auftritt
Bertrand tritt auf, einen Helm in der Hand. Thibaut. Raimond. Johanna.
RAIMOND.
Still! Da kommt Bertrand aus der Stadt zurück.
Sieh, was er trägt!
BERTRAND.
Ihr staunt mich an, ihr seid
Verwundert ob des seltsamen Gerätes
In meiner Hand.
THIBAUT.
Das sind wir. Saget an.
Wie kamt Ihr zu dem Helm, was bringt Ihr uns
Das böse Zeichen in die Friedensgegend?
Johanna, welche in beiden vorigen Szenen still und ohne Anteil auf der Seite gestanden, wird aufmerksam und tritt näher.
BERTRAND.
Kaum weiß ich selbst zu sagen, wie das Ding